BVwG W246 2138514-1

BVwGW246 2138514-120.5.2019

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W246.2138514.1.00

 

Spruch:

W246 2138514-1/35E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX ), StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2016, Zl. 1089612007-151474607, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des

angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 20.05.2020 erteilt.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 01.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Am 02.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.

 

3. Am 27.05.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

 

Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er eines Tages die Schafe seiner Familie gehütet habe, wobei er ca. eine Stunde zu Fuß von seinem Heimatdorf entfernt gewesen sei. Als er in sein Heimatdorf zurückgekehrt sei, habe er das Haus seiner Familie abgebrannt und niemanden seiner Familie vorgefunden. Zudem habe er Teile von Leichen gesehen. In der Folge habe er sein Heimatdorf verlassen und eine ihm damals unbekannte Familie getroffen, mit der er zunächst nach Robot in die Nähe der iranischen Grenze und in weiterer Folge in den Iran gegangen sei. Im Iran sei er für zwei Jahre aufhältig gewesen und habe dort als Steinmetz gearbeitet.

 

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. erteilt, ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

5. Mit Verfahrensanordnung vom 20.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

 

6. Mit Schreiben vom 25.10.2016 erhob der Beschwerdeführer gegen den oben angeführten Bescheid vom 20.10.2016 fristgerecht - eine äußerst kurz gehaltene und wenig ins Detail gehende - Beschwerde, der er einen aktuellen Länderbericht der Schweizer Flüchtlingshilfe zur Sicherheitslage in Afghanistan anschloss.

 

7. Am 21.11.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht sowie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem er folgende Anträge stellte:

 

"1. Antrag auf Feststellung, dass der dem Beschwerdeführer nach § 52 BFA-VG zur Seite gestellte Rechtsberater eine Pflichtverletzung iSd § 48 Abs. 9 BFA-VG begangen hat

 

2. Antrag auf Umbestellung des nach § 52 BFA-VG zur Seite gestellten Rechtsberaters

 

3. Antrag auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht auf Umbestellung des nach § 52 BFA-VG zur Seite gestellten Rechtsberaters

 

4. eventualiter: Beschwerdeergänzung"

 

7.1. Zu seinem ersten Antrag (Pkt. 1.) führte der Beschwerdeführer aus, dass bei der Einbringung des als "Beschwerde" bezeichneten Schriftsatzes kein "Sprachmittler" anwesend gewesen sei, wobei jene Person, die den Schriftsatz verfasst und dann an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt habe, dem Beschwerdeführer den Inhalt des Schriftsatzes weder übersetzt noch erklärt habe. Der Schriftsatz sei dem angefochtenen Bescheid nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, sondern erschöpfe sich in allgemein gehaltenen Behauptungen. Da der Schriftsatz nur solche Begründungselemente bekämpfe, die für die Entscheidung unerheblich seien (Sicherheitslage in Bezug auf die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers), die erheblichen (Frage des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative) aber unbekämpft lasse, dränge sich der Schluss auf, dass der zur Seite gestellte Rechtsberater keine Ahnung von Rechtsberatung habe.

 

Der Rechtsberater habe durch das beschriebene Verhalten seine Pflichten insbesondere deshalb verletzt, weil er seine Beratungstätigkeit entgegen der in § 48 Abs. 2 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, getroffenen Anordnung weder objektiv noch nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt habe. Da eine Umbestellung nur dann ergehen werde können, wenn feststehe, dass der zur Seite gestellte Rechtsberater im konkreten Verfahren keinen Komplementärmechanismus gewährleisten könne, werde auf Grund seines Interesses an einem wirksamen Rechtsbehelf und einem wirksamen Zugang zum Gericht hiermit die Feststellung der Pflichtverletzung beantragt.

 

7.2. Zu seinem zweiten Antrag (Pkt. 2.) hielt der Beschwerdeführer fest, dass er in seinem Recht auf einen Rechtsberater verletzt sei, weil dieser ihm sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf iSd Art. 47 GRC zu ermöglichen habe. Da auf Grund des bisher gesetzten Verhaltens des ihm zur Seite gestellten Rechtsberaters nicht davon auszugehen sei, dass er den Beschwerdeführer in einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinreichend vertreten würde, sei vor dem Hintergrund seiner ihm sowohl nach Art. 47 leg.cit. als auch nach Art. 41 leg.cit. garantierten Rechte iVm mit jenen ihm nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2013/32/EU garantierten Rechten eine Umbestellung geboten.

 

Da dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach § 52 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, die Bestellung des Rechtsberaters obliege, obliege ihm auch die Umbestellung. So ab Vorlage der Beschwerde die Zuständigkeit vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen sein sollte, böte § 17 letzte Variante VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015, iVm der genannten Bestimmung eine Rechtsgrundlage zur Umbestellung.

 

7.3. Der dritte Antrag (Pkt. 3.) werde gestellt, weil ausschließlich ein seinen Obliegenheiten in vollem Umfang nachkommender Rechtsberater einen ausreichenden Komplementärmechanismus darstelle (s. VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, und VfGH 09.03.2016, G 447/2015 u.a.), der einen wirksamen Zugang zum Gericht iSd Art. 47 Abs. 3 GRC gewährleiste und die innerstaatliche Rechtsordnung keinen Antrag auf Umbestellung zu kennen scheine. Deshalb werde die Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht in der Weise beantragt, dass dem Antragsteller anstelle des sorglosen ein sorgfältiger und pflichtbewusster Rechtsberater zur Seite gestellt werden möge, der die unzureichende Beschwerde ergänze und dem Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeverfahren in einer Weise zur Seite stehe, wie es die Rechtsordnung vorsehe. Da die Richtlinie 2013/32/EU Asylwerbern nicht eine unzureichende, sondern eine ihnen ihr Recht auf einen wirksamen Zugang zu den Gerichten gewährleistende Rechtsberatung garantiere, sei die Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht in dem Sinn erforderlich und dringlich, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Beschwerdeführers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache (also seines nunmehr zu behandelnden Antrages auf internationalen Schutz) erlassen werde, um ihre Wirkungen zu entfalten (VwGH 20.03.2006, AW 2005/17/0016) und die volle Effektivität des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs sicherzustellen (VwGH 14.04.2016, Ra 2015/21/0190). Der Verwaltungsgerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass sowohl nationale Gerichte als auch Verwaltungsbehörden in der Lage sein müssen, die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen; die Regelung des einzuhaltenden Verfahrens sei den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie überlassen, wobei das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip zu beachten und die sachnächsten Regelungen heranzuziehen seien (VwGH 23.10.2015, Fr 2015/21/0012). Ob in gegenständlicher Sache eine sinngemäße Anwendung der Regelung über die aufschiebende Wirkung sinnvoll sei, sei dahingestellt, weil im Gegensatz zu der in der zitierten Entscheidung behandelten "Verhaltensbeschwerde" nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Beschwerde in der Hauptsache des gegenständlichen Verfahrens aufschiebende Wirkung zukomme und die §§ 13 Abs. 4 und 22 Abs. 2f VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015, auf die gegenständliche Konstellation nicht zugeschnitten scheinen. Nichtsdestotrotz hätten wie oben erwähnt nationale Gerichte und Verwaltungsbehörden die volle Wirksamkeit (auf welche Weise auch immer) sicherzustellen. Da der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.10.2016, A15/2015, Rz 35, auf die "Sachnähe der für die Vollziehung [...] im Anwendungsbereich [der unionsrechtlichen Bestimmungen] zuständigen Behörde" abstelle, werde der gegenständliche Antrag zwar in erster Linie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, aus Vorsicht aber auch beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundeskanzler eingebracht (§ 48 Abs. 4 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016).

 

7.4. Zum Beweis der mangelhaften Tätigkeit von Rechtsberatern des Vereins Menschenrechte Österreich legt der Beschwerdeführer eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in einem anderen Verfahren samt der dazugehörigen Beschwerde vor, in der der erstinstanzliche Bescheid auf Grund der mangelhaft ausgeführten Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestätigt wurde (BVwG 13.10.2016, W220 2134149-1).

 

7.5. Schließlich ergänzte der Beschwerdeführer "in eventu" die Ausführungen der im Wege des Rechtsberaters erhobenen Beschwerde.

 

8. Mit Bescheid vom 05.01.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, dass der ihm zur Seite gestellte Rechtsberater eine Pflichtverletzung iSd § 48 Abs. 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, begangen habe, gemäß § 6 AVG iVm § 48 Abs. 9 und § 52 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, wegen Unzuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt I.). Weiters wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Umbestellung des nach § 52 leg.cit. zur Seite gestellten Rechtsberaters gemäß § 6 AVG iVm § 52 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, und § 20 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015, wegen Unzuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt II.). Schließlich wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch den Antrag auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht gemäß § 6 AVG iVm § 52 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, und §§ 20 sowie 22 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015, wegen Unzuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt III.).

 

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20.06.2018 zur Zl. W246 2138514-2 als unbegründet ab.

 

Der Verwaltungsgerichtshof wies - nach zuvor erfolgter Bewilligung der Verfahrenshilfe - die vom Beschwerdeführer gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Revision mit Erkenntnis vom 14.02.2019, Zl. Ra 2018/18/0409-6, als unbegründet ab.

 

9. Mit Schreiben vom 20.02.2017 ergänzte der Beschwerdeführer seine in seinem Schreiben vom 21.11.2016 getätigten Ausführungen zu seinem zweiten Antrag ("Ergänzung zum Antrag auf Umbestellung des dem Beschwerdeführer nach § 52 BFA-VG zur Seite gestellten Rechtsberaters VMÖ").

 

10. Mit Schreiben vom 04.06.2018 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Verein Menschenrechte Österreich vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer getroffenen Behauptungen zur mangelhaften Ausübung der Tätigkeit als Rechtsberater dazu auf, Details zu den im Verfahren erfolgten Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten als Rechtsberater iSd § 52 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 32/2018, bekannt zu geben.

 

11. Der Verein Menschenrechte Österreich kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 19.06.2018 nach und legte dar, welche Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten im vorliegenden Fall aus seiner Sicht erfolgt seien.

 

12. Nach Übermittlung des unter Pkt. I.11. angeführten Schreibens des Vereins Menschenrechte Österreich nahm der Beschwerdeführer dazu mit Schreiben vom 12.07.2018 und 20.07.2018 Stellung.

 

Weiters ergänzte der Beschwerdeführer hierbei seine bisherigen Beschwerdeausführungen und legte zudem einen Arztbrief eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 02.07.2018 (wonach der Beschwerdeführer an einer Depression, einem Angstsyndrom, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Konzentrationsstörung leiden würde) samt Überweisung in ein EEG-Labor, eine Medikamentenverschreibung sowie mehrere Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich vor.

 

13. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Verein Menschenrechte Österreich die Schreiben des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 und 20.07.2018 zur Stellungnahme, woraufhin der Verein Menschenrechte Österreich mit Schreiben vom 21.09.2018 weitere Ausführungen zu den von ihm im vorliegenden Verfahren getätigten Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten darlegte.

 

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.12.2018 u.a. in Anwesenheit seiner - nur für die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bevollmächtigten - Rechtsvertreterin (Caritas) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der er ausführlich zu den im vorliegenden Fall erfolgten Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten des ihm zur Seite gestellten Rechtsberaters (Verein Menschenrechte Österreich), zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran und zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. An der Verhandlung nahm kein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl teil; dieses führte in der Beschwerdevorlage aus, dass es auf die Teilnahme an einer Verhandlung verzichten würde.

 

Dabei führte der Beschwerdeführer über seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Angaben hinausgehend an, dass es in der Gegend, in der sein Heimatdorf gelegen sei, immer wieder zu Kämpfen zwischen den Taliban und staatlichen Sicherheitskräften gekommen sei. Weiters habe es dort immer wieder Probleme mit den Kuchi-Nomaden gegeben, die ihr Vieh auf den landwirtschaftlichen Grundstücken der Dorfbewohner freigelassen hätten. Der Vater des Beschwerdeführers habe auf seinen landwirtschaftlichen Grundstücken u. a. auch Opium angebaut, weshalb er sowohl mit dem Staat als auch mit den Taliban Probleme gehabt habe und immer wieder von diesen gewarnt worden sei.

 

Der Beschwerdeführer brachte in der Verhandlung neben mehreren Unterlagen seine Integration in Österreich betreffend insbesondere folgende Unterlagen in Vorlage:

 

* Kurzbrief einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 13.11.2018 (samt Medikamentenverordnung und Packungen der dem Beschwerdeführer verschriebenen Medikamente), wonach er u.a. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden würde

 

* Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie des Landesklinikums Wiener Neustadt vom 29.11.2018 samt Blutbild, wonach der Beschwerdeführer an Bauchschmerzen leiden würde (Abklärung einer Gastritis)

 

* Ärztlicher Befundbericht einer Fachärztin für Urologie und Andrologie vom 08.02.2016, wonach der Beschwerdeführer u.a. unter Leistenschmerzen links leiden würde

 

15. Mit Schreiben vom 11.01.2019 und 30.01.2019 nahm der Beschwerdeführer zu den in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung und traf weitere Ausführungen betreffend sein Verfahren.

 

16. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom jeweils 18.04.2019 u.a. aktuelles Länderberichtsmaterial.

 

17. Der Beschwerdeführer nahm mit Schreiben vom 07.05.2019 hierzu Stellung und legte dabei u.a. eine Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 15.04.2019 hinsichtlich der beim Beschwerdeführer durchgeführten Behandlung vor. Dieses Schreiben wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.05.2019 übermittelt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Unterlagen, der vom Beschwerdeführer sowie vom Verein Menschenrechte Österreich eingebrachten Schreiben, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des beim Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W246 2138514-2 protokollierten Verfahrens, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran, zu seinen Ausreisen aus Afghanistan sowie dem Iran und zu seinem gesundheitlichen Zustand:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

 

Er führt den Namen XXXX und ist am XXXX in einem Dorf in der Provinz Helmand in Afghanistan geboren, wo er auch aufgewachsen ist. In Afghanistan besuchte der Beschwerdeführer fünf Jahre lang eine Koranschule, in der er Religionsunterricht erhielt, und arbeitete von seiner Kindheit an als Hirte, wobei er v.a. die Schafe seiner Familie hütete. Der Vater des Beschwerdeführers hatte landwirtschaftliche Grundstücke, auf denen er u.a. auch Opium anbaute; aus diesem Grund hatte der Vater des Beschwerdeführers öfters Probleme mit dem Staat und den Taliban. Weiters gab es in der Gegend, in der das Dorf des Beschwerdeführers liegt, auch immer wieder Probleme mit Kuchi-Nomaden, die ihr Vieh auf den landwirtschaftlichen Grundstücken der Dorfbewohner freiließen.

 

1.1.2. Als der Beschwerdeführer eines Tages vom Hüten der Schafe in sein Dorf zurückkam, standen mehrere Häuser des Dorfes - wie auch das Haus seiner Familie - in Flammen. Der Beschwerdeführer nahm Spuren von Kampfhandlungen und Leichenteile wahr, wobei sich keine lebenden Personen mehr im Dorf befanden. Der Beschwerdeführer konnte die von ihm wahrgenommenen Leichenteile nicht seinen Familienangehörigen zuordnen. Es kann nicht festgestellt werden, wer diesen Angriff auf das Dorf des Beschwerdeführers ausgeübt hat. Er verließ daraufhin das Dorf und traf nach kurzer Zeit auf eine - ihm damals unbekannte - Familie, die den Beschwerdeführer mitnahm, mit der ca. ein Jahr in einem Ort in der Nähe der iranischen Grenze verbrachte und mit der er in weiterer Folge in der Hoffnung auf bessere Lebensumstände aus Afghanistan ausreiste und in den Iran ging.

 

Im Iran trennte sich der Beschwerdeführer nach kurzer Zeit von dieser Familie und war in der Folge für ca. zwei Jahre in einer Fabrik tätig. Dabei musste er v.a. Steine von LKWs abladen sowie zu Maschinen tragen, bei denen sie dann zurechtgeschnitten wurden.

 

Schließlich reiste der Beschwerdeführer, der im Iran illegal aufhältig war, aufgrund der schlechten Lebensumstände aus dem Iran aus und gelangte nach Österreich, wo er am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan noch nie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul aufhältig.

 

1.1.3. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern, seinen fünf Schwestern sowie seinen vier Brüdern. Der Aufenthaltsort dieser Familienangehörigen ist dem Beschwerdeführer seit dem oben unter Pkt. II.1.1.2. festgestellten Vorfall nicht bekannt.

 

1.1.4. Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen, einem Angstsyndrom und einer Konzentrationsstörung, weshalb er sich in einer Gesprächstherapie sowie in medikamentöser Behandlung befindet. Weiters bekam der Beschwerdeführer seit seinem Aufenthalt in Österreich zwei Mal so heftige "Anfälle" ("Unwohlsein, Schwäche, Schwindel" uÄ.), dass er mit der Rettung in das Krankenhaus eingeliefert werden musste. Schließlich leidet der Beschwerdeführer u.a. an Flanken- und Leistenschmerzen auf seiner linken Seite, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seine körperliche Arbeit im Iran zurückzuführen sind.

 

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Es ist weder konkret der Beschwerdeführer auf Grund seiner Eigenschaft als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, noch ist jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein auf Grund dieses Merkmals zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

 

Weiters ist weder der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich für zwei Jahre im Iran sowie zuletzt in Europa aufgehalten und hier eine "westliche Wertehaltung" kennengelernt hat, noch ist jeder afghanische Staatsangehörige, der aus dem Iran oder aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan allein aus diesem Grund zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

 

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 26.03.2019 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

Sicherheitslage

 

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

 

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017)

 

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016 ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018)

 

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt, vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkten Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018)

 

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

 

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

 

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/Innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

 

Zivilist/innen

 

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte); damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Von 1.1.2009 - 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registrierte die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

 

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben; dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018)

 

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018)

 

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte) und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

 

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u.a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert, ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände ("explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte), ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

 

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, dies trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

 

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen die Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

 

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk, Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: Das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

 

Taliban

 

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban ("governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO-Mission-Resolute-Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt werden, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

 

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht; es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

 

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld, insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

 

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig, Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren; dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch, die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

 

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten, die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt, inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

 

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich, eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos, greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018), sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

 

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

 

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

 

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

 

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt, finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden, inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

 

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban hat das Netzwerk mit mehreren anderen aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

 

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren; zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

 

Al-Qaida

 

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen, sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.2017 - 20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

 

Sicherheitsbehörden

 

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: Das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist (USDOD 6.2017).

 

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).

 

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u.a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018).

 

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).

 

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban-Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5 .2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).

 

Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a). Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o. D.).

 

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).

 

Geheimdienstliche Tätigkeiten

 

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus (USDOD 6.2017). Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach (USDOD 6.2017). Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt (SIGAR 30.4.2018a).

 

Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 20.4.2018). Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANA- und ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich (TD 24.7.2017).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert (SIGAR 30.4.2018b).

 

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren (DB 23.3.2010). Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind (GRIPS 1.2010). Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben (USIP 5.2014). Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern (MoI o.D.).

 

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorftältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden (SIGAR 30.4.2018a). Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen (AAN 5.7.2017; vgl. AAN 22.5.2018). Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen (AAN 22.5.2018; vgl. AAN 5.7.2017). Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AAN 31.1.2017).

 

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden (SIGAR 30.4.2018a). Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw. (AAN 5.7.2017).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% (SIGAR 30.4.2018a).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte (USDOD 6.2017). Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 20.4.2018).

 

Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen (SIGAR 30.4.2018b). Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2% (SIGAR 30.4.2018a).

 

Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen (RSIS 1.6.2007; vgl. JCISFA 3.2011). Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere (JCISFA 3.2011).

 

Resolute Support Mission (RS)

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekräter Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll (NATO o.D.). Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z.B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw. (SIGAR 30.4.2018a).

 

Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO o.D.). Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AJ 16.5.2018). Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF (TD 24.7.2017).

 

Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen

 

Balkh

 

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

 

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana (Anm.: Provinzhauptstadt Faryab) und Pul-e-Khumri (Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan); sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

 

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

 

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

 

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

 

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

 

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018) sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Balkh

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

 

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

 

Herat

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan werden als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe betrachtet (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen, ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

 

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz mindestens 8 Tonnen Safran produziert, im Vorjahr 2016 waren es 6,5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

 

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

 

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

 

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie in Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

 

Die Provinz ist u.a. als ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt, speziell für den Schmuggel von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

 

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Herat

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

 

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

 

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara und Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul, beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

 

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen, den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

 

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Der öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

 

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" ("der grüne Gürtel"), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone", dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt; alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

 

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018); auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

 

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 - 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte; fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

 

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

 

Helmand

 

Die Provinz Helmand hat eine Fläche von 36.402 km2 und ist damit die größte Provinz Afghanistans (VOA 12.3.2018; vgl. TD 31.5.2016). Helmand hat, inklusive der Hauptstadt Lashkargah City, folgende administrative Einheiten: Nadali, Marja, Garmsir, Khanshin, Disho, Nava, Greshk, Sangin, Kajaki, Musa Qala, Baghran, Noorzad und Washir. Im Osten grenzt sie an die Provinz Kandahar, im Norden an Uruzgan, Daikundi und Ghor; im Westen grenzt sie an die Provinzen Farah und Nimroz und im Osten an die Durandlinie (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.ab). In der Provinz Helmand befinden sich ein regionaler Flughafen und zwei militärische Flughäfen.

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 955.970 geschätzt (CSO 4.2017).

 

Helmand ist eine der landwirtschaftlich fruchtbarsten Provinzen Afghanistans. Der Fluss Helmand fließt in einem relativ gut organisierten Kanalsystem durch die Provinz und bewässert somit Agrarflächen (TD31.5.2016). Die Provinz ist ein großes Zentrum der Opiumproduktion (IWPR 28.2.2018), welches in hohem Maße die Finanzen der Taliban unterstützt (Pajhwok 1.2.2018; vgl. NPR 8.11.2017, TD 31.5.2016;) und Korruption unter Politikern fördert (NPR 8.11.2017). Schätzungen Regierungsbeamter zufolge haben die Taliban Anfang des Jahres 2017 85% der mohnanbauenden Provinz Helmand kontrolliert (RFERL 12.2.2018). Das Klima in der Provinz eignet sich zum Anbau eines großen Spektrums an Kulturpflanzen (TD 31.5.2016). Beamten zufolge bauen immer mehr Bauern in den zentralen, südlichen und nördlichen Distrikten von Helmand Mohn an (Tolonews 5.3.2018). Helmand war im Jahr 2017 die Provinz mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

 

Berichten zufolge wurde die Provinz Helmand in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 zu den volatilen Provinzen des Südens gezählt, in welcher aufständische Gruppierungen in einer Anzahl von Distrikten aktiv waren und Angriffe ausführten (Khaama Press 10.3.2018; vgl. Khaama Press 6.2.2018, Khaama Press 24.1.2018, Khaama Press 17.1.2018, RFERL 15.2.2018, Xinhua 20.2.2018). Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die afghanischen Kräfte, unterstützt von US-amerikanischen Truppen, in den vorangegangen Monaten an Boden gewinnen konnten (JDN 5.2.2018), wenngleich die Taliban rund die Hälfte der Provinz kontrollierten (JDN 5.2.2018; vgl. BBC 1.3.2018).

 

Sangorian, eine regierungsnahe Milliz mit etwa 500 - 1.000 Kämpfern, wurde durch den afghanischen Geheimdienst (NDS - Directorate of National Security) gegründet, um die Aufständischen Gruppierungen zu unterlaufen und sie intern zu bekämpfen. Die Sangorian sehen sich selbst dafür verantwortlich, Versuche der Taliban, die Provinzhauptstadt Lashkar Gah einnehmen zu wollen, zu vereiteln (RFERL 15.2.2018).

 

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017 - 15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in den Provinzen Helmand, Kandahar, Nimroz, Kunduz, Ghazni und Farah verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 329 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im Jahr 2017 war Helmand die Provinz mit der dritthöchsten Anzahl registrierter Anschläge (Pajhwok 14.1.2018).

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Helmand 991 zivile Opfer (386 getötete Zivilisten und 605 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Blindgängern/Landminen. Dies bedeutet eine Steigerung von 10% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. So machte im Jahr 2017 die Anzahl ziviler Opfer, die aus Luftangriffen resultierten, im Distrikt Sangin der Provinz Helmand, im Distrikt Chahar Dara der Provinz Kunduz und im Distrikt Deh Bala der Provinz Nangarhar 50% der zivilen Opfer durch internationale Luftangriffe in Afghanistan insgesamt aus und war damit vergleichsweise hoch (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Helmand

 

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt (Tolonews 14.3.2018; vgl. RFERL 10.3.2018, Tolonews 4.3.2018, Tolonews 25.2.2018, Khaama Press 24.1.2018, Khaama Press 17.1.2018, Xinhua 20.2.2018, TN 23.10.2017, Tolonews 18.9.2017, Tolonews 30.5.2017); dabei wurden u.a. Gefangene der Taliban befreit (RFE/RL 31.5.2018; vgl. Tolonews 31.5.2018).

 

Auch kommt es zu Luftangriffen (Khaama Press 10.3.2018; vgl. Tolonews 1.3.2018, MF 13.3.2018, IWPR 28.2.2018, Khaama Press 3.12.2017), bei denen Aufständische teils schwere Verluste hinnehmen müssen (Khaama Press 10.3.2018; vgl. Xinhua 20.2.2018, Reuters 3.12.2017). Mit Luftangriffen wird auch gezielt gegen illegale Drogenlabore vorgegangen, die in Helmand eine Haupteinnahmequelle der Taliban darstellen (WP 20.11.2017; vgl. WP 21.11.2017, Reuters 3.12.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Helmand

 

Helmand ist bekannt dafür, eine Festung der Taliban zu sein (Xinhua 20.2.2018); sie kontrollieren oder beeinflussen weite Teile der afghanischen Provinz (NPR 8.11.2017; vgl. VOA 12.3.2018), speziell die nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Diese waren lange Zeit ein Schlachtfeld, speziell die Gegend um den Distrikt Sangin (JDN 5.2.2018; vgl. Tolonews 29.5.2017, NYT 23.3.2017).

 

Die Taliban greifen Kontrollposten und kleinere Stützpunkte während der Nacht an (NYT 24.2.2018; vgl. Tolonews 27.2.2018). So wurden die umstrittenen nächtlichen Anti-Terrorismus-Razzien durch die afghanischen Spezialkräfte wieder eingeführt. Umstritten deswegen, weil sie in der Vergangenheit zu hohen zivilen Opfern führten und als inakzeptabler Verstoß gegen die Privatsphäre gesehen wurden. Mittlerweile werden sie von lokalen Beamten und Aktivist/innen mit Vorsicht begrüßt (IWPR 28.2.2018).

 

Für die Talibanaufständischen war das Jahr 2017 eines der tödlichsten Jahre in Helmand: So kamen 2.000 Taliban ums Leben (Tolonews 19.2.2018). Auch die anhaltenden militärischen Operationen gegen die Taliban haben diese geschwächt (Pajhwok 13.1.2018; vgl. VOA 12.3.2018). Nichtsdestotrotz rekrutieren die Taliban nach wie vor lokale Jugendliche. Arbeitsmöglichkeiten sind gering, deswegen schließen sich die Menschen den Taliban an (Tolonews 19.2.2018).

 

Eine Nichtregierungsorganisation im Bildungsbereich unterzeichnete mit den Taliban in Helmand eine Absichtserklärung (memorandum of understanding - MoU), in der es um eine Lösung im Bildungsbereich geht. Beide Seiten einigten sich auf den Schutz von Madrassen, Schulen und anderen Gebäuden sowie auf die Eröffnung von geschlossenen Schulen und Madrassen. Die Bildungsabteilung der Provinz war nicht involviert; dies wurde vom Sprecher des Gouverneurs bestätigt (MF 14.2.2018).

 

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden in der Provinz keine Vorfälle zwischen dem IS und den Streitkräften gemeldet, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 Zusammenstöße zwischen IS-Anhängern und den Streitkräften registriert wurden (ACLED 23.2.2018).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

 

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des Inhabers/der Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

 

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

 

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

 

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

 

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

 

Christentum und Konversionen zum Christentum

 

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5 .2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

 

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

 

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5 .2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9 .2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

 

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5 .2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

 

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

 

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war, diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

 

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist; außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara; nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).

 

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).

 

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

 

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

 

In den Jahren 2016 - 2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013 - 2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

 

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

 

Projekte der afghanischen Regierung

 

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u.a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program", ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).

 

Das "Citizens' Charter National Priority Program" z.B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Erreichbarkeit von Orten

 

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land, dies vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

 

Ring Road

 

Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (HP 9.10.2015; vgl. FES 2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (Tolonews 9.12.2017). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB, Anm.) genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertig zu stellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anm.) mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anm.) verbinden. Dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße, welche die großen Städte Afghanistans miteinander verbindet. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Fernstraße wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet, als auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

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Flugverbindungen

 

Internationale Flughäfen in Afghanistan

 

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

 

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

 

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie - führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen, sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Internationaler Flughafen Kandahar

 

Der internationale Flughafen Kandahar befindet sich 16 km von Kandahar-Stadt entfernt und ist einer der größten Flughäfen des Landes (MB o.D.). Er hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge (Pajhwok 3.6.2015). Der Flughafen ist Ziel nationaler sowie internationaler Flüge, z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten (Pajhwok 3.6.2015; vgl. Pajhwok 16.9.2017). Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist dort ebenso zu finden, wie Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015; LCA 5.1.2018).

 

Internationaler Flughafen Herat

 

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

 

Rückkehr

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012 - 2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012 - 2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194), zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt

98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

 

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung, die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak-Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer mit jeweils 2 - 3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, einem Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr- und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance), eine gemeinnützige Organisation, bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: Pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen, welche einen Rechtsbeistand benötigen, an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben, alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen -, sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politischen Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse; auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Afghanische Flüchtlinge in Pakistan

 

Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeit der PoR-Cards (Proof of Registration Cards) für die 1.4 Millionen afghanische Flüchtlinge im Land bis 30.6.2018 verlängert, vorbehaltlich der Prüfung nach den bevorstehenden Bundeswahlen in Pakistan und der Ernennung des neuen Kabinetts. Zusätzlich hat NADRA (National Database and Registration Authority) damit begonnen, die sogenannte Afghan Citizen Card (ACC) an 878.000 nicht registrierte Afghanen zu verteilen, die sich seit 16.8.2017 in 21 Registrierungszentren in Pakistan haben registrieren lassen; bis 28.2.2018 wurden der Registrierungsprozess für die ACC abgeschlossen, die Zentren bleiben nach wie vor offen, um die Karten zu verteilen. Die Karten sind bis 30.6.2018 gültig; deren Besitzer sind verpflichtet, bis dahin nach Afghanistan zurückzukehren, um Dokumente zu beantragen (einen afghanischen Pass und ein Visum für Pakistan) bevor sie nach Pakistan zurückkehren. Die restlichen rund 200.000 nicht-registrierten Afghan/innen könnten möglicherweise einer Deportation ausgesetzt sein. Bis 12.3.2018 erhielten 175.321 ihre ACC (IOM 20.3.2018).

 

Afghanische Flüchtlinge im Iran

 

Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).

 

Trotz aller Kritik sind sich UNHCR und NGOs einig, dass dem Iran im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen mehr Anerkennung zusteht, als ihm zuteil wird (AN 17.3.2018). So haben sich die Zugangsmöglichkeiten für afghanische Flüchtlinge zum Gesundheits- und Bildungswesen sowie zu sozialen Absicherungsmaßnahmen in Iran verbessert (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vgl. AN 17.3.2017, EN 26.10.2017, DW 22.9.2017). Der Iran hat einen Präzedenzfall geschaffen, indem allen Flüchtlingen im Land Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversicherung Salamat Universal Public Health Insurance (UPHI) eröffnet wurde; diese Versicherung ist jenen Versicherungsleistungen ähnlich, zu denen iranische Staatsbürger/innen Zugang haben (UNHCR 17.10.2017; vgl. GV 3.1.2015).

 

Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vgl. UNHCR 17.10.2017). Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).

 

Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).

 

Weiterführende Informationen über die Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem von der Staatendokumentation des BFA übersetzten LIFOS-Bericht über Afghanen im Iran entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs) (UN GASC 27.2.2018). Im Zeitraum 2012 - 2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen (IOM/DTM 26.3.2018).

 

Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).

 

Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya (IOM 8.5.2018; vgl. IOM/DTM 26.3.2018). Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (USAID 30.4.2018).

 

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 20.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (UN OCHA 12.2017).

 

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 5 .2018).

 

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden (USDOS 20.4.2018).

 

Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw. (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018, UN OCHA 21.1.2018).

 

Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018).

 

Medizinische Versorgung

 

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).

 

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u.a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011 - 2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012 - 2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

 

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: Das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

 

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen, ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).

 

Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:

 

* Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University

Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

* Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

* Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)

 

* Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vgl. AB 20.1.2016, MoPH 11.2012)

 

* Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.:

+93 (0)202100359 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)

 

* Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o. D.c, MoPH 11.2012)

 

* Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.:

+93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)

 

* Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vgl. IAM o.D., MoPH 11.2012)

 

* Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)

 

* Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vgl. Tolonews 1.6.2017)

 

* Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. Pajhwok 3.8.2017)

 

* Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vgl. ICRC 3.2.2017)

 

Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:

 

* Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5th Phase, Qragha Road, Kabul,

Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)

 

* Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road,

Kabul, Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)

 

* Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)

 

* DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)

 

* French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o. D.)

 

* Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)

 

* Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)

 

1.3.2. Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme der Ländersachverständigen ASEF vom 15.09.2017 u.a. zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

"[...]

 

Berichten der internationalen Hilfsorganisationen zufolge leben geschätzte drei Millionen afghanische Flüchtlinge in Pakistan sowie zirka 2,5 Millionen im Iran. Darunter befinden sich viele im Exil geborene Afghanen der zweiten und dritten Generation.

 

Besonders im Iran sind afghanische Staatsangehörige nicht erwünscht, wo sie sehr benachteiligt sind und kaum über eine Perspektive verfügen. Bereits seit November 2013 schickt der Iran tausende Afghanen zum Kampf gegen die IS nach Syrien. Im Gegenzug verspricht die iranische Regierung afghanischen Flüchtlingen das Bleiberecht im Iran oder finanzielle Anreize. Einigen Afghanen soll aber auch mit der Abschiebung gedroht worden sein, falls sie sich weigern sollten, nach Syrien zu gehen. Am 2. Mai 2016 verabschiedete das Teheraner Parlament ein Gesetz, wonach im Falle eines Todes die Angehörigen der afghanischen Kämpfer die iranische Staatsbürgerschaft erhalten. Damit bestätigte die iranische Regierung erstmals die Existenz ausländischer Söldner.

 

Zur Situation von Rückkehrern in Afghanistan:

 

Afghanische Rückkehrer geraten beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan in gravierende Schwierigkeiten. Diese verfügen über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwert die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr der meisten in ihre Heimatregionen. Es wird berichtet, dass viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut verlassen müssen und in die Städte ausweichen, insbesondere nach Kabul, wo es ihnen nach der Rückkehr auch wirtschaftlich schlechter geht als im Exilland.

 

Es darf nicht ungesagt bleiben, dass Rückkehrer bei ihrer Ankunft in Afghanistan nach einer Abwesenheit bemerken, dass sie weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen - falls überhaupt vorhanden - ausgeschlossen werden. Damit ist gemeint, dass es für Rückkehrer besonders schwierig ist, sich ohne etwaige Verwandte oder Freunde zu Recht zu finden und Zugang zu Arbeitsstätten zu bekommen. Ihnen fehlt somit jeglicher Zugang zu nützlichen Ressourcen. Nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan gelten sie als Fremde im eigenen Land. Darüber hinaus müssen die meisten Jugendlichen, die aus dem Iran und Pakistan zurückkehren bzw. abgeschoben werden und über keine Fachausbildung verfügen, mit dem Problem der Arbeitslosigkeit kämpfen. Auf Grund der unsicheren Lage fühlen sich viele Unternehmer dazu gezwungen, ihre Firmen zu schließen. Dies führt ebenfalls zu einer schwierigen Situation am Arbeitsmarkt. Daraus ergibt sich, dass tausende junge Menschen derzeit auf dem Weg sind, außerhalb von Afghanistan Möglichkeiten nach wirtschaftlichem Überleben zu suchen. Jene Rückkehrer, die im Land verbleiben, geraten oft in die Drogenszene und leben zum Teil in Parkanlagen und in nicht bewohnbaren Häusern. Auf Grund dieser Umstände ist die Kriminalitätsrate, vor allem unter jungen Menschen, stark gestiegen. Diese Situation der jungen Rückkehrer hat dazu geführt, dass die afghanische Regierung vor allem die Nachbarländer gebeten hat, afghanische Flüchtlinge nicht abzuschieben.

 

Wenn Rückkehrer über kein soziales Netzwerk verfügen und auch keine finanzielle Unterstützung zugesichert bekommen, sind sie gezwungen, in Zelten zu leben und haben zudem nur geringen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser. Die Situation ist insbesondere für junge afghanische Rückkehrer hart, zumal die afghanische Regierung nicht über die nötigen Ressourcen verfügt, um diese beim Aufbau einer Existenzgrundlage zu unterstützen. Viele Afghanen haben Afghanistan aufgrund des langjährigen Krieges verlassen, können aber, obwohl es in manchen Gebieten wieder sicher ist, wegen der wirtschaftlichen Lage nicht mehr dorthin zurückkehren.

 

Rückkehrer aus dem Iran berichten über soziale Ablehnung durch jene Afghanen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben sind. Oftmals werden Rückkehrer als ‚Eindringlinge' oder ‚Fremde' angesehen. Im Großen und Ganzen gibt es eine generelle negative Einstellung gegenüber Rückkehrern, denen von den in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen wird, dem Krieg entflohen zu sein und das Land und die Bevölkerung im Stich gelassen zu haben und selbst ein wohlhabendes Leben im Ausland geführt zu haben. Vor allem Flüchtlinge zweiter Generation erleben Diskriminierung aus ethnischen, religiösen und politischen Gründen intensiver als die der ersten Generation.

 

Die Tatsache, dass die Mehrheit der im Iran geborenen Afghanen, vor allem die Dari- bzw. Farsi-sprechenden sunnitischen Tadschiken und schiitischen Hazara, durch ihren Schulbesuch oder durch die Ausübung eines Berufes im Iran die iranische Kultur und Lebensweise angenommen haben, erschwert die Rückführung dieser in die afghanische Gesellschaft. Für viele ist auch die Vorstellung, in ländliche Gebiete Afghanistans zurückzukehren, die meist nur ein sehr grundlegendes Maß an Infrastruktur, sozialen Diensten und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, beängstigend.

 

Die afghanische Bevölkerung betrachtet Rückkehrer aus dem Iran mit Argwohn und ist der Meinung, dass diese die Identität Afghanistans ändern und das Land ‚iranischer' machen. Sie werden auch oft als ‚falsche' Afghanen bezeichnet. Dieser Umstand führt oft zu Spannungen zwischen den Rückkehrern und jenen, die während der Kriegsjahre in Afghanistan verblieben sind. Rückkehrer berichten auch über ein unfreundliches Verhalten der Afghanen im Land und dass die afghanische Gesellschaft eine negative Wahrnehmung von Rückkehrern aus dem Iran habe. Auch werden solche Rückkehrer als kulturell nicht authentisch und politisch verdächtig angesehen. Die Aussprache, nämlich der iranische Akzent der Rückkehrer, führt zur sozialen Ausgrenzung, dem zufolge sie mit Diskriminierung und Erniedrigung seitens einiger staatlicher Einrichtungen, darunter auch Bildungseinrichtungen, konfrontiert sind. Ohne Beziehungen zu dort wohnhaften und mit der dortigen Gesellschaft vertrauten Personen ist es nahezu unmöglich, in Afghanistan Arbeit zu finden. Ihnen wird unter anderem auch vorgeworfen, dass sie zurückgekehrt seien, um von der sich teilweise stabilisierten Lage im Land zu profitieren.

 

Die afghanische Regierung hat im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, welches die Diskriminierung von Rückkehrern verbietet. Trotz dieses Dekrets werden Rückkehrer aus dem Iran von der Bevölkerung und der Regierung diskriminiert und schikaniert. Am schwierigsten erweist sich die Situation für jene, die nicht in ihre Heimatdörfer zurückkehren wollen, vor allem aus Sicherheitsgründen oder wegen fehlender familiärer Anknüpfungspunkte. Diese Rückkehrer sind besonders verwundbar. Als Fremde im eigenen Land fehlen ihnen die wichtigen Netzwerke, die sie in der afghanischen Stammesgesellschaft brauchen. Eine Unterkunft oder eine Verdienstmöglichkeit zu finden, ist ohne solche Beziehungen viel schwieriger."

 

1.3.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Lage in Herat-Stadt und in Mazar-e Sharif auf Grund anhaltender Dürre (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

"1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?

 

[...]

 

Zusammenfassung:

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.

 

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

 

Wie den nachfolgend zitierten Quellen weiters zu entnehmen ist, verfügen momentan 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung über keinen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln.

 

Einzelquellen:

 

Gemäß einem Bericht der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News klagen Einwohnerinnen und Regierungsvertreter aus den Bezirken Balkh, Nahar Shahi, Marmal, Khelm und Khas Balkh im Umkreis von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, über Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung. Landwirte aus dem Bezirk Marmal haben aufgrund der Dürre keine Nutzpflanzen angebaut.

 

[...]

 

Pajhwok Afghan News berichtet, dass Bewohnerinnen und Bewohner der Provinz Herat der afghanischen Wasserversorgungsanstalt 208 Mio. Afghanis schulden. Ein Vertreter der Wasserversorgungsanstalt gab bekannt, dass aufgrund der offenen Rechnungen Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur nicht umgesetzt werden konnten. Neben den unbezahlten Rechnungen nannte der Vertreter veraltete Kanalsysteme und einen Mangel an Spezialwerkzeugen zum Auffinden und Reparieren von undichten Stellen als ein Hauptproblem der Wasserversorgungsanstalt.

 

[...]

 

Gemäß einem Bericht des Famine Early Warning Systems Network (FEWS-NET) wird Afghanistan dieses Jahr rund zwei bis 2,5 Mio. Tonnen an Getreide importieren müssen, um seinen Bedarf zu decken. Das sind rund zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Da die Getreideernte im Iran und Pakistan voraussichtlich gut sein wird, sollte dieses Defizit durch konventionelle marktwirtschaftliche Kanäle ausgeglichen werden können. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Märkten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt, als auch Mazar-e-Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017.

 

[...]

 

Gemäß dem Nachrichtenportal TOLO-News berichtet die afghanische Statistikorganisation, dass es rund 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung an einem gesicherten Zugang zu Lebensmitteln mangelt. Das World Food Program warnt, dass sich die Versorgungslage aufgrund der anhaltenden Dürre weiter verschlechtern wird.

 

[...]

 

2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?

 

[...]

 

Zusammenfassung:

 

Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.

 

Einzelquellen:

 

Gemäß dem Protokoll einer Sitzung des Humanitarian Regional Teams (HRT) von OCHA am 14.8.2018 leben rund 12.000 Familien in behelfsmäßigen Zelten im Westen von Herat-Stadt und sind damit den Elementen ausgesetzt. Sie sind aufgrund der Dürre, den Konflikten und anderen Gründen aus ihren Heimatorten geflohen.

 

[...]

 

OCHA berichtet, dass die Auswirkungen der Dürre am Rand von Herat-Stadt momentan am sichtbarsten sind. Erste Familien kamen im Mai aus den Nachbarprovinzen Badghis und Ghor an und errichteten behelfsmäßige Zelte entlang der Straße nach Qala-e-Naw, Badghis. Ihre Anzahl ist inzwischen auf 7.400 gestiegen, oder mehr als 50.000 Personen.

 

[...]

 

3. Falls ja,

 

a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?

 

[...]

 

Zusammenfassung:

 

Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.

 

Einzelquellen:

 

Gemäß einem Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) haben

1.760 Familien Zelte erhalten, andere leben in behelfsmäßigen Unterständen. Die Betroffenen berichten, dass sie von Brot und Wasser leben, da ihnen die Mittel für Reis oder Fleisch fehlen. AAN berichtet weiters, dass Familien, welche in den Behelfsunterkünften leben, nicht in ihre Herkunftsorte zurückkehren wollen. Sie haben ihre informellen Siedlungen in den ärmsten Gebieten von Herat-Stadt errichtet.

 

[...]

 

TOLO-News berichtet, dass die Mehrheit der von der Dürre betroffenen Bewohner der informellen Siedlungen Landwirte sind, welche ihren gesamten Besitz verloren haben.

 

[...]

 

b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?

 

[...]

 

Zusammenfassung:

 

Der nachfolgend zitierten Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

 

Einzelquellen:

 

Gemäß einem Bericht von FEWS-NET sind die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 gegenüber dem Vorjahr und im Fünfjahresdurchschnitt um rund 17 Prozent gesunken. In Mazar-e-Sharif lagen sie dagegen 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

 

[...]

 

4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?

 

[...]

 

Zusammenfassung:

 

Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.

 

Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der

 

Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.

 

Die afghanische Regierung verteilte in Chaghcharan, Provinz Ghor, Getreide an 155.000 Familien.

 

Einzelquellen:

 

Gemäß Reliefweb hat das Humanitarian Country Team (HCT) der UN für Afghanistan den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Entsprechend dem neuen HRP benötigt Afghanistan 117 Mio. Dollar mehr als ursprünglich geplant und somit insgesamt 547 Mio. Dollar. Momentan ist dieser Plan zu 29 Prozent finanziert.

 

[...]

 

Gemäß AAN kündigte das World Food Programme (WFP) am 24.07.2018 an, 441.000 Personen in den von der Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmitteln versorgen zu wollen. Ein Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) in Kabul gab an, dass aufgrund der anhaltenden Dürre der nationale Notstand ausgerufen werden müsste. Bislang ist dies allerdings nicht geschehen. AAN kritisiert, dass die Regierung nicht auf die Frühwarnungen des Famine Early Warning System (FEW) reagiert hat und die ANDMA, welche hierfür zuständig wäre, bislang untätig blieb. Die Central Statistics Organization führt derzeit unter anderem mit dem WFP eine Evaluierung der bisherigen Maßnahmen für die von der Dürre betroffenen Regionen durch.

 

[...]

 

USAID berichtet, dass USAID bzw. Food for Peace (FFP) 975.000 Dollar bereitgestellt hat, um rund 3.000 Haushalte mit unsicherer Ernährungslage im Juli und August in Zentralafghanistan zu unterstützen. Des Weiteren spendete USAID/FFP Spezialnahrung für rund 54.300 Kinder, die im Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 von akuter Mangelernährung betroffen waren. Im April stellte das World Food Programme, ein Partner von USAID/FFP, Lebensmittel für rund 1,2 Mio. Personen bereit, davon für 460 Haushalte, welche aufgrund der Dürre in Herat vertrieben wurden.

 

[...]

 

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berichtet:

 

Etwa zwei Millionen Menschen sind von Folgen der andauernden Dürre im Norden und Westen betroffen.

 

Der Common Humanitarian Fund (CHF) der UN hat 17 Millionen USD Hilfsgelder bereitgestellt. Bislang sind etwa 21.000 Menschen auf Grund der Dürre vom Land in Städte abgewandert.

 

[...]

 

Die WHO berichtet, dass in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Gesundheitsministerium und Implementierern des Basic Package of Health Services for Afghanistan (BPHS) mobile Gesundheitsteams in Herat im Einsatz sind. Wichtige medizinische Güter wurden zudem in regionalen Lagerhäusern deponiert, um sie bei Bedarf verteilen zu können.

 

[...]

 

Gemäß TOLO-News kündigt das afghanische Finanzministerium an, 250 Mio. Afghanis zur Hilfe der von der Dürre betroffenen Bevölkerung bereitzustellen und aufgrund dessen mit der internationalen Gemeinschaft zu sprechen. Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) geben an, dass zur Beseitigung aller Dürreschäden mindestens 500 Mio. Dollar notwendig wären, die Behörde allerdings nur über etwas mehr als 6 Mio. Dollar verfüge.

 

[...]

 

TOLO-News berichtet weiters, dass Australien die Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zur Bereitstellung von Lebensmittelhilfen für Personen zugesagt hat, welche von der Dürre betroffen sind.

 

[...]"

 

1.3.4. Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.10.2018 zu den Folgen von Dürre in den Städten Herat sowie Mazar-e Sharif, zu Landflucht-Bewegungen und zur allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

"[...]

 

Landflucht als Folge der Dürre

 

Die britische Wochenzeitung The Telegraph veröffentlicht im Juli 2018 einen Artikel zur Dürre in Afghanistan und schreibt bezugnehmend auf [...], den Leiter des Hilfsprogramms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan, dass Menschen selten aus einem einzigen Grund aus einem Land fliehen würden. Laut [...] würden die anhaltende Gewalt und fehlende Beschäftigung eine Rolle spielen, die Dürre würde die Situation aber noch verstärken. Aufgrund der Dürre hätten bereits tausende Familien und zehntausende Menschen ihre Häuser verlassen und seien in Städte wie Herat gezogen. Viele Menschen hätten das Land aufgrund der Dürre verlassen, erklärte [...], ein Mitglied des Provinzialrats der Stadt. Menschen, die das Land nicht verlassen könnten, würden ihre Häuser verlassen und in die großen Städte ziehen, so [...]:

 

[...]

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) schreibt im September 2018 in seinem Update zur humanitären Hilfe in Afghanistan, dass die Dürre bisher über 275.000 Menschen vor allem in die Städte Herat und Qala-e-Naw vertrieben habe. In diesen Städten sei die Situation nach wie vor dramatisch. WFP habe über 77.000 Binnenvertriebenen in Herat Geld und 21.000 schutzbedürftigen Binnenvertriebenen in Qalae-Naw Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt, und die Verteilaktion dauere an:

 

[...]

 

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children's Fund, UNICEF) bezieht sich in seinem Bericht zur humanitären Hilfe in der von der Dürre betroffenen westlichen Region Afghanistans im September 2018 auf Zahlen, die vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) in einem humanitären Landes-Team-Meeting Mitte September 2018 präsentiert worden seien. Den Angaben zufolge würden die von der Dürre betroffenen Binnenvertriebenen auf 266.000 geschätzt. 84.000 von ihnen hätten sich in Herat niedergelassen, 182.000 in Badghis, ihrer Herkunftsregion. Allein im letzten Monat seien mehr als 84.000 Menschen in die Stadt Herat und 18.579 Familien (94.945 Menschen) nach Qala-e- Naw (Hauptstadt der Provinz Badghis) vertrieben worden:

 

[...]

 

Die englischsprachige pakistanische Tageszeitung The Express Tribune berichtet im August 2018 von [...], einem Bauern, der nach dem Ausfall seiner Weizenernte und dem Austrocknen seiner Brunnen seine Tiere verkauft und sich Tausenden von anderen Bauern angeschlossen habe, die in die Städte zogen, da die schlimmste Dürre Afghanistans seit Menschengedenken das vom Krieg zerrüttete Land verwüste. Wie Hunderte von Bauernfamilien im Dorf Charkint in der normalerweise fruchtbaren nördlichen Provinz Balkh sei [...], 45, mit 11 Familienmitgliedern in die Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif gezogen, um Arbeit zu finden. [...], der seit mehr als drei Jahrzehnten Bauer sei, habe der französischen Presseagentur (AFP) erklärt, dass er sich an keine derart schwere Dürre wie diese erinnern könne:

 

[...]

 

[...], der Leiter des Afghanistan-Programms des Norwegian Refugee Council (NRC), einer unabhängigen, humanitären, gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die Flüchtlingen und Binnenvertriebenen auf der ganzen Welt Unterstützung und Schutz bietet, erklärte in einer E-Mail-Auskunft vom 4. Oktober 2018, dass NRC noch keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif festgestellt habe. [...] merkte jedoch an, dass das NRC-Programm zur Bewältigung der Auswirkungen der Dürre ihren Fokus nicht auf Balkh bzw. Mazar-e Sharif habe und er deshalb nur bedingt über Informationen darüber verfüge. Der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung (Integrated Food Security Phase Classification, IPC) folgend sei die Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif allerdings wie auch die umliegenden Provinzen mit Stufe 3 bewertet worden. Dies bedeute, dass die Ernährungssicherheit krisenhaft sei und sich in der rauen/kalten Wintersaison wahrscheinlich weiter zuspitzen werde:

 

[...]

 

Die nachfolgenden Quellen beinhalten allgemeine Informationen zu Landflucht-Bewegungen in Afghanistan. Diese beziehen sich nicht spezifisch auf die dürrebedingte Urbanisierung

 

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) veröffentlicht im Mai 2018 die Ergebnisse einer Befragung von Vertriebenen in jenen 15 Provinzen Afghanistans, die die höchste Population an RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen beheimaten würden. IOM gibt an, dass es auch bei den afghanischen RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen, die auf der Suche nach mehr Sicherheit, grundlegenden Dienstleistungen und Beschäftigungsmöglichkeiten seien, einen starken Trend zur Urbanisierung gebe. Rund 48 Prozent (1.718.202) der RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen in den 15 untersuchten Provinzen würden in Stadtteilen leben. Binnenvertriebene würden eher in städtische Gebiete fliehen. 55 Prozent der Binnenvertriebenen (953.146) und 42 Prozent der RückkehrerInnen (765.056) seien in städtische Gebiete gezogen:

 

[...]

 

In seinem ‚Humanitarian Needs Overview' zu Afghanistan führt UN OCHA im Dezember 2017 an, dass sich die Bevölkerung in den Ballungszentren konzentriere, da die von den Konflikten betroffenen Gebiete zunehmend ausgehöhlt würden: In stark von Konflikten betroffenen Bezirken habe die Gefahr wiederholter oder verschärfter Kämpfe viele Menschen dazu veranlasst, aus ihren Häusern zu fliehen, um nach sichereren Gebieten - typischerweise städtischen - zu suchen, wo der Zugang zu Dienstleistungen gesichert werden könne. Insgesamt würden die Provinzhauptstädte Afghanistans inzwischen mehr als 54 Prozent der Binnenvertriebenen beherbergen, was den Druck auf überlastete Dienstleistungen, Infrastruktur und den Wettbewerb um Ressourcen zwischen ankommenden und aufnehmenden Gemeinschaften weiter verschärfen würde:

 

[...]

 

Im Mai 2017 schreibt die Weltbank in ihrem Status-Update zur Armut in Afghanistan, einer Analyse, die auf den Erhebungen zu den Lebensbedingungen 2013-2014 und 2011-2012 sowie auf der Risiko- und Vulnerabilitätsbeurteilung 2007-2008 basiere, dass die Beschäftigungskrise in ländlichen Gebieten und die sich verschlechternde Sicherheitslage die afghanischen Haushalte dazu veranlasse, auf der Suche nach Arbeit und Sicherheit in städtische Gebiete zu ziehen. Trotz niedrigerer Geburtenraten sei die städtische Bevölkerung zwischen 2011-2012 und 2013-2014 um schätzungsweise 10 Prozent gewachsen, verglichen mit einem Anstieg von nur 2,2 Prozent in ländlichen Gebieten:

 

[...]

 

Auswirkung der Dürre auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln

 

Zur Wasserversorgung in Mazar-e Sharif konnten keine spezifischen Informationen gefunden werden.

 

NRC berichtet im September 2018, dass Herat für rund 60.000 Menschen, die aufgrund der Dürre aus ihren Häusern vertrieben worden seien, zum nächst gelegenen Zufluchtsort geworden sei. Auch der Konflikt habe viele dazu veranlasst, aus ihren Häusern in den verhältnismäßig sicheren Teil der Provinz zu fliehen. Die Kombination von Dürre und Konflikt habe zehntausende Familien mittellos gemacht. Sie würden in prekären Verhältnissen leben und weder eine langfristige Perspektive noch die Mittel dafür haben, Stabilität wiederzuerlangen. Trotz der rasch bereitgestellten Hilfe würden Trinkwasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung fehlen. Die sengende Hitze würde die Ausdauer der Menschen in den Siedlungen der Binnenvertriebenen auf die Probe stellen. Viele Menschen würden an Dehydrierung leiden, wofür Kinder und ältere Binnenvertriebene besonders anfällig seien. Da es nur wenige Wasserressourcen gebe, sei Trinkwasser ein begehrtes Gut in den Siedlungen: [...]

 

Im September 2018 berichtet UN OCHA in seinem zweiten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan von einem ‚Community Engagement Workshop' der humanitären Partnerorganisationen in Herat-Stadt, der am 12. und 13. September stattgefunden habe und den mehr als 350 Männer (‚male focal points') aus allen informellen Siedlungen der Stadt besucht hätten. Die größte Sorge der Vertriebenen sei die Verfügbarkeit von Lebensmitteln: Sowohl die Familien, die seit ihrer Ankunft in Herat-Stadt Bargeld für Lebensmittel erhalten hätten, als auch jene, die ein bis zwei Nahrungsmittelrationen in Form von Naturalien bekommen hätten, hätten berichtet, dass ihnen die Lebensmittel ausgegangen seien. Mit dem wenigen Geld, das sie verdienen würden, ernähren sie sich von Brot und Tee, da sie nicht in der Lage seien, Obst, Gemüse oder Fleisch zu kaufen. Viele der Familien, die Bargeld erhalten hätten, um Lebensmittel zu kaufen, hätten mit dem Geld Schulden abbezahlt, es für Gesundheitsleistungen verwendet oder damit Material für ihre provisorischen Unterkünfte gekauft, so dass sie nicht in der Lage gewesen seien, genügend Lebensmittel zu kaufen. Den Gesprächen zufolge seien die meisten vertriebenen Familien mit der Menge und Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden:

 

[...]

 

Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan listet UN OCHA im September 2018 den Bedarf im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Landwirtschaft auf. Dabei wird angeführt, dass Schätzungen zufolge beinahe 1,4 Millionen Menschen in zwölf Provinzen im ganzen Land, darunter Balkh und Herat, Nahrungsmittel benötigen würden. Erste Ergebnisse der Emergency Food Security Assessment (EFSA) unter der Leitung der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramm würden zeigen, dass die ‚Food Consumption Scores'[...] der ländlichen Bevölkerung unter anderem in Herat kritisch seien. Unter den vertriebenen Familien in den Provinzen der westlichen Region sei die Situation noch schwerwiegender: 82 Prozent der Familien hätten schlechte Food Consumption Scores und 72 Prozent müssten auf negative Bewältigungsmechanismen zurückgreifen, wie die Reduktion der Nahrungsmittelzufuhr oder der Anzahl der Mahlzeiten, so das ‚Drought Impact and Needs Assessment' (DINA), das von UN OCHA sowie dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) und Partnern durchgeführt worden sei. In Bezug auf den Bedarf an Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene erwähnt UN OCHA unter anderem, dass laut Schätzungen in der westlichen Region 260.000 Menschen, insbesondere Vertriebene, Trinkwasser benötigen würden:

 

[...]

 

IOM verweist im bereits zitierten Artikel vom Mai 2018 auf den Leiter der IOM-Afghanistan Delegation, [...]. [...] zufolge würden sich Binnenvertriebene und RückkehrerInnen vor allem im städtischen Umfeld oftmals in sogenannten ‚informellen Siedlungen' in unmittelbarer Nähe von Wirtschaftszentren ansiedeln. Dort würden die Einkommensbezieher der Familie versuchen, als Tagelöhner Arbeit zu finden. Die Bedingungen in diesen Siedlungen seien sehr schlecht, mit extrem niedrigen Hygienestandards und begrenztem Zugang zu Wasser:

 

[...]

 

Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler

 

(insbesondere von RückkehrerInnen)

 

Laut den Ergebnissen der bereits erwähnten Befragung von NRC und WFP im Juli 2018 seien die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit in allen der neun untersuchten Provinzen sehr begrenzt, wobei die meisten Menschen nur 2-3 Tage pro Woche Arbeit finden. Am höchsten sei der Tageslohn für ungelernte Arbeitskräfte in Takhar [...], gefolgt von den Provinzen Kundus, Badakhshan, Balkh, Faryab, Sar-e Pul und Ghor. Die niedrigste Tageslohnquote für ungelernte Arbeitskräfte sei in den Provinzen Badghis und Jawazjan [...] gemeldet worden. Nach Ansicht der Händler sei der Hauptgrund für die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeit für unausgebildete Arbeitskräfte in diesem Jahr die Dürre, die die landwirtschaftliche Produktion, die für den größten Teil der Bevölkerung die Haupteinkommensquelle darstelle, hart getroffen habe. In der Zwischenzeit hätten die Unsicherheit in abgelegenen Gebieten und der Mangel an Industrien und Fabriken die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit verringert: [...]

 

Im Zuge des bereits erwähnten ‚Community Engagement Workshop', an dem sich Binnenvertriebene in der Stadt Herat beteiligten und über den UN OCHA im September 2018 berichtete, habe sich herausgestellt, dass die Mehrheit der vertriebenen Menschen in Herat keine andere Existenzgrundlage finden könne, als Kinder zur Arbeit zu schicken, zu betteln, Müll zu sammeln oder dass Frauen in Haushalten in der Stadt putzen oder Kleidung waschen: [...]

 

FEWS NET nimmt im August 2018 Bezug auf die afghanischen RückkehrerInnen aus Pakistan und dem Iran und gibt an, dass viele RückkehrerInnen nur über minimale Ressourcen, begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten, Unterkünfte und Sicherheit verfügen würden, was es ihnen erschwere, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen:

 

[...]

 

Im September 2018 berichtet FEWS NET, dass der Konflikt die Vertreibung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen verstärke. Viele der neu Vertriebenen seien wahrscheinlich von einer Lebensmittelkrise (IPC Phase 3) betroffen, da sie keinen Zugang zu ihrer normalen Lebensgrundlage hätten. Im Laufe des kommenden Winters werde externe Hilfe erforderlich sein, um das Fehlen an Lebensmitteln zu lindern, da die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt seien und die Überweisungen aus den Nachbarländern deutlich unter dem Durchschnitt liegen würden:

 

Die nachfolgenden Informationen beziehen sich auf die allgemeine Lage am Arbeitsmarkt in den Großstädten Afghanistans. Diese beziehen sich nicht auf die spezifischen Auswirkungen der dürrebedingten Landflucht auf den Arbeitsmarkt

 

[...]

 

Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan schreibt UN OCHA im September 2018, dass in den benachbarten Provinzen Badghis und Herat Hilfe in den Siedlungen der Vertriebenen bereitgestellt werde und Anstrengungen unternommen würden, die Hilfe in den ländlichen Herkunftsgebieten der Vertriebenen zu verstärken. In den Provinzen Herat und Badghis würden rund 190.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser in Herkunfts- und Neuansiedlungsgebieten erreicht. Die Kapazitäten der Partnerorganisationen in der Provinz Badghis seien in allen Bereichen nach wie vor deutlich unzureichend. Seit Beginn der ganzheitlichen Maßnahmen zur Dürrebekämpfung im August wurden mehr als 690.000 Menschen mit lebensrettenden Hilfeleistungen erreicht:

 

[...]

 

FEWS NET berichtet im August 2018, dass Informationen über humanitäre Hilfe begrenzt seien. Verfügbare Informationen würden jedoch darauf hindeuten, dass Nahrungsmittelhilfe für die von der Dürre betroffenen Haushalte dokumentierter RückkehrerInnen und Binnenvertriebener in zugänglichen Gebieten geleistet werde. Insbesondere stelle die afghanische Regierung den Haushalten Futtermittel, Weizensaatgut und Düngemittel im Rahmen ihrer jährlichen Lebensmittelverteilung zur Verfügung:

 

[...]

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) führt im August 2018 an, dass die Maßnahmen gegen die Dürre in Afghanistan aus drei Phasen bestehen würden. Phase 1 sei im Juni abgeschlossen worden und habe auf 14 Provinzen abgezielt und 463.000 Menschen erreicht. In Phase 2, die im Juli begonnen und im August noch angedauert habe, habe das WFP 9.500 Tonnen verschiedener Rohstoffe für 441.000 von der Dürre betroffene Menschen bereitgestellt. Phase 3 beginne Ende September und basiere auf den Plänen, Nahrungsmittelhilfe für 1,4 Millionen Menschen bereitzustellen. Im August habe das WFP im Rahmen der zweiten Phase über 320.000 von der Dürre betroffene Frauen, Männer, Jungen und Mädchen in Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jawzjan erreicht. Um seine laufenden Programme im Rahmen des Länderstrategieplans (2018 - 2022) für die nächsten sechs Monate fortzusetzen, benötige das WFP bereits 81,4 Millionen US-Dollar. Dieser Betrag werde sich jedoch erhöhen, um den wachsenden Bedarf an Maßnahmen zur Dürrebekämpfung zu decken. Der Humanitäre Flugdienst der Vereinten Nationen (United Nations Humanitarian

 

Air Service, UNHAS) habe 1.900 Hilfskräfte und 6 Tonnen Leichtfracht befördert. In Afghanistan würden sich 160 Organisationen auf UNHAS verlassen, um bedürftige Menschen zu erreichen:

 

[...]"

 

1.3.5. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

"C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative

 

[...]

 

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus.[...] In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden.[...]

 

Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern.[...]

 

[...]

 

Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.

 

[...] Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten

 

[...]

 

Zur Feststellung der Relevanz muss der Entscheidungsträger beurteilen, ob die betreffende Stadt für den Antragsteller praktisch und sicher erreichbar ist.[...] Dazu muss die Verfügbarkeit von Lufttransport zum nächstgelegenen Flugplatz und die Sicherheit einer Weiterreise auf der Straße zum endgültigen Bestimmungsort oder alternativ die Sicherheit des Transports auf der Straße vom internationalen Flugplatz Kabul zum endgültigen Bestimmungsort geprüft werden.[...]

 

UNHCR macht darauf aufmerksam, dass nur wenige Städte von Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte, die gezielt gegen Zivilisten vorgehen, verschont bleiben. UNHCR stellt fest, dass gerade Zivilisten, die in städtischen Gebieten ihren tagtäglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer dieser Gewalt zu werden.[...] Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe, sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen. Im Hinblick auf die Prüfung der Zumutbarkeit verweist UNHCR auf die allgemeine Bemerkung des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in seinem Überblick von 2018 über den Bedarf an humanitärer Hilfe, in der es heißt: ‚Insgesamt halten sich heute über 54 Prozent der Binnenvertriebenen (IDPs) in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöht und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärkt.'[...] Außerdem herrscht [...] in den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbricht. Am schlimmsten betroffen sind die Provinzen Balkh, Ghor, Faryab, Badghis, Herat und Jowzjan.[...] Dazu kamen 2016 [...] über eine Million aus Iran und Pakistan zurückkehrender Afghanen, gefolgt von weiteren 620 000 Heimkehrern im Jahr 2017. Der Protection Cluster in Afghanistan stellte schon im April 2017, nach den Rückkehrerströmen von 2016, aber noch vor den meisten Rückkehrern des Jahres 2017, Folgendes fest: ‚Der enorme Anstieg der Zahl der Heimkehrer [aus Pakistan und dem Iran] führte zu einer extremen Belastung der bereits an ihre Grenzen gelangten Aufnahmekapazität der wichtigsten Provinz- und Distriktzentren Afghanistans, nachdem sich viele Afghanen den Legionen von Binnenvertriebenen anschlossen, da sie aufgrund des sich zuspitzenden Konflikts nicht in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. [...] Mit begrenzten Lebensgrundlagen, ohne soziale Schutznetze und angewiesen auf schlechte Unterkünfte sind die Vertriebenen nicht nur mit einem erhöhten Risiko der Schutzlosigkeit in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert, sondern werden auch in erneute Vertreibung und negative Bewältigungsstrategien gezwungen, wie etwa Kinderarbeit, frühe Verheiratung, weniger und schlechtere Nahrung usw.'[...] Laut der Erhebung über die Lebensbedingungen in Afghanistan 2016-2017 leben 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unter unzulänglichen Wohnverhältnissen.[...]

 

Außerdem wird berichtet, dass das Armutsniveau in Afghanistan ansteigt: Der Anteil der Bevölkerung, der unter der nationalen Armutsgrenze lebt, ist von 34 Prozent in den Jahren 2007/2008 auf 55 Prozent im Zeitraum 2016/2017 gestiegen.[...]

 

[...] Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul

 

[...]

 

UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.

 

[...]"

 

1.3.6. Auszug aus der EASO-Country Guidance zu Afghanistan von Juni 2018 (deutsche Übersetzung, bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

 

"V. Innerstaatliche Schutzalternative

 

[...]

 

Einleitende Vorbemerkungen

 

Die innerstaatliche Schutzalternative (‚Internal Protection Alternative', ‚IPA') sollte erst geprüft werden, nachdem festgestellt worden ist, dass der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. eine tatsächliche Gefahr, ernsthaften Schaden zu nehmen, zu gewärtigen hat und die Behörden oder andere relevante, Schutz bietende Akteure nicht willens bzw. in der Lage sind, ihn bzw. sie in seinem bzw. ihrem Heimatgebiet zu schützen.[...]

 

Sollte die innerstaatliche Schutzalternative Anwendung finden, so kann festgestellt werden, dass der/die Antragsteller/in nicht international schutzbedürftig ist.

 

Allerdings sollte diesbezüglich betont werden, dass keinerlei Verpflichtung besteht, wonach der/die Antragsteller/in erst sämtliche Möglichkeiten zur Schutzgewährung in den verschiedenen Landesteilen seines/ihres Herkunftsstaates ausgeschöpft haben muss, ehe er/sie um internationalen Schutz ansuchen darf.

 

[...]

 

Im gegenständlichen Kapitel wird die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Schutzalternative in Teilen von Afghanistan und insbesondere in den folgenden drei Städten bewertet und Leitlinien hierzu vorgegeben: Stadt Kabul, Stadt Herat sowie Mazar-e Sharif.

 

Betreffender Landesteil

 

Der erste Schritt bei der Bewertung der innerstaatlichen Schutzalternative ist die Bestimmung des betreffenden Landesteils, in Bezug auf welchen die Kriterien von Artikel 8 der Qualifizierungsrichtlinie im Einzelfall zu prüfen wären.

 

Eine solche Bewertung konzentriert sich - aus folgenden Hauptgründen - auf die drei Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif:

 

 

 

Die Auswahl der obgenannten drei Städte für die gegenständliche allgemeine Bewertung und Leitlinienvorgabe hindert den betreffenden Referenten allerdings nicht daran, die Anwendung der innerstaatlichen Schutzalternative auch für andere Landesteile von Afghanistan in Erwägung zu ziehen - vorausgesetzt, dass sämtliche hierunter beschriebene Kriterien erfüllt sind.

 

Wenn in Bezug auf einen bestimmten Landesteil von Afghanistan die Anwendbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative geprüft werden soll, so könnten (sofern zutreffend) die bereits bestehenden Verbindungen zur jeweiligen Örtlichkeit (wie beispielsweise vorausgegangene Erfahrungen bzw. das Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks) in Betracht gezogen werden.

 

[...]

 

Sichere Einreise

 

Es sollte eine sichere Reiseroute geben, welche dem/r Antragsteller/in eine durchgehend sichere Reise ohne unangemessene Schwierigkeiten ermöglicht, d.h. der/die Antragsteller/in muss in der Lage sein, in das als innerstaatliche Schutzalternative geltende Gebiet ohne ernsthafte Risiken einzureisen.

 

Diesbezüglich stellt die Prüfung der Reiseroute vom Flughafen zur Stadt einen Bestandteil des Kriteriums der sicheren Einreise[...] dar, und muss in diesem Zusammenhang eine sorgfältige Prüfung auf Basis der maßgeblichen Informationen zum Herkunftsstaat erfolgen

[...].

 

 

 

 

Auf Grundlage der vorliegenden Informationen zum Herkunftsstaat wird festgestellt, dass die Befahrung der Straßen von den genannten Flughäfen bis zu den Städten während der Tageszeit als im Allgemeinen sicher zu erachten ist.

 

[...]

 

Zumutbarkeit der Niederlassung

 

[...]

 

Persönliche Umstände

 

Neben der allgemeinen Lage in jenen Gebieten, welche potentiell eine innerstaatliche Fluchtalternative bieten, sollte bei der Beurteilung, ob es für den Antragsteller überhaupt zumutbar ist, sich im betreffenden Landesteil niederzulassen, ferner auch auf dessen persönliche Umstände (wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, sozialer und schulischer Hintergrund, familiäre und gesellschaftliche Bindungen, Sprache, etc.) Bedacht genommen werden.

 

Die Einzelprüfungen könnten auf bestimmte Verletzlichkeiten des Antragstellers bzw. auch auf verfügbare Bewältigungsmechanismen Bedacht nehmen, welche sich auf die persönlichen Umstände des/r Antragsteller/in entsprechend auswirken würden, und auf Grundlage dessen dann entscheiden, inwieweit es für den/die Antragsteller/in überhaupt zumutbar wäre, sich in einem bestimmten Gebiet niederzulassen.

 

Beachten Sie bitte, dass die nachstehende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

 

 

 

 

 

 

 

 

Festzuhalten ist, dass sich all diese Faktoren bei einzelnen Antragstellern oftmals überschneiden und zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei der Zumutbarkeitsprüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative führen können. In manchen Fällen können mehrere Teilaspekte der Schutzwürdigkeit zusammen die Feststellung bestätigen, dass im Falle bestimmter Antragsteller (z.B. unbegleiteter Minderjähriger ohne Hilfsnetz [...]) eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar ist, während in anderen Fällen derartige Teilaspekte einander aufwiegen (so kann beispielsweise eine innerstaatliche Fluchtalternative für ein verheiratetes Paar mit vorhandenen finanziellen Mitteln bzw. einem Unterstützungsnetzwerk in einer der genannten Städte als durchaus zumutbar erachtet werden).

 

Feststellungen zur Zumutbarkeit: Spezielle Personenprofile, welche in der Praxis anzutreffen sind

 

[...]

 

Zusammenfassend könnte festgehalten werden, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif für alleinstehende erwachsene Männer und verheiratete kinderlose Paare, welche über sonst keinerlei schutzwürdige Merkmale verfügen, durchaus zumutbar sein könnte (selbst wenn die Betroffenen dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügen). Bei Antragstellern mit anderen Personenprofilen wird zur Sicherung deren Grundbedürfnisse ein Unterstützungsnetzwerk innerhalb jenes Gebiets, das möglicherweise eine innerstaatliche Fluchtalternative bietet, im Allgemeinen wohl vonnöten sein. Allerdings kann bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative eine Bedachtnahme auf noch weitere persönliche Umstände ebenfalls maßgeblich sein.

 

In der nachfolgenden Tabelle werden die einzelnen Überlegungen, welche für die generellen Feststellungen in Bezug auf die hauptsächlich anzutreffenden Personenprofile ausschlaggebend waren, schlaglichtartig hervorgehoben - dies jedoch unbeschadet der Tatsache, dass sämtliche persönlichen Umstände im Einzelfall umfassend und vollständig geprüft werden müssen.

 

Alleinstehende, gesunde und erwerbsfähige Männer:

 

*) Was jene Antragsteller betrifft, welche außerhalb von Afghanistan geboren sind oder eine sehr lange Zeit im Ausland gelebt haben, ist die im Nachfolgenden gesondert angeführte Feststellung heranzuziehen.

 

Im Allgemeinen könnte eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif bei alleinstehenden, gesunden und erwerbsfähigen Männern, welche früher schon einmal in Afghanistan gelebt haben, als zumutbar erachtet werden (selbst dann, wenn er/sie über kein Unterstützungsnetzwerk innerhalb des als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiets verfügt).

 

Zwar bringt die mit einer Niederlassung in den drei vorgenannten Städten verbundene Situation bestimmte Härten mit sich, allerdings kann festgestellt werden, dass Antragsteller dieser Personengruppe durchaus befähigt sind, für ihren Lebensunterhalt, ihre Unterkunft und Hygiene selbst Sorge zu tragen, wobei diesbezüglich darauf Bedacht zu nehmen ist, ob ihre persönlichen Umstände allenfalls nicht noch zusätzliche schutzwürdige Aspekte mitumfassen.

 

Insbesondere ist auf folgende Punkte Bedacht zu nehmen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[...]"

 

1.4. Zu den Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten des dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zur Seite gestellten Rechtsberaters (Verein Menschenrechte Österreich):

 

Am 25.10.2016 fand ein kurzes Beratungsgespräch zwischen dem Verein Menschenrechte Österreich und dem Beschwerdeführer im Büro des Vereins Menschenrechte Österreich statt, bei welchem ein sprachkundiger Dolmetscher über ein Mobiltelefon (Lautsprecherfunktion) zugeschalten wurde. Dabei wurde dem Beschwerdeführer u.a. erklärt, dass für ihn eine Beschwerde eingebracht werde.

 

In der Folge fand im Juni 2018 ein weiteres Beratungsgespräch im Büro des Vereins Menschenrechte Österreich statt, bei dem neben dem Beschwerdeführer die damalige Geschäftsführerin des Vereins Menschenrechte Österreich, ein Rechtsberater des Vereins Menschenrechte Österreich und ein sprachkundiger Dolmetscher anwesend waren. Dieses Gespräch dauerte zumindest eine Stunde. Dabei stellte der Rechtsberater dem Beschwerdeführer viele Fragen betreffend sein Verfahren und war darum bemüht, den Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren zu unterstützen. Dem Beschwerdeführer wurden seine im Einvernahmeprotokoll des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl festgehaltenen Angaben übersetzt und auf ihre Richtigkeit geprüft.

 

Der Verein Menschenrechte Österreich bot dem Beschwerdeführer in der Folge an, ihn im Verfahren zu vertreten. Der Beschwerdeführer griff in der Folge auf keine weiteren Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten des Vereins Menschenrechte Österreich zurück und ließ sich - nur in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - von einer selbst gewählten Rechtsvertreterin vertreten.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran, zu seinen Ausreisen aus Afghanistan sowie dem Iran und zu seinem gesundheitlichen Zustand (Pkt. II.1.1.):

 

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln, weil diese im gesamten Verfahren gleich geblieben sind und mit den Länderberichten zu Afghanistan im Einklang stehen. Die Feststellung zur Muttersprache des Beschwerdeführers ergibt sich u. a. aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. v.a. S. 3. des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers folgt v.a. aus seinen dahingehenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers folgt aus dem - im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 19 f. des Verhandlungsprotokolls) - nachvollziehbaren und nicht zu beanstandenden Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, wonach zum damaligen Zeitpunkt zwar eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht mit dem maximal möglichen Beweismaß ausgeschlossen habe werden können, jedoch mit einfacher bzw. überwiegender Wahrscheinlichkeit von seiner Volljährigkeit auszugehen gewesen sei (s. v.a. Aktenseiten [in der Folge: AS] 128 und 131 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Die zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffenen Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Verfahren.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort sowie seinen Aufenthaltsorten, seinem "schulischen" sowie beruflichen Werdegang, der beruflichen Tätigkeit seines Vaters sowie seinen Problemen mit dem Staat, den Taliban sowie den Kuchi-Nomaden, dem Vorfall, der zum Verlassen seines Dorfes geführt hat, seinem Zusammenleben mit einer ihm zuvor unbekannten Familie in der Nähe der iranischen Grenze, seiner Ausreise aus Afghanistan in den Iran sowie in weiterer Folge aus dem Iran nach Europa und seinen Familienangehörigen sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der in Afghanistan bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen sowie der Länderfeststellungen plausibel. Die vom Beschwerdeführer hierzu getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei. Dass nicht festgestellt werden konnte, wer den Angriff auf das Dorf des Beschwerdeführers ausgeübt hat, folgt aus seinen dahingehenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 25 des Verhandlungsprotokolls: "BF: Ich weiß nicht, wer unser Dorf angegriffen hat. [...]"). Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zu den psychischen Erkrankungen, den "Anfällen" und den körperlichen Beschwerden des Beschwerdeführers sowie seinen dahingehenden Behandlungen folgen v.a. aus den von ihm vorgelegten, unbedenklichen medizinischen Unterlagen (s. v.a. den Arztbrief eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 02.07.2018 u.a. samt Medikamentenverschreibung [Pkt. I.12.], den Kurzbrief eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 13.11.2018 samt Medikamentenverordnung [vgl. Pkt. I.14.] sowie die Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 15.04.2019 [vgl. Pkt. I.17.] und den Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie des Landesklinikums Wiener Neustadt vom 29.11.2018 samt Blutbild sowie den ärztlichen Befundbericht einer Fachärztin für Urologie und Andrologie vom 08.02.2016 [vgl. Pkt. I.14.]) und aus den dahingehend glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner damaligen Rechtsvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 6 bis 9 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers folgt aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

 

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers (Pkt. II.1.2.):

 

Dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt droht, folgt aus seinem diesbezüglich lediglich allgemein gehaltenen und wenig detailreichen Vorbringen zur Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, aus dem eine konkrete, individuelle Betroffenheit seiner Person im Hinblick auf Gewalthandlungen nicht ersichtlich ist (vgl. u.a. S. 26 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Aufenthalte im Iran und in Europa sowie einer hier erfahrenen "westlichen Wertehaltung" keine konkret gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen, mit dem er keine hinreichend substantiierte dahingehende Bedrohung seiner Person im Falle einer Ansiedlung in Afghanistan aufgezeigt hat (vgl. S. 26 des Verhandlungsprotokolls).

 

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan (Pkt. II.1.3.):

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Der unter Pkt. II.1.3.2. angeführte Länderbericht wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden - neben darüber hinaus gehendem Berichtsmaterial - das unter Pkt. II.1.3.1. teilweise angeführte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 samt Aktualisierungen bis 23.11.2018 sowie die unter Pkt. II.1.3.3. bis 1.3.6. auszugsweise wiedergegebenen Länderberichte in das Verfahren eingeführt und u.a. dem Beschwerdeführer dahingehend die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Aktualisierungen zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.01.2019, 31.01.2019, 01.03.2019 und 26.03.2019 wurden den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 18.04.2019 übermittelt. Der Beschwerdeführer sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traten dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten und nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes unbedenklichen Länderberichtsmaterial nicht substantiiert entgegen.

 

2.4. Zu den Feststellungen zu den Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten des dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zur Seite gestellten Rechtsberaters (Verein Menschenrechte Österreich):

 

Diese Feststellungen ergeben sich insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers und seiner damaligen Rechtsvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. S. 11 bis 17 des Verhandlungsprotokolls), die - dahingehend - im Wesentlichen mit den Ausführungen des Vereins Menschenrechte Österreich in seinen Schreiben vom 19.06.2018 sowie 21.09.2018 und des Beschwerdeführers in seinen Schreiben vom 21.11.2016, 20.02.2017, 12.07.2018, 20.07.2018 sowie 11.01.2019 übereinstimmen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (in der Folge: BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Nach § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 22/2018, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (in der Folge: AsylG 2005) eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Zu A) I. Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

 

3.1.2. Der Beschwerdeführer führte in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sein Vater einerseits allgemeine Probleme mit Kuchi-Nomaden im Hinblick auf seine landwirtschaftlichen Grundstücke gehabt und er andererseits auf diesen Grundstücken u.a. auch Opium angebaut habe, weshalb er sowohl mit dem Staat als auch mit den Taliban Schwierigkeiten gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei aufgrund dieser Schwierigkeiten seines Vaters in Afghanistan aktuell gefährdet.

 

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist aus diesen, vom Beschwerdeführer geschilderten Angaben zu den Schwierigkeiten seines Vaters eine aktuelle und konkrete asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat Afghanistan nicht erkennbar. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zu dem von ihm geschilderten Angriff auf sein Dorf, der schließlich der Auslöser für sein Weggehen war, u.a. im Hinblick auf die Angreifer lediglich Vermutungen anzustellen vermochte (s. S. 25 des Verhandlungsprotokolls: "BF: Ich weiß nicht, wer unser Dorf damals angegriffen hat. Wie ich zuvor angegeben habe, gab es immer wieder Kämpfe zwischen den Taliban und den staatlichen Sicherheitstruppen. Mein Vater ist sowohl von den Taliban, als auch von staatlicher Seite gewarnt worden. Es gab auch regelmäßig Probleme mit den Kuchis. Ich weiß aber nicht, wer unser Dorf damals angegriffen hat."). Selbst unter der hypothetischen Annahme, dass die Kuchi-Nomaden, die Taliban oder die staatlichen Sicherheitstruppen für die Tötung des Vaters des Beschwerdeführers verantwortlich wären, ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - u.a. auch vor dem Hintergrund des seit dem Tod seines Vaters mittlerweile vergangenen Zeitraumes - nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einem derartigen Interesse am Beschwerdeführer auszugehen, dass dieser auf Grund der Verwandtschaft zu seinem Vater aktuell einer individuellen und konkret ihn betreffenden Bedrohung durch diese Akteure ausgesetzt wäre.

 

3.1.3. Eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara wurde von ihm - wie bereits unter Pkt. II.2.2. dargelegt - nicht hinreichend substantiiert ausgeführt. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund des in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht von der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers getätigten Vorbringens (s. S. 29 des Verhandlungsprotokolls), der in Beilage ./16 zum Verhandlungsprotokoll zitierten Länderberichte und der Ausführungen im Schreiben des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, physischen Misshandlungen und Festnahmen äußern würden (s. Pkt. II.1.3.1.). In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof schloss in einer Entscheidung eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nicht aus, weil das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen hatte (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106); dies ist jedoch im vorliegenden Erkenntnis nicht der Fall. In einer weiteren Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, weil dieses sich im zugrunde liegenden Fall nicht mit dem Beschwerdevorbringen zu einer möglichen Gruppenverfolgung der Hazara in Ghazni auseinandergesetzt hatte (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0171); der vorliegende Fall ist mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ursprünglich nicht aus der Provinz Ghazni stammt - zudem erfolgte eine hinreichende amtswegige Auseinandersetzung mit dem relevanten Länderberichtsmaterial sowie der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung entgegen den Ausführungen auf S. 5 des Schreibens des Beschwerdeführers vom 30.01.2019 im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

3.1.4. Zudem ist es dem Beschwerdeführer - wie oben unter Pkt. II.2.2. dargelegt - auch nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung iSd GFK auf Grund seiner Aufenthalte im Iran und in Europa iVm einer hier erfahrenen "westlichen Wertehaltung" glaubhaft zu machen. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" ist vor dem Hintergrund der o.a. Länderfeststellungen für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar:

 

Aus diesen geht auf das Wesentliche zusammengefasst zwar hervor, dass in Afghanistan generell eine negative Einstellung gegenüber Rückkehrern vorherrscht und diesen vorgeworfen wird, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben, dass Rückkehrer wegen ihres Akzents leicht erkannt und sozial ausgegrenzt werden sowie dass Rückkehrer Diskriminierungen seitens der übrigen Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese Diskriminierungen und Ausgrenzungen erreichen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, das notwendig wäre, um eine spezifische Verfolgung aller afghanischen Staatsangehörigen, die ihr Leben im Iran und in Europa verbracht und eine "westliche Wertehaltung" kennengelernt haben, bei einer Ansiedlung in Afghanistan für gegeben zu erachten. Auch aus den übrigen Länderberichten ist nicht ableitbar, dass allein ein längerer Aufenthalt im (westlichen) Ausland sowie eine dort erfahrene westliche Lebensweise bei einer Ansiedlung in Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde (vgl. hierzu auch die Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

3.1.5. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sieht die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vor, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit sein Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

 

3.1.6. Schließlich ist im Hinblick auf die auf S. 6 bis 8 des Schreibens des Beschwerdeführers vom 30.01.2019 getätigten Ausführungen festzuhalten, dass die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, den Beschwerdeführer individuell betreffenden und asylrelevanten Verfolgung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht aus einer Kumulation der bei ihm vorliegenden Umstände ersichtlich ist.

 

3.1.7. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

Zu A) II. und A) III. Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:

 

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offensteht.

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in einer jüngst ergangenen Entscheidung vor dem Hintergrund der für den Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Status-Richtlinie) in unionsrechtskonformer Weise wie folgt ausgelegt: Nach der gefestigten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes sind gemäß der Status-Richtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 leg.cit. zu erleiden (Art. 15 lit. a und b leg.cit.) sowie auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführende Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c leg.cit.) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Vor dem Hintergrund des Art. 3 Status-Richtlinie ist es dem nationalen Gesetzgeber auch verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die bei einem Fremden zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat führen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Hinweisen auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes).

 

Daher ist in der Folge zu prüfen, ob eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 oder 3 EMRK im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat gegeben ist. Bejahendenfalls wäre weiters zu prüfen, ob sich eine solche Verletzung als ernsthafter Schaden unter einen der Tatbestände des Art. 15 Status-Richtlinie subsumieren ließe und somit zu einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 führte.

 

3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinandergesetzt und diese wie folgt zusammengefasst (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, bei der konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN).

 

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinaus gehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07, und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 218, mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Appl. 25.904/07, NA gegen Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 217).

 

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2, 2012, 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

 

Auch im Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, Appl. 59.166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. Rz 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. Rz 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (Rz 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (Rz 98).

 

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EG ) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12 , Diakité).

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

 

3.2.3. Betreffend die Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan nahm der Verfassungsgerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung ein willkürliches Vorgehen des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes an, wenn diese das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul für afghanische Asylwerber bejaht hatten, obwohl diese nie in der Stadt Kabul gelebt und dort keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte hatten (s. u.a. VfGH 06.06.2013, U 2666/2012; 07.06.2013, U 2436/2012; 13.09.2013, U 370/2012; 23.02.2017, E 1197/2016; 22.09.2017, E 240/2017); in der Folge war jedoch ein Abgehen des Verfassungsgerichtshofes von dieser zuvor bestehenden Judikaturlinie erkennbar (s. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde auch betont, dass es im Falle der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten Feststellungen dahingehend bedarf, dass der Asylwerber auf sicherem Weg in seine Herkunftsregion bzw. in den sonst in Betracht kommenden Zielort gelangen könnte (s. z.B. VfGH 19.11.2015, E 707/2015).

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Vor diesem Hintergrund führte der Verwaltungsgerichtshof mehrfach aus, dass - auf Basis der in den zugrundeliegenden Erkenntnissen getroffenen Feststellungen - nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung seines Lebens kommen sollte (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 - der dortige Beschwerdeführer hatte noch nie in der Stadt Kabul gelebt, hatte keine Familienangehörigen in der Stadt Kabul und verfügte darüber hinaus auch über keine finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten durch Familienangehörige von außen; s. weiters u.a. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 20.09.2017, Ra 2016/19/0209; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, u.v.a.).

 

3.2.4. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:

 

3.2.4.1. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Helmand, in dem er auch aufgewachsen ist. Nach den unter Pkt. II.1.3.1. getroffenen Länderfeststellungen, dem im Schreiben des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 und dem in der Beilage ./17 zum Verhandlungsprotokoll angeführten Länderberichtsmaterial gehört die Provinz Helmand - auf das Wesentliche zusammengefasst - zu den volatilen Provinzen Afghanistans. In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, wobei es auch zu Luftangriffen kommt. Zudem ist die Provinz Helmand dafür bekannt, eine Festung der Taliban zu sein, die weite Teile dieser Provinz kontrollieren oder beeinflussen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass es sich hierbei um eine Provinz mit volatiler Sicherheitslage handelt, weshalb dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Provinz Helmand die reale Gefahr einer gegen Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verstoßenden, von einem Akteur iSd Art. 15 Status-Richtlinie ausgehenden Behandlung drohen würde.

 

3.2.4.2. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus folgenden Gründen auch nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile, wie insbesondere die Städte Mazar-e-Sharif, Herat oder Kabul, verwiesen werden:

 

3.2.4.2.1. Aus einer Gesamtschau des vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials (s. Pkt. II.1.3.) und der vom Beschwerdeführer insbesondere in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Länderberichte (s. Beilagen ./13 und 14) geht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht hervor, dass allein die aktuelle Sicherheitslage einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e-Sharif, Herat oder Kabul entgegensteht, die jeweils über einen, mehrere Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen internationalen Flughafen verfügen, der unter Tags sicher erreichbar ist (s. Pkt. II.1.3.1. und 1.3.6.). Hinsichtlich der in den drei genannten Städten bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist aus den Länderberichten auf das Wesentliche zusammengefasst abzuleiten, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass v.a. Personen, die sich ohne jegliche familiäre Bindung, Fachausbildung und Geldmittel in diesen Städten ansiedeln, mit sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden (s. hierzu v.a. die unter Pkt. II.1.3.3. und 1.3.4. wiedergegebenen Länderberichte zur v.a. aufgrund der Dürre hervorgerufenen aktuellen Nahrungsmittelknappheit in den Provinzen Balkh und Herat sowie die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 2 bis 4 des Schreibens des Beschwerdeführers vom 11.01.2019; vgl. weiters die vom Beschwerdeführer vorgelegte und als Beilage ./19 dem Verhandlungsprotokoll angeschlossene Anfragebeantwortung von ACCORD vom 05.12.2018 zur Versorgungslage in Mazar-e Sharif).

 

3.2.4.2.2. Nach Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-Richtlinie) haben die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz u.a. sicherzustellen, dass hierfür genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa von UNHCR und EASO, eingeholt werden. Die besondere Bedeutung von Berichten von UNHCR und EASO ergibt sich daher schon aus dem Unionsrecht. UNHCR-Richtlinien kommt zudem nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "Indizwirkung" zu (s. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). Nach der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist "Einschätzungen von UNHCR [...] maßgebliches Gewicht beizumessen" (s. u.a. VfGH 24.09.2018, E 761/2018).

 

Laut den Richtlinien des UNHCR vom 30.08.2018 ist eine interne Schutzalternative u.a. nur dann zumutbar, wenn die betroffene Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, die betroffene Person tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne besondere Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. UNHCR geht in seinen aktuellen Richtlinien davon aus, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in der Stadt Kabul eine interne Schutzalternative grundsätzlich nicht verfügbar ist (s. Pkt. II.1.3.5.).

 

EASO prüft in seiner Country Guidance von Juni 2018 die hauptsächlich anzutreffenden Personenprofile im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative in den afghanischen Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul. Dabei kommt EASO für das Personenprofil der "alleinstehenden, gesunden und erwerbsfähigen Männer", die früher schon einmal in Afghanistan gelebt haben, zum Ergebnis, dass diesen - verbunden mit bestimmten Härten - eine interne Schutzalternative in diesen Städten zumutbar sein könnte, selbst wenn diese über kein familiäres oder sonstiges Unterstützungsnetzwerk innerhalb des als interne Schutzalternative geltenden Gebiets verfügen würden. Hierbei ist allerdings stets zu prüfen, ob die persönlichen Umstände des Betroffenen, wie etwa sein Alter, Gesundheitszustand, Familienstand (etwaige Sorgepflichten) sowie schulischer und beruflicher Hintergrund, allenfalls zusätzliche Aspekte aufzeigen, die eine besondere Schutzwürdigkeit auslösen könnten (vgl. Pkt. II.1.3.6.).

 

Im Hinblick auf diese Ausführungen betonen sowohl UNHCR als auch EASO, dass diese immer vor dem Hintergrund einer Einzelfallprüfung zu verstehen sind.

 

3.2.4.2.3. Eingangs wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen erwachsenen und alleinstehenden Mann im erwerbsfähigen Alter handelt, bei dem die Teilnahme am Erwerbsleben iSd oben angeführten Judikatur grundsätzlich vorausgesetzt werden kann.

 

Es ist im Fall des Beschwerdeführers jedoch hervorzuheben, dass er u. a. an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einem Angstsyndrom und einer Konzentrationsstörung leidet, weshalb er sich aktuell in einer Gesprächstherapie sowie in medikamentöser Behandlung unter fachärztlicher Anleitung befindet. Weiters verfügt der Beschwerdeführer mit seinem Besuch einer Koranschule kaum über relevante - laut EASO als ein Faktor bei der Prüfung zu berücksichtigende - Schulbildung und erlangte in Afghanistan mit seiner langjährigen Tätigkeit als Hirte, die naturgemäß in ländlichen Gegenden ausgeübt wird, auch keine wesentliche - laut EASO ebenfalls als ein Faktor zu berücksichtigende - Berufserfahrung für eine etwaige berufliche Tätigkeit in den für eine innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kommenden Städten. Der Beschwerdeführer leidet zudem u.a. an Flanken- und Leistenschmerzen auf seiner linken Seite, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seine im Iran zwei Jahre lang ausgeübte körperliche Arbeit in einer Fabrik, in der er überwiegend Steine zu tragen hatte, zurückzuführen sind. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher beim Beschwerdeführer aufgrund einer Kumulation der genannten Umstände eine besondere Vulnerabilität gegeben.

 

Zu den beim Beschwerdeführer vorliegenden psychischen Erkrankungen und körperlichen Beeinträchtigungen ist festzuhalten, dass diese vor dem Hintergrund der o.a. Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan (Pkt. II.1.3.1.) und der dahingehend strengen höchstgerichtlichen Judikatur (s. VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist - vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139) bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für sich allein betrachtet zwar keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK nach sich ziehen würden, jedoch sind diese Umstände bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu berücksichtigen und würden eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in Afghanistan bei der notwendigerweise zu erfolgenden Arbeitssuche bzw. -ausübung zusätzlich erschweren bzw. verunmöglichen. Dass gerade dem Gesundheitszustand eines Beschwerdeführers als möglichen besonderen Gefährdungsfaktor im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative besondere Bedeutung beizumessen ist, folgt u.a. schon aus der oben angeführten EASO-Country Guidance zu Afghanistan von Juni 2018.

 

3.2.4.2.4. Im Ergebnis wird zwar seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angesichts der oben getroffenen Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan (s. Pkt. II.1.3.1.) nicht verkannt, dass im Hinblick auf die beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen und Beeinträchtigungen in Afghanistan grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Das Bundesverwaltungsgericht geht jedoch im vorliegenden Einzelfall aufgrund der beim Beschwerdeführer bestehenden psychischen Erkrankungen mit aktueller therapeutischer sowie medikamentöser Behandlungsbedürftigkeit in Zusammenschau mit den beim Beschwerdeführer vorliegenden körperlichen Beschwerden und seiner "schulischen" Bildung sowie beruflichen Erfahrung vor dem Hintergrund der insbesondere in den Schreiben des Beschwerdeführers vom 11.01.2019 und 30.01.2019 getroffenen Ausführungen und des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials v.a. aufgrund der damit einhergehenden Einschränkungen bei der notwendigerweise zu erfolgenden Arbeitssuche und -ausübung davon aus, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul nicht zumutbar ist. Diese Annahme ist - vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der unter Pkt. II. 3.2.4.2.2. näher ausgeführten Länderberichte - insbesondere deshalb zu treffen, weil es sich beim Beschwerdeführer aufgrund seiner aufgezeigten persönlichen Umstände um keinen "leistungsfähigen(n)" Mann iSd der oben angeführten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 bzw. um keinen "gesunden" Mann iSd oben angeführten EASO-Guidance Note von Juni 2018 handelt.

 

3.2.4.3. Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund des vom Bundesverwaltungsgericht und vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials unter Berücksichtigung der ihn betreffenden persönlichen Umstände, wie insbesondere seines Gesundheitszustandes und auch seines "schulischen" sowie beruflichen Hintergrundes, bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt. Es ist damit - angesichts des vom Beschwerdeführer getätigten Vorbringens - dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde.

 

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 leg.cit.) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (§ 9 Abs. 2 Z 3 leg.cit.).

 

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.

 

3.2.5. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen war.

 

3.2.6. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses und der diesem zugrunde liegenden Ausführungen konnte von der in der mündlichen Verhandlung beantragten Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers abgesehen werden.

 

4. Zu den Anträgen auf Feststellung einer Pflichtverletzung des dem Beschwerdeführer zur Seite gestellten Rechtsberaters, auf Umbestellung dieses Rechtsberaters und auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht:

 

4.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Die gesetzlich vorgesehene Unterstützung durch den Rechtsberater führt jedoch z.B. nicht dazu, dass dem Asylwerber ein - vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbares - Recht auf ein zweckentsprechendes Verhalten des Rechtsberaters während der mündlichen Verhandlung zukommt. § 52 Abs. 2 BFA-VG stellt nämlich - vom Erscheinen des Rechtsberaters zur mündlichen Verhandlung abgesehen - keine Verfahrensvorschrift dar, deren Einhaltung vom Bundesverwaltungsgericht eingefordert werden kann, zumal es in einem kontradiktorischen Verfahren nicht Aufgabe des Gerichtes ist, in der mündlichen Verhandlung auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken (s. z. B. VwGH 09.02.2018, Ra 2018/20/0008; 19.10.2017, Ra 2016/18/0280;

25.07.2017, Ra 2017/01/0112; 20.06.2017, Ra 2017/01/0060;

26.01.2017, Ra 2016/20/0343; 14.12.2016, Ra 2016/19/0016;

03.05.2016, Ro 2016/18/0001). Dies gilt auch für die Unterstützung durch einen Rechtsberater bei der Abfassung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht gehalten, ein Verhalten des Rechtsberaters sicherzustellen, das eine für ihn erfolgreiche Beschwerdeerhebung garantiert. Auch im Zusammenhang mit der Beschwerdeerhebung ist es daher nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes, auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0060; 26.01.2017, Ra 2016/20/0343).

 

4.1.2. Wie bereits oben im Verfahrensgang festgehalten, wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.02.2019, Zl. Ra 2018/18/0409-6, die vom Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.06.2018 (Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.01.2017, mit dem es die Anträge auf Feststellung einer Pflichtverletzung des dem Beschwerdeführer zur Seite gestellten Rechtsberaters, auf Umbestellung dieses Rechtsberaters und auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht als unzulässig zurückgewiesen hat) erhobene Revision als unbegründet ab (s. Pkt. I.8.).

 

In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof zunächst aus, dass das BFA-VG keine Vorschrift enthalte, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dafür zuständig gemacht hätte, eine Pflichtverletzung des Rechtsberaters festzustellen, seine Umbestellung vorzunehmen und in diesem Zusammenhang eine einstweilige Anordnung nach dem Unionsrecht zu erlassen.

 

Zum Antrag auf Feststellung einer Pflichtverletzung des Rechtsberaters hielt der Verwaltungsgerichtshof insbesondere Folgendes fest: Das System der Rechtsberatung nach den §§ 48 ff. BFA-VG sieht vor, dass die Auswahl der Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 52 leg.cit. dem Bundeskanzler obliegt (§ 48 Abs. 4 leg.cit.). Er kann unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 7 leg.cit. auch juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauen (§ 48 Abs. 6 leg.cit.), was in Österreich tatsächlich geschehen ist. Dem Bundeskanzler kommt außerdem gemäß § 48 Abs. 9 leg.cit. die Befugnis zu, die Betrauung einzelner juristischer Personen mit sofortiger Wirkung aufzuheben und die damit erteilten Befugnisse zu widerrufen, wenn die juristische Person eine Voraussetzung gemäß § 48 Abs. 7 leg.cit. nicht mehr erfüllt oder ein von ihr mit der Durchführung der Rechtsberatung oder beratenden Unterstützung Beauftragter wiederholte und beharrliche Pflichtverletzungen begeht. Für eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Feststellung allfälliger Pflichtverletzungen einzelner Beauftragter einer juristischen Person, die vom Bundeskanzler mit der Rechtsberatung betraut worden ist, bleibt bei dieser Gesetzeslage kein Raum.

 

Zum Antrag auf Umbestellung des Rechtsberaters führte der Verwaltungsgerichtshof hierbei wie folgt aus: Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater zur Seite gestellt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Norm bereits erkannt, dass es sich dabei um eine - nach dem Gesetz in Form einer Verfahrensanordnung zu ergehende - Information und Entscheidung der Behörde handelt, dass dem Fremden ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde, was nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit in den Akten der Behörde entsprechend dokumentiert sein muss. Eine darüber hinausgehende Rechtswirkung ist der Verfahrensanordnung nicht beizumessen (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113). Mit anderen Worten lässt die Textierung des § 52 Abs. 1 leg.cit. erkennen, dass dem BFA damit keine Befugnis zur Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides über die Beigebung eines bestimmten Rechtsberaters übertragen worden ist, sondern der Behörde bloß aufgetragen wird, den Asylwerber bzw. Fremden mit Verfahrensanordnung über die im Einzelfall als Rechtsberater zum Einsatz kommende juristische Person zu informieren (vgl. zur Abgrenzung von verfahrensrechtlichem Bescheid und Verfahrensanordnung im Allgemeinen etwa VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007, mwN). Bietet das Gesetz aber schon keine Grundlage für die Annahme, die Bestellung des Rechtsberaters durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat gemäß § 52 Abs. 1 leg.cit. mittels eines Bescheides zu erfolgen, so kann weder aus dieser noch aus einer anderen Norm des Gesetzes eine Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Umbestellung abgeleitet werden.

 

4.2. Vor diesem Hintergrund ist hierzu Folgendes auszuführen:

 

4.2.1. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes stellen sich die oben festgestellten Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten des dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zur Seite gestellten Rechtsberaters, der u.a. mit dem Beschwerdeführer ein Beratungsgespräch durchgeführt hat, (s. Pkt. II.1.4.) keineswegs derart dar, dass ein bestimmtes Einschreiten des Bundesverwaltungsgerichtes iSd der oben unter Pkt. II.4.1.1. dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich gemacht hätte.

 

4.2.2. Da das BFA-VG - wie im Hinblick auf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - auch keine Vorschrift enthält, die das Bundesverwaltungsgericht dafür zuständig machen würde, eine Pflichtverletzung des Rechtsberaters festzustellen, seine Umbestellung vorzunehmen und in diesem Zusammenhang eine einstweilige Verfügung nach dem Unionsrecht zu erlassen, ist auf die - neben der Erhebung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch - beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Anträge (auf Feststellung einer Pflichtverletzung des dem Beschwerdeführer zur Seite gestellten Rechtsberaters, auf Umbestellung dieses Rechtsberaters und auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht) nach der unter Pkt. II.4.1.2. dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht einzugehen. Die insbesondere in den Schreiben des Beschwerdeführers vom 21.11.2016 und 20.02.2017 hierzu getätigten Ausführungen gehen daher ins Leere.

 

4.2.3. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses ist dem in der mündliche Verhandlung vom Beschwerdeführer gestellten Antrag (zum Beweis der "habituellen Untüchtigkeit" des Vereins Menschenrechte Österreich eine repräsentative Anzahl von Beschwerden von Asylwerbern/Innen, die vom Verein Menschenrechte unterstützt oder vertreten wurden, auf deren Umfang und Qualität, auf die Vertretungstätigkeit des Vereins Menschenrechte Österreich innerhalb mündlicher Verhandlungen sowie auf die Vorbereitung auf die Verhandlungen zu untersuchen; s. S. 17 des Verhandlungsprotokolls) nicht Folge zu leisten.

 

Weiters teilt das Bundesverwaltungsgericht - wie offenkundig auch der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der unter Pkt. II.4.1.2. dargelegten Judikatur - nicht die vom Beschwerdeführer auf S. 3 f. seines Schreibens vom 20.07.2018 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dort angeführten Bestimmungen des BFA-VG, weshalb der dahingehenden Anregung auf Erhebung eines Gesetzesprüfungsantrages nicht zu folgen ist.

 

Schließlich ist auch aufgrund des in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 02.10.2010, Zl. U 3078/09 ua., (in dem dieser eine - hinsichtlich eines gestellten Antrags auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters - zurückweisende Entscheidung des Asylgerichtshofes wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufhob, weil der Asylgerichtshof mittels verfahrensrechtlicher Entscheidung über diesen Antrag abzusprechen gehabt hätte) angesichts der vom Verwaltungsgerichtshof im unter Pkt. II.4.1.2. dargelegten Erkenntnis erfolgten Auslegung der vorliegenden Rechtslage, bei der im Übrigen dem Beschwerdeführer unmittelbar nach Erlassung des negativen Bescheides ein Rechtsberater nach § 52 BFA-VG zur Seite gestellt wurde und die mit der vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis behandelten Rechtslage nicht vergleichbar ist, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein anderes Ergebnis zu erzielen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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