BVwG W212 1426685-1

BVwGW212 1426685-18.7.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W212.1426685.1.00

 

Spruch:

W212 1426685-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.04.2012, ZI. 12 04.525-BAT, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Betreffend Spruchpunkt III. wird das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige aus Nigeria, stellte am 15.04.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 17.04.2012 wurde sie durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab sie zu Protokoll, ihr Heimatland verlassen zu haben, weil ihr Leben dort von Boko Haram bedroht worden sei. Im Dezember 2011 sei sie von Mitgliedern dieser Gruppierung entführt worden, da man ihrem als Prediger tätigen Onkel, bei dem sie wohnhaft gewesen sei, vorgeworfen habe, gegen Boko Haram gepredigt zu haben. Ihr Onkel sei getötet und die Beschwerdeführerin beim Versuch zu entkommen, erwischt und am Bein verletzt worden. Die Boko Haram habe die Antragstellerin zur Zusammenarbeit gezwungen, widrigenfalls sie ebenfalls getötet worden wäre. Im März 2012 sei ihr jedoch die Flucht gelungen.

3. Im Rahmen der am 26.04.2012 stattgefundenen Einvernahme durch das Bundesasylamt schilderte die Beschwerdeführerin eingehend ihre Fluchtgründe. Am 28.12.2011 seien sie und ihr Onkel von Boko Haram Mitgliedern zu Hause aufgesucht, verprügelt und an einen anderen Ort verbracht worden, wo man sie in einen Raum gesperrt habe. Man habe ihrem Onkel vorgeworfen, gegen die Gruppe gepredigt zu haben. Am nächsten Tag sei ihr Onkel den Verletzungen erlegen und habe die Beschwerdeführerin nach einer kurzen Überlegungsfrist eingewilligt, für Boko Haram zu arbeiten. Anschließend habe man sie in ein Spital gebracht, wo ihr verletzter Fuß operiert worden sei und die Beschwerdeführerin fast einen Monat - immer bewacht durch die Boko Haram - verbracht habe. Danach habe man ihr die Aufgabe gegeben, mit einem an ihre Seite gestellten vorgeblich Verlobten, der eigentlich als Spion gegen die Christen eingesetzt worden sei, ein Zusammenleben vorzutäuschen und mit diesem immer wieder in die Kirche zu gehen; so habe Boko Haram Vertrauen in der Kirche gewinnen können. Mitte März 2012 habe die Beschwerdeführer eine Situation genutzt, als sie und ihr vorgeblich "Verlobter" eine Autopanne gehabt hätten, indem sie ihn mit einem Gegenstand geschlagen habe, sodass dieser ohnmächtig geworden sei und die Antragstellerin habe flüchten können. Dazu gefragt, warum sie Nigeria gleich verlassen habe und nicht in einen anderen Landesteil gegangen sei, meinte die Beschwerdeführerin, dass Boko Haram in Nigeria überall vernetzt sei und gezielt nach ihr suchen würde. In ihrer Heimat würden noch ihre Eltern, ihre Geschwister und Onkeln sowie Tanten leben. Als Kind habe sie bei ihren Eltern in XXXX gelebt; als sie danach in die höhere Schule gekommen sei, sei sie zu ihrem Onkel in den XXXX gezogen.

4. In dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.04.2012, Zl. 12 04.525-BAT, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, ihr der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkannt und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen wurde, hat das Bundesasylamt Folgendes begründend ausgeführt: Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private - und als solche sei eine militante Gruppierung wie die Boko Haram zweifelsfrei zu sehen - würden auch in Nigeria strafbare Handlungen darstellen, die von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden ihrer Heimat bei Kenntnis verfolgt und geahndet werden würden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Nigeria in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass sie ihre dringendsten Lebensbedürfnisse befriedigen und weiters bei ihren Eltern oder Geschwistern wohnen könne. Zudem würde durch die Ausweisung nicht auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in ihr Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen.

5. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und - unter Verweis auf mehrere Berichte - auf die Gefährdung der Antragstellerin durch die Boko Haram im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria aufmerksam gemacht.

6. In einer Beschwerdeergänzung vom 31.03.2014 hat die Beschwerdeführerin Integrationsnachweise (darunter befinden sich Deutschkursbestätigungen; Nachweise über -ehrenamtliche - Tätigkeiten in der Kirche und in Kulturvereinen; ein Unterstützungsschreiben; Fotos mit ihrem Lebensgefährten und dessen Familie) sowie ärztliche Unterlagen vorgelegt, denen zufolge die Genannte an einer Knieverletzung bzw. deren Folge leide (die genauen Diagnosen sind: "Low back pain, muskuläre Dysbalance, St.p. Teilendoprothese re Knie 12/11 Nigeria, St.p. OS Fraktur re 12/11, distal Muskelatropie OS re; St. post. Hill-Prothesenimplantation rechtes Kniegelenk lateral; fract. fem dist. dext., fract. caput tibiae dext. operata.").

7. Am 09.04.2014 langte ein Schreiben des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein, worin dieser in Aussicht stellt, sich mit der Antragstellerin verloben zu wollen.

8. Mit Eingabe vom 15.05.2014 wurden der Beschwerdeführerin die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit gegeben, sich hiezu sowie zu ihrer privaten Situation in Österreich und zu ihrem Gesundheitszustand zu äußern.

9. Am 06.06.2014 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim erkennenden Gericht ein, worin sie wiederholt auf ihre gute Integration in Österreich verweist und weiters ins Treffen führt, dass sich die Situation für (insbesondere christliche) Frauen in Nigeria drastisch verschärft habe. Zudem gebe es vermehrt Übergriffe durch die Boko Haram.

10. Mit Eingabe vom 30.03.2015 hat die Beschwerdeführerin weitere Integrationsnachweise, nämlich die Bestätigung über ihren Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B2.1 und B2.2, vorgelegt.

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2015 wurde der Beschwerdeführerin zur Wahrung des Parteiengehörs erneut die Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht sowie dieser die Möglichkeit geboten, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, insbesondere auch zu privaten und familiären Bindungen zu Österreich sowie zum Gesundheitszustand.

Die Beschwerdeführerin verwies in der Stellungnahme vom 18.06.2015 auf alle relevanten Unterlagen, die sie dem erkennenden Gericht bereits habe zukommen lassen. Sie beherrsche die deutsche Sprache bereits auf B1 Niveau. Sie pendle zwischen ihrem Hauptwohnsitz in XXXX und ihrem Nebenwohnsitz in der XXXX, wo ihr Verlobter und dessen Familie wohnhaft seien. Sie habe zu allen Familienmitgliedern ein sehr gutes Verhältnis. Darüber hinaus sei sie ehrenamtlich engagiert, habe viele österreichische Freunde und Bekannte und möchte zukünftig den Beruf der Altenpflegerin ausüben. All ihre Integrationsschritte seien belegbar. In Hinblick auf ihren Gesundheitszustand wiederholte die Beschwerdeführerin, durch den Überfall in Nigeria verletzt worden zu sein und nunmehr in ärztlicher Behandlung zu stehen (dazu wurden Bestätigungen in Form eines radiologischen Befundes vom 12.03.2015 sowie eines Therapieplanes, in welchem manuelle Teilmassagen für die Beschwerdeführerin vorgesehen sind, vorgelegt). Was die Lage in ihrer Heimat betreffe, so sei die Sicherheitslage sehr schlecht und es gebe vermehrt Anschläge der Boko Haram. Der Stellungnahme ist weiters ein selbst verfasstes Schreiben der Antragstellerin beigefügt, in welchem sie erneut ihre gesundheitlichen Probleme, die prekäre Lage in ihrer Heimat und ihre Verbundenheit mit Österreich schildert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Beschwerdeführerin ist nach eigenen Angaben Staatsbürgerin Nigerias christlichen Glaubens und gehört der Volksgruppe der XXXX an. Als Kind lebte sie bei ihren Eltern in XXXX. Mit Eintritt in die höhere Schule ist sie zu ihrem Onkel nach XXXXgezogen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria eine unmittelbare und konkrete, aktuelle, individuelle und schützenswerte Bedrohung trifft und sie ihren Herkunftsstaat aus Furcht vor individuell-konkreter Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention verlassen hat.

Zur Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt:

Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Antragstellerin Gefahr liefe, im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und herrscht keine Hungersnot. Die Beschwerdeführerin selbst ist volljährig und arbeitsfähig, sodass sie im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Die Beschwerdeführerin verfügt auch über einen Verwandtenkreis im Herkunftsstaat.

In gesundheitlicher Hinsicht liegen bei der Antragstellerin laut den vorgelegten ärztlichen Unterlagen folgende Erkrankungen vor: "Low back pain, muskuläre Dysbalance, St.p. Teilendoprothese re Knie 12/11 Nigeria, St.p. OS Fraktur re 12/11, distal Muskelatropie OS re; St. post. Hill-Prothesenimplantation rechtes Kniegelenk lateral; fract. fem dist. dext., fract. caput tibiae dext. operata". Diese sind nicht lebensbedrohend bzw. erreichen nicht jene Gravität, sodass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria unzumutbar wäre. Zudem geht aus jenem mit ihrer Stellungnahme vom 18.06.2015 vorgelegten Therapieplan hervor, dass sie (bis Ende Juni 2015) manuelle Teilmassagen erhält; weitere erforderliche Behandlungsschritte wurden aus fachärztlicher Sicht nicht belegt bzw. geltend gemacht.

Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Antragstellerin reiste im April 2012 illegal nach Österreich ein und hielt sich seither nur aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerberin im Bundesgebiet auf. Sie hat mehrere Deutschkurse besucht. Sie ist ehrenamtlich in der Kirche sowie freischaffend in Kulturvereinen tätig. Zudem führt sie eine Lebensgemeinschaft im österreichischen Bundesgebiet.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 8.7.2014: Aktivitäten der Boko Haram (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Gemäß CFP sind die Opferzahlen durch Boko Haram massiv gestiegen (siehe Grafik; CFP

30.6.2014). BBC berichtet von 3.300 Opfern im Zeitraum Jänner bis Mitte Juni 2014 (BBC 12.6.2014).

Außerdem kam es nach dem Anschlag vom April 2014 in Abuja (siehe KI vom 15.4.2014) zu weiteren Vorfällen von Terrorismus durch Boko Haram außerhalb der bereits im Ausnahmezustand befindlichen Bundesstaaten (Borno, Yobe, Adamawa):

• 27.6.2014 - Bauchi City (Bauchi State): Sprengstoffanschlag; 11 Tote; Boko Haram (ICG 1.7.2014)

• 25.6.2014 - Abuja (FCT): Sprengstoffanschlag auf Einkaufsgegend im Stadtteil Wuse; 21 Tote; Täter unbekannt (BBC 25.6.2014)

• 5.6.2014 - Gombe City (Gombe State): Sprengstoffanschlag auf Sicherheitskräfte; 4 Tote; Täter unbekannt (AFP 5.6.2014)

• 20.5.2014 - Jos (Plateau State): Sprengstoffanschlag auf einen Markt; ~120 Tote; Boko Haram (ICG 1.6.2014; vgl. IPS 20.5.2014)

• 1.5.2014 - Abuja (FCT): Sprengstoffanschlag im Vorort Nyanya; 19 Tote; Boko Haram (BBC 2.5.2014)

Das Militär steht großen Herausforderungen gegenüber. Ein britischer Oberst und ehemaliger Militärattache in Nigeria beschreibt es so:

"Die Armee muss überall sein, Boko Haram nicht. Die Gruppe kann ihre Feuerkraft auf einen einzelnen Platz konzentrieren, an dem die Armee nicht präsent ist."

Dementsprechend greifen die Bürger auch zur Selbstwehr.

Nachdem Boko Haram bei einem Angriff auf die Kirche in Attagara (Borno State) neun Menschen getötet hatte, übten die Dorfbewohner Rache und töteten ihrerseits mehrere Terroristen. Zwei Tage später kam Boko Haram zurück und rächte sich an der Ortschaft (BBC 12.6.2014).

Quellen:

• AFP (5.6.2014) - Agence France-Presse: Four dead in explosion near Nigerian governor's home,

http://reliefweb.int/report/nigeria/four-dead-explosion-near-nigeriangovernors-home , Zugriff 7.7.2014

• BBC (25.6.2014): Nigeria: Abuja bomb blast in Wuse district kills 21, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-28019433 #sa-

ns mchannel=rss&ns source=PublicRSS20-sa, Zugriff 7.7.2014

• BBC (12.6.2014): Nigeria's Boko Haram crisis reaches deadliest phase, http://www.bbc.com/news/world-africa-27823386 , Zugriff 7.7.2014

• BBC (2.5.2014): Abuja blast: Car bomb attack rocks Nigerian capital, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-27249097 #sa-

ns mchannel=rss&ns source=PublicRSS20-sa, Zugriff 7.7.2014

• CFP (30.6.2014) - Council on Foreign Relations: Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 7.7.2014

• Die Presse (21.5.2014): Afrikas Gigant taumelt: Was wurde nur aus Nigeria?

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3809772/Afrikas-Gigant-taumelt Was- wurde-nur-aus-

Nigeria?direct=3809891& vl

backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do&selChan nel=103,

Zugriff 7.7.2014

• ICG (1.7.2014) - International Crisis Group: Crisis Watch 1 July 2014,

http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/CrisisWatch/2014/cw131.ashx , Zugriff

7.7.2014

• ICG (1.6.2014) - International Crisis Group: Crisis Watch 1 June 2014,

http://www.crisisqroup.Org/~/media/Files/CrisisWatch/2014/cw130.pdf .

Zugriff

7.7.2014

• IPS (20.5.2014) - Inter Press Service News Agency: Days After African Leaders Vow to Defeat Boko Haram, Bombings and Terror Continue.

http://www.ipsnews.net/2014/05/days-african-leaders-vow-defeat-boko-harambombings-terror-continue/?utm source=rss&utm medium=rss&utm campaign=daysafrican-leaders-vow-defeat-boko-haram-bombings-terror-continue, Zugriff 7.7.2014

KI vom 11.8.2014: Ebola (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)

Nachdem die WHO die vier von Ebola betroffenen Westafrikanischen Staaten dazu aufgerufen hat, hat auch Nigeria den Notstand ausgerufen. Bisher sind in Nigeria zwei Menschen am Ebola-Virus gestorben, weitere sieben Infizierungen wurden bestätigt. Außerdem gibt es weitere sechs Verdachtsfälle (N24 10.8.2014). Insgesamt sind 139 Personen unter Quarantäne gestellt worden (Die Presse 9.8.2014; vgl. DW 9.8.2014b). Die Erkrankten liegen auf Isolierstationen in Lagos (Der Standard 4.8.2014).

Präsident Jonathan hat Schulen dazu aufgerufen, die Ferien zu verlängern. Außerdem rief er religiöse und politische Gruppen dazu auf, keine größeren Veranstaltungen abzuhalten (VOA 8.8.2014). Weiter hat der Präsident Freiwillige dazu aufgerufen, sich an der Bekämpfung der Seuche zu beteiligen. Der zuständige Beamte in Lagos hat angegeben, dass es an Personal mangle, um einen Ausbruch zu bewältigen (DW 9.8.2014a).

Bei einer Anhörung vor einem Unterausschuss des US-Abgeordnetenhauses sagte ein Kenner der Situation, dass sich die Lage in Lagos verschlechtern könnte. Es werde für drei Wochen ruhig bleiben, "aber wenn es losgeht, dann mit Wucht." Die Inkubationszeit von Ebola beträgt 21 Tage (Die Presse 9.8.2014). Das deutsche Auswärtige Amt geht davon aus, dass sich die Zahl der Infizierten in Nigeria weiter erhöhen wird (AA 11.8.2014).

Das österreichische Außenministerium hat seine bestehenden Reisewarnungen (v.a. Nordnigeria, siehe LIB Nigeria) bisher nicht ausgeweitet (BMEIA 11.8.2014). Es kann aufgrund der Seuche zu Einschränkungen im Flugverkehr kommen (AA 11.8.2014). So wurde bereits z.B. der gambischen Fluggesellschaft aufgrund von unzureichenden Maßnahmen die Landeerlaubnis entzogen (NDTV 10.8.2014).

Quellen

• AA - Auswärtiges Amt (11.8.2014): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00 - SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 11.8.2014

• BMEIA (11.8.2014): Nigeria - Reiseinformationen, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-zlaender/nigeria-de.html , Zugriff 11.8.2014

• Der Standard (4.8.2014): Außenministerium rät von Reise in Ebola-Länder ab,

http://derstandard.at/2000003976842/Aussenministerium-raet-von-Reise-in-Ebola-Laender-ab , Zugriff 8.8.2014

• Die Presse (9.8.2014): Ebola: Neue Fälle in Nigeria, http://diepresse.com/home/panorama/welt/3852373/Ebola Neue-Faelle-in-Nigeria, Zugriff 11.8.2014

• DW - Deutsche Welle (9.8.2014a): Lagos Overwhelmed, Nigeria Asks for Ebola Outbreak Help,

http://allafrica.com/stories/201408110516.html , Zugriff 11.8.2014

• DW - Deutsche Welle (9.8.2014b): Ebola breitet sich auch in Nigeria aus,

http://www.dw.de/ebola-breitet-sich-auch-in-nigeria-aus/a-17843369 , Zugriff

11.8.2014

• N24 - News 24 (10.8.2014): Ebola: Nigeria bans transport of corpses across borders,

http://www.news24.com/Africa/News/Ebola-Nigeria-bans-transport-of-corpses-acrossborders-20140810 , Zugriff 11.8.2014

• NDTV - NDTV/Agence France Presse (10.8.2014): Nigeria Suspends Gambian National Airline Over Ebola Virus, http://www.ndtv.com/article/world/nigeria-suspendsgambian-national-airline-over-ebola-virus-573790 , Zugriff 11.8.2014

KI vom 29.9.2014: Ebola (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)

Der nigerianische Präsident Jonathan hat sein Land bei einer Rede vor der UNGeneralversammlung am 25. September für Ebola-frei erklärt. Die Deklaration war möglicherweise voreilig (TAZ 28.9.2014; vgl. FAZ 25.9.2014), denn es hat zwar seit dem 8. September keine Neuinfektion mehr in Nigeria gegeben, doch erst 42 Tage nach der letzten Neuinfektion gilt Ebola als besiegt (TAZ 28.9.2014; vgl. WHO 25.4.2014). Laut WHO wurden seit dem 8. September keine neuen Infektionen aus dem Land gemeldet. Demnach könnte das Land erst am 20. Oktober für Ebola-frei erklärt werden (FAZ 25.9.2014).

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gab es in Nigeria seit Juli 20 bestätigte Ebola-Fälle, acht der Patienten starben an dem Virus (FAZ 25.9.2014).

Dennoch kehrt in Nigeria langsam wieder Alltag ein und es ist Entwarnung angesagt. Nach dem ersten bestätigten Fall vor zwei Monaten hatte Jonathan den medizinischen Ausnahmezustand ausgerufen und weitreichende Maßnahmen in die Wege geleitet: Fiebermessen an Flughäfen, Desinfektion in öffentlichen Einrichtungen sowie die verlängerten Schulferien für alle Schulen, auch die privaten. Schließlich sollten große Menschenansammlungen vermieden werden (TAZ 28.9.2014).

Quellen:

KI vom 21.10.2014: Nigeria endgültig für Ebola-frei erklärt (betrifft: Abschnitt

3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)

Die Gefahr, dass sich die westafrikanische Ebola-Epidemie auf Nigeria ausbreitet, ist zumindest vorläufig beigelegt. Dies gaben die nationalen Gesundheitsbehörden und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag, 20.10.2014, in der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos bekannt. Die Nachricht folgt fast auf den Tag genau drei Monate nachdem ein 40-jähriger liberianisch-amerikanischer Wirtschaftsanwalt aus Liberia kommend am Flughafen von Lagos zusammengebrochen und fünf Tage später an Ebola gestorben war (NZZ 20.10.2014; vgl. WHO 20.10.2014; vgl. Zeit 20.10.2014). Gemäß WHO kann eine Entwarnung erst 42 Tage nach dem letzten Fall gegeben werden und diese Frist ist am

20.10.2014 abgelaufen (WHO 20.10.2014; vgl. Zeit 20.10.2014). Der nigerianischen Regierung und den WHO-Vertretern vor Ort ist bewusst, dass das westafrikanische Land weiter gefährdet bleibt, solange die Krankheit in anderen Ländern der Region grassiert. Entsprechend bleiben die Behörden in Alarmbereitschaft (Zeit 20.10.2014).

Quellen:

21.10.2014

KI vom 1.4.2015: Buhari gewinnt Präsidentschaftswahl (betrifft: Abschnitt 2/politische Lage)

Muhammadu Buhari hat als Herausforderer von Präsident Goodluck Jonathan die Präsidentschaftswahlen in Nigeria gewonnen. Er konnte 15,4 Millionen Stimmen erlangen, während der Präsident nur 13,3 Millionen einfuhr (BBC 1.4.2015a). Außerdem hat er - wie verfassungsrechtlich vorgeschrieben - in einer ausreichenden Anzahl an Bundesstaaten (27) mehr als ein Viertel der Wählerstimmen erhalten (PT 31.3.2015). Wahlbeobachter hatten die Durchführung der Wahl generell gelobt - auch wenn es Vorwürfe des Wahlbetruges gegeben hat (BBC 1.4.2015a). Die Wahlkommission hat dieses Mal zahlreiche Schritte unternommen, um Wahlbetrug einzudämmen (BBC 31.3.2015; vgl. NZZ 31.3.2015). Der signifikante Vorsprung von Buhari macht es unwahrscheinlich, dass eine Wahlanfechtung Erfolg haben würde (BBC 1.4.2015a).

Der muslimisch geprägte Norden Nigerias hat offenbar fast ausnahmslos für den Muslim Buhari gestimmt, er konnte aber offenbar auch im Süden viele Stimmen sammeln - siegte etwa im Bundesstaat Lagos (FAZ 31.3.2015). Der Südwesten Nigerias, die Heimat des Volks der Yoruba, wandte sich bei dieser Wahl generell von Jonathan ab (NZZ 31.3.2015).

Die Wahl des 72jährigen ehemaligen Militärdiktators Buhari (1984/85), der für den oppositionellen All Progressives Congress (APC) ins Rennen ging, bedeutet, dass zum ersten Mal in der Geschichte Nigerias ein Oppositionskandidat gegen einen amtierenden Präsidenten gewonnen hat (BBC 1.4.2015a; vgl. FAZ 31.3.2015).

Präsident Goodluck Jonathan wiederum trägt einen großen Anteil daran, dass Unruhen vermieden worden sind. Er hatte seinem Herausforderer umgehend zum Wahlsieg gratuliert. Außerdem hat er seine Anhänger aufgerufen, nicht auf die Straßen zu gehen und Vorwürfe (zur Wahl) im Rechtsweg einzubringen (BBC 1.4.2015b; vgl. FAZ 31.3.2015). Das Eingeständnis der eigenen Niederlage ist ein historischer Akt. Allerdings lässt sich die Frage, ob es in Nigeria friedlich bleibt, noch längst nicht beantworten (FAZ 31.3.2015). Während der Wahlen waren rund 50 Menschen getötet worden, berichtet die Nationale Menschenrechtskommission (TG 31.3.2015). Bei den letzten Wahlen im Jahr 2011 waren bei Ausschreitungen rund 1.000 Menschen ums Leben gekommen (DW 1.4.2015).

Nunmehr beginnt eine Phase des "Schwebezustandes", denn noch-Präsident Jonathan wird sein Amt bis 29.5.2015 weiter ausüben. Erst dann endet seine Regierungsperiode (BBC 1.4.2015b).

Quellen:

2. Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert, die von direkt gewählten Gouverneuren regiert werden (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013; vgl. GIZ 10.2013a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente. Die PDP (People's Democratic Party) stellt derzeit 23 [Anm.: bzw. 16 siehe unten] Gouverneure, der ACN (Action Congress) 6, die ANPP (All Nigeria People's Party) 3, die APGA (All Progressives Grand Alliance) 2, die LP (Labour Party) und der CPC (Congress for Progressive Change) je einen Gouverneur (AA 10.2013).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Finanzverfassung ist trotz der bundesstaatlichen Gliederung zentralistisch. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 28.8.2013).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung. Die einzige große überregionale Partei ist die Regierungspartei PDP. Die größten Oppositionsparteien waren bisher jeweils nur in bestimmten Regionen eine ernsthafte Konkurrenz für die PDP. Der CPC und die ANPP haben vor allem im Norden ihre Hochburgen, während der ACN im Südwesten (insbesondere in Lagos) eine starke Position hat (AA 28.8.2013).

Im Hinblick auf die 2015 stattfindenden Präsidentschaftswahlen haben sich die vier Oppositionsparteien CPC, ACN, ANPP und APGA jüngst zu einer neuen Oppositionspartei namens "All Progressive Congress" (APC) zusammengeschlossen (GIZ 10.2013a; vgl. AA 28.8.2013). Damit formierte sich erstmals seit 1999 eine ernstzunehmende Konkurrenz zur PDP (AA 28.8.2013). Die APC verfolgt das Ziel, 2015 die Regierung unter Goodluck Jonathan und die PDP als Regierungspartei abzulösen. Darüber hinaus gab es in letzter Zeit zunehmend Flügelkämpfe innerhalb der PDP, in Folge dessen sich sieben von 23 PDP- Gouverneuren (der insgesamt 36 Gouverneure Nigerias) von der Partei abgespalten haben.

Sie beabsichtigen nun eine "neue PDP" zu gründen, da sie mit der aktuellen Politik Jonathans unzufrieden sind. Sie kritisieren v.a., dass dieser das Problem mit Boko Haram bislang nicht in den Griff bekommen und auch in Bezug auf die im Land vorherrschende Armut und den ausgeprägten Analphabetismus keine adäquaten politischen Maßnahmen eingeleitet habe (GIZ 10.2013a).

Bei den Wahlen vom April 2011 wurden neun Parteien ins Bundesparlament gewählt. Die PDP verfügt in beiden Häusern über die absolute Mehrheit (Senat: 75 Sitze, Abgeordnetenhaus: 204). Die APC verfügt über 30 Sitze im Senat und 135 Sitze im Abgeordnetenhaus. Fünf weitere Parteien sind aufgrund des Mehrheitswahlsystems nur mit wenigen Abgeordneten vertreten (AA 10.2013).

Der Wahlsieg von Präsident Goodluck Jonathan im April 2011 wurde von internationalen und nationalen Wahlbeobachtern übereinstimmend als weitgehend zufriedenstellend und transparent gewertet. Die EU sprach von den "bisher glaubwürdigsten Wahlen seit Rückkehr zur Demokratie 1999" (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013). Allerdings gab es bei den Wahlen zu Parlament und Gouverneuren Hinweise auf stärkere Manipulationen, die in manchen Regionen auch das Wahlergebnis beeinflusst haben dürften (AA 28.8.2013).

Staatspräsident Goodluck Jonathan bekennt sich grundsätzlich zur Rechtsstaatlichkeit und strebt eine nachhaltige, reformorientierte Wirtschaftspolitik an. Bisher gibt es jedoch keine greifbare Verbesserung der Lage der Bevölkerung (AA 28.8.2013). Die ersten Monate im Amt gelang es Präsident Jonathan, die angespannte Situation im Nigerdelta etwas zu beruhigen. Darüber hinaus engagierte er sich dafür, die Wirtschaft anzukurbeln, indem er u.a. den Kontakt mit den wirtschaftlich starken Länder Europas intensivierte (GIZ 10.2013a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen großen - weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 10.2013).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2014).

Quellen:

18.2.2014

18.2.2014

19.2.2014

3. Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 28.8.2013). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 27.3.2014). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 18.2.2014).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Sokoto, Zamfara, Kebbi, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi), die restlichen Gegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers und Akwa Ibom sowie in nach Abia (UKFCO 18.2.2014). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 27.3.2014).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 27.3.2014) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet. Nach den Wahlen 2011 kam es in weiten Gebieten Nord- und Zentralnigerias zu gewaltsamen Unruhen, bei denen mehrere hundert Menschen ums Leben kamen. Besonders betroffen waren die Bundesstaaten Kaduna und Bauchi. In Wahlkampfzeiten kommt es regelmäßig zu teilweise massiven Vorfällen (Einschüchterung und Bedrohung des politischen Gegners bis hin zu Körperverletzung und Totschlag, Störung von Wahlkampfveranstaltungen) (AA 28.8.2013).

Als stellvertretendes Beispiel hinsichtlich der Sicherheitslage in Nigeria sei der 25.3.2014 genannt. An diesem Tag wurden bei kommunalen Angriffen von Fulani im Bundesstaat Benue mindestens 25 Menschen getötet. Bei diesen Auseinandersetzungen wurden im Bundesstaat Nasarawa 20 Menschen getötet, mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden niedergebrannt; im Bundesstaat Plateau kamen zwei Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. In Maiduguri im Bundesstaat Borno rammten Selbstmordattentäter einen Polizeiwagen. Fünf Polizisten, drei Zivilisten und die beiden Attentäter wurden getötet, zahlreiche Personen verletzt. Derweil konnte die Polizei im Bundesstaat Kaduna einen Sprengsatz entschärfen (ALL 26.3.2014b).

Quellen:

http://allafrica.com/stories/201403260187.html7viewalM , Zugriff 26.3.2014

18.2.2014

3.1. Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013). Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 28.8.2013). Bis zum Amnestieangebot im Jahr 2009 hat vor allem die MEND in der Region den bewaffneten Kampf gegen die Regierung geführt. Die MEND war verübte selbst noch im Oktober 2010 Angriffe und Attentate (DACH 2.2013).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Präsident Jonathan, selbst aus dem Ölstaat Bayelsa stammend, setzt das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Januar 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 28.8.2013). Bislang wird die Amnestievereinbarung aber weitgehend eingehalten, so dass Kriminalität und Gewalt im Süden merklich zurückgegangen sind - wiewohl in letzter Zeit wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist (AA 10.2013). Bis Ende 2012 haben 26.368 ehemalige Militante vom Amnestieprogramm profitiert. Viele der ehemaligen Militanten haben eine Arbeitsausbildung oder Stipendien erhalten (USDOS 19.4.2013).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 28.8.2013). Das kostspielige Amnestieprogramm im Nigerdelta hat zwar die Gewalt reduziert, die strukturellen Probleme (Armut, Korruption, Umweltverschmutzung, Straffreiheit bei politischer Gewalt) wurden aber nicht angegangen (BS 2014; vgl. HRW 21.1.2014). Im Juni 2013 hat die Regierung angekündigt, dass das Amnestieprogramm im Jahr 2015 endgültig beendet werde. Sie hat auch zugegeben, dass ihre eigene Unfähigkeit, für die ausgebildeten ehemaligen Rebellen eine Arbeit zu finden oder einen anderen Plan zu erstellen, die Region potentiell gefährlicher machen werde (HRW 21.1.2014). Gemäß den Aussagen vieler Experten bleibt die Situation im Nigerdelta instabil. Es ist nicht ausgeschlossen, dass frustrierte Militante früher oder später wieder zu den Waffen greifen (DACH 2.2013).

Quellen:

18.2.2014

18.2.2014

18.2.2014

3.2. Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 10.2013). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert. Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes Vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt vigira nder. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben.

Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht- indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o. g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013).

In einzelnen Fällen fordern Ausschreitungen dort mehrere hundert Tote (AA 10.2013). Derartige Gewalt führte im Jahr 2013 im Middle Belt, namentlich in den Bundesstaaten Plateau, Taraba, Benue und Nasarawa zu mehr als 400 Todesopfern. Die dafür Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen, weswegen ethnische und religiöse Gruppen in der Region damit begonnen haben, eigene Milizen aufzustellen. Die Diskriminierung von "nicht-Indigenen" durch Bundesstaats- und Lokalregierungen fördert die Unzufriedenheit (HRW 21.1.2014).

Zuletzt kamen am Wochenende zum 16.3.2014 im Bundesstaat Kaduna bei einem Überfall moslemischer Hirten auf christliche Bauern mindestens hundert Menschen ums Leben. Die Opfer waren verbrannt oder zerhackt worden. Über 2.000 Menschen wurden infolgedessen vertrieben (AFP 16.3.2014).

Quellen:

18.2.2014

3.3. Nordnigeria - Boko Haram

Im Nordosten und im Zentrum Nigerias kommt es seit Mitte 2010 gehäuft zu Anschlägen der islamistischen Gruppe Boko Haram. Seit Anfang 2011 hat sich die Lage im Nordosten und in Teilen Zentralnigerias deutlich zugespitzt und im Jahr 2012 und 2013 noch einmal verschärft. (AA 28.8.2013). Die Rebellion der militanten Sekte Boko Haram (auch Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati Wal-Jihad) dauert also weiter an. Zwar hat Präsident Jonathan im April 2013 ein Komitee für einen Dialog mit den Rebellen gegründet, diese lehnen jedoch Gespräche oder eine Amnestie ab (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 10.2013). In der Folge wurde im Mai 2013 über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt, dieser dauert bis heute an (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 27.3.2014). Seither kommt es zu militärischen Operationen (UKFCO 18.2.2014). Anfangs ging die Gewalt kurzfristig zurück.

Seit August 2013 haben sich die Angriffe auf Polizei, Sicherheitskräfte und zivile Ziele (Banken, Bars, Restaurants, religiöse Zentren, Schulen, Regierungsgebäude) im Norden jedoch verstärkt. In Maiduguri kommt es wöchentlich, manchmal auch täglich zu Schießereien und Anschlägen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013).

Boko Haram verübt immer wieder Anschläge aus dem Untergrund (Schuss- und Sprengstoffattentate) (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Gruppierung operiert zwar überwiegend im Nordosten (insbesondere Borno und Yobe), zunehmend aber auch im Zentrum des Landes (auch im Großraum Abuja) (AA 28.8.2013). Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014a). Boko Haram tötet Sicherheitskräfte und Zivilisten, darunter lokale Behördenvertreter, religiöse Führer und Politiker. Es kommt zu Anschlägen auf Polizeistationen, Armeeeinrichtungen, Gefängnisse, Banken und Schulen (USDOS 27.2.2014), auch Kirchen und Moscheen sowie traditionelle religiöse Führer sind ins Fadenkreuz der Islamisten geraten. Zugenommen haben Anschläge auf Angehörige der christlichen Minderheit im Zentrum und im Nordosten Nigerias (AA 28.8.2013). Ebenfalls ins Visier der Boko Haram geraten sind die Mitglieder der Bürgerwehr Civilian Joint Task Force (HRW 21.1.2014). Boko Haram forciert auch Entführungen, diese treffen vermehrt Frauen. Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 27.2.2014).

Die Gewalttaten der Boko Haram werden dabei immer extremer. Die Gruppe greift Menschen schon alleine aufgrund der Religion oder eines Berufes an, tötet oder verletzt andere völlig willkürlich. Die Gruppe hat Häuser, Kirchen, Krankenhäuser (OHCHR 14.3.2014) und seit 2012 mindestens 300 Schulen niedergebrannt (HRW 21.1.2014). Sie haben Kinder in ihren Betten ermordet, Frauen und Mädchen verschleppt und vergewaltigt. Eine halbe Million Menschen wurden vertrieben (OHCHR 14.3.2014). Seit Jänner ist Boko Haram für den Tod von 500 Menschen verantwortlich, fast täglich kommt es zu Angriffen auf Dörfer in Borno und Adamawa (IRIN 14.3.2014). Die Angreifer der Boko Haram kommen üblicherweise schwer bewaffnet in die Dörfer, plündern die Vorräte und zünden dann die Häuser an. Folglich sind dutzende Dörfer in Borno und Adamawa verlassen worden. Dies wirft auch ein Licht auf die möglicherweise bevorstehende Nahrungsmittelknappheit, da die Landwirtschaften nicht mehr betrieben werden (IRIN 14.3.2014; vgl. OHCHR 14.3.2014). Alleine die Selbstmordattentate führten im Jahr 2013 zu hunderten Todesopfern. Die Anzahl an Opfern stieg im Vergleich zum Jahr 2012 im Jahr 2013 massiv an (USDOS 27.2.2014). Insgesamt ist es der Regierung trotz wichtiger Teilerfolge (AA 10.2013) nicht gelungen, die Gewalt einzudämmen und die Zivilbevölkerung zu beschützen (HRW 21.1.2014; vgl. AA 10.2013). Die Gesamtzahl der Todesopfer bei über 700 Anschlägen seit 2010 liegt zwischen 4.000 (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013) und 5.000 Personen (HRW 21.1.2014).

Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das eigentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013).

Während des Jahres 2013 unternahmen die Joint Task Forces (JTF), die sich aus Elementen der Armee, der Polizei und anderer Sicherheitskräfte zusammensetzen, Offensiven gegen militante Gruppen und Kriminelle in den Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Kano, Kaduna, Kogi, Plateau, Sokoto, Taraba, Katsina, Jigawa und Yobe (USDOS 27.2.2014). Schwere Menschenrechtsverletzungen werden den dort agierenden Sicherheitskräften angelastet (USDOS 27.2.2014). Die Reaktion der Sicherheitsbehörden auf die Terroranschläge von Boko Haram verschärfte in Wirklichkeit das Problem. Berichte aus verschiedenen Quellen, einschließlich Human Rights Watch, sagen aus, dass die JTF an übermäßigem Einsatz von Gewalt, körperlicher Misshandlung, geheimen Inhaftierungen, Erpressung, Brandanschlägen, Gelddiebstahl während Razzien und außergerichtlichen Hinrichtungen von Verdächtigen beteiligt war. Dies hat letztendlich seit 2009 zum Tod von mehr als 2.800 Menschen geführt (KAS 12.7.2013). Insbesondere seit Verhängung des Ausnahmezustands im Mai 2013 gehen die Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche Terroristen mit äußerster Härte vor. Die Bewohner der betroffenen Bundesstaaten und der sich zwischenzeitlich im Norden des Landes aufhaltenden Menschen aus den benachbarten Staaten Nigerias fliehen vor diesen Auseinandersetzungen in Tausenden in den Niger, Tschad und nach Kamerun (AA 28.8.2013). Trotz verschiedener Berichte in sowohl lokalen als auch internationalen Medien über die Vorwürfe des weit verbreiteten Missbrauchs der Sicherheitskräfte wurde diesbezüglich kaum jemand strafrechtlich verfolgt (KAS 12.7.2013).

Quellen:

18.2.2014

25.3.2014

25.3.2014

18.2.2014

18.2.2014

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 28.8.2013; vgl. HRW 21.1.2014). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten SchariaGesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 28.8.2013). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 27.2.2014).

Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 9.5.2013). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung, Ausbildung und Motivation, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 27.2.2014). Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt (HRW 21.1.2014; vgl. USDOS 27.2.2014). Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 27.2.2014).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 28.8.2013). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 28.8.2013).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 28.8.2013).

Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. Über 70 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 28.8.2013). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 28.8.2013).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&obiId=16801531&obiAction=Qpen&nexturl

=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26obiId%3D16800759%26obiAction%3D

browse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014

4.3.2014

4.1. Scharia

In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 28.8.2013). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Schariagericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 10.2013). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud- Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Verleumdung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Diebstahls, Straßenraubs, Alkoholgenusses), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 28.8.2013).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Zuletzt erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als zuvor, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 28.8.2013). Die SchariaBerufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDQS 27.2.2014). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 28.8.2013). Urteile von SchariaGerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDQS 27.2.2014). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 10.2013).

Quellen:

18.2.2014

4.3.2014

5. Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 28.8.2013). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 27.2.2014). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 28.8.2013).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, State Security Service (SSS) sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 28.8.2013). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des SSS, das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die NPF, das SSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 27.2.2014). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 11.2011).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 11.2011). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 28.8.2013). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Armee sowie Joint Task Force- bzw. Special Task Force-Einheiten entsandt:

in den Middle Belt, um der Gewalt im Konflikt zwischen Indigenen und Siedlern zu begegnen; in den Bundesstaat Nassarawa, um den Ausbruch ethno-religiöser Gewalt einzudämmen; in die Bundesstaaten Bauchi, Borno, Kano, Kaduna, Plateau und Yobe, um den Angriffen der Boko Haram zu entgegnen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Im Norden wurde mittlerweile die bis

August 2013 maßgebliche Joint Task Force Restore Order (JTF-RO) überhaupt durch die 7. Nigerianische Armeedivision abgelöst (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

5.1. 5.1. Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People's Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 28.8.2013).

Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (C-JTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 27.2.2014).

In fünf Bundesstaaten (Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber auch Verhaftungen durch. Z.B. verhafteten sie im August 2012 in Kano zwanzig Personen, die sich nicht an das Fastengebot im Ramadan hielten (USDOS 20.5.2013). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 28.8.2013).

Quellen:

18.2.2014

4.3.2014

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für mehrere tausend Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere

Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (FH 9.5.2013; vgl. USDOS 27.2.2014), extra-legale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 28.8.2013). Auch im Jahr 2013 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die JTF-RO, die 7. Armeedivision, die NPF, den SSS und andere. So kam es etwa am 16.4.2013 in Baga (Bundesstaaten Borno) zu einem Zwischenfall, bei welchem nach Angaben des Stabschefs der Armee 36, nach Angaben des für die betroffene Region zuständigen Senators jedoch 228 Personen (v.a. Zivilisten) getötet worden waren (USDOS 27.2.2014). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 28.8.2013).

Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 28.8.2013). Die Kultur der Straflosigkeit ist an einem Punkt angelangt, an dem fast niemand für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird (KAS 12.7.2013). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extralegalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 28.8.2013). Die NHRC und das Komitee gegen Folter hätten das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und Täter den Gerichten zuzuführen. Sie wurden diesbezüglich aber nicht aktiv. Es gab im Jahr 2013 keinen verifizierten Fall, in welchem ein Mitglied der JTF-RO für ein Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung gezogen worden wäre (USDOS 27.2.2014).

Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 28.8.2013). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (HRW 21.1.2014; vgl. AI 23.5.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Allein in der Stadt Baga (Bundesstaat Borno) zerstörten die Sicherheitskräfte mehr als 2.000 Häuser (HRW 21.1.2014).

Der National Security Adviser hat gegenüber der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte zugesichert, dass humanitäre Kräfte und Menschenrechtsbeobachter Zugang zu den betroffenen Gebieten erhalten werden - auch die NHRC. Dies wird als wichtige Zusage erachtet, um Gewaltexzesse und Straffreiheit zu bekämpfen (OHCHR 14.3.2014).

Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 28.8.2013). Auch wenn die Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, wird Folter nicht kriminalisiert (USDOS 27.2.2014). Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Straftatverdächtigen und Gefangenen durch Sicherheitskräfte sind weit verbreitet (AI 23.5.2013). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 27.2.2014). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock- und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 28.8.2013).

Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der

Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 28.8.2013).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 28.8.2013). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Joint Task Force, Polizei und andere Sicherheitskräfte (v.a. im Norden und im Rahmen des Vorgehens gegen militante Gruppen) kommt es zu Verletzungen, Gruppenvergewaltigungen, Vertreibungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 11.2011).

Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Nur im Bundesstaat Lagos, wo nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt, hat sich die Situation deutlich gebessert. Ein ähnliches Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde im Beisein des nigerianischen Präsidenten ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 28.8.2013). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von willkürlicher und ad-hoc-Verhaftungen nachzugehen (USDOS 27.2.2014).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen. Die Armee hat um internationale Unterstützung angefragt, um Ausbildungsprogramme zum Schutz von Zivilisten und der Menschenrechte entwickeln zu können (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/local link/248019/374199 de.html, Zugriff 18.2.2014

25.3.2014

4.3.2014

7. Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor (AA 28.8.2013). Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (FH 9.5.2013) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 10.2013a). Korruption ist allgegenwärtig (AA 28.8.2013). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 144 von 175 untersuchten Staaten (TI 2013). Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 6.2013a).

Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 28.8.2013). Die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sind größtenteils ineffektiv (USDOS 27.2.2014). Seit 2002 hat die EFCC dreißig Prominente wegen Korruption angeklagt. Es kam aber insgesamt nur zu vier

Verurteilungen mit keinen oder nur geringen Haftstrafen (FH 9.5.2013). Die EFCC hat beim Kampf gegen Korruption nur geringe Fortschritte erzielt. Der verurteilte ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Bayelsa wurde vom Präsidenten amnestiert - ein tragischer Rückschritt. Auch der ICPC ist es im Jahr 2013 nicht gelungen, relevante Anklagen zu erheben oder Verurteilungen zu erreichen (HRW 21.1.2014). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während erstere auf Finanzdelikte beschränkt ist. Trotz ihres breiten Mandats hat die ICPC seit ihrer Gründung im Jahr 2000 erst 68 Verurteilungen erreicht. Immerhin führt der Vorsitzende der EFCC, Ibrahim Lamorde, Untersuchungen gegen zwölf prominente öffentlich Bedienstete. Allerdings halten die Beschuldigungen an, dass die EFCC nur solche Personen ins Visier nimmt, die bei der Regierung in Missgunst gefallen sind (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

19.2.2014

4.3.2014

8. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 27.2.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 28.8.2013).

Quellen:

4.3.2014

9. Ombudsmann

Die Aufgaben der National Human Rights Commission (NHRC) sind Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie Menschenrechtserziehung; und die Beobachtung der Menschenrechtslage (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Derzeit konzentriert sie sich u. a. auf Polizeigewalt, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung. Soweit sich die Kommission Einzelschicksalen annimmt, hat ihre Arbeit lediglich empfehlenden Charakter (AA 28.8.2013). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 27.2.2014). Die Kommission hat ihre Arbeit in den letzten Jahren intensiviert und verbessert und zuletzt etwa mit der öffentlichen Schätzung von jährlich ca. 5.000 extra-legalen Hinrichtungen wachsende Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein bewiesen (AA 28.8.2013). Die Kommission ist mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

10. Wehrdienst

Die nigerianischen Streitkräfte bestehen aus Berufssoldaten. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht (AA 28.8.2013). Ein paramilitärisch organisiertes einjähriges "Civil Service" ist für Universitätsabgänger möglich jedoch nicht verpflichtend. Die Absolvierung ist Voraussetzung für die Erlangung der meisten Positionen im Öffentlichen Dienst (ÖBA 11.2011).

Quellen:

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation hat sich seit 1999 erheblich verbessert. Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, die auch in der Verfassung als einklagbar verankert sind (AA 10.2013). Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 28.8.2013).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die SchariaRechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht verlässlich gesichert. Insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Boko Haram werden den Sicherheitsbehörden zahlreiche extra-legale Tötungen vorgeworfen. Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 10.2013).

Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl.

Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, - prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 28.8.2013). Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet (AA 28.8.2013). In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 28.8.2013).

Quellen:

18.2.2014

12. Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 28.8.2013; vgl. FH 9.5.2013). Zivile Medien können die Regierung und ihre Politik offen kritisieren (HRW 21.1.2014).

Die nigerianischen Medien sind die vielfältigsten in Afrika (AA 6.2013b; vgl. FH 5.9.2013). Die Medienlandschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 6.2013b; vgl. FH 5.9.2013).

Es kam auch zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 27.2.2014). Staatliche und private Akteure versuchen immer wieder, politische Kritik zu unterbinden oder Journalisten einzuschüchtern. Es kann zu Verhaftungen kommen (HRW 21.1.2014) - etwa in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu sensiblen Themen wie Korruption und Sicherheit (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Es kommt immer wieder zur Verurteilung von Journalisten wegen "Diffamierung". Bundesgerichte versuchen, den Rechtsschutz für Journalisten auszubauen (FH 5.9.2013). Im Mai 2011 ist das bereits im April 2007 verabschiedete Gesetz zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft getreten. Es garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Praktische Erfahrungen mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben liegen bislang nicht vor (AA 28.8.2013).

Journalisten werden auch durch Boko Haram bedroht, die Medienvertreter und Journalisten einschüchtert. Es kam auch zu Attentaten (FH 5.9.2013; vgl. USDOS 27.2.2014).

Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 27.2.2014). Auch Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist (FH 5.9.2013). Journalisten müssen grundsätzlich "motiviert" werden, um zu berichten. Reporter von Lokalzeitungen wie dem "Pointer" verlangen in der Regel Bargeld für Artikel (zwischen 50 und 100 Euro) (ÖBA 25.4.2013).

Quellen:

4.3.2014

13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis. Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014).

Auch die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird die Versammlungsfreiheit tatsächlich oft nur eingeschränkt gewährleistet (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014), da die Sicherheitsorgane häufig gegen politisch unliebsame Versammlungen einschreiten (AA 28.8.2013; vgl. FH 9.5.2013). Die Regierung verbietet z.B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

13.1. Opposition inkl. MASSOB

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen (AA 28.8.2013). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien. Die Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Parlamentswahlen im Jahr 2011 waren insgesamt glaubwürdig. 37 Parteien nahmen an den Parlamentswahlen teil. Bei den Gouverneurswahlen wurde nur ein Drittel der Amtsinhaber wiedergewählt.

Oppositionsparteien konnten viele Mandate erringen (USDOS 27.2.2014).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen (AA 28.8.2013). Manchmal verhaftet die Polizei willkürlich Oppositionsführer oder Dissidenten innerhalb der staatstragenden Partei PDP (USDOS 27.2.2014). Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 28.8.2013).

Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gehen die Sicherheitsorgane teilweise massiv vor. MASSOB propagiert keinen bewaffneten Kampf; Zeitungen berichteten allerdings von Waffenfunden bei Razzien der Sicherheitskräfte. Teilnehmer an MASSOB-Veranstaltungen wurden wegen des Verdachts auf landesverräterische Aktivitäten vor ordentlichen Gerichten angeklagt. Laut Medienberichten wurden viele Angeklagte vorzeitig gegen Kaution bzw. Ehrenerklärung freigelassen, in anderen Fällen endeten Verfahren mit Freispruch (AA 28.8.2013). Am 6.8.2013 wurden sechs Mitglieder der MASSOB verhaftet. Ihnen wurden illegale Aktivitäten vorgeworfen, da sie im Besitz von 114 Biafra-Flaggen und 129 Biafra-Pfund waren. Von den im Mai 2012 im Bundesstaaten Delta zu Haftstrafen verurteilten MASSOB-Mitgliedern befanden sich Ende 2013 noch einige in Haft (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

14. Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (70 Prozent sind Untersuchungshäftlinge), sind extralegalen Tötungen, Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung, harten klimatischen Bedingungen, und absolut inadäquaten sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 27.2.2014). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss oft über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden; immer wieder wird berichtet, dass es aufgrund dieser Verhältnisse zu Todesfällen kommt (AA 28.8.2013). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 27.2.2014).

Gemäß den Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es auch inoffizielle Gefängnisse des Militärs, etwa in Maiduguri (Borno) und Damaturu (Yobe). Aus diesen Anstalten kommen Meldungen über extralegale Tötungen, Folter, Schläge und unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Laut Amnesty International sind in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 950 Personen in Militärgewahrsam ums Leben gekommen (USDOS 27.2.2014).

Zwar erhalten Beobachter ausländischer Menschenrechtsorganisationen seit Veröffentlichung eines Berichts von Amnesty International über die Haftbedingungen 2008 keinerlei Zugang mehr zu Gefängnissen, jedoch wurden der Deutschen Botschaft in Abuja und Vertretern einer lokalen und später einer deutschen NRO Besuche in mehreren Gefängnissen ermöglicht (AA 28.8.2013). Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Die NHRC stellte Listen über Menschenrechtsthemen zusammen, der Jahresbericht 2013 lässt noch auf sich warten. Prinzipiell verfolgt die NHRC auch glaubwürdige Vorbringen hinsichtlich inhumaner Bedingungen. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Die Regierung gestattete externes Monitoring von Haftanstalten, allerdings gelang es dem nigerianischen Roten Kreuz nicht, regelmäßige Besuche durchzuführen. Die inoffiziellen Haftanstalten können nicht beobachtet werden (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung unternahm im Jahr 2013 kaum Verbesserungen bei den Haftanstalten, lokale Staatsanwälte bemühten sich aber teilweise um Verbesserungen. Allerdings versuchten einzelne Gefängnisverwaltungen Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

15. Todesstrafe

Die Todesstrafe kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden. Besorgniserregend ist der gegenwärtig zu beobachtende Trend in einigen südlichen Bundesstaaten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v. a. Entführung) auszuweiten. Die 2012 angenommene Änderung zum sog. Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe als Strafmaß für terroristische Verbrechen vor (AA 28.8.2013).

Nigeria hält also weiterhin an der Todesstrafe fest. Allerdings besteht ein faktisches Vollstreckungsmoratorium, das zuletzt im Februar 2009 durch den Außenminister gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat bestätigt worden ist, jedoch 2010 und 2013 durchbrochen wurde. Die Gouverneure der Bundesstaaten, die rechtlich für die Vollstreckung bzw. Umwandlung von Todesurteilen zuständig sind, erklärten im April 2010 ihre Absicht, Hinrichtungen wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung wies die Gouverneure auf das international verkündete Moratorium hin. Der Gouverneur des Bundesstaats Edo hob im November 2012 eine Verurteilung zum Tod auf, unterschrieb aber zwei Exekutionserlasse. Im März 2013 bestätigte die Bundesregierung gegenüber der EU das Moratorium erneut (AA 28.8.2013). Am 24.6.2013 wurden dennoch in Edo vier Exekutionen durchgeführt, eine fünfte wurde vorerst aufgeschoben. Aktuelle Schätzungen von Menschenrechtsorganisation gehen davon aus, dass zwischen 870 und 1000 zum Tode Verurteilte in Todeszellen einsitzen. Offizielle Statistiken dazu liegen nicht vor (AA 28.8.2013; vgl. BBC 25.6.2013).

Quellen:

16. Religionsfreiheit

Verfassung, Gesetze und Richtlinien sehen Religionsfreiheit vor. Die Regierung respektierte diese Rechte (USDOS 20.5.2013). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 28.8.2013).

Die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit gestaltet sich schwierig (GIZ 10.2013b). Einzelne Bundesstaatsregierungen, Einzelpersonen und Gruppen außerhalb der Regierung verletzten manchmal das Gebot der Religionsfreiheit (USDOS 20.5.2013). Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist lokal unterschiedlich stark ausgeprägt. Insbesondere im Südwesten leben Christen und Muslime seit Jahrhunderten friedlich zusammen. Mischehen kommen häufig vor. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos vom November 2008 und erneut seit Januar 2010, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (AA 28.8.2013). Insgesamt gelingt es der Regierung nicht, kommunale Gewalt effektiv einzudämmen, Vergehen zu untersuchen und Schuldige zu verurteilen. Es herrscht diesbezüglich ein Klima der Straffreiheit (USDOS 20.5.2013).

Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. Es kann zur Ächtung aber auch zur Bedrohung von Konvertiten - sowohl Christen als auch Muslime - kommen (USDOS 20.5.2013).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 12.2013). Eine aktuelle und auf das gesamte Bundesgebiet von Nigeria bezogene Verfolgungsgefahr kann keinesfalls festgestellt werden (BVwG 25.2.2014).

Quellen:

18.2.2014

16.1. Religiöse Gruppen

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 11.2.2014; vgl. GIZ 10.2013b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 28.8.2013). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Im Middle Belt, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 20.5.2013).

Die Moslems sind größtenteils sunnitisch bzw. sufitisch. Die Minderheiten an Schiiten und Salafisten wachsen stetig (USDOS 20.5.2013). Zwei Strömungen des Islam sind vertreten: die Bruderschaft der Qadiriyya in Sokoto und der Tijaniyya, der alteingesessenen Hausa in Kano. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u. a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 10.2013b).

Das Christentum unterteilt sich in Katholiken (13 Prozent), Protestanten (15 Prozent) und synchretistische afrikanische Kirchengemeinschaften (17 Prozent) - einer Vermischung von traditionellen Religionen und Freievangelisten, meistens Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Über tausend dieser neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern gibt es bereits in Nigeria, Tendenz steigend. Dabei sind die meisten dieser Kirchen stark profitorientiert (GIZ 10.2013b).

Quellen:

18.2.2014

16.2. Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 1999 sprechen die offiziellen Zahlen von über 10.000 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 10.2013b). In der Kategorie "physische Gewalt" gegen Christen aufgrund der Glaubenszugehörigkeit gehört

Nigeria zu den erstgereihten Ländern. Der Islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung. Obwohl mit der Verfolgung der Christen in Nordnigeria meistens Boko Haram in Verbindung gebracht wird, ist das Schema der Verfolgung viel komplizierter als lediglich die gewaltsamen Übergriffe und die Ermordung von Christen - und auch gemäßigten Muslimen - durch die militante islamistische Gruppe. Das trifft besonders auf die 12 nördlichen Scharia Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum zugestehen ihren eigenen Lebensstil zu führen (OD 2014). Auch wenn sich die meisten religiösen Führer beider Seiten für Toleranz und Mäßigung aussprechen (USDOS 20.5.2013), fürchten sich viele Christen vor einer Eskalation der Gewalt im Zuge der Wahlen im Jahr 2015 (OD 2014).

Besonders in den Scharia Staaten birgt die Hinwendung vom Islam zum Christentum große Gefahren und kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Doch die Verfolgung beschränkt sich nicht nur auf Christen mit muslimischem Hintergrund, sondern betrifft alle Kategorien von Christen in vielen nördlichen Staaten. Christen werden in den Ausbildungseinrichtungen oft als Bürger zweiter Klasse betrachtet und dementsprechend behandelt. Christliche Mädchen stehen ständig in der Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden. In Kano zum Beispiel, wurden in einem Haus über 40 christliche Mädchen entdeckt, die nach ihrer Entführung dort festgehalten, islamisiert und für die Zwangsverheiratung mit Muslimen vorbereitet wurden (OD 2014).

Das Ausmaß der Gewalt in Nigeria bleibt extrem hoch. Laut Medienuntersuchungen durch die Forschungsgruppe World Watch, wurden im Berichtszeitraum 612 nigerianische Christen getötet, Hunderte von Fällen physischer Gewalt registriert und fast 300 Kirchen zerstört. Zehntausende nigerianische Christen sahen sich angesichts massiver Drohungen gezwungen ihre Häuser zu verlassen. Sexuelle Übergriffe wurden von Boko Haram als Waffe eingesetzt, um Christen einzuschüchtern (OD 2014). Es gibt glaubhafte Berichte über die Flucht von Christen aus z.B. den Bundesstaaten Yobe und Borno. Die Menschen nennen als Gründe die Unsicherheit und die Gewalt (USDOS 20.5.2013). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch Boko Haram fürchten, sollten in der Lage sein, Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit außerhalb Nordnigerias in Anspruch zu nehmen (UKHO 12.2013).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den Jahren 2000/2001 die strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia wiedereingeführt haben, was zu einer nicht unerheblichen Zunahme von Spannungen zwischen Christen und Muslimen geführt hatte, kann es zur Anwendung von Scharia-Vorschriften (Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln etc.) auch auf Nicht-Muslime kommen. Der Bundesstaat Kano führte im Mai 2007 die Pflicht zum Tragen islamischer Schulkleidung für alle Schülerinnen und Schüler, also auch für Angehörige der christlichen Minderheit, ein. Grundsätzlich gilt allerdings das Scharia-Recht nur für Muslime (AA 28.8.2013). Personen, die Angst vor der Scharia-Gerichtsbarkeit haben, haben auch das verfassungsmäßige Recht, dass ihre Fälle im formalen Rechtssystem behandelt werden. Personen, die Angst vor Hisbah-Gruppen (lokale Scharia-Gruppen in Nordnigeria) haben, können eine innerstaatliche Fluchtalternative in Gebieten in Anspruch nehmen, wo diese Gruppen nicht tätig sind oder keinen Einfluss haben (UKHO 12.2013).

Quellen:

21.2.2014

18.2.2014

16.3. Naturreligionen und Juju

Im nigerianischen Englisch bezieht sich der Begriff "Juju" auf alle religiösen Praktiken, die mehr oder weniger auf traditionellem Animismus basieren. Die Angst vor okkulten Kräften ist selbst bei christlichen und muslimischen Gemeinden sehr verbreitet (DACH 2.2013). Die traditionellen Religionen erleben derzeit eine Art Renaissance. Je nach Volksgruppe glaubt man an Erdgeister, Wassergötter, Ahnengeister, Gottheiten, Magie und Zauberei. Ausgeprägt bei den Volksgruppen im Süden Nigerias ist der "Juju-Glaube", in dessen Zentrum Juju als magische Zauberkraft steht. Erscheinungsformen sind Juju-Wälder, Juju- Flüsse, Juju-Pflanzen, Juju-Bäume oder auch Gegenstände wie Amulett und Talisman. Trotz der Akzeptanz von Christentum und Islam sucht die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung im Juju Schutz vor fremden Mächten. Die nominelle Zugehörigkeit zu einer etablierten Religion bedeutet für viele Nigerianer/innen keineswegs die Aufgabe ihrer traditionellen Religion (GIZ 10.2013b).

Quellen:

16.4. Kulte und Geheimgesellschaften

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension, die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes, und es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Die Ogboni sehen sich selbst eher als Loge (in Anlehnung an die Logen der Freimaurer). Es gibt keine Kenntnis darüber, dass Mitglieder der Gesellschaft gewaltbereit sind (ACCORD 17.6.2011).

Kult-Banden sind im Bundesstaat Rivers ein Problem. Bewaffnete Jugendliche terrorisieren die Bevölkerung. Kulte sind de facto Banden, deren Mitglieder anonym bleiben und durch einen Schwur gebunden sind. Früher standen die Kulte für den Schutz und die Emanzipierung der Menschen im Niger Delta. Heute sind sie eines der am Meisten gefürchteten Elemente der Gesellschaft. Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig. Es wurden auch schon Mitglieder getötet, die dies versucht hatten. Die einst geachteten Bruderschaften sind zu Kult-Banden verkommen, die Studenten und Professoren gleichermaßen terrorisieren (FFP 10.12.2012).

Gemäß den Angaben der National Human Rights Commission greifen Kulte generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist. Angriffe auf Anti-KultAktivisten können vorkommen. Die Bundesregierung hat die Rektoren angewiesen, gegen die Kult-Gewalt auf den Universitäten Maßnahmen zu setzen, darunter z.B. Sanktionen gegen Kult-Mitglieder und Sensibilisierungskampagnen (IRB 3.12.2012). Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 KultGruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013).

Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Quellen:

25.3.2014

17. Ethnische Minderheiten

Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie sind durch die Verfassung verboten (AA 28.8.2013). Um die nationale Einheit zu fördern, besagt das Gesetz, dass bei der Besetzung von Regierungen auf allen Ebenen (Bund, Bundesstaat, LGA) die Diversität berücksichtigt werden soll (USDOS 27.2.2014). Die Zusammensetzung der Regierung spiegelt einen fein austarierten Proporz zwischen den verschiedenen Ethnien wider (AA 28.8.2013). Allerdings gestaltet sich die Berücksichtigung aller Gruppen als schwierig (USDOS 27.2.2014).

Außerdem unterscheidet die Verfassung bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen "Einheimischen" ("indigenous") und "Zuwanderern" ("settlers"). Diese Unterscheidung sollte ursprünglich die einheimische Bevölkerung schützen, hat aber angesichts der wachsenden Mobilität auch in der nigerianischen Bevölkerung immer weniger Sinn (AA 28.8.2013). Zwar hätten nämlich alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind (USDOS 27.2.2014). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten deshalb problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer, die häufig gleichzeitig einer anderen Ethnie als die einheimische Bevölkerung angehören, regelmäßig die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 28.8.2013). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise werden derartige Rückkehrbewegungen durch Drohungen seitens Bundesstaats- und LGA-Regierungen ausgelöst, durch Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder durch die Zerstörung von Häusern. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau (USDOS 27.2.2014).

Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizieren Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich der Trennung in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen (USDOS 27.2.2014). Nigeria hat eine lange und traurige Geschichte kommunaler Konflikte und ethnisch-religiöser Gewalt. Seit der Rückkehr der Demokratie im Jahr 1999 gibt es beispielsweise im Plateau State in Nigerias "Middle Belt unterschiedlichen Gruppen. Ebenso gibt es Unruhen in den nördlichen Städten Kaduna und Kano und seit mehreren Jahrzehnten wiederkehrende Konflikte im Tafawa Balewa District in Bauchi (KAS 12.7.2013). Das häufige Aufflackern von gewalttätigen Auseinandersetzungen ist also kennzeichnend für das oft schwierige Zusammenleben von Mehrheitsethnie und Minderheiten, insbesondere in Plateau State. Die Konflikte sind vordergründig religiös, tatsächlich aber häufig ethnisch, politisch bzw. wirtschaftlich motiviert (AA 28.8.2013). Vorfälle kommunaler Gewalt zwischen ethnischen Gruppen im Middle Belt führten im Jahr 2013 zu zahlreichen Todesopfern und Verletzten sowie zur Vertreibung tausender Menschen und zur Zerstörung von Eigentum. Ethno-religiöse Gewalt wird oft durch Landstreitigkeiten ausgelöst. So kamen z.B. im Mai 2013 im Bundesstaat Benue mehr als 50 Personen ums Leben. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. Die Regierung reagiert auf Spannungen zwischen Ethnien üblicherweise mit einer Konzentration an Sicherheitskräften. Die National Orientation Agency organisiert Konferenzen, um die Toleranz zu fördern (USDOS 27.2.2014).

Im Niger-Delta ist die Lage der Minderheiten seit Beginn der Ölförderung vor 50 Jahren kritisch. Die dortige Bevölkerung klagt über jahrzehntelange Benachteiligung sowie kaum vorhandene Infrastruktur und Bildungseinrichtungen. Korruption, insbesondere auf Ebene der Bundesstaaten, hat zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Region geführt (AA 28.8.2013).

Diskriminiert werden auch Albinos, die als Unglück erachtet werden. Sie werden manchmal bei der Geburt weggelegt, andere für Hexerei-Zwecke ermordet (USDOS 27.2.2014; vgl. OHCHR 14.3.2014).

Quellen:

25.3.2014

4.3.2014

17.1. Minderheitengruppen

In Nigeria gibt es je nach Schätzung mehr als 250 (AA 28.8.2013) oder sogar mehr als 500 Ethnien (IOM 8.2013). Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch den Konflikt im Niger-Delta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, der auch Präsident Jonathan angehört, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (AA 28.8.2013). Zu den weiteren großen Gruppen zählen Tiv, Ibibio, Kanuri, Nupe, Gwari, Igala, Jukun, Idoma, Fulani, Itsekiri, Edo, Urhobo und Ljaw (IOM 8.2013).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&obiId=16801531&obiAction=Qpen&nexturl

=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26obiId%3D16800759%26obiAction%3D

browse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014

18. Frauen/Kinder

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen - laut NGOs vor allem in der Privatwirtschaft. Aber auch im öffentlichen Dienst bleiben Frauen unterrepräsentiert (USDOS 27.2.2014). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am Deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen. Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 28.8.2013). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Lokalebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2014).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2014). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings mehrere Vizegouverneurinnen (AA 28.8.2013). Die Zahl weiblicher Abgeordneter bleibt gering - 7 von 109 Senatoren und 19 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen; ihr Anteil ging gegenüber den vorherigen Wahlen sogar leicht zurück (AA 10.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 27.2.2014).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Eine Vielzahl von Frauen wird im eigenen Haus Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Die Polizei schreitet bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 27.2.2014).

Häusliche Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Manche Bundesgesetze erlauben geschlechtsspezifische Gewalt sogar ausdrücklich. Z.B. ist per Gesetz erlaubt, dass Ehemänner gegen ihre Frauen physische Gewalt anwenden, um sie zu züchtigen. Es dürfe nur kein "ernster Schaden" entstehe (bleibende Behinderungen oder lebensbedrohliche Verletzungen). Nur in den Bundesstaaten Ebonyi, Jigawa, Cross River und Lagos gibt es Gesetze gegen häusliche Gewalt (USDOS 27.2.2014).

Im Juni 2006 beschloss die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Gewalt in der Gesellschaft, der unter anderem den Gebrauch "biologischer und chemischer Waffen" (gemeint sind vor allem Säuren, die zu Verätzungen führen), sexuelle Nötigung, Kinderehen und die Verletzung der Unterhaltspflicht durch Ehemänner unter besondere Strafen stellt, der bisher von der Legislative jedoch nicht umgesetzt wurde. Auch in der letzten Legislaturperiode gab es seitens einiger weiblicher Abgeordneter einen erfolglosen Versuch, ein Gesetz zur Ächtung häuslicher Gewalt durchs Parlament zu bringen. Frauen werden, insbesondere im Südosten, auch immer wieder Opfer von Vergewaltigungen durch Polizei und Sicherheitskräfte (AA 28.8.2013).

Die lokale NGO Project Alert on Violence Against Women unternimmt auch weiterhin zahlreiche Aufklärungskampagnen gegen häusliche Gewalt, darunter auch Sensibilisierungsprogramme für die Polizei, Programme für Täter und Assistenz für andere Organisationen, welche Opfer betreuen. Project Alert betreibt auch ein Frauenhaus. Die Women's Rights Advancement and Protection Alternative war ebenfalls eine führende Kraft bei der Kampagne gegen Gewalt an Frauen (USDOS 27.2.2014).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt, für welches Strafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglicher Haft, sowie von 200.000 Naira Buße vorgesehen sind. Vergewaltigung in der Ehe wird im Gesetz als separater Tatbestand angeführt (USDOS 27.2.2014). Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle - aber auch das Strafausmaß. Hinsichtlich ehelicher Vergewaltigung gab es im Jahr 2013 überhaupt keine Verurteilungen, auch wenn laut Untersuchungen drei Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren davon betroffen sind (USDOS 27.2.2014).

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist per Gesetz verboten. Das Strafmaß reicht von einer Buße von 50.000 Naira bis zu einem Jahr Haft. Bei Wiederholungstaten kann sich dieses Maß verdoppeln. Die Bundesregierung hat FGM öffentlich verurteilt, trifft aber keine Maßnahmen. Zwölf Bundesstaaten haben FGM-Verbotsgesetze erlassen:

Edo, Delta, Enugu, Oyo, Ekiti, Anambra, Rivers, Bayelsa, Osun, Ogun, Ondo and Cross River (USDOS 19.4.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013).

Im Jahr 2008 wurde eine Prävalenz der FGM von 30 Prozent berichtet (USDOS 27.2.2014). Gemäß UNICEF waren im Jahr 2011 27 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren Opfer von FGM. Die gleiche Quelle besagt, dass die Verbreitung von FGM bei jugendlichen Mädchen um die Hälfte gesunken sei (UKHO 12.2013). [Originalquelle:

UNICEF (7.2013): Female Genital Mutilation/Cutting. A statistical overview and exploration of the dynamics of change,

http://www.unicef.org.uk/Documents/Publications/UNICEF FGM report July 2013 Hi res.p df konnte aufgr. BMI-Sperre nicht eingesehen werden] Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südosten und in der Region Süd-Süd, besonders bei den Yoruba und Igbo, wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014), in weiten Teilen Nordnigerias dürfte der Anteil etwa dem Landesdurchschnitt von 50 Prozent entsprechen, im Südwesten ist er deutlich niedriger. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 28.8.2013). Infibulation kommt im Norden fallweise vor, ist im Süden verbreiteter. Das Alter, mit welchem die Beschneidung erfolgt, variiert zwischen einer Woche und nach der ersten Geburt eines eigenen Kindes. Die meisten Opfer erleiden FGM allerdings vor ihrem ersten Geburtstag (USDOS 27.2.2014).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen. Diese Möglichkeiten sind allerdings begrenzt. Auch wenn es einer Einzelfallabwägung bedarf, kann insgesamt festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt wird. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: Nigerian Nurses and Midwives, - Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association -Federal Ministry of Health und -Health Associations of various Nigerian states -WHO, -UNDP, -DFID (Großbritannien) und -Daneco (Schweden) (ÖBA 3.6.2011).

Quellen:

18.2.2014

18.2.2014

4.3.2014

18.2.2014

18.1. (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe und medizinische Versorgung, u.a. für AIDS/HIV-Patienten (ÖBA 11.2011).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 28.8.2013).

In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV- Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 11.2011).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 28.8.2013).

Die allgemeine Lage in Nigeria ist nicht derart schlecht, dass es für jedermann unmöglich wäre, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen und dort eine neue Existenz aufzubauen. Das Leben in Nigeria kann für alleinstehende Frauen mitunter Schwierigkeiten bergen. Dennoch kann in concreto nicht davon ausgegangen werden, dass keine reale Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben existierte. Von einer jungen, gesunden und arbeitsfähigen Frau ist zu erwarten, dass sie sich in Nigeria eine eigene, wenn auch eine mit österreichischen Verhältnissen vergleichsweise bescheidene Existenz aufbauen kann. Dies ist auch unabhängig von einer familiären Unterstützung möglich, da die Existenz eines familiären Verbandes im Herkunftsstaat nicht automatisch und zwingend Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist. Sie könnte sich in einer der multiethnischen Großstädte Nigerias niederlassen, wo sie selbst eine ihrem Bildungsgrad entsprechende Erwerbstätigkeit aufnehmen kann, um sich ihre Existenz zu sichern (AGH 26.8.2013).

Bei alleinstehenden jungen Müttern und ihren Kindern ist nicht generell eine Extremgefahr zu prognostizieren. Es gibt zwar gerade für alleinstehende Mütter soziale Schwierigkeiten in Nigeria, insbesondere in traditionell geprägten Landesteilen. Jedoch ist in größeren Städten und im Süden des Landes die Akzeptanz vorhanden und steigend. Es ist davon auszugehen, dass auch in Nigeria die Möglichkeit ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben gegeben ist. Allein in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen kommt deshalb ein derartiger Abschiebungsschutz in Betracht (VGA 10.10.2013).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Group (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo

State Tel.: +234 52 252186, 256555, 255162, Mobil: 0802 3060147,

Email:

Peinop@infoweb.abs.net . Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON), Kontakt: Frau Bisi Olateru-Olagbegi

2nd floor, 13 Okesuna Street off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331, Email: wocon95@yahoo.com , Email:

bisi@rcl.nig.com . Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere

Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),

Ansprechpartner: Frau Funmi Bello, Women's Rights Advancement and Protection

Alternative (WRAPA), Plot 792, House No. 6, Off Ademola, Adetokunbo Crescent, [Behind

Rockview Hotel], Wuse 11, Abuja, Tel.: + 234 9 4131438, 4131676, Email:

funmee200@yahoo.com , Email: info@wrapa.org , Website: www.wrapa.org . Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung 10 landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013).

• Women's Aid Collective (WACOL), Ansprechpartner: Kontakt: Frau Joy

Ngozi Ezeilo, Geschäftsführende Direktorin, Email:

jezeilo@wacolnig.com ; Enugu office (Hauptbüro), NoO, 9 Umuezebi

Street, Upper Chime, New Haven, Enugu, Tel.: +234-42-256678, Fax:

+234-42256831, Email: wacolenugu@wacolnigeria.org ; Büro in Abuja:

Kontakt: Ijeoma Anaegbu, Mobil: 0803 6688840, Email:

info@wacolnigeria.org , Tel.: +234-9-671104, Fax: +234-92340647; WACOL hat außerdem Büros in Port Harcourt (Rivers State), im Anambra State, und Ebonyi State. Women's Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&obiId=16801531&obiAction=Open&nexturl

=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26obiId%3D16800759%26obiAction%3D

browse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014

25.3.2014

- VGA - VG Augsburg (10.10.2013): Urteil Au 7 K 13.30278,

http://www.asyl.net/index.php?id=185&tx ttnews%5Btt

news%5D=49151&cHash=33354 272fa6b7ac17e70a07ad219b30e, Zugriff

26.3.2014

18.2. Kinder

Die Rechte des Kindes werden in Nigeria nur unzureichend gewährleistet. Der Child Rights Act, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht umgesetzt werden soll, wurde bislang lediglich von 24 der 36 Bundesstaaten verabschiedet. Insbesondere die nördlichen Bundesstaaten sehen in einigen Bestimmungen (Rechte des Kindes gegenüber den eigenen Eltern, Mindestalter für Eheschließungen) einen Verstoß gegen die Scharia. Die staatlichen Schulen sind im Allgemeinen in einem beklagenswerten Zustand. Gewalt und sexuelle Übergriffe gegenüber Schülerinnen und Schülern sind an den meisten Schulen Alltag (AA 28.8.2013).

Im Land gibt es 10,8 Millionen Waisenkinder, davon 2,2 Millionen AIDS-Waisen. Viele dieser Kinder werden nicht adäquat mit Nahrung versorgt, haben nur schlechten Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung. Es gibt auch viele Straßenkinder (USDOS 27.2.2014). Straßenkinder, vor allem weibliche, werden zudem oft Opfer von Menschenhändlern. Kinderarbeit und -prostitution, Vernachlässigung und Aussetzung von Kindern sind verbreitet (AA 28.8.2013).

Kinderarbeit war weit verbreitet. Das Arbeitsministerium und die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP) schätzen, dass mehr als 15 Millionen Kinder arbeiten, davon 2,3 Millionen in gefährlichen Bereichen. Dabei bleibt auch Zwangsarbeit weit verbreitet. Frauen und Mädchen müssen als Hausangestellte, Buben als Straßenverkäufer, Diener, Minenarbeiter, Steinbrecher, Bettler oder in der Landwirtschaft arbeiten. Die Regierung hat einen Nationalen Aktionsplan verabschiedet, außerdem gäbe es adäquaten rechtlichen Schutz. Da die Gesetze aber so gut wie nicht umgesetzt werden, ist der Schutz der Kinder inadäquat. Um Kinder zumindest vor den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu bewahren, betreibt die Regierung Interventionen und es gibt diesbezüglich gemeinsam mit NGOs geführte Ausbildungsstätten im Land (USDOS 27.2.2014).

Das Gesetz sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Allerdings haben bei weitem nicht alle Bundesstaaten das betreffende, o.g. Gesetz (Child Rights Act) ratifiziert. Jene Bundesstaaten, die dies nicht taten, haben kein Mindestalter für eine Eheschließung. Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 27.2.2014). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind folglich vor allem im Norden des Landes noch weit verbreitet. Nach einem Bericht der Nationalen Bevölkerungskommission sind etwa 12 Prozent der 15-jährigen in Nigeria von Kinderehen betroffen, die oft zu Schwangerschaften in jungem Alter mit gesundheitlichen Schädigungen sowie dem vorzeitigen Abbruch der Schulbildung führen (AA 28.8.2013). Immer wieder werden Mädchen auch in eine Zwangsehe verkauft. Die Regierung hat dagegen keine rechtlichen Schritte getätigt (USDOS 27.2.2014).

Der weitverbreitete Glaube an Kinderhexen und mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale führen zu zum Teil schwersten Menschenrechtsverletzungen an Kindern (Ausgrenzung, Aussetzung, Folter, Verbrennung, Lynchen, Verstümmelung, Vergewaltigung, Mord), insbesondere an Kindern mit Behinderungen, außergewöhnlichen Begabungen, aber auch an Halb- und Vollwaisen (OHCHR 14.3.2014; vgl. AA 28.8.2013; USDOS 27.2.2014). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus der Region Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014).

Quellen:

25.3.2014

4.3.2014

19. Homosexuelle

In Nigeria ist Anfang des Jahres nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" in Kraft getreten (HRW 15.1.2014; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran werden darin mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu 10 Jahren Haft bedroht (AA 27.3.2014; vgl. HRW 15.1.2014; CNN 16.1.2014; BBC 16.1.2014). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014).

Im Bundesstaat Bauchi sind daraufhin zwölf muslimische und ein christlicher Mann verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen, homosexuell zu sein. Homosexuelle Akte sind (und waren auch schon zuvor) strafbar - sowohl im Strafrecht als auch im islamischen Recht. Einer der Inhaftierten ist bereits im Jänner von einem islamischen Gericht in Bauchi zu 20 Hieben und 30 US-Dollar Strafe verurteilt worden. Dem 20jährigen waren strafbare homosexuelle Handlungen vorgeworfen worden, die er im Alter von 13 Jahren begangen haben soll. Mit der langen Zeitspanne zwischen Tat und Urteil sowie damit, dass der Delinquent seither nicht mehr homosexuell aktiv gewesen sei, begründete der Richter auch das "milde" Urteil (BBC 16.1.2014). im März wurden vier muslimische Männer von einem Schariagericht zu je 20 Peitschenhieben und Geldstrafen verurteilt. Die Geständnisse der Männer, die bereits Ende 2013 verhaftet worden waren, sollen laut Aktivisten durch Schläge erzwungen worden sein (BBC 6.3.2014). Der o.g. christliche Mann wiederum wurde vor ein konventionelles Gericht gestellt (BBC 16.1.2014).

Laut einer Aktivistin sind hingegen in Bauchi insgesamt 38 Personen verhaftet worden. Berichte über Verhaftungen in anderen Bundesstaaten in Nord- und Südnigeria müssen erst bestätigt werden (BBC 16.1.2014), allerdings erhielt die Hochkommissarin der UN für Menschenrechte bereits zahlreiche Berichte über die Verhaftung von LGBT in mehreren Staaten. Außerdem gab es Berichte zu physischen Übergriffen und anderen Formen der Drangsalierung - etwa Erpressung (OHCHR 14.3.2014).

Homosexuelle, Transvestiten und transsexuelle Personen können ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich ausleben und sind nach wie vor Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA

28.8.2013) . Homosexuelle werden auch von der nigerianischen Bevölkerung meist stigmatisiert. Darüber hinaus traten in letzter Zeit Fälle auf, in denen Homosexuelle von der Bevölkerung per Selbstjustiz verurteilt und verfolgt wurden (GIZ 10.2013b).

Quellen:

ns mchannel=rss&ns source=PublicRSS20-sa, Zugriff 24.3.2014

25.3.2014

http://www.teleqraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/niqeria/10571788/Niqe ria-begins-arrests-after-anti-gay-law-passed.html, Zugriff 17.1.2014

20. Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Auch in den Bundesstaaten Bauchi, Kano, Kaduna, Kogi und Plateau wird durch Ausgangssperren die Bewegungsfreiheit immer wieder eingeschränkt. Es gibt auch weiterhin illegale Straßensperren und Kontrollpunkte, bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen. Sicherheitsbeamte wenden weiterhin übermäßige Gewalt an Kontrollpunkten und Straßensperren an (USDOS 27.2.2014).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 27.2.2014). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 12.2013). Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten. Mit dem Umzug geht regelmäßig ein weitreichender Verlust der Bürgerrechte einher, da die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer Teilhabe und staatlichen Unterstützungen ausschließen (AA 28.8.2013).

Lokale Regierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt. Bundesstaats- und Lokalregierungen bedrohen und diskriminieren manchmal Angehörige nicht indigener Ethnien, damit diese wegziehen. Es kommt auch zur Zerstörung von Wohngebäuden (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

4.3.2014

20.1. Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 28.8.2013; vgl. ÖBA 11.2011). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind (ÖBA 11.2011).

Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 11.2011).

Quellen:

21. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Chaos herrscht hinsichtlich der Zahl an IDPs - vor allem in Nordnigeria. Es gibt keine nationale Erfassung von IDPs und auch keine genauen Zahlen. Im Juni 2013 schätzte die National Commission for Refugees (NCFR) die Zahl auf rund 258.350 Personen (USDOS 27.2.2014). Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte gibt die Zahl an IDPs im Zuge der Auseinandersetzungen in Nordnigeria im März 2014 mit ca. 500.000 an. 57.000 seien zudem in Nachbarländer geflohen (OHCHR 14.3.2014). IRIN wiederum berichtet von mindestens 350.000 Vertriebenen, davon 290.000 IDPs. UNHCR schätzt die Zahl der IDPs alleine schon auf 470.000. Allerdings gibt es keine Berichte über IDP-Lager, viele Flüchtlinge werden von der Lokalbevölkerung absorbiert (IRIN 14.3.2014) Die staatliche Agentur NEMA hingegen stellt nach einer Erhebung fest, dass im Norden 249.446 Menschen vertrieben worden sind. Diese leben entweder bei Gastgemeinden oder aber in Lagern. Den Erhebungen zufolge waren alleine im Zeitraum Jänner bis März 2014 über drei Millionen Menschen von den Auswirkungen der Gewalt im Norden betroffen. Die NEMA hat derweil um Unterstützung bei der Versorgung gebeten. Der Repräsentant des nigerianischen Roten Kreuzes stellt fest, dass es noch nie zuvor dermaßen viele Vertriebene aufgrund eines Konfliktes in Nigeria gegeben hat (ALL 25.3.2014).

Jedenfalls gab es aufgrund der anhaltenden Attacken der Boko Haram und der daraus resultierenden Reaktionen der Regierungskräfte Fluchtbewegungen innerhalb des Nordens und aus dem Norden in den Süden. Aus den Städten Maiduguri, Kano und Damaturu gab es einen Exodus. Die Flüchtlinge suchen meist bei Familie oder anderen Gemeinden Unterschlupf und werden nicht von der Regierung unterstützt. Hinsichtlich der genauen Zahl an Flüchtlingen aufgrund der Gewalt im Norden gibt es keine verlässlichen Schätzungen. Ethnische Streitigkeiten über Land und politische Macht führten zu Gewalt in Benue, Taraba und Nasarawa und damit auch zur Vertreibung von hunderten Personen (USDOS 27.2.2014).

Gemäß UN OCHA versuchen das nigerianische Rote Kreuz, das IKRK, der UN Bevölkerungsfonds und die Regierungsagenturen NEMA und SEMA (State Emergency Management Agency) die IDPs zu unterstützen. Das IKRK, das in Maiduguri, Jos und Kano über Stützpunkte verfügt, hat seit August 2013 an 18.000 aus dem Bundesstaat Borno Vertriebene Materialien für Hilfsunterkünfte, Decken und andere Notwendigkeiten verteilt. Über 1.500 Witwen, die ihre Männer im Konflikt verloren haben, wurden mit Nahrung versorgt (IRIN 14.3.2014).

Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen:

Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen in den Zonen Süd-Süd und Südwest; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die NCFR hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 27.2.2014).

Der UNHCR unterstützte zudem rund 39.000 IDPs in elf Bundesstaaten, die im Jahr 2012 von Überschwemmungen betroffen waren (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Die zuständige Behörde ist die National Commission for Refugees (NCFR), deren Bundeskommissar und die National Emergency Management Agency (NEMA). Das Eligibility Committee, in welchem der UNHCR als Beobachter vertreten ist, ist für die Gewährung des Flüchtlingsstatus', für Asyl und Rückführung zuständig. Laut UNHCR beherbergt Nigeria 1.865 anerkannte Flüchtlinge und 1.662 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus Kamerun und der DR Kongo. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

http://allafrica.com/stories/201403260278.html7viewalM , Zugriff 26.3.2014

25.3.2014

25.3.2014

4.3.2014

22. Grundversorgung/Wirtschaft

Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen. Die Regierung legt einen Teil der Einnahmen aus dem Ölexport auf ein Sonderkonto, dem sogenannten Excess Crude Oil Account, der Zentralbank fest, um damit eine stabilere Fiskalpolitik zu erzielen, einen Inflationsschub zu verhindern und Reserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Im Mai 2011 hat die Regierung außerdem einen Staatsfonds geschaffen, der sich ebenfalls aus Öleinnahmen speist und zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen dienen soll (AA 6.2013a). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US- Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 10.2013c).

Nigeria ist nach Südafrika die zweitwichtigste Volkswirtschaft Afrikas. Dies verdankt das Land vor allem seinen reichhaltigen Bodenschätzen wie bspw. Zinn, Eisen-, Blei-, Zinkerz, Kohle und Kalk. Die nigerianische Wirtschaft wird dabei von der Erdöl- und Erdgasförderung dominiert. Über 80 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen, 90 Prozent der Exporterlöse (GIZ 10.2013c; vgl. AA 6.2013a) und 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren sich aus den Erdölgeschäften (AA 6.2013a).

Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 28.8.2013). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 6.2013a). Der Sektor erwirtschaftete 2011 etwa 42,2 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 10.2013c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 6.2013a).

Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen - in der Regel in Subsistenzwirtschaft - mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 6.2013a). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 10.2013c). Die Maisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 6.2013a).

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 23,7 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 10.2013c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 10.2013c; vgl. AA 28.8.2013). Von insgesamt 200.000 Straßenkilometer landesweit sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Mit der Eisenbahnnetzmodernisierung Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde bereits 2006 begonnen (GIZ 10.2013c).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2014). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2014; vgl. AA 28.8.2013) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz‑) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert. Die Reduzierung der Benzinsubventionen Anfang 2012 verursacht bei weiten Teilen der Bevölkerung zusätzliche Härten (AA 28.8.2013). Von Arbeitslosigkeit und mangelnden Perspektiven vor allem für die jüngere Generation sind mehr noch als der Süden die nördlichen Regionen Nigerias betroffen (AA 10.2013).

Mindestens 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben nur zögerlich damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2014). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 10.2013b).

Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2013). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann und keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird, ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 11.2011).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Bis September 2012 waren nur 5,2 Millionen Nigerianer beim Contributory Pension System registriert, lediglich 55.000 Pensionisten erhielten Auszahlungen (BS 2014).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt (GIZ 10.2013c). Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 28.8.2013; vgl. GIZ 10.2013c).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe. Kooperative Verbände, Finanzinstitutionen der Regierung (Mikrokredite der NACRDB, NAPEP etc.) und nichtstaatliche Organisationen sowie SME [Small and medium enterprises] -freundliche Handels- und

Gemeinschaftsbanken bieten finanzielle und administrative Unterstützung bei der Existenzgründung in Nigeria (IOM 8.2013).

Programm zur freiwilligen Rückkehr nach Nigeria von IOM:

Ansprechpartner: Abteilung für Unterstützte Freiwillige Rückkehr und Reintegration (AVRR): Andrea Götzelmann - Abteilungsleiterin; agoetzelmann@iom.int ; 01-585 3322 22; AVRR Nigeria Evelyn Rainer erainer@iom.int ; 01-585 33 22 12. Einerseits leistet IOM Lagos Einsatz am Flughafen, um Rückkehrer aus Ländern wie Österreich, der Schweiz, Norwegen, und Israel zu empfangen, andererseits fahren sie mit den Projektteilnehmer auf lokale Märkte, um mit ihnen gemeinsam Material für ihre Kleinbetriebe zu besorgen. In Lagos (wohin 50 Prozent der freiwilligen Rückkehrer gehen) sind die Mietpreise sehr hoch. Mietobjekte werden nur vergeben, wenn die Miete ein bis drei Jahre im Vorhinein entrichtet wird. Dieser Umstand war einer der Hauptgründe, dass für das Projekt "AVRR Nigeria V" die Reintegrationsunterstützung pro Teilnehmer auf 4.000 Euro angehoben wurde (IOM 29.11.2013). 90 Prozent der Befragten freiwilligen Rückkehrer gaben an, dass sie seit der Rückkehr ihre sozialen Kontakte zu Freunden und Verwandten wieder aufbauen konnten. Von den 21 befragten Projektteilnehmer/innen gaben 95 Prozent an, dass das IOM Reintegrationsprojekt sehr hilfreich bzw. hilfreich für ihre individuelle Reintegration in Nigeria war (IOM 24.5.2013).

Auch wenn die Lage in Nigeria regional instabil ist, kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin - etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot - gesprochen werden (BVwG 25.2.2014).

Quellen:

18.2.2014

18.2.2014

Zugriff 19.2.2014

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&obiId=16801531&obiAction=Qpen&nexturl

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browse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014

23. Medizinische Versorgung

Das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium. Das Gesundheitsministerium ist für die Koordination aller Aktivitäten im Bereich Gesundheitswesen im gesamten Land verantwortlich. Medizinische und Gesundheitsdienste sind ebenfalls Aufgabe der Regierung, die Krankenhäuser in den großen Städten unterhält. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2013).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt. Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2013).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In einigen der Privatkliniken in den großen Städten ist der Standard besser (AA 27.3.2014). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2013).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 10.2013b).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten. In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (SFH 22.1.2014; vgl. AA 28.8.2013). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba mit seinem neuen medizinischen Direktor Dr. Rahman Abolore Lawal bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Nach Rücksprache mit Dr. Lawal belaufen sich die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 28.8.2013). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University

Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos

University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianerinnen und Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 28.8.2013). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 28.8.2013). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 10.2013b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 28.8.2013). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2013). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2013; vgl. AA 28.8.2013). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 27.2.2014).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2013). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 28.8.2013). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 11.2011).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 28.8.2013).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2013). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 28.8.2013).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&obiId=16801531&obiAction=Qpen&nexturl

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browse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014,

4.3.2014

24. Behandlung nach Rückkehr

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen vor allem aus Spanien, Italien, Irland (bestehende Rückübernahmeabkommen) sowie Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden, meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 28.8.2013).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 28.8.2013). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder

Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 11.2011).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die Drogenpolizei (NDLEA) überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch Dekret 33 noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 28.8.2013).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 28.8.2013).

Quellen:

24.1. Dokumente und Staatsangehörigkeit

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Die Beantragung eines Passes bei den nigerianischen Passbehörden folgt nicht europäischen Standards. Es ist einfach, einen neuen Pass unter Vorlage eines nationalen, nicht auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit überprüften Dokuments (z.B. Geburtsurkunde) zu erhalten. Damit ist es für jede Person möglich, ihre wahre Identität zu verschleiern und mit gefälschten Personaldaten nach Europa zu gelangen (AA 28.8.2013; vgl. BAA 11.8.2011).

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht (AA 28.8.2013; vgl. ÖBA 11.2011).

Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder - im Ausland - an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Art. 25). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 28.8.2013). Es ist nicht vorgeschrieben, Geburten registrieren zu lassen (USDOS 27.2.2014). So wird landesweit nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert. Der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit ist theoretisch möglich (Art. 29 der Verfassung), jedoch nur nach Registrierung durch den Präsidenten wirksam. Praktisch macht diese Durchführungsvorschrift den Verzicht unmöglich, da der Präsident die Registrierung nicht vornimmt und eine Delegierung auf eine andere staatliche Stelle nicht vorgesehen ist (AA 28.8.2013).

Quellen:

4.3.2014

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesasylamtes, insbesondere aus den Niederschriften und den vorgelegten Unterlagen durch die Beschwerdeführerin.

Die seitens des Bundesasylamtes getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat Nigeria stützen sich auf eine Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger und aktueller Quellen. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführerin vor der vorliegenden Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht die aktuellen Länderinformationsblätter der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Stellungnahme vorgelegt und von dieser nicht substantiiert bestritten wurden.

Zentral wird festgehalten, dass sich die Antragstellerin in ihrem Verfahren im Wesentlichen darauf berief, Furcht vor Verfolgung durch die Boko Haram, demnach durch Privatpersonen zu hegen, von denen sie entführt und zur Zusammenarbeit gezwungen worden sei. Sie selbst sei beim Überfall der Boko Haram am Bein im Kniebereich verletzt worden; ihr Onkel sei an den Folgen seiner Verletzungen im Zuge des Angriffs durch Mitglieder der Boko Haram gestorben.

Sofern die Beschwerdeführerin vermeint, sie habe dann ungefähr ein Monat in einem Spital verbracht, wobei sei die ganze Zeit über von Boko Haram überwacht worden sei, sodass sie sich letztendlich nicht einmal an einen Arzt im Spital wegen dieses Vorfalls und ihrer Entführung habe wenden können, ist dem Bundesasylamt Recht zu geben, wenn es dieses Vorbringen als nicht nachvollziehbar erachtet. Es erscheint lebensfremd, dass sich eine Person, die sich über einen so langen Zeitraum in stationärer Behandlung befindet, nicht einmal in einem kurzen Moment allein mit einem Arzt, einer Krankenschwester oder einem sonstigen Mitglied des Personals unterhalten oder irgendein Zeichen, das auf einen Hilferuf deutet, geben kann. So wäre anzunehmen, dass das Personal des Krankenhauses bei einem derart beharrlichen Verweilen bzw. Überwachen der Beschwerdeführerin durch bestimmte Personen auch Verdacht schöpfen hätte müssen.

Die behauptete Bedrohungssituation durch diese fremden Extremisten, die sie in ganz Nigeria suchen und finden würden, ist ebenso lebensfremd. Ihre diesbezüglichen Angaben waren wenig detailliert (vgl. AS 57: "Boko Haram ist überall in Nigeria vernetzt. Sie werden sicher gezielt nach mir suchen").

Zum Fluchtgrund und zu den daraus resultierenden Befürchtungen der Beschwerdeführerin führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sie damit - selbst bei Annahme des Fluchtgeschehens als wahr - keine drohende Verfolgungsgefahr aus einem oder mehrerer taxativ in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründen geltend macht. Sie brachte mit ihrer Fluchtgeschichte kein Verfolgungsszenario vor, das sie aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund ihrer politischen Gesinnung betraf. Insgesamt gesehen konnte somit eine drohende Verfolgung der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat nicht festgestellt werden.

Darüber hinaus hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es darüber hinaus für eine Einzelperson selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Landesteil, etwa durch gewalttätige Einzelpersonen oder Gruppen im Regelfall möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einer anderen Region, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und sich auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte sowie des fehlenden Meldewesens. Es ist letztlich nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin in einem derart großen Staat wie Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden könnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde bzw. Zurückverweisung des Verfahrens:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

§ 11 AsylG 2005 lautet:

"(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

Im gegenständlichen Fall sind inhaltlich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der vom Schutzweck der GFK umfassten Gründe, nicht gegeben. Für die Annahme, dass der Staat Nigeria mit seinen Militär- und Sicherheitskräften nicht in der Lage oder nicht willens sei, Schutz vor Verfolgung bzw. vor ernsthaften Schaden durch die Gruppierung der Boko Haram zu bieten, bestehen vor dem Hintergrund der dieser Entscheidung aktuell zugrunde gelegten Länderfeststellungen zu Nigeria keine Hinweise. Im Fall einer lokal begrenzten Privatverfolgung der Beschwerdeführerin steht außerdem eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich, EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es andere ganz außergewöhnliche Fälle geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).

Im vorliegenden Fall liegen nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen, zumal in diesem Staat weder eine objektiv extreme Gefahrenlage in dem geschilderten Sinn noch eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführerin aus in ihrer Person gelegenen Gründen zu befürchten ist.

Aus dem Vorbringen der Antragstellerin sowie den Länderberichten lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass etwa eine arbeitsfähige Frau in diesem Staat keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls wie jeder Rückkehrer auch die Möglichkeit, Unterstützung bei Verwandten und Freunden bzw. bei Angehörigen ihrer Volksgruppe oder Kirche zu suchen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin angeblich seit ihrer Einreise in Österreich keinen Kontakt zu ihrer Familie hat (vgl. AS 53). Die aktuellen Länderfeststellungen gehen jedoch davon aus, dass der Aufbau einer Existenz in Nigeria auch unabhängig von familiärer Unterstützung möglich ist (siehe die diesbezüglichen Ausführungen unter der Überschrift "(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel").

Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin weisen keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sie sich etwa in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. In den vorgelegten ärztlichen Unterlagen wird der Beschwerdeführerin eine Physio- und Schmerztherapie verordnet (siehe auch den Therapieplan, wonach sie im Juni 2015 mehrmals manuelle Teilmassagen erhalten hat) und von der Notwendigkeit einer TEP des rechten Kniegelenks (totale Endoprothese des Kniegelenks) gesprochen, wobei dies eine mittelfristige Maßnahme sei. Ohne die gesundheitlichen Beschwerden der Antragstellerin zu verharmlosen, ist jedoch eindeutig festzustellen, dass diese weder lebensbedrohend sind noch ein akuter, sofortiger Handlungsbedarf gegeben wäre.

Laut den Länderfeststellungen steht in Nigeria für die Beschwerdeführerin eine medizinische Heilbehandlung zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR keinesfalls um einen "ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend sind" ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"), fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D./Vereinigtes Königreich lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, nämlich wegen AIDS im letzten Stadium bereits stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, dass zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und dass drittens mangels Angehöriger im Herkunftsstaat seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.

Letztlich stellen sich also die Gefahren für Rückkehrer nach Nigeria in hohem Maße als spekulativ dar. Es trifft zwar nach den Länderberichten zu, dass die Sicherheitslage in mehreren Landesteilen labil ist oder Infektionskrankheiten wie Malaria, HIV oder aktuell Ebola auftreten, doch kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer schlechthin, etwa aufgrund eines Bürgerkrieges, einer Hungersnot oder Epidemie, ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 lauten:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

"§ 75 (1) ...

...

(19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen."

§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

"§ 52 (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

...

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

..."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall ist also gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Daher ist ein möglicher Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zu prüfen. Ein solcher Eingriff verstößt jedoch nur dann gegen die EMRK, wenn er nicht die Erfordernisse des Art. 8 Abs. 2 erfüllt. Es ist demnach zu überprüfen, ob er gesetzlich vorgesehen ist, im Sinn dieses Absatzes ein oder mehrere legitime Ziele verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

Eine Rückkehrentscheidung stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.

Es bleibt noch zu überprüfen, ob diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, das heißt durch ein vorrangiges soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere in Bezug auf das verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig ist (EGMR 02.08.2001, 54273/00, Boultif, Rn. 46; 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f; 16.04.2013, 12020/09, Udeh, Rn. 45; VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

In diesem Sinn ordnet auch § 9 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 an:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."

Nach diesem Regelungssystem ist somit anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung am Maßstab des Art. 8 EMRK durchzuführen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf nur erlassen werden, wenn die dafür sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen und seiner Familie an dessen weiterem Verbleib in Österreich. Bei dieser Interessenabwägung sind folgende Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten, indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Kriterien zueinander in eine Beziehung zu setzen und eine wechselseitige Kompensation der einzelnen Gewichte vorzunehmen ist (vgl. EGMR 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f):

die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten;

die seit der Begehung der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;

die Aufenthaltsdauer im ausweisenden Staat;

die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;

die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;

die Frage, ob der Ehegatte von der Straftat wusste, als die familiäre Beziehung eingegangen wurde;

die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und welches Alter sie haben;

die Schwierigkeiten, denen der Ehegatte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers begegnen könnte;

das Wohl der Kinder, insbesondere die Schwierigkeiten, denen die Kinder des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat begegnen könnten;

die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Herkunftsstaat.

Der Grad der Integration manifestiert sich nach der Rechtsprechung insbesondere in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben und der Beschäftigung (VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

Diese sowie einige weitere von der Rechtsprechung einzelfallbezogen herausgearbeiteten Kriterien für die Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK werden auch in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgezählt:

"(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

Im vorliegenden Fall stellt eine Rückkehrentscheidung betreffend die Beschwerdeführerin jedenfalls einen Eingriff in den Schutzbereich des Privatlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar.

Die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. Art. 52 Abs. 1 GRC, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, führte zu dem Ergebnis, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen der Beteiligten.

Bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).

Die Beschwerdeführerin hat während ihres Aufenthaltes in Österreich bereits einige Integrationsbemühungen gezeigt, was aus ihren Deutschkursbestätigungen und Vereinsmitgliedschaften ersichtlich ist. Darüber hinaus ist sie in einer Partnerschaft, wobei in Zukunft eine Verlobung angestrebt wird. Ihr Aufenthaltsstatus ist aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt unsicher und stützt sich bisher nur auf die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz. In Anbetracht des Umstandes, dass dieser Antrag unbegründet ist und die Beschwerdeführerin zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist ist, liegen bereits erhebliche öffentliche Interessen vor, die gegen das private Interesse der Antragstellerin, weiterhin hier in Österreich zu verbleiben, sprechen.

Die Integrationsbemühungen der Antragstellerin sind zwar positiv zu bewerten, es sind aber keine ausreichenden Aspekte hervorgekommen, die die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären, rechtfertigen würden. Die Beschwerdeführerin befindet sich seit April 2012 und damit seit über drei Jahren in Österreich. Dieser Zeitraum kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht als dermaßen lang qualifiziert werden, dass die Ausweisung alleine aufgrund der Aufenthaltsdauer als unzulässig zu qualifizieren ist. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem 10-jährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen (VwGH vom 9.5.2003, Zl. 2002/18/0293). Gleiches gilt etwa für einen 7-jährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (VwGH vom 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124), andererseits erwies sich in einem Fall eine Ausweisung nach 8-jährigem Aufenthalt (4 Jahre als Asylwerber und 4 weitere Jahre illegaler Aufenthalt) samt langjähriger legaler Beschäftigung angesichts des Fehlens kernfamiliärer Bindungen in Österreich als zulässig (VwGH vom 8.11.2006, Zl. 2006/18/0316).

Auch wenn der Beschwerdeführerin die Dauer des Verfahrens nicht zuzurechnen ist (hat sie doch nur von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die negative Entscheidung im Rechtsmittelwege überprüfen zu lassen) führt dies noch nicht zu einer stärkeren Bewertung der Integrationsbemühungen.

Daher war das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht umschrieb der Verfassungsgerichtshof in seinem zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 ergangenen Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, folgendermaßen:

"7.4. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen. Solche Umstände liegen etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche vor, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z 29).

Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK ferner maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist.

In diesem Zusammenhang ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR zum Gebot der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rechtsmittelverfahren auch maßgeblich, welche Bedeutung und Notwendigkeit eine Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie für die Lösung von Rechtsfragen hat (EGMR 29.10.1991, Fall Helmers, Appl. 11.826/85, Z 37).

7.5. Der EGMR hat im Übrigen für bestimmte Verfahrensarten explizit anerkannt, dass nicht alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK in gleicher Weise erfüllt werden müssen. So kommen die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur insoweit zur Anwendung, als dies mit der Natur des einstweiligen Rechtsschutzes vereinbar ist (EGMR 15.10.2009 [GK], Fall Micallef, Appl. 17.056/06, Z 86). Für verfassungsgerichtliche Verfahren anerkennt die Rechtsprechung, dass die Garantien des Art. 6 EMRK in modifizierter Form zur Anwendung gebracht werden (so etwa zur überlangen Verfahrensdauer EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92).

8. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch kann er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof geht auch davon aus, dass gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dafür sind jedoch insbesondere folgende Kriterien beachtlich:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes außer Betracht bleiben kann (vgl. VwGH vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und 0018).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ausführlich Parteiengehör eingeräumt, wie sich insbesondere aus den Niederschriften bzw. den ihr gebotenen Möglichkeiten zu Stellungnahmen ergibt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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