BVwG W211 1423111-2

BVwGW211 1423111-27.7.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W211.1423111.2.00

 

Spruch:

W211 1423111-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesasylamtes vom XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 24.10.2011 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, aus Baydhabo (= Baidoa) zukommen und verheiratet zu sein. Sie sei aus Italien nach Österreich gekommen, um mit ihrer Frau und ihrer Tochter zusammenzuleben. Sie habe keine neuen Fluchtgründe.

3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am 31.10.2011 gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, dass sie eine beglaubigte Übersetzung ihrer Eheschließung sowie die Karten für subsidiär Schutzberechtigte betreffend ihre Frau und ihre Tochter vorlegen wolle. Auf Vorhalt, dass ihre Frau im Jänner 2011 angegeben habe, dass sie bereits seit Dezember 2009 getrennt seien, gab die beschwerdeführende Partei an, dass das nicht mehr stimme. Das sei wohl bei der Übersetzung etwas schief gegangen. Sie wolle in Österreich bei ihrer Frau und ihrem Kind bleiben. Auf Vorhalt, dass sie mit einem Konventionsreisepass der italienischen Behörden legal nach Österreich reisen könne, meinte die beschwerdeführende Partei, dass ihr Reisepass gestohlen worden sei. Mit ihrer Exfrau bestehe eine intensive Beziehung.

Mit Bescheid vom 30.11.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und diese gemäß § 10 Abs. 1 AsylG nach Italien ausgewiesen. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass die italienischen Behörden mit Schreiben vom 04.03.2010 mitgeteilt haben, dass die beschwerdeführende Partei in Italien als Konventionsflüchtling anerkannt sei.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 23.01.2012 wurde der dagegen eingebrachten Beschwerde gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 3. Satz stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Frage einer möglichen Verletzung des Art. 8 EMRK ein mangelhaftes Verfahren durchgeführt habe.

4. Daraufhin wurde die beschwerdeführende Partei am 18.12.2012 durch die belangte Behörde erneut einvernommen und gab soweit wesentlich an, dem Clan der Elay, dem Subclan der XXXX und Sub-Subclan der XXXX anzugehören. Ihr Vater sei derzeit in Mogadischu aufhältig, ihre Mutter in Baydhabo. Zwei Brüder würden im Jemen leben, einer in Mogadischu und einer in Deutschland. Drei Schwestern würden in Somalia leben, von einer ist der Aufenthalt unbekannt. Die beschwerdeführende Partei habe vier Söhne, die zur Zeit im Flüchtlingslager in Kenia leben würden. Von der Mutter dieser Söhne habe sich die beschwerdeführende Partei scheiden lassen. Mit einer zweiten Frau habe die beschwerdeführende Partei in Somalia einen gemeinsamen Sohn. Von dieser sei sie ebenfalls geschieden. Mit ihrer jetzigen Ehefrau, X.Y., habe sie zwei Kinder. Früher habe sie Kontakt mit ihren Verwandten in Somalia gehabt, nun habe sie schon lange nichts mehr von ihnen gehört. Sie habe noch zwei Tanten mütterlicherseits in der Nähe von Baydhabo. Ein Cousin lebe schließlich noch in Amerika.

Die beschwerdeführende Partei habe Landwirtschaft gelernt. Sie habe auch für eine Hilfsorganisation in Somalia gearbeitet, XXXX. Diese Tätigkeit habe sie zwischen 2005 und 2008 ausgeübt. Damals habe sie in Baydhabo gelebt, aber an verschiedenen Orten in Somalia gearbeitet. Somalia habe sie im April 2008 über Dschibuti verlassen.

Im Jänner 2009 habe sie in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten. In Italien gebe es keine Arbeit und es sei schwer, eine Wohnung zu finden. Warum sie aber in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, sei, dass sie mit ihrer Familie zusammenleben wolle. Auf die Frage, was sie im Falle einer Rückkehr nach Somalia konkret erwarten würde, meinte die beschwerdeführende Partei, dass sie ihre Heimat wegen Problemen verlassen habe. Ihre Geschwister, die im Jemen leben würden, seien aus Somalia geflüchtet, weil sie Angst um ihr Leben gehabt hätten. In Somalia müssten Unschuldige sterben.

Sie habe bei dieser Organisation im Bereich der Zwangsbeschneidung gearbeitet. Sie kenne ein Mädchen, das nicht beschnitten gewesen sei. Man habe ihr einen schlimmen Spitznamen gegeben. Viele Länder in Afrika würden Zwangsbeschneidungen vornehmen. Ihre persönliche Meinung sei, dass das ein Verbrechen sei. Keine Religion würde die Beschneidung unterstützen. Mit einer Zwangsbeschneidung ihrer Töchter wäre sie niemals einverstanden. Eine solche Beschneidung könnte von ihrer eigenen Familie ausgehen. In Österreich sei eine Zwangsbeschneidung verboten.

5. Am 31.05.2013 wurde die beschwerdeführende Partei erneut einvernommen. Sie gab dabei soweit wesentlich ergänzend an, dass ihr Clan zu den Rahanweyn gehöre. Sie telefoniere mit ihrer Schwester in XXXX. Sie habe bei der Organisation XXXX gearbeitet, deren Büro in Nairobi sei. Als sie die Schule beendet habe, habe sie bei einer anderen Organisation namens XXXX gearbeitet. Dabei habe es sich um eine inländische Organisation gehandelt. Sie habe zuerst, 2004, bei

XXXX gearbeitet, danach sei der Tsunami ausgebrochen, danach habe sie für XXXX gearbeitet.

Nach den Fluchtgründen befragt, gab die beschwerdeführende Partei an, ihr Heimatland aus Angst verlassen zu haben, weil somalische Leute meistens ungebildet seien. Man bringe einfach unschuldige Menschen um. Die somalischen Leute hätten nur eine Religion. Sie habe Angst getötet zu werden. Ihre Geschwister seien geflüchtet, sie würden im Jemen leben, ein Bruder sei auch in Deutschland. Ihr Clan sei nicht bewaffnet, gegen mächtige Clans könne er sich nicht wehren. Nach einem konkreten Vorfall befragt gab die beschwerdeführende Partei an, dass ein Mann in der Stadt jemanden umgebracht habe. Jener Mann habe zu einem großen Clan gehört, das Opfer zum Clan der beschwerdeführenden Partei. Die beschwerdeführende Partei sei dorthin gelaufen, wo der Junge umgebracht worden sei; man habe geglaubt, dass sie bewaffnet gewesen sei, sie sei aus Angst weggelaufen. Bei dem Vorfall sei ihr nichts passiert. Es habe keinen Vorfall gegeben, bei dem sie selbst bedroht worden sei.

Nachgefragt, ob die beschwerdeführende Partei von Al Shabaab bedroht worden sei, meinte diese, sie habe mit ihnen zusammen gelebt. Einmal sei ihr ein Laptop weggenommen worden, das sei im Jahr 2007 gewesen. Al Shabaab seien bekleidet wie Pakistani. In Somalia sei man immer in Gefahr, die meiste Gefahr bestehe wegen der Clanzugehörigkeit. Es gebe Schüsse in der Stadt, es würden Bomben geworfen. Man wisse einfach, dass die gebildeten Leute getötet würden. Auf Nachfrage, wer gebildete Menschen töten würde, antwortete die beschwerdeführende Partei, dass man das genau nicht sagen könne. Man höre nur, dass ein Journalist, dass ein Arzt umgebracht worden sei. Ihre Brüder hätten Somalia verlassen, weil sie Angst gehabt haben. Ihre Eltern leben noch in Somalia. Die Probleme, wegen denen die beschwerdeführende Partei ihre Heimat verlassen habe, seien immer noch dort. Sie würde getötet werden im Falle einer Rückkehr. Auf Vorhalt, dass die beschwerdeführende Partei bei ihrer Erstbefragung im Zuge ihrer ersten Antragstellung 2009 gesagt habe, in Bosaso beim Geheimdienst gearbeitet zu haben, gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie bereits gesagt habe, dass damals etwas Falsches aufgenommen worden sei. Sie habe das damals im Interview 2009 nicht so gesagt. Sie habe in Österreich zwei Töchter und lebe mit ihrer Ehefrau und auch den Stiefkindern zusammen.

6. Aus einer Stellungnahme der Deserteur- und Flüchtlingsberatung von 14.06.2013 zu den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Rahanweyn nicht als einer der noblen Clans angesehen würde. Auch sei die beschwerdeführende Partei aufgrund ihres Arbeitsplatzes bei einer Organisation einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Anschlägen zu werden.

Am 29.08.2013 wurde die Vollmacht für den Verein XXXX übermittelt.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

8. Gegen diesen Bescheid wurde wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften und Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie Ignorieren des Parteienvorbringens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben.

Am 21.04.2015 langte durch die Deserteur-und Flüchtlingsberatung eine Vollmacht ohne Zustellvollmacht sowie eine ergänzende Stellungnahme zur Beschwerde ein. Darin wurde ausgeführt, dass im angefochtenen Bescheid unvollständige und unrichtige Länderfeststellungen ausführt worden seien. Die gesellschaftlich marginalisierte Stellung der Rahanweyn innerhalb des sozialen Gefüge Somalias werde auch dadurch ersichtlich, dass Mitglieder dieses Clans als Binnenvertriebene schweren Diskriminierungen ausgesetzt seien. NGO MitarbeiterInnen würden oft das Ziel von Anschlägen und gezielten Tötungen werden. Die Berichte würden außerdem bestätigen, dass Rachemorde zwischen unterschiedlichen Clans weiterhin bestehen würden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei mangelhaft. Die beschwerdeführende Partei würde in Somalia aufgrund ihrer Tätigkeit bei einer westlichen NGO durch Al Shabaab aufgrund von politischen und religiösen Gründen verfolgt werden. Ihr Bildungsstandard, das damit verbundene höhere Einkommen und ihre Tätigkeit für eine internationale NGO würden die Gefahr von Übergriffen durch bewaffnete Dritte und von Rachemorden erhöhen. Da sie außerdem dem Clan der Elay zugehörig sei, komme ihr eine erhöhte Vulnerabilität zu. Die beschwerdeführende Partei lebe mittlerweile von ihrer Frau getrennt, die mit allen Kindern an einen unbekannten Aufenthaltsort verzogen sei.

9. Mit Schreiben vom 24.03.2016 wurden die beschwerdeführende Partei, ihre Vertretung und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 24.05.2016 geladen.

10. Mit Schreiben vom 30.03.2016 teilte die belangte Behörde mit, dass aus dienstlichen und personellen Gründen nicht an der Verhandlung teilgenommen werde. Es werde die Abweisung der Beschwerde und die Übersendung des Verhandlungsprotokolls beantragt.

11. Am 24.05.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch. Die beschwerdeführende Partei wurde dabei ausführlich nach dem Verbleib ihrer Familienmitglieder, ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit in Somalia, ihrer Clanzugehörigkeit und zu ihren Fluchtgründen befragt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden Auszüge aus dem EASO Bericht zu Somalia aus 2014 sowie die Kopie eines Flugscheins aus dem Jahr 2006 vorgelegt.

12. Zu den aktualisierten Länderinformationen langte am 21.06.2016 eine schriftliche Stellungnahme ein, nach der insbesondere auch Mitarbeiter_innen von NGOs Ziele von Al Shabaab Angriffen seien. Darüber hinaus wurden die Quellen des in den Länderinformationen zitierten Berichts des Danish Immigration Service (South Central Somalia: Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process aus 2015) als nicht nachvollziehbar kritisiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, die am 24.10.2011 einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei lebte in Somalia in Baydhabo in der Region Bay, ging dort zur Grund- und Hauptschule und besuchte danach noch einige Jahre eine höhere Privatschule. Weiter arbeitete sie für sechs Monate bei einer nationalen Organisation namens XXXX bevor sie von März 2005 bis März 2008 für XXXX in Somalia arbeitete. XXXX ermöglichte der beschwerdeführenden Partei auch die Vornahme eines Studiums der Landwirtschaft für ein Jahr. Am 31.03.2008 beendete die beschwerdeführende Partei ihre Arbeit bei XXXX und verließ Somalia.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Rahanweyn, dem Subclan der Elay, dem Sub-subclan der XXXX und weiter den XXXX an.

Es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Rahanweyn oder in weiterer Folge wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Elay, XXXX oder XXXX in Baydhabo wesentliche Schwierigkeiten oder Probleme hatte oder deswegen bedroht, beschimpft oder verfolgt wurde.

1.2. Es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei in Baydhabo im Falle einer Rückkehr von Al Shabaab wegen ihrer Arbeit für XXXX bedroht, getötet oder verfolgt werden würde.

Festgestellt wird, dass der beschwerdeführenden Partei am 03.12.2007 in Wajid ein Laptop entwendet wurde. Es wird jedoch nicht festgestellt, dass dieser Laptop von den "Islamischen Gerichten" bzw. von Mitgliedern der "Islamischen Gerichte" abgenommen wurde, noch, dass die beschwerdeführende Partei in Wajid durch diese bedroht oder verfolgt wurde, sei es wegen ihrer Arbeit für XXXX oder aus anderen Gründen.

Schließlich wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Baydhabo wegen ihrer Bildung bzw. ihrer Ausbildung verfolgt oder getötet werden würde.

In Baydhabo wie auch in Waajid befinden sich sog. "strongholds" der AMISOM.

2. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben.

2.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Somalia, 25.04.2016:

1. Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* Jene AMISOM-Garnisonen, die als "Strongholds" (Bastionen) markiert sind, können als permanent erachtet werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese an al Shabaab fallen können.

* Die meisten AMISOM-Garnisonen, die als "Forward Position" markiert sind, haben taktische Relevanz und scheinen permanent zu sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese unter starkem Druck der al Shabaab geräumt werden können (EASO 2.2016).

Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);

Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);

Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(EASO 2.2016).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

1.1. Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

1.1.1. Bakool, Bay

Al Shabaab ist in Bay und Bakool weiterhin aktiv, hat Präsenz und Einfluss. Es kommt zu Hinterhalte auf Militärkonvois und zu meist kleineren Angriffen auf Stützpunkte. Am 26.6.2015 wurde von al Shabaab auch ein erfolgreicher Großangriff auf den AMISOM-Stützpunkt Leego geführt (EASO 2.2016).

In der Region Bay sind neben AMISOM, der äthiopischen und der somalischen Armee auch noch - mit der Regierung verbündete - Kräfte der Interim South West Administration (ISWA) aktiv. Im Grenzraum Bakool/Äthiopien agieren zusätzlich noch mit der Regierung alliierte Milizen und die äthiopische Liyu Police. Die von letztgenannten Kräften kontrollierten Grenzgebiete sind frei von al Shabaab. Liyu Police und alliierte Milizen sind auch abseits größerer Städte stationiert (EASO 2.2016).

Alle relevanten größeren Städte in Bay befinden sich im Einflussbereich von AMISOM und somalischer Armee bzw. ISWA. Größere AMISOM Garnisonen befinden sich in Baidoa, Qansax Dheere, Diinsoor und Buur Hakaba (EASO 2.2016).

In Baidoa kommt es zu Sprengstoffanschlägen und Attentaten. Allerdings hat sich die Situation langsam verbessert (EASO 2.2016). Baidoa hat im Jahr 2012 mit rund 29 Vorfällen pro Quartal massiv unter einer Gewaltwelle gelitten. Seither hat sich die Zahl im Zeitraum Q1 2013 - Q2 2015 bei rund 13 pro Quartal eingependelt, womit auch Baidoa nach wie vor stark von terroristischer Gewalt betroffen bleibt (BFA 10.2015).

Größere Garnisonen der AMISOM bzw. der äthiopischen Armee in Bakool befinden sich in Ceel Barde, Yeed, Rab Dhuure, Xudur, Waajid und Tayeeglow (EASO 2.2016). Im Raum Tayeeglow schränkt die al Shabaab durch ihre Aktivitäten die Bewegungsfreiheit ein - mit Konsequenzen für die humanitäre Situation (UNSC 11.9.2015). Auch die Städte Waajid und Xudur werden blockiert (HRW 27.1.2016), wobei sich die Lage für Xudur etwas verbessert hat (EASO 2.2016).

Quellen:

1.1.2. Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016).

Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.12.2015). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 15.3.2016).

Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 15.3.2016). In der jüngeren Vergangenheit hat al Shabaab schwere Niederlagen erlitten. Einerseits wurde der Anführer, Ahmed Godane, im September 2014 von einer US-Drohne eliminiert. Andererseits hat al Shabaab nach dem Verlust der wichtigen Hafenstadt Baraawe im Oktober 2014 noch weitere, strategisch wichtige Städte verloren (EASO 2.2016). Zuletzt wurden al Shabaab auch herbe Verluste zugefügt. Alleine bei einem Luftschlag gegen ein Lager der Terroristen in Raso (Hiiraan) wurden mehr als 150 frisch ausgebildete Kämpfer getötet und zahlreiche weitere verletzt. Bei einem Vorstoß der al Shabaab entlang der Küste in Nugaal wurden weitere 115 Kämpfer der al Shabaab getötet und 110 gefangen gesetzt. Bei einem ähnlichen Vorstoß im Hinterland fügten Kräfte der GIA der al Shabaab ebensolche Verluste zu. Allein im März 2016 betrugen die Verluste für al Shabaab mindestens 500 Mann, weitere 210 wurden gefangen gesetzt (A 4.2016). Trotz der Verluste ist al Shabaab immer noch in der Lage, große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia zu halten (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016). Die Gruppe kontrolliert auch Versorgungsrouten (UKHO 15.3.2016). Über wie viele Kämpfer die al Shabaab verfügt, ist nicht exakt bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Miliz über mehr als 6.000 Mann verfügt (EASO 2.2016). Al Shabaab ist jedenfalls noch weit davon entfernt, besiegt zu sein (BS 2016).

Allerdings entwickelten sich Mitte 2015 innerhalb der al Shabaab die ersten Risse hinsichtlich einer Neuorientierung zum Islamischen Staat (IS). Mehrere IS-Sympathisanten wurden verhaftet; es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016, UNSC 8.1.2016).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Quellen:

2. Minderheiten und Clans

2.1. Bevölkerungsstruktur und Clanschutz

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 13.4.2016). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Quellen:

2.2. Aktuelle Situation

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.12.2015). Grundsätzlich wurde bei der Bildung der föderalen Regierung Ende 2012 sowie beim letzten umfassenden Regierungsumbau auf eine möglichst breite Zusammensetzung aller Clans und Sub-Clans geachtet. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans (ÖB 10.2015) bzw. Minderheitenclans zufällt (USDOS 13.4.2016). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft mit jeweils 61 Sitzen im Parlament. Dementsprechend sind die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2015). Die 4.5-Formel wurde aber auch schon zugunsten der Minderheiten gebrochen (USDOS 13.4.2016).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.4.2016). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Sub-Clan-Zugehörigkeit auszugehen (AA 1.12.2015).

Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.12.2015) oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.4.2016). Angehörige eines (Sub‑)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub‑)Clan dominiert werden, aber auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.12.2015). Es kann davon ausgegangen werden, dass der staatliche Schutz im Falle von Clan-Konflikten nicht zur Anwendung kommt, sondern die "Regelung" dieser Konflikte grundsätzlich den Clans selbst überlassen wird. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind in der Regel zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können; zudem ist die föderale Regierung wohl auch nicht willens, sich in Konflikte dieser Art einzumischen und so den Unwillen einzelner Clans auf sich zu ziehen (ÖB 10.2015).

Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten - unbestätigten - Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.

Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 13.4.2016; vgl. EASO 8.2014, ÖB 10.2015). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Auch in anderen Bereichen gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen:

3. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen die al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.12.2015). Auch Blockadebrecher (HRW 27.1.2016) und Dorfälteste in Ortschaften in der Nähe von AMISOM/Regierungsstädten wurden getötet (DIS 9.2015). Es gibt mehrere Berichte darüber, dass al Shabaab Personen wegen des Verdachts der Spionage angeklagt und binnen Stunden nach der Urteilsverkündung öffentlich exekutiert hat (UNHRC 28.10.2015; vgl. USDOS 13.4.2016, HRW 27.1.2016).

Neben militärischen Zielen der al Shabaab, wie AMISOM und somalische Sicherheitskräfte, werden auch bestimmte zivile Ziele erwähnt, die auf dem Gebiet von AMISOM und somalischer Regierung angegriffen werden. Darunter fallen die somalische Regierung (DIS 9.2015; vgl. UKHO 15.3.2016, HRW 27.1.2016); Zivilisten, die mit der Regierung in Verbindung stehen; Mitarbeiter humanitärer NGOs; UN-Mitarbeiter (USDOS 13.4.2016; vgl. UKHO 15.3.2016) bzw. Personen und Institutionen, welche die internationale Gemeinschaft repräsentieren; internationale NGOs (DIS 9.2015; vgl. UKHO 15.3.2016); diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer, Clanälteste und deren Angehörige (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016); sowie Journalisten (UKHO 15.3.2016; vgl. HRW 27.1.2016) und Kleriker (HRW 27.1.2016). Auch Bildungseinrichtungen und Personen, die sich weigern, Zakat (Steuer) an al Shabaab abzuführen, werden als Ziele genannt (DIS 9.2015). Gezielte Attentate auf diese Personengruppen gibt es vor allem in Mogadischu, Baidoa und Belet Weyne (HRW 27.1.2016).

Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 27.1.2016). Allerdings sind nicht alle Zivilisten gleichermaßen betroffen. Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015). Im Zuge von Angriffen der al Shabaab auf Ziele in bewohnten Gebieten (durch Sprengsätze oder Handgranaten) kommen allerdings auch "normale Zivilisten" zu Schaden oder ums Leben. Zivilisten als solche werden aber nicht zum spezifischen Ziel der al Shabaab (DIS 9.2015). Alleine der Umstand, dass eine Person in einer Stadt in Süd-/Zentralsomalia wohnt, steigert weder das Risiko der Verfolgung noch das Risiko ernsthaften Schadens durch die al Shabaab (UKHO 15.3.2016). Bei der strategischen Zielauswahl der al Shabaab gibt es keine spezifische Kategorie der "Zivilisten" oder der aus der Diaspora Zurückgekehrten (UKUT 3.10.2014).

Für Personen, die in einem städtischen Gebiet leben, das von AMISOM und/oder der Regierung kontrolliert wird; und die weder mit der Regierung noch der internationalen Gemeinschaft in Verbindung stehen, diese unterstützen, oder von denen angenommen wird, dass sie diese unterstützen; ist es unwahrscheinlich, dass sie für al Shabaab von Interesse sind (UKHO 15.3.2016).

Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab. Sind allerdings keine "high profile"-Ziele (z.B. AMISOM, UN) verfügbar, dann könnten "low level"-Ziele ersatzweise angegriffen werden (UKHO 15.3.2016; vgl. DIS 9.2015).

Mehrere Quellen von Landinfo erwähnen ein erhöhtes Risiko für lokale Bedienstete von AMISOM. Andererseits strömen jeden Morgen zahlreiche Bedienstete in die gesicherte Zone von AMISOM. Eine Quelle erklärt, dass wenige von al Shabaab getötet worden sein, die meisten leben in relativer Sicherheit in der Nähe des Flughafens. Insgesamt scheint die Situation für lokale Bedienstete der UN ähnlich (LI 2.6.2015). Es gibt nur wenige dokumentierte Fälle, wo al Shabaab lokale Angestellte der UN angegriffen hat (DIS 9.2015). Zwischen Mai 2014 und Februar 2015 sind mindestens vier der rund 2.000 direkt und indirekt für die UN arbeitenden lokalen Bediensteten von al Shabaab ermordet worden (LI 2.6.2015). Lokale Angestellte der UN haben allerdings Angst vor Übergriffen der al Shabaab. Sie treffen Vorkehrungen, um nicht mit der UN in Verbindung gebracht zu werden (DIS 9.2015).

Hinsichtlich einer Tätigkeit für andere internationale Organisationen und NGOs hat Landinfo bei einigen Quellen Rückfrage gehalten. Lokalen Bediensteten werden spezielle Sicherheitsmaßnahmen auferlegt bzw. treffen diese selbst Sicherheitsvorkehrungen (LI 2.6.2015). Es kommt manchmal zu Drohungen per Telefon (LI 2.6.2015; vgl. DIS 9.2015). Keine der gefragten Quellen gab an, dass ein Mitarbeiter von al Shabaab ermordet worden war. Bei zwei Vorfällen (2011 und 2013) waren lokale Mitarbeiter von al Shabaab verhaftet, und erst nach Vermittlung von Clan-Ältesten wieder freigelassen worden. Manche Mitarbeiter werden von al Shabaab zur Kooperation (hinsichtlich Aufklärung) gezwungen; dabei kommt es auch zu Drohungen hinsichtlich der Tötung von Familienangehörigen (LI 2.6.2015).

Laut UNOCHA kommen Angriffe auf und Drohungen gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen immer öfter vor. In den ersten fünf Monaten 2015 hat es 60 Vorfälle gegeben (UNHRC 28.10.2015). Dabei scheint es nur wenige Angriffe zu geben (DIS 9.2015). Landinfo geht aufgrund der Informationslage nicht davon aus, dass die Tötung lokaler Bediensteter von AMISOM, UN oder anderer internationaler Organisationen für al Shabaab eine Priorität haben (LI 2.6.2015).

Einige nationale NGOs scheinen eine Steuer an al Shabaab abzuführen. Zusätzlich scheint al Shabaab momentan den Schwerpunkt auf hochrangige Ziele zu legen (z.B. AMISOM, Regierung, UN) (DIS 9.2015). Außerdem will al Shabaab die systematische Tötung von Zivilisten verhindern, die in keiner oder nur äußerst geringer Verbindung mit AMISOM, der Regierung, der UN oder NGOs stehen (z.B. Teeverkäufer), da derartige Morde sehr unpopulär sind (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016).

Quellen:

2.2. Zeitachse

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Shabaab:

Zeitachse von Ereignissen seit April 2014, letzte Aktualisierung 15. Jänner 2016

Hintergrundinformationen

Die al-Schabaab entstand dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) zufolge aus der islamistischen Organisational-Itihaad al-Islamiya (AIAI). Die AIAI war eine in den 1980er-Jahren entstandene Gruppe somalischer Wahabiten, welche die Regierung von Mohammed Siad Barre durch einen islamischen Staat zu ersetzen versuchte. Ehemalige Mitglieder der AIAI gründeten die al-Schabaab, die darauf als radikale Jugendmiliz in die Islamic Courts Union (ICU) integriert wurde (CSIS, 15. Juli 2011, S. 3). Die ICU war ein Zusammenschluss von Scharia-Gerichten und Warlords, der 2005 die Kontrolle in Mogadischu und den südlichen Teilen Somalias übernahm (John Hopkins Bloomberg School of Public Health, 9. Februar 2014, S. 12; IOM, Februar 2014, S. 13). Auf Ersuchen der Ende 2004 gebildeten somalischen Übergangsregierung (Transitional Federal Government, TFG) gingen äthiopische Streitkräfte im Dezember 2006 gegen die ICU vor (USDOS, 11. März 2008). Dies führte zu einem Aufstand gegen die äthiopischen und somalischen Streitkräfte, aus dem die al-Schabaab laut Human Rights Watch (HRW) als die mächtigste bewaffnete Oppositionsgruppe in den südlichen und zentralen Landesteilen hervorging (HRW, 8. September 2014). Seit 2008 entwickelte sich die al-Schabaab von einer nationalistischen Organisation, die das Ziel hatte, die äthiopischen Truppen mit militärischen Mitteln zu vertreiben, zu einer transnationalen terroristischen Bewegung, die sich als Teil des globalen Kriegs der al-Qaida gegen den Westen darstellt (CSIS, 15. Juli 2011, S. 1).

Wichtige Ereignisse in den vergangenen Jahren

Im Jahr 2009 zogen sich die äthiopischen Truppen aus Somalia zurück und die al-Schabaab übernahm laut Amnesty International (AI) bis Ende 2010 die Kontrolle in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalias (AI, Dezember 2011). Seit dem Rückzug äthiopischer Truppen unterstützten Truppen der Afrikanischen Union (AMISOM) aus Uganda und Burundi die somalische Übergangsregierung (SWP, November 2013, S. 3). Im August 2011 zog sich die al-Schabaab aus Mogadischu zurück und kam auch in anderen Landesteilen unter Druck (AI, Dezember 2011). Im Oktober 2011 drangen, nachdem die kenianische Regierung die al-Schabaab beschuldigt hatte, TouristInnen und MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen zu entführen, kenianische Truppen in den Süden Somalias ein (BBC, 28. Oktober 2011). In der ersten Jahreshälfte 2012 verlor die al-Schabaab die Kontrolle in mehreren Städten im Süden des Landes (Badhaadhe, Afmadow, Afgoye) und im September 2012 in Kismayo (SWP, November 2013, S. 3; ICG, 26. Juni 2014, S. 9-15). Die al-Schabaab kontrollierte 2013 jedoch weiterhin große Teile ländlicher Gebiete in Süd- und Zentralsomalia, darunter Gebiete in den Regionen Juba, Shabelle, Bay und Bakol (USDOS, 30. April 2014).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3.2. Die beschwerdeführende Partei äußerte sich konsistent und gleichbleibend zu ihrem Herkunftsort, zu ihrer Clanzugehörigkeit sowie zu ihrer Tätigkeit bei XXXX. Zu letzterer legte sie in der mündlichen Verhandlung auch einen Flugschein vor, auf dem ein Ausstellen auf ihren Namen für XXXX vermerkt war. Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an diesen Angaben zu zweifeln.

3.3. Wenn es schließlich weiter um die Gründe für die Ausreise der beschwerdeführenden Partei geht, werden ihre Angaben jedoch bedeutend vager, unkonkreter und im Ergebnis wenig glaubhaft.

3.3.1. Wenn die beschwerdeführende Partei Clanprobleme betont, so konnte sie das Bundesverwaltungsgericht nicht davon überzeugen, als Angehöriger ihres Clans und Subclans tatsächlich Schwierigkeiten in ihrem Heimatort - und für dort ist eine allfällige Rückkehr und eine Verfolgungsprognose zu prüfen - gehabt zu haben. Ihre diesbezüglichen Aussagen bleiben immer allgemein und zielen wohl darauf ab, die Rahanweyn als solche als marginalisiert darzustellen - was auch uU bzw. in Bezug auf unter 2. angeführte Berichte für Teile Süd- und Zentralsomalias stimmen kann, nicht jedoch für die ausgewiesene Heimatregion der Rahanweyn - Bay und Bakool. Hier von einer Marginalisierung des eigentlich dort dominanten Clan zu sprechen, ist nicht nachvollziehbar und scheinen die diesbezüglichen Ausführungen in Beschwerde und Beschwerdeergänzung wie auch in der mündlichen Verhandlung gänzlich ohne Grundlage.

Denkbar wäre natürlich eine Marginalisierung einer Untergruppe der Rahanweyn in Baydhabo auch durch eine andere Untergruppe der Rahanweyn, die möglicherweise stärker, bewaffneter, zahlenreicher, wohlhabender sein könnte als die Elay. Eine bereits in der Vergangenheit erfolgte solche Problematik in Bayhabo wurde jedoch durch die beschwerdeführende Partei - auch auf konkrete Nachfrage hin in der mündlichen Verhandlung - nicht begründet vorgebracht und ergibt sich eine solche auch nicht aus den relevanten Länderberichten. Insgesamt erscheint daher das Vorbringen einer Befürchtung einer Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei als rein asylrelevant angelegt und im Laufe des Verfahrens aufgebauscht, weshalb es nicht festgestellt werden kann.

3.3.2. Aus den Protokollen der Einvernahmen vor der Beschwerdeverhandlung gehen keine Verfolgungs- und Bedrohungsszenarien der beschwerdeführenden Partei durch Al Shabaab hervor.

In ihrer Einvernahme am 31.05.2013 gab die beschwerdeführende Partei nach ihrem Fluchtgrund befragt an: "Ich habe meine Heimat aus Angst verlassen, weil somalische Leute meist ungebildet sind. Man bringt einfach unschuldige Menschen um. Wenn jemand wen umbringt, dann muss man den Täter suchen. Aber sie machen nichts. Sie bringen unschuldige Leute um und sie suchen die gebildeten Leute aus, oder sie bringen einfach die Leute um, die etwas lernen wollen. Man fragt sich wer gebildet ist. Wer ist Arzt, Ingenieur... Wegen dieser Ungerechtigkeit habe ich dann meine Heimat verlassen. Die somalischen Leute haben nur eine Religion. Es gibt eine Gruppe, die sagt, dass man am Jihad teilnehmen muss. Sie sagen, dass man im Paradies landen kann, wenn man kämpft" (AS 259).

Konkret zur Al Shabaab befragt gab die beschwerdeführende Partei etwas später an:

"Ich lebte mit ihnen [gemeint: Al Shabaab] zusammen, sie lebten auch in unserem Bezirk."

Frage: "Wurden Sie jemals konkret von Al Shabaab bedroht?"

Antwort: "Ja."

Frage: "Schildern Sie diesen Vorfall."

Antwort: "Sie haben mir einmal einen Laptop weggenommen und haben gesagt, dass sie ihn genau durchsuchen werden würden. Sie haben geglaubt, dass ich etwas gegen sie verbreite."

Frage: "Wann genau hat sich dieser Vorfall ereignet?"

Antwort: "2007".

Frage: "Wann genau?"

Antwort: "Am 03. Dezember."

Frage: "Wo hat sich dieser Vorfall ereignet?"

Antwort: "In einer Stadt namens Wajid".

Frage: "Woher wissen Sie, dass es sich um Al Shabaab gehandelt hat?"

Antwort: "Sie sind sehr berühmt. Sie sind maskiert und ihre Bekleidung ist anders als die anderer Leute."

[...]

Frage: "Sie haben davon weder im Zuge der Schilderung Ihrer Fluchtgründe, noch auf dezidierte Nachfrage nach konkreten Vorfällen/Bedrohungen etwas erzählt. Warum erst jetzt?"

Antwort: "In Somalia ist man immer in Gefahr. Die meiste Gefahr besteht wegen meiner Clanzugehörigkeit. Es gibt Schüsse in der Stadt. Oder es werden Bomben geworfen in der Stadt".

[...]

Auf die Frage, woher die beschwerdeführende Partei die Information habe, wonach gebildete Menschen getötet würden, antwortete sie:

"Meine besten Freunde wurden umgebracht. Mein Englischlehrer wurde zuletzt getötet" (alles AS 260).

3.3.3. Wenn die beschwerdeführende Partei nun, unterstützt durch ihre Vertretung, in der mündlichen Verhandlung erstmals vorbringt, dass sie damals, 2007 bzw. 2008 befürchtet habe, wegen ihrer Arbeit für XXXX von den "Islamischen Gerichten" verfolgt zu werden, so ist das Vorbringen in dieser Form neu formuliert worden.

Im Detail gab die beschwerdeführende Partei dazu folgendes an:

"R: Bitte erzählen Sie mir jetzt genau und konkret unter Nennung der betroffenen Gruppen, was Ihr Problem wegen Ihrer Clanzugehörigkeit gewesen ist.

P: Ich bin vor der islamischen Gruppe damals geflüchtet. Ich habe auch Clanzugehörigkeitsprobleme gehabt. Unter meinem Clan gibt es nur wenige gebildete Leute. Jetzt gibt es keine mehr dort. Ich bin wegen dieser Gruppe geflüchtet. Wenn irgendein Problem dort passiert, werde ich getötet. Ich konnte nicht warten, bis ich getötet werde. Die meisten Flüchtlinge in Flüchtlingslagern in Mogadischu, in Beledweyne, in Kenia, in Äthiopien sind die meisten meine Stammesleute. Wenn wir stärker wären, wären wie in unserem Heimatland geblieben.

R: Erzählen Sie mir von dieser islamischen Gruppe, vor der Sie sich fürchten?

P: Am 06.04.2008 habe ich das Land verlassen, weil diese Gruppe hat es mir schwer gemacht, mal haben sie mir meinen Laptop weggenommen. Sie sagten, dass sie meinen Laptop durchsuchen werden. Sie haben gedacht, dass ich über sie etwas schreibe oder ihre Geheimnisse weitererzähle, deshalb haben sie meinen Laptop genommen. Ich war aber ein Angestellter und haben ihn zum Arbeiten gebraucht. Sie haben gesagt, sie werden meinen Laptop durchsuchen, wenn sie finden, dass ich über sie geschrieben habe, werde ich sehen, was sie mir antun. Sie haben mich damals gefragt, ob mein Laptop mit Passwort verschlüsselt ist, darauf habe ich nein gesagt. Sie haben den Laptop mitgenommen. Ich musste etwas schreiben, was in der Stadt passiert ist. Das hieß Security-Report. Wir mussten jeden Tag einen Bericht schreiben, der hieß "Daily Security-Report". Ich hatte Angst, ich wusste ja, was ich geschrieben habe. Ich habe dann die Stadt verlassen. Ich bin in eine andere Stadt gegangen. Meine Arbeitgeber haben mich woanders hingeschickt, dann habe ich das Land verlassen.

R: Wann und wo war dieser Vorfall mit dem Laptop?

P: 3. Dezember 2007 in der Ortschaft Waajid, in der Nähe von Baydhabo.

R: Wer war die islamische Gruppe?

P: Die hießen Al Mahakim (D erklärt, das ist der Begriff für "die islamischen Gerichte").

R: Warum genau haben Sie Somalia wann verlassen?

P: Damals wurden viele Kollegen von mir getötet. Die Security in Beledweyne hat im Büro von XXXX zwei Angestellte getötet. Ein Angestellter von WFP wurde in Gedo getötet, genauer in Garbahary, er war mein Englisch-Lehrer und er war auch ein Freund. Damals hat man gezielt die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Ich hatte Angst, dass ich auch getötet werde. Diese Mitarbeiter wurden getötet, weil man meinte, sie würden das Geheimnis des Landes weitergeben.

R: Wieso haben Sie das bisher nicht erzählt?

P: Ich habe Ihnen bereits schon früher gesagt, man hat immer die gebildeten Leute getötet, wie Ärzte und Ingenieure. Man hat sie getötet, weil sie gebildet sind und Wissen haben.

R: Wenn Sie heute an Somalia denken, was wäre da Ihre größte Sorge?

P: Jetzt, wenn ich nach Somalia zurückkehre, ist es noch schlimmer für mich, ich habe jetzt mehr Wissen als früher, ich bin mehr gebildet. Sie wissen ja, dass ich in Europa war, dass ich mehr Wissen habe und bessere Erfahrung habe.

R: Wovor fürchten Sie sich?

P: Ich habe Angst, dass ich getötet werde. Ich habe Angst von den vermummten Männern, die sich Al Shabaab nennen. Damals habe ich die höhere Schule abgeschlossen, ein Jahr studiert. Im Parlament in Somalia fragt man nach Leuten, die Matura haben. Ich habe sogar ein Jahr studiert. Weil es wenige gebildete Leute gibt, haben die meisten im Parlament nicht einmal Matura.

R: Wieso sollte Al Shabaab Sie umbringen wollen?

P: Baydhabo ist eine kleine Stadt, ich würde gleich auffallen, man würde mich kennen. Die Leute kennen einander und man weiß, wer ich bin. Nicht nur mein Stamm, sie werden erkennen, wer ich bin. Wenn ich in die Stadt komme, wird man gleich merken, ich war lange weg. Ich bin mit anderen Ansichten zurückgekommen.

R: Baydhabo ist aber kein Gebiet der Al Shabaab.

P: Es wird aber ständig von Al Shabaab angegriffen. Wir wissen auch, es gibt einige Regierungssoldaten, die auch für Al Shabaab arbeiten."

Wie in den Feststellungen ausgeführt, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei tatsächlich für eine NGO gearbeitet hat, und auch, dass ihr im Dezember 2007 ein Laptop gestohlen wurde.

Sie kann aber auch aufgrund ihrer unkonkreten diesbezüglichen Angaben nicht glaubhaft machen, damals bereits von den Islamischen Gerichten, einer Vorgängerorganisation, aus der sich die Al Shabaab entwickelte, gezielt bedroht und verfolgt worden zu sein.

Insbesondere fällt der erkennenden Richterin dabei auf, dass die beschwerdeführende Partei - trotz ihrer guten Ausbildung und ihrer Berufstätigkeit bei einer internationalen NGO vor Ort - erstaunlich vage bleibt, wenn sie über ihre angeblichen Verfolger spricht: zum einen benennt sie selbst in der Einvernahme vom 31.05.2013 ihre angeblichen Verfolger bzw. die Gruppierung, von der die Bedrohung ausgehen sollte, als "Al Shabaab", obwohl es sich damals noch um die Vorgängerorganisation, die Islamischen Gerichte, gehandelt hat. Dass sie auf die Nachfrage, woran sie die Personen als Al Shabaab erkannt haben will, nur mit Verweis auf ihre Kleidung antwortet, scheint in Zusammenhang mit ihrem Bildungsstand, ihrer Arbeit, dem angeblichen Umfeld, in dem sie gearbeitet haben will, ihrer ausgedehnten Reisetätigkeit im Land und die Situation der Abnahme des Laptops und die angebliche Bedrohung dadurch ungewöhnlich und oberflächlich.

In der mündlichen Verhandlung nun schildert die beschwerdeführende Partei den Vorfall rund um den Diebstahl des Laptops detailreicher und ausführlicher und implizierte, sensible Dokumente auf dem Laptop gespeichert gehabt zu haben, die Al Shabaab als oppositionell aufgefallen wären. Es seien außerdem viele Kollegen getötet worden, auch ein Englischlehrer in Gedo; man habe damals gezielt Mitarbeiter_innen von Hilfsorganisationen getötet. Die beschwerdeführende Partei bringt diese Befürchtung bzw. diesen Fluchtgrund in dieser Form erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor. An dieser Stelle sei gesagt, dass das Bundesverwaltungsgericht den Verweis der beschwerdeführenden Partei auf den Tod des Englischlehrers in ihrer Einvernahme vom 31.05.2013 nicht als eine gleichwertige Angabe wertet und werten kann.

Es wird vom Bundesverwaltungsgericht - in Würdigung aller Einvernahmeprotokolle und der mündlichen Verhandlung - nicht angezweifelt, dass der Englischlehrer und Freund der beschwerdeführenden Partei getötet wurde, noch, dass Mitarbeiter_innen von NGOs grundsätzlich Ziele der Islamischen Gerichte gewesen sein konnten. Die beschwerdeführende Partei muss sich aber gefallen lassen, in ihren Einvernahmen vor der Behörde grundsätzlich keine Sorge vor einer individuellen und konkreten Verfolgung durch die eine oder andere islamistische Miliz geltend gemacht zu haben, weil sie ein Mitarbeiter von XXXX gewesen ist. Ihre diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung, immerhin acht Jahre nach ihrer Ausreise, müssen daher als asylrelevant angelegt, konstruiert und für das Verfahren gesteigert angesehen werden.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in Auszügen unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind. Die Stellungnahme der Vertretung der beschwerdeführenden Partei zu diesen Länderberichten vom 21.06.2016 wie auch die in der Verhandlung vorgelegten Auszüge bezieht das Bundesverwaltungsgericht in seine Überlegungen mit ein.

Wenn die Vertretung der beschwerdeführenden Partei in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2016 die anonymisierten Quellen des DIS-Berichts aus 2015 kritisiert, so ist darauf nicht näher einzugehen, weil - wie in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt - den diesbezüglichen inhaltlichen Argumenten der Vertretung der beschwerdeführenden Partei betreffend NGO Mitarbeiter_innen als primäre Anschlagsziele der Al Shabaab in Bezug auf die beschwerdeführende Partei nicht gefolgt wird.

Wenn sie jedoch in weiterer Folge meint, dass der DIS-Bericht - aus dem Mai 2015 - nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des VwGH veraltet sei, so ist zu entgegnen, dass der diesbezügliche Bericht eine Fact Finding Mission, die zwischen 02. und 12. Mai 2015 stattgefunden hat, aufarbeitet, selbst aber aus dem September 2015 stammt. Darüber hinaus legte die Vertretung der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung Auszüge aus dem einschlägigen EASO-Bericht aus dem August 2014 vor, ohne darauf hinzuweisen, dass diese Unterlagen veraltet sind. Das Bundesverwaltungsgericht behält sich also vor, die entsprechenden Länderberichte unter Berücksichtigung der Aktualität der Quellen (wobei bei der Berücksichtigung der Aktualität auch Rücksicht auf den Inhalt dahingehend zu nehmen ist, inwieweit dieser von kurzfristigen Änderungen bestimmt sein kann) entsprechend zu würdigen.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, und somit auch das gegenständliche, zu Ende zu führen.

Zu A)

4.2. Rechtsgrundlagen:

4.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

4.2.2. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.

4.2.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

4.3. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.3.1. Wie bereits in der Beweiswürdigung angeführt, lässt sich weder aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens noch aus den relevanten Länderberichten die Gefahr einer Verfolgung der beschwerdeführenden Partei aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Rahanweyn oder zu den Elay in Baydhabo ableiten.

4.3.2. Ebensowenig lässt sich aus dem Vorbringen oder aus den Berichten eine drohende Verfolgung der beschwerdeführenden Partei aufgrund ihrer Tätigkeit für XXXX bis März 2008 in Somalia ableiten.

Faktoren dafür sind, dass sich zum einen die Situation vor Ort dahingehend geändert hat, dass die Islamischen Gerichte mittlerweile durch eine andere Organisation - Al Shabaab - abgelöst wurden und eine aktuelle systematische Verfolgung möglicher früherer Ziele der "ICU" ("Islamic Court Union") durch die Al Shabaab keinen Niederschlag in den Berichten findet. Darüberhinaus bestehen in Baydhabo und auch in Wajid - wo der angebliche Kontakt mit den Islamischen Gerichten stattgefunden haben soll - nunmehr "strongholds" der AMISOM und hat auch Al Shabaab keine Kontrolle (mehr) über dieses Gebiet.

Schließlich ist die beschwerdeführende Partei bereits seit dem Frühjahr 2008 nicht mehr bei einer internationalen NGO beschäftigt, weshalb es auch keinen Hinweis darauf gibt, dass Al Shabaab, selbst wenn sie Kenntnis über die Rückkehr der beschwerdeführenden Partei nach Baydhabo bekommen sollte, ein Interesse an ihrer Verfolgung haben sollte. Sie erfüllt dann nämlich kein klassisches Profil für eine Risikogruppe für gezielte Anschläge durch die Al Shabaab.

Wenn nun die Vertretung der beschwerdeführenden Partei in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2016 zu betonen scheint, dass Mitarbeiter_innen von NGOs als Ziele von Al Shabaab Angriffen gelten, so übersieht sie, dass die beschwerdeführende Partei bereits seit über acht Jahren kein Mitarbeiter mehr einer internationalen NGO ist. Sie bringt keine Argumente dazu vor, warum Al Shabaab - als Nachfolger der Islamischen Gerichte - gezielt in Gebieten, die unter Kontrolle der Regierung bzw. der AMISOM stehen, einen ehemaligen Mitarbeiter einer internationalen NGO verfolgen würde. Eine entsprechende maßgebliche aktuelle Wahrscheinlichkeit lässt sich aus den Länderberichten nicht ableiten.

Daran vermag auch die Annahme nichts zu ändern, dass der beschwerdeführenden Partei im Dezember 2007 ein Laptop gestohlen wurde: aus diesem Faktum heraus lässt sich eine über acht Jahre anhaltende Gefährdung wegen auf dem Laptop befindlicher Dokumente nicht ableiten. Zum einen konnte die beschwerdeführende Partei aufgrund ihres diesbezüglich späten Vorbringen und ihrer vagen Angaben zu den Dieben schon nicht glaubhaft machen, dass dieser Laptop von der Vorgängerorganisation der Al Shabaab gestohlen wurde. Darüber hinaus spricht gegen eine entsprechende maßgebliche Gefährdung auch die geänderte faktische Lage in Baydhabo wie auch die Änderung in der Struktur der angeblichen Verfolger. Eine entsprechende Gefährdungsprognose kann also nicht getroffen werden.

Wenn die beschwerdeführende Partei wiederholt betont, dass gebildete Personen in Somalia in Gefahr seien, so mag das dahingehend stimmen, dass bestimmte Personengruppen, die mögliche Anschlagsziele sein können, häufig aus exponierten gesellschaftlichen Schichten und damit vermutlich auch aus einer Bildungselite im Land stammen - wie Politiker_innen, Journalist_innen, (aktuelle) internationale Mitarbeiter_innen von IOs und NGOs etc. Sie vermag damit aber keine begründete Befürchtung zu belegen, selbst gezielt das Opfer von Bedrohung zu werden.

4.3.3. Den wiederholt geäußerten Befürchtungen der beschwerdeführenden Partei wegen der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Somalia wurde bereits mit der Zuerkennung von subsidiärem Schutz begegnet.

4.3.4. Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehen einer maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung von Asyl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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