BVwG W122 2196551-1

BVwGW122 2196551-110.8.2018

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W122.2196551.1.00

 

Spruch:

W122 2196551-1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Michael GENNER, Asyl in Not, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018, Zl. 1176215601-171369280, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2018, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger von der Volksgruppe der Tadschiken, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Im Rahmen der am 11.12.2017 durchgeführten Erstbefragung durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer an: "Ich hatte verwandtschaftliche Probleme. Ich wurde durch meine Verwandten bedroht. Weiters wurde ich von den Taliban, dem IS und einer anderen Terrorgruppe bedroht, da ich die Leute die durch die Taliban zwangsrekrutiert wurden, überzeugt habe das nicht zu tun. Deswegen wurde ich ständig von den Taliban bedroht. Das sind meine einzigen Fluchtgründe."

 

3. Am 12.04.2018 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde. Dabei gab er an, gesund und arbeitsfähig zu sein sowie neben seiner Muttersprache Dari, Englisch, Russisch, Urdu und Paschtu zu sprechen.

 

Befragt nach seinem Lebenslauf führte der Beschwerdeführer an: "Ich bin am XXXX (= XXXX ) in der Stadt Kabul, Stadtteil XXXX geboren und aufgewachsen. Ich habe die gesamte Zeit meines Lebens eben an dieser Adresse gelebt. Die letzten 20 Tage habe ich mich mit meiner Familie im Stadtteil XXXX bei einem Freund meines Vaters aufgehalten. Ich bin direkt vom Stadtteil XXXX mit meiner Familie aus Afghanistan ausgereist. Ich wurde mit fünf Jahren eingeschult und habe zwölf Jahre die Schule besucht. Anschließend war ich drei Jahre auf der Universität in der Provinz Kapisa. Während dieser Zeit bin ich immer wieder zwischen Kabul und XXXX gependelt. Ich hatte zwar ein Zimmer im Studentenheim in XXXX , habe aber nur in der Woche ein bis zwei Nächte dort verbracht. Im Jahr XXXX (=2012/2013) habe ich begonnen, auf der Universität zu studieren und habe gleichzeitig auch begonnen, zu arbeiten. Ich habe für die Tageszeitung gearbeitet und war im Bereich der Meldungverfassung tätig. Die Arbeitsstätte befand sich in Kabul, im Stadtteil XXXX , welches ungefähr 50 bis 55 Minuten zu Fuß von meinem Elternhaus entfernt ist. Daneben hatten ich und mein Freund auch ein Unternehmen, und zwar ein Reisebüro, welches sich in der Provinz XXXX , in der Stadt XXXX befand."

 

Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer an: "Die Taliban haben einen neuen Prozess gelaufen gehabt, und zwar den Leuten, die sich deren Gruppe angeschlossen haben, wurde nach einiger Zeit gesagt, dass sie zu den Behörden gehen und sich den ergeben sollen und an dem Friedensprozess teilnehmen sollen. Die Behörden glauben dann, dass die Leute nicht mehr mit den Taliban zusammenarbeiten, aber hinter deren Rücken sollen die Leute weiterhin für die Taliban arbeiten. Ich habe davon gehört gehabt und wollte darüber berichten. Ich habe mit meinem Manager gesprochen, er hat mir jedoch nicht die Erlaubnis gegeben, darüber zu schreiben, da es die Schwächen der Regierung auch aufzeigt. Deshalb habe ich dies nicht schreiben

dürfen. ... Ich habe mir dann Gedanken gemacht, wie ich meine

Mitteilung an die Leute bringen kann, die fernab einer Bildung sind. Ich habe zwei Jahre lang alle Informationen über die Taliban zusammengetragen gehabt und habe zwölf Berichte mit diesen Informationen verfasst gehabt. Ich habe mit zwei Freunden von mir gesprochen, welchen ich vertraut habe und welche mit mir an der Uni waren. Das waren Mitstudierende, die innerhalb und außerhalb der Uni sehr aktiv waren und sich eingesetzt haben. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass auf dem Universitätsareal, welches sehr groß war, 600 Baumpflanzen eingesetzt werden. Das haben wir für die Uni

gemacht. ... Ich war aber bei der Journalistenvereinigung tätig, wo

ich kein Geld erhalten habe. Bei der Versammlung wurden arbeiten aufgeteilt und wir wurden beispielswiese damit beauftragt, einen Bericht zu schreiben, wie man seine Wohngegend sauberer und wohnhafter Gestalten kann. Diesen Bericht haben wir dann den Leitern gegeben. Es wurden anschließend freiwillige gesucht, die dies

daraufhin umgesetzt haben. ... Ich bin in den Provinzen gegangen und

habe zwischen den Leuten Seminare gehalten und habe die Leute über die Taliban informiert, also über deren Vorgehensweise, nicht dass sie von den Taliban ausgetrickst werden und sie sich denen anschließen. Das war der Grund, wieso die Leute intelligenter wurden. Nachdem sie unsere Seminare besucht haben. Es gab sogar Leute, die in ihren Familienkreisen hatten, die sich den Taliban anschlossen haben, und nach unseren Seminaren die Augen der Leute geöffnet haben und deren Familienangehörigen dazu gebracht haben, aus der Taliban-Gruppierung wieder auszutreten. Die Macht, die sie hatten, um deren Leute in deren Gruppe zu rekrutieren, ist weniger geworden. Ich war ein sehr großer Verlust für sie, denn je öfter und länger ich dies gemacht hätte, desto weniger Macht hätten sie, um Leute in ihre Gruppe aufzunehmen. Ich habe vorhin auch gesagt, dass ich zwei Jahre lang Informationen über die Taliban zusammengetragen habe und zwölf Berichte geschrieben habe. Wenn ich zu diesen Seminaren gegangen bin, habe ich 100 bis 150 Mal diese Berichte ausgedruckt und an die Anwesenden in diesem Seminar verteilt. Ich habe zu denen gesagt, dass sie dies an die Leute weitergeben sollen, die nicht am Seminar teilnehmen und dies verbreiten sollen. Das war der Grund, warum die Taliban hinter mir her waren und ich war ein Schwachpunkt von denen. Da haben die Taliban mit Bedrohungen angefangen. Es hat bei mir angefangen, über meinen Vater, über meine Mutter, meine beiden Brüder, also meine Familie ist bedroht worden. Das Wichtigste ist, dass sie nicht nur wollten, dass ich meine Arbeit aufgebe, sondern auch wollten, dass ich für deren Vorteil mit denen zusammenarbeite. Das Aufhören meiner Arbeit hätte nur einen Vorteil für sie gehabt, und zwar, dass sie wieder weiter die Leute austricksen hätten können. Das Arbeiten von mir mit denen gemeinsam hätte mehrere Vorteile für sie gehabt; also, dann gebe es niemanden mehr, der gegen sie arbeitet und die Augen der Leute für sie öffnet. Der weitere Vorteil, welchen sie durch mir hätten, wäre die, dass, wenn ich mit denen zusammengearbeitet hätte, ich für sie unter den Leuten propagieren könnte, damit sich mehrere Leute diesen anschließen. Das war der eine Grund, warum ich ausgereist bin. Der andere Grund ist wegen meiner Tante väterlicherseits, die auch hier ist. Meine Tante väterlicherseits hat gemeinsam mit uns in Afghanistan gelebt. Sie war mit jemanden aus der Provinz XXXX , namens XXXX , verlobt. Dieser ist bei einem Selbstmordanschlag auf der Pilgerstätte in Kabul mit seiner Mutter und seiner Schwester ums Leben gekommen. Der Onkel väterlicherseits von XXXX ist ein General in der jetzigen Regierung namens General XXXX . Dieser Onkel väterlicherseits von XXXX kam einige Tage nach dem Begräbnis seines Neffen, um an die Hand meiner Tante väterlicherseits anzuhalten. Er ist doppelt so alt wie meine Tante, hat zwei Frauen und zwölf Kinder. Weder mein Vater, noch meine Tante oder sonst jemand unsere Familienangehörigen war damit einverstanden. Der General XXXX sagte, dass meine Tante zu deren Familie gehört und ob wir einverstanden sind oder nicht, unter Zwang wird er sie mitnehmen. Er ist einige Male gekommen, einige Male in der Woche. Es gab sogar einige Male, wo er öfters am selben Tag gekommen ist. Er hat immer die Familie bedroht und hat gesagt, dass er seine Familie mitnehmen wird, ob Miteinverständnis oder ohne, auch mit Zwang. Eines Tages hat meine Tante bei meinem Vater geweint. Sie sagte, dass er sehr alt ist und nicht einverstanden ist, ihn als Mann zu nehmen. Sie sagte, dass sie sich entweder selbst umbringen oder das Land verlassen werde. Das war der Grund, dass mein Vater mit meinem Onkel väterlicherseits in England gesprochen hat und meine Tante väterlicherseits über den Luftweg in den Iran geschickt hatte. Als der General davon erfahren hatte, ist er zu uns nach Hause gekommen und hat meinen Vater und meine gesamte Familie mit dem Tod bedroht und hat gesagt, dass mein Vater einen Familienangehörigen von ihm zur Flucht geholfen hatte und entweder er dafür sorgt, dass sie wieder zurückkommt oder wir getötet werden. Der General ist dann wieder weggegangen. Nach einiger Zeit ist er wieder gekommen und hat meinem Vater zwei Wochen Zeit gegeben und hat ihm gesagt, dass entweder sie in zwei Wochen zurückkehren muss oder er das, was er gesagt hat, wahrmachen wird. Das war der andere Grund, wieso wir nicht in Afghanistan leben haben können und das Land verlassen haben müssen."

 

Weiters führte der Beschwerdeführer an, mehrmals von den Taliban direkt, telefonisch und brieflich bedroht worden zu sein. Die Taliban hätten dem Beschwerdeführer gesagt, dass sie sehr viele Beweise nach deren Gesetzen gegen ihn hätten, um ihn umzubringen, aber, da sie ihn benötigten, sein Leben von das seiner Familie in Sicherheit wäre. In der Folge hätten die Taliban und der General zum selben Zeitpunkt dem Beschwerdeführer zwei Wochen Zeit gegeben, um sich den Taliban anzuschließen und die geflohene Tante zurückzubringen.

 

Der Beschwerdeführer legte eine Anzeigebestätigung und eine Zeugenaussage der Bewohner seiner Gegend vor.

 

Die Länderfeststellungen würden nach der Meinung des Beschwerdeführers nicht der Realität entsprechen.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen betrage (Spruchpunkt VI).

 

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.04.2018 zugestellt. Mit Schreiben vom 18.05.2018, eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer im Wege seines Vertreters gegen diesen Bescheid Beschwerde und beantragte

 

eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den Status des Asylberechtigten zu zuerkennen, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu zuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren, in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und die Abschiebung für unzulässig zu erklären, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und an die Behörde zurückzuverweisen.

 

Begründend führte der Beschwerdeführer an, es wäre unwahr, dass seine Fluchtgeschichte sämtliche Details vermissen lassen würde. Der Beschwerdeführer hätte erzählen wollen, wie er schon in der Schule gelernt hätte, die Taliban zu verabscheuen und wäre dabei vom vernehmenden Beamten unterbrochen worden. Schon dies stelle einen Verfahrensmangel dar, da die persönliche Entwicklung für das Verständnis seiner späteren politischen Aktivitäten von Bedeutung wäre. Der Beschwerdeführer hätte ausführlich dargelegt, wie er Seminare abgehalten hätte, um über die Taliban und deren Tricks aufzuklären, und wie er Informationen über die Taliban gesammelt hätte, darüber Berichte geschrieben hätte und diese ausgedruckt und verteilt hätte. Der Beschwerdeführer hätte dargelegt, wie er durch diese Tätigkeit den Taliban geschadet hätte, dass seine Seminare und Berichte fielen Menschen die Augen geöffnet hätten. Dadurch wären die Taliban auf ihn aufmerksam geworden. Sie hätten begonnen, ihn über seine Familie unter Druck zu setzen. Die Taliban hätten die Fähigkeit des Beschwerdeführers in Hinsicht der Agitation erkannt und hätten ihn für sich einsetzen wollen.

 

Die belangte Behörde verstünde nicht, dass jemand für seine politische Überzeugung einstehen würde. Der Beschwerdeführer hätte dargelegt, wie er schon von seinem ersten Schultag angelernt hätte, die Taliban zu verabscheuen. Es wäre eine reine Mutmaßung wenn die belangte Behörde den Taliban eine gewisse effiziente bzw. effektive Vorgehensweise zutrauen würde, ohne der verfolgten Person Spielraum zu geben. Die Taliban hätten gehofft, der Beschwerdeführer würde bereit sein, für sie zu arbeiten.

 

Es wäre eine reine Spekulation der Behörde, wenn sie bezweifelt dass die Verlobung drei Jahre gedauert hätte. Die Verlobung hätte solange gedauert, weil der Verlobte Geld für die Hochzeit sparen hätte müssen. Das Zusammentreffen der beiden Bedrohungsszenarien wäre ohne triftigen Grund angezweifelt. Der Tante des Beschwerdeführers wäre Asyl gewährt worden. Der Beschwerdeführer hätte eine politisch-publizistische Tätigkeit ausgeübt und wäre von dem erwähnten General bedroht worden.

 

Weiters führte der Beschwerdeführer an, dass Afghanistan nicht in der Lage wäre, seine Bevölkerung vor Angehörigen der Taliban zu schützen und verwies auf verschiedene internationale Dokumente sowie auf ein Schriftstück der Friederike S. vom März 2018.

 

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.08.2018 in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der er ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat befragt wurde. Auffällig war dabei, dass der Beschwerdeführer auch nach mehreren Hinweisen mit Verallgemeinerungen antwortete.

 

Der Beschwerdeführer reagierte bei der Befragung regelmäßig mit Gegenfragen, tat bei konkreten Fragen über das Erlebte, als ob er diese nicht verstanden hätte und nannte Details entweder sehr zögerlich und nach Gegenfragen oder fließend, wenn er sie bereits vor der Behörde nannte - dies durchaus widerspruchsfrei. Widersprüchliche Angaben machte der Beschwerdeführer zu seiner Tätigkeit im Reisebüro. Sowohl hinsichtlich der Einnahmen, der Investition, der Kreditrückzahlung, der konkreten Buchungsvorgänge, der Partnerschaft mit anderen Reiseanbietern, der vertraglichen Kooperationen, der Geldflüsse bei Flugreisen konnte der Beschwerdeführer kein Bild einer absolvierten Tätigkeit in einem Reisebüro zeichnen. So war der Beschwerdeführer erst nach Vorhalt von einzelnen Beispielen in der Lage auszudrücken, welche Einnahmen oder Ausgaben ein Unternehmen hat. Seine Wichtigkeit für die Taliban stütze der Beschwerdeführer im Zuge der Verhandlung hauptsächlich auf seine gehobene Funktion im Reisebüro. Das in der Beschwerde dargelegte rhetorische Talent, für die Agitationen der Taliban von besonderem Wert zu sein, zeigte sich in der Verhandlung nur insoweit, als der Beschwerdeführer lange reden konnte, ohne dabei die gestellten Fragen zu beantworten.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Person

 

Der männliche, ledige, gesunde, und arbeitsfähige Beschwerdeführer (ohne Obsorgepflichten) wurde spätestens im Jahr XXXX geboren (volljährig bei Einreise in das Bundesgebiet), ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschicken an und bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Richtung. Er hat zwölf Jahre lang die Schule besucht. Er spricht Dari, Paschtu, Urdu, Englisch, Russisch, und nahezu kein Deutsch. Er ist in der afghanischen Gesellschaft aufgewachsen und mit der Kultur und der Sprache vertraut. Zwei Schwestern, zwei Tanten und zwei Onkel des Beschwerdeführers leben in Kabul. Der Beschwerdeführer hat nicht als Journalist gearbeitet und kein Reisebüro besessen. Der Beschwerdeführer hat ein unbezahltes Praktikum bei einer Zeitung absolviert.

 

1.2. Fluchtgründe

 

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, wonach die Taliban und ein General nach seinem Leben trachten würden, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer war nicht imstande, sein Fluchtvorbringen in einem Detailierungsgrad zu schildern welches den Eindruck vermittelt, dass er diese Geschichte selbst erlebt hätte. Der Beschwerdeführer vermittelte keine optischen, akustischen oder gefühlsbezogenen Schilderungen seiner Erlebnisse, die seine Flucht begründet haben sollten. Befragt nach seinem Fluchtvorbringen antwortete der Beschwerdeführer mit Pauschalierungen, Verallgemeinerungen, Verkürzungen und Gegenfragen. Details die für eine tatsächlich erlebte Erinnerung typisch sind brachte der Beschwerdeführer von sich aus nicht vor. Das Vorbringen der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers wirkte einstudiert und affizierte nicht.

 

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht verfolgt wird.

 

Seine vermeintlichen Rechercheergebnisse waren nicht mehr als Allgemeinwissen. Eine exponierte Position durch den Besitz eines Reisebüros hatte der Beschwerdeführer nicht, der genannte General bedrohte den Beschwerdeführer nicht. Die Taliban bedrohten den Beschwerdeführer nicht.

 

1.3. Leben des Beschwerdeführers in Österreich

 

Die Eltern und vier Geschwister des Beschwerdeführers befinden sich in Österreich ohne dauerndes Aufenthaltsrecht. Sie haben ebenfalls eine Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid (zum Teil volljährig und daher anhängig in zwei weiteren Gerichtsabteilungen) eingebracht.

 

Der aufenthaltsrechtliche Status des Beschwerdeführers in Österreich beruhte ausschließlich auf seiner vorläufigen Stellung als Asylwerber. Dieser dauerte bislang weniger als ein Jahr.

 

1.4. mögliche Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

 

In der Heimatstadt des Beschwerdeführers, Kabul, ist die Sicherheitslage derzeit durch vermehrte Angriffe gegen "high profile" Ziele wie Behörden und Sicherheitseinrichtungen zwar beeinträchtigt, aber die Stadt Kabul, ist über den Luftweg sicher erreichbar, dem Beschwerdeführer droht kein unmittelbarer Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Des Weiteren ist die Stadt Kabul unter Kontrolle der afghanischen Regierung. Dennoch finden immer wieder terroristische Anschläge gegen einzelne Ziele, vor allem solche, die mit der Staatsmacht, den internationalen Akteuren oder religiösen Feierlichkeiten oder Zeremonien der Minderheitsreligionen (zB der Schiiten) in Zusammenhang gebracht werden, statt. Die wirtschaftliche Lage ist schwierig; die Gründung einer Existenz ist für alleinstehende, arbeitsfähige, erwachsene männliche Afghanen aber möglich. Der Beschwerdeführer wäre in der Lage, Zugang zu Wohnraum, Lebensmitteln und Gesundheitsversorgung zu erhalten.

 

Dem Beschwerdeführer stehen mehrere verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Kabul zur Verfügung.

 

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018:

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

 

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

 

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

 

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9 .2016)

 

Friedens- und Versöhnungsprozess

 

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

 

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

 

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

 

Sicherheitslage

 

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

 

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

 

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

 

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

 

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

 

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

 

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

 

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

 

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

 

Rechtsschutz / Justizwesen

 

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).

 

as afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).

Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).

 

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5 .2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5 .2018).

 

Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß dem "Survey of the Afghan People" der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, währed 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: "Rechte"-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vgl. USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).

 

Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9 .2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vgl. AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: "wolesi jirga"] verhindert (AB 12.11.2017; vgl. AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die "Afghan Women Judges Association", ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).

 

Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vgl. FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (AB 17.11.2017; vgl. Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert (SIGAR 30.4.2018b).

 

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren (DB 23.3.2010). Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind (GRIPS 1.2010). Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben (USIP 5.2014). Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern (MoI o.D.).

 

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorftältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden (SIGAR 30.4.2018a). Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen (AAN 5.7.2017; vgl. AAN 22.5.2018). Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen (AAN 22.5.2018; vgl. AAN 5.7.2017). Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AAN 31.1.2017).

 

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden (SIGAR 30.4.2018a). Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw. (AAN 5.7.2017).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% (SIGAR 30.4.2018a).

 

Korruption

 

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (AF 2017).

 

Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für amtliche Korruption vor, jedoch setzt die Regierung diese Vorschriften nicht effektiv um. Berichten zufolge gehen Beamte oft ungestraft korrupten Praktiken nach. Korruption ist in der afghanischen Gesellschaft verbreitet und die Geldflüsse des Militärs, der internationalen Geldgeber und des Drogenhandels verschärfen das Problem zusätzlich. Verschiedene Bereiche sind von Korruption betroffen. Zahlreiche staatliche Infrastrukturprojekte der letzten 15 Jahre wurden auf Basis von Günstlingswirtschaft vergeben. Auch im Justizsystem ist Korruption weit verbreitet, insbesondere im Strafrecht und bei der Anordnung von Haftentlassungen. Es wird auch von illegaler Aneignung von Land durch staatliche und private Akteure berichtet (USDOS 20.4.2018).

 

Bestechung bleibt im öffentlichen Sektor weiterhin verbreitet und Schmiergeldzahlungen können direkt oder indirekt von Beamten gefordert oder auch von den Bürgern und Bürgerinnen selbst angeboten werden. Afghanen zahlen in den folgenden Bereichen Bestechungsgelder: Rechtswesen, Arbeitsmarkt, an administrativen Behörden auf Provinz- und Distriktebene, Sicherheitsbehörden (ANA und ANP) sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen (AF 2017). Trotz der Bemühungen der Geldgeber und der afghanischen Regierung Mechanismen zur Förderung von Verantwortlichkeit und Transparenz zu entwickeln, wurde ein erheblicher Teil der Hilfsgelder für Afghanistan durch Korruption und Fehlleitung veruntreut (AAN 17.5.2018).

 

Die afghanische Regierung bekennt sich zur Korruptionsbekämpfung mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft. Am 25. August 2008 ratifizierten die damaligen afghanischen Führungskräfte die United Nations Convention against Corruption (UNCAC). Die 2014 gewählte Einheitsregierung (NUG) ist Teil des Self-Reliance through Mutual Accountability Framework (SMAF), einem Abkommen zwischen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft u. a. zur Bekämpfung von Korruption (UNAMA 4.2017; vgl. UNAMA 5.2018, USDOS 3.1.2017). Im Jahr 2017 und Anfang 2018 war die Korruptionsbekämpfung weiterhin ein prioritäres Anliegen der afghanischen Machtträger. Wichtige Entwicklungen sind unter anderem die Annahme der Government's Anti-Corruption Strategy am 28. September 2017, die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs jeweils am 4. März 2017 und am 14. Februar 2018, die Erweiterung der Tätigkeiten des High Council on Rule of Law and Anti-Corruption, die Genehmigung des reformierten Haushaltsplans usw. (UNAMA 5.2018). Mit Stand April 2017 gab es in Afghanistan insgesamt 18 Korruptionsbekämpfungsbehörden wie das High Office of Oversight and Anti-Corruption (HOOAC), das High Council on Rule of Law and Anti-Corruption usw. (UNAMA 4.2017).

 

Im Juni 2016 unterzeichnete Präsident Ashraf Ghani ein Dekret zur Einrichtung des Anti-Corruption Justice Center (ACJC), einer unabhängigen Korruptionsbekämpfungsbehörde, die für die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene zuständig ist (USDOS 20.4.2018). Seit der Eröffnung des ACJC im August 2016 verhandelte dieses 21 Fälle gegen 83 Angeklagte und verhängte annähernd 47 Mrd. USD in Form von Geldstrafen, Geldeinziehungen und Beschlagnahmungen sowie lange Gefängnisstrafen für die Verurteilten. Elf Angeklagte wurden freigesprochen. Beobachtern zufolge waren die Verfahren ordnungsgemäß, fair, systematisch und professionell (USDOS 20.4.2018).

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5 .2018).

 

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.2.2018).

 

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5 .2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5 .2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.4.2018).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in Artikel 34 der afghanischen Verfassung verankert (MPI 27.1.2004; vgl. USDOS 20.4.2018). Afghanistan steht auf dem World Press Freedom Index auf Platz 118 von 180. Im Vergleich zum Jahr 2017 stieg das Land um zwei Plätze (RSF o.D.).

 

Afghanistan hat einen lebhaften Mediensektor mit zahlreichen Druckmedien sowie Radio- und Fernsehkanälen, die insgesamt ein großes Spektrum an Meinungen, in der Regel unzensuriert, darstellen.

In Afghanistan sind verschiedene Medienanbieter aktiv: Es existieren unabhängige, privatwirtschaftliche Unternehmen sowie ein staatlicher Rundfunk und Medien-Sender, die spezifische politische Interessen vertreten (FH 11.4.2018). Wegen der hohen Analphabetismusrate bevorzugen zahlreiche Bürger das Radio und das Fernsehen gegenüber Druckmedien. Ein bedeutender Anteil der Bevölkerung, auch in abgelegenen Provinzen, hat Zugang zum Radio (USDOS 20.4.2018). In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als

Vorzeigesektor: differenziert, unabhängig, im Wachstums- und Professionalisierungsprozess begriffen und durch ein vergleichsweise liberales rechtliches Rahmenwerk gestützt. Während der Boomjahre 2007-2012 sind mehr Medien entstanden als der afghanische Markt erhalten kann, es gibt allein 75 TV- und über 200 Radio-Sender. Nur die größten Sender und die Kanäle lokaler Mäzene können dem wirtschaftlichen Druck standhalten. Sicherheitserwägungen, religiöse Forderungen usw. schränken die Medienfreiheit ein. Zugleich übernehmen afghanische Medienvertreter zunehmend politische Verantwortung und gehen bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern (AA 5 .2018). Einer Quelle zufolge gilt der Journalismus- und Mediensektor Afghanistans trotz der zahlreichen Risiken und Herausforderungen der afghanischen Medien in den letzten 17 Jahren als Erfolgsgeschichte (Khaama Press 26.5.2018). Dennoch gibt es Befürchtungen, dass Gewalt und Unsicherheit die Unabhängigkeit und Sicherheit der Medien gefährden könnten (USDOS 20.4.2018).

 

Berichten zufolge versuchen staatliche Behörden durch Druck, Verordnungen und Drohungen Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die regelmäßige Kritik an der Zentralregierung verläuft allgemein frei von Einschränkungen, während Beanstandungen an der Provinzregierung in Gebieten, wo lokale Beamte und Machtträger erheblichen Einfluss und Autorität haben, stärker eingeschränkt werden. Diese Einschüchterungen betreffen sowohl Privatpersonen als auch Journalisten. Bestimmte politische und ethnische Gruppierungen, inklusive derjenigen, die von ehemaligen Mujahedin-Anführern geleitet werden, besitzen zahlreiche Mediensender und kontrollieren die Inhalte auf Provinzebene. Auch sind Berichten zufolge lokale staatliche Behörden beim Zugang zu Information weniger kooperativ. In einigen Provinzen ist die Medienpräsenz eingeschränkt. Das Massenmediengesetz und das Strafgesetzbuch sehen Gefängnis- und Geldstrafen für Verleumdung vor. Manchmal benutzen staatliche Behörden das Diffamierungsverbot als Vorwand, um Kritik an Regierungsbeamten zu unterdrücken. Während einer Rede am 30.4.2017, nach seiner Rückkehr ins Land, bezeichnete Gulbuddin Hekmatyar (der Gründer der Hezb-e-Islami-Partei, Anm.) die öffentlichen Medien als "böse" und forderte deren Zensur durch seine Anhänger. Proteste waren die Folge (USDOS 20.4.2018).

 

Journalisten haben ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, auch in den Fällen, wo sie kein konkretes Ziel sind. In abgelegenen Gebieten tätige Mediengesellschaften und Journalisten sind wegen der zunehmenden Unsicherheit und der Bedrohung durch Aufständische, Warlords und Mitglieder krimineller Organisationen noch gefährdeter. Einige Reporter vermeiden es, den Aufstand und bestimmte Nachbarländer in ihrer Berichterstattung zu kritisieren, aus Angst vor einer Vergeltung durch die Taliban. In unsicheren Gegenden nötigen aufständische Gruppierungen Mediengesellschaften zu Beschränkungen bei der Ausstrahlung von Ankündigungen der Sicherheitskräfte, Unterhaltungsprogrammen, Musik und von Aussagen von Frauen (USDOS 20.4.2018).

 

Journalisten beklagen eine wachsende Kontrolle der Berichterstattung durch den Staat sowie Einflussnahme und Drohungen durch Parlamentarier, Ministerien, Sicherheitsorgane und lokale Machthaber. Berichten zufolge haben in einigen afghanischen Provinzen, darunter Kunar, Faryab und Herat, staatliche Organe versucht, die Berichterstattung zu beeinflussen (Nai 1.2018). Zum ersten Mal wurden dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) von der afghanischen Organisation zur Unterstützung der Medien (Nai) 190 Fälle von Gewalt gegen Journalisten gemeldet, die zwischen 2001 und 2017 von terroristischen Gruppierungen begangen worden sind (Nai 1.2018; vgl. Reuters 8.2.2018). Das Afghan Journalists Safety Committee (AJSC) berichtet im zweiten Halbjahr 2017 von einer Zunahme der Gewalt gegenüber Journalisten und Medienmitarbeitern um 67% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Von Juli bis Dezember 2017 waren 51% der Gewaltvorfälle gegenüber Journalisten und Medienmitarbeitern von terroristischen Gruppierungen ausgegangen, 34% von Regierungsmitarbeitern. Terroristische Organisationen wie der IS und die Taliban waren für alle Morde an Journalisten verantwortlich: Der IS tötete 18 Journalisten, während die Taliban für den Tod von zwei Medienmitarbeitern verantwortlich waren. Die meisten Gewaltvorfälle fanden in den zentralen Provinzen und Kabul (93 Vorfälle) statt, gefolgt von den östlichen (22 Vorfälle) und nordöstlichen Provinzen (16 Vorfälle). Die Region mit der niedrigsten Anzahl an gemeldeten Vorfällen war der Südosten (3 Vorfälle) (AJSC 11.1.2018).

 

Im August 2016 hat das Office of the National Security Council (NSC) eine neue Reihe von Richtlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Journalisten verabschiedet. Dadurch wurden eine gemeinsame nationale Kommission in Kabul, separate Ausschüsse in den Provinzhauptstädten, ein Koordinationszentrum zur Untersuchung und Identifizierung von Gewalttaten gegen Journalisten und ein Unterstützungskomitee des NSC zur Feststellung von Drohungen gegen Journalisten eingerichtet. Berichten zufolge steigert das Komitee, trotz einiger Treffen und der Weiterleitung von Fällen an den Generalstaatsanwalt, den Schutz von Journalisten nicht (USDOS 20.4.2018). Im August 2017 erließ Präsident Ashraf Ghani eine Präsidialverordnung, die Medienunternehmen mit Ausnahme von Fernsehsendern von der Zahlung von Geldbußen für überfällige Einkommenssteuern befreite. Das Dekret kam, nachdem die Woche zuvor Kritik laut geworden war, dass die erhöhten Steuern und Geldstrafen zahlreiche unabhängige Medienanbieter belasten würden (USDOS 20.4.2018; vgl Pajhwok 29.8.2017).

 

Tadschiken

 

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).

 

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 20.4.2018; vgl. MPI 27.1.2004).

 

In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Gesellschaftliche Sitten schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein (USDOS 20.4.2018).

 

Meldewesen

 

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).

 

Das afghanische Bevölkerungsgesetz von 2014 beinhaltet u. a. Regelungen zur Bürgerregistrierung. Gemäß Artikel 9 des Gesetzes sollen nationale Personalausweise [Anm.: auch Tazkira genannt. Eine Tazkira gilt sowohl als Personenstandsregisterauszug als auch als Personalausweis] zum Zwecke des Identitätsnachweises und der Bevölkerungsregistrierung ausgestellt werden (NLB/NA 2014). Das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist jedoch kaum entwickelt. Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Er gilt sowohl als Nachweis für die Staatsangehörigkeit, sowie als Geburtsurkunde. In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch am jeweiligen Geburtsort, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden (AA 5 .2018). Allein die Auslandsvertretungen im Iran haben Ausnahmeregeln und können eine Tazkira vor Ort ausstellen. Es gibt Pläne dafür, dieselben Befugnisse auch afghanischen Auslandsvertretungen in Pakistan zu erteilen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018). In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan (AA 5 .2018). Einer Quelle zufolge können Frauen Tazkiras und Pässe für sich und ihre Kinder ohne die Anwesenheit eines männlichen Zeugen beantragen (vertrauliche Quelle 9.5.2018).

 

Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten werden häufig lediglich in Form von "Alter im Jahr der Beantragung", z. B. "17 Jahre im Jahr 20xx" erfasst, genauere Geburtsdaten werden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt (AA 5 .2018). Insgesamt sind in Afghanistan im Moment sechs Tazkira-Varianten im Umlauf (AAN 22.2.2018). Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Es sind Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und ggf. aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Ein derart ausgestellter Reisepass stellt daher im Gegensatz zur Tazkira nur bedingt einen Nachweis der Staatsangehörigkeit dar (AA 5 .2018). Nicht jeder afghanische Bürger besitzt eine Tazkira (AAN 27.5.2018).

 

Über die Einführung von elektronischen Personalausweisen, auch e-Tazkiras genannt, wurde lange Zeit diskutiert. Am 15.2.2018 beantragten Präsident Ghani, seine Ehefrau, Vizepräsident Muhammad Sarwar Danesh und weitere 200 Familien in Afghanistan die ersten elektronischen Personalausweise (AAN 22.2.2018).

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs) (UN GASC 27.2.2018). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen (IOM/DTM 26.3.2018).

 

Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).

 

Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya (IOM 8.5.2018; vgl. IOM/DTM 26.3.2018). Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (USAID 30.4.2018).

 

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 20.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (UN OCHA 12.2017).

 

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 5 .2018).

 

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden (USDOS 20.4.2018).

 

Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw. (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018, UN OCHA 21.1.2018).

 

Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).

 

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).

 

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

 

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

 

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

 

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

 

Projekte der afghanischen Regierung

 

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.

a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).

 

Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Medizinische Versorgung

 

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).

 

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

 

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

 

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).

 

Rückkehr

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

 

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Afghanische Flüchtlinge in Pakistan

 

Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeit der PoR-Cards (Proof of Registration Cards) für die 1.4 Millionen afghanische Flüchtlinge im Land bis 30.6.2018 verlängert - vorbehaltlich der Prüfung nach den bevorstehenden Bundeswahlen in Pakistan und der Ernennung des neuen Kabinetts. Zusätzlich hat NADRA (National Database and Registration Authority) damit begonnen, die sogenannte Afghan Citizen Card (ACC) an 878.000 nicht registrierte Afghanen zu verteilen, die sich seit 16.8.2017 in 21 Registrierungszentren in Pakistan haben registrieren lassen; bis 28.2.2018 wurden der Registrierungsprozess für die ACC abgeschlossen, die Zentren bleiben nach wie vor offen, um die Karten zu verteilen. Die Karten sind bis 30.6.2018 gültig; deren Besitzer sind verpflichtet bis dahin nach Afghanistan zurückzukehren, um Dokumente zu beantragen (einen afghanischen Pass und ein Visum für Pakistan) bevor sie nach Pakistan zurückkehren. Die restlichen rund 200.000 nicht-registrierten Afghan/innen könnten möglicherweise einer Deportation ausgesetzt sein. Bis 12.3.2018 erhielten 175.321 ihre ACC (IOM 20.3.2018).

 

1.2.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:

 

"[...] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:

 

(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und

 

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

 

[...] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [...] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [...] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [...] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.

 

[...]

 

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

 

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [...]"

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen sind eine Widergabe bzw. Zusammenfassung der bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die insofern in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Das genaue Geburtsdatum konnte nicht festgestellt werden. Insoweit dient das oben angeführte Datum lediglich der Identifikation.

 

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln, weil diese im gesamten Verfahren gleich geblieben sind und mit den Länderberichten zu Afghanistan im Einklang stehen.

 

Die Feststellungen zum Namen und der Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde, vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die vom Beschwerdeführer hierzu getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer kein Reisebüro besessen hat gründet sich auf die zahlreichen Widersprüche in die sich der Beschwerdeführer diesbezüglich verwickelt hat. So war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, die Einnahmen und Ausgaben seiner vermeintlichen unternehmerischen Tätigkeit aufzugliedern, den Buchungsvorgang zu beschreiben, die Zahlungsprozesse von Reisen darzulegen oder die lediglich Auszüge der täglichen Arbeit zu beschreiben.

 

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

 

Wie auch bereits das BFA in seiner Beweiswürdigung zutreffend ausgeführt hat, konnte der Beschwerdeführer während des gesamten Asylverfahrens nicht den Eindruck erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen.

 

Völlig unplausibel und konstruiert stellte sich dar, dass der Beschwerdeführer in exponierter, leitender Funktion in einem Reisebüro gewesen wäre und dadurch für die Taliban eine wichtige Rolle spielen hätte sollen. Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich seine "Recherchen" über die Taliban - in Wahrheit bloß Gespräche mit Freunden über Gerüchte - auf Flugblättern verteilt hätte und so mutig bzw. unvorsichtig gewesen wäre, seinen Namen auf ein Pamphlet gegen die Taliban zu schreiben, wäre es unter Berücksichtigung der Gewaltbereitschaft der Taliban hinsichtlich derer Feinde undenkbar, dass er wiederholt schriftlich und mündlich öffentlich und direkt auf seiner Ablehnung gegenüber den Taliban beharrt, die Taliban aber nur mit Überredungsversuchen, Drohungen und einem leichten Messerstich am Handgelenk reagiert hätten.

 

Auch mit dem zweiten Strang des Fluchtvorbringens hinsichtlich eines mächtigen Polizeigenerals, der eine Tante des Beschwerdeführers ehelichen hätte wollen vermochte es der Beschwerdeführer nicht in concreto eine Bedrohung für seine körperliche Unversehrtheit darzustellen. Selbst nach Aussagen des Beschwerdeführers wäre er selbst nicht direkt bedroht worden. Auch unter Berücksichtigung der traditionellen afghanischen Prinzipien, die dem Beschwerdeführer vorgehalten wurden, wonach für Ehrverletzungen ein vermeintlich adäquater Ausgleich "badal" zu schaffen wäre, wird es für unrealistisch gehalten, dass der männliche Beschwerdeführer von einem mächtigen Polizeigeneral bedroht werden würde, weil er seinem Vater dabei geholfen hätte, der Tante bei der Flucht zu helfen.

 

Körpersprachlich untermalte Gefühlsregungen, zeigte der Beschwerdeführer lediglich bei den Schilderungen über das Verteilen der Schulbücher und die angespannte Sicherheitslage in Kabul. Bei Fragen zum Fluchtvorbringen wie z.B. über Details zu den vermeintlichen Vorfällen mit den Taliban wich der Beschwerdeführer aus, reagierte wiederholt mit Verallgemeinerungen und blieb hinsichtlich Wortwahl und Detaillierungsgrad strikt bei den bisher getroffenen Aussagen. Themen die der Beschwerdeführer bereits vor der Behörde vorbrachte beantwortete er ohne zu zögern, Fragen die er beantworten können müsste, wenn er die Situation tatsächlich erlebt hätte (z.B. über die Reparatur der Einrichtung und über zerrissene Bücher, die Beschaffenheit der Straße auf der er gefahren ist) wich der Beschwerdeführer wiederholt aus.

 

Insoweit der Beschwerdeführer eine Anzeigebestätigung, eine Zeugenaussage über die Begehrlichkeiten des Generals und einen Arbeitsvertrag vorlegte, kann daraus nicht geschlossen werden, dass er bedroht worden wäre.

 

2.3. Zu den Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Diese ergeben sich aus dem Akt und den Aussagen des Beschwerdeführers und dessen Vertreter.

 

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan und zur Situation im Fall einer Rückkehr:

 

Auch wenn der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, die Situation in Kabul wäre sehr unsicher, so ist dennoch davon auszugehen, dass Schwierigkeiten bei der Ansiedelung in Kabul zwar unstrittig, jedoch nicht dergestalt sind, dass das Überleben des gesunden arbeitsfähigen Beschwerdeführers ernstlich bedroht wäre. Dieser vom Beschwerdeführer zitierte Bericht geht davon aus, dass soziale und infrastrukturelle Versorgungsleistungen ausreichend vorhanden sein müssten, ohne die notwendige Menge des Vorhandenseins näher zu spezifizieren. Nicht berücksichtigt wird in den Stellungnahmen der Vertreter des Beschwerdeführers, dass sich der Beschwerdeführer und andere Rückkehrer am erforderlichen und möglichen Wiederaufbau seiner Heimat beteiligen können - sowohl bezüglich der Infrastruktur als auch bezüglich der Wohn- und Ernährungssituation. Die Tatsache, dass ein großer Teil der Bevölkerung Kabuls in Behausungen mit mangelhaften Türen und Dächern lebt und der Beschwerdeführer keine eigene Wohnung für sich alleine wird leisten können begründet keine ernstliche Bedrohung für das Leben und die Gesundheit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer konnte keine Zweifel an der festgestellten staatlichen allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung in Afghanistan und an der gewährleisteten Rückkehrhilfe hervorrufen.

 

Diese Aussagen gründen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt, welches mit dem Vertreter des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Lebenserhaltungskosten und der allgemeinen Sicherheitslage in Kabul erörtert wurde.

 

Der oben angeführte Sachverhalt konnte festgestellt werden obwohl sich das Bundesamt nicht im mündlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beteiligt hat.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036). Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative - nicht notwendigerweise auf Konventionsgründen beruhende - Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt voraus, dass nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Betroffenen in dem in Frage kommenden Gebiet getroffen werden (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

 

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt.

 

Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer keine persönliche Verfolgungshandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund glaubhaft gemacht hat. Es ist zu beachten, dass die Glaubhaftigkeit des Vorbringens eine zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien zwar besondere Beachtung zu schenken, ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5, m.w.N.). In diesem Zusammenhang konnte der Beschwerdeführer im Rahmen der Befragung vor dem BFA sowie in der Beschwerdeverhandlung keine konkrete Bedrohung oder Verfolgung aufzeigen (siehe oben Beweiswürdigung). Eine denkbare Verfolgung ist nicht ausreichend. Vielmehr ist zu beachten, dass eine Verfolgungsgefahr erst dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0185 m.w.N.).

 

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, U1500/11-6 u.v.a.)

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den BF eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414). Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

 

Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg.cit. offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 leg.cit. oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 leg.cit. abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Betroffenen in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat des Betroffenen mit sich bringen würde.

 

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Riskio iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Nr. 25904/07, NA/Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (EGMR 28.11.2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, RNr. 217). In diesem Zusammenhang fasst Thurin, in: Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung (2012), 203 die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

 

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ). Er umfasst eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji, und 30.01.2014, C-285/12 , Diakite).

 

Zusammenfassend: Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).

 

Für die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK setzt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung voraus. In diesem Zusammenhang sind konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063, mwN).

 

Grundsätzlich liegt die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser (EGMR 23.08.2016, Nr. 59166/12, J.K. u. a./Schweden, RNr. 91 und 96, VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-7). In diesem Zusammenhang sind aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert ist, in Betracht zu ziehen. Bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von anderen Personen im Herkunftsstaat unterscheidet (vgl. RNr. 94), ist im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden (a.a.O., RNr. 97).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

 

Der Beschwerdeführer konnte keine ihn individuell treffenden Bedrohungen glaubhaft machen. Es muss aufgrund der dargestellten Ergebnisse des Verfahrens davon ausgegangen werden, dass er im Falle seiner Rückkehr keiner "realen Gefahr" iSd Art 2 oder Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, die subsidiären Schutz notwendig machen würde.

 

Es sind auch unabhängig davon keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm. § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens.

 

Nach Ansicht des EGMR ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR 09.04.2013, Nr. 70073/10 und 44539/11 H. und B./Vereinigtes Königreich, sowie zuletzt die Urteile vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande:

S.D.M., Nr. 8161/07; A.G.R., Nr. 13442/08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856/07). Die allgemeine Situation in Afghanistan steht daher als solche einer Rückführung des BF im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht entgegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mwN).

 

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Kabul, in der er auch aufgewachsen ist.

 

Insgesamt ist die Sicherheitslage in Kabul ausreichend sicher zu bewerten. Es bestehen Unterstützungsmöglichkeiten, durch internationale und afghanische Organisationen, die der Beschwerdeführer in Anspruch nehmen kann.

 

Es wird seitens des erkennenden Gerichtes im Hinblick auf die oben dargestellten Länderfeststellungen und das sonstige dem Bundesverwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt bekannte Berichtsmaterial zur Gefährdungslage in der Stadt Kabul zwar keineswegs verkannt, dass die Sicherheitslage (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist und sich langfristig betrachtet sogar verschlechtert hat. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung nach wie vor die Kontrolle über die Stadt Kabul und größere Transitrouten innehat, zudem ist die Stadt Kabul auf Grund des vorhandenen Flughafens über den Luftweg sicher erreichbar. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in der Stadt Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist anzuführen, dass die Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass eine Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat (bzw. ein bestimmtes Gebiet innerhalb eines Staates) automatisch eine Verletzung des Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich in der Regel gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage im gesamten Gebiet der Stadt Kabul insgesamt als nicht ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre oder sonstige Bindung, Fachausbildung und Geldmittel in der Stadt Kabul ansiedeln, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden.

 

Zudem ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, in der das Höchstgericht Folgendes festhielt (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063):

 

"Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach es sich bei dem Mitbeteiligten um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, lässt das angefochtene Erkenntnis auch eine ausreichende Beschäftigung mit dem der innerstaatlichen Fluchtalternative innewohnenden Zumutbarkeitskalkül vermissen, welches nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Mitbeteiligten in Kabul erfordert hätte (vgl. das ebenfalls zu Kabul ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2016, Ra 2015/20/0233). Dass der Mitbeteiligte in diesem Zusammenhang bisher keine Berufserfahrung habe und nicht über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfüge, reicht am Boden der bisherigen Feststellungen zur Situation in Kabul für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; siehe dazu auch VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016)."

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen und gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter, der eine schulische und universitäre Ausbildung genossen hat. Er hat mehrere Monate lang in einem Ausbildungsverhältnis gearbeitet. Beim Beschwerdeführer kann daher die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und kinderlos, weshalb er bei einer Rückkehr nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen müsste. Eine besondere Vulnerabilität besteht im Falle des volljährigen Beschwerdeführers nicht.

 

Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in der Stadt Kabul das Auslangen finden, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

 

Weiters ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, der bis zu seiner Ausreise in seiner Herkunftsprovinz gelebt hat, mit den kulturellen Gepflogenheiten sowie der in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut ist. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung.

 

Im Ergebnis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwar nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der o.a. Länderberichte und seiner persönlichen Situation bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine wirtschaftlich sehr schwierige Situation geraten würde. Auf Grund der oben dargestellten, einheitlichen Judikatur der Höchstgerichte ist jedoch aktuell die Annahme zu treffen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in der Stadt Kabul nicht real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden, und ihm eine Ansiedlung dort auch zumutbar wäre.

 

Im Ergebnis ist die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.3. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III.-VI. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Dezember 2017 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt. Um über diese Aufenthaltstitel abschließend entscheiden zu können, hat daher eine Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung vorauszugehen (VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043).

 

Die Aufenthaltsdauer stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0070, mwN). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH vom 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Eine Aufenthaltsdauer von drei Jahren ist noch nicht so lange, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte. Der Beschwerdeführer lebt seit Dezember 2017 in Österreich. Im Hinblick auf die Zeitspanne seines Aufenthaltes, kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale - wie etwa Unbescholtenheit, ein Bekanntenkreis im Bundesgebiet usw. - eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (vgl. dazu im Erkenntnis des VwGH vom 26.04.2010, Zl. 2006/01/0354 zitierte Rechtsprechung des EGMR; 19.03.2013, 2012/21/0178). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen, wie z.B. zwischen Eltern und erwachsenen Kindern, zwischen Geschwistern, zwischen Onkel/Tanten und Neffen/Nichten, usw., fallen jedoch nur dann unter den Schutz des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. zuletzt VwGH vom 02.08.2016; Ra 2016/20/0152).

 

Den vorliegenden Bindungen kommt nur geringes Gewicht zu, weil der erwachsene Beschwerdeführer nicht aufgrund besonderer Umstände auf die Unterstützung und Hilfe seiner Angehörigen in Österreich angewiesen ist (vgl. EGMR 17.04.2003, Fall Yilmaz, 52853/99).

 

Unter Privatleben sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (EGMR U 23.06.2008 (GK), Maslov vs. Österreich, 1638/03, Rz 63). Eine den Schutz auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Asylwerber in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzusetzen ist. Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Herkunftsland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein. Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in:

Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52). In der Folge werden integrationsrelevante Aspekte des Privatlebens des Beschwerdeführers näher untersucht:

 

Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse ist der Beschwerdeführer in der Lage in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf zu kommunizieren.

 

Da der Beschwerdeführer keine Arbeitserlaubnis erlangte, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Der BF hat vereinzelt gemeinnützige Aufgaben übernommen.

 

In diesem Zusammenhang bringt der VwGH in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie eine etwaige Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 22.02.2011/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/016; 29.06.2010, 2010/18/0195, mwN). Dabei kommt es nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob dem Betroffenen ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob sie ihm gelungen ist oder nicht (VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Im Ergebnis ist dem Beschwerdeführer die wirtschaftliche Integration nicht gelungen.

 

Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer kein Mitglied von Vereinen und politischen Parteien.

 

Insgesamt ist die Integration des Beschwerdeführers in Österreich nach Ansicht des BVwG nur sehr schwach ausgeprägt. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über Bindungen zum Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer wurde dort geboren, verbrachte dort den überwiegenden Teil seines Lebens und wurde dort umfassend sozialisiert.

 

Daher ist der Beschwerdeführer mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut.

 

Der Beschwerdeführer erhält in Österreich keine medizinische Behandlung, welche er in seinem Herkunftsland nicht bekommen würde (siehe dazu VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/180146 bis 0152; VfGH 21.09.2015, E 332/2015).

 

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine ausschlaggebende Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich.

 

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ist hinsichtlich der vorliegenden integrationsbegründenden Umständen zu beachten, dass sie gemindert werden, wenn sie zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste und somit nicht damit rechnen durfte, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (zuletzt VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070, mwN). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber ermöglicht wurde.

 

Die Dauer des vorliegenden Verfahrens übersteigt nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist.

 

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen in den Hintergrund treten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN). Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Im Ergebnis kann daher eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden.

 

Insgesamt liegen die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Wie bereits oben ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht festgestellt werden konnten, ist die Frist durch das BFA zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen war dem BF nicht zu erteilen. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung aus den in § 57 AsylG 2005 angeführten Gründen hätten schließen lassen. Ferner sind auch keine Umstände bekannt, welchen zufolge gegenständlich von einem Anwendungsfall des § 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 gesprochen werden könnte.

 

Daher war die Beschwerde auch gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10, 55 und 57 AsylG 2005 sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Die Schilderungen des Beschwerdeführers waren derart denkunmöglich, dass die Zweifel der belangten Behörde an der Glaubwürdigkeit völlig zurecht aufgebracht wurden. Zur fraglichen Situation in Kabul ist es hinreichend festgestellt, dass dem arbeitsfähigen Beschwerdeführer wohnen und Ernährung sowie Gesundheitsversorgung zugänglich ist. Zum verneinten Schutz des Privat- und Familienlebens war insbesondere die kurze Dauer des Aufenthaltes von weniger als einem Jahr ausschlaggebend.

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