VwGH Ra 2015/20/0030

VwGHRa 2015/20/003020.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des A K R in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2014, Zl. W102 1434735- 1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, zu Recht erkannt:

Normen

32011L0095 Status-RL Art9 Abs3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
32011L0095 Status-RL Art9 Abs3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich seines Spruchpunktes A I. (Verweigerung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste am 30. Oktober 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er eine außereheliche Beziehung mit einem Mädchen gehabt habe, dessen Familie ihn nun verfolge und deren Mitglieder ihn bereits verletzt hätten.

1.2. Mit Bescheid vom 10. April 2013 wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und sprach gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt führte begründend im Wesentlichen aus, die vom Revisionswerber angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatstaats seien nicht glaubhaft. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber in Afghanistan Verfolgungshandlungen seitens der Familie seiner "Freundin Zahra" ausgesetzt gewesen sei bzw. solche für die Zukunft zu befürchten hätte. Der Revisionswerber habe kein nachvollziehbares, gehaltvolles und glaubhaftes Fluchtvorbringen darlegen können. Insbesondere aufgrund seiner widersprüchlichen und teils nicht plausiblen und nicht nachvollziehbaren Ausführungen sei der Revisionswerber nicht glaubwürdig und es scheine seine Fluchtgeschichte vielmehr ein ausgedachtes Konstrukt zu sein.

Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber, der aus Pol-e Khomri (Provinz Baghlan) stamme, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Afghanistan eine solch extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass dem Revisionswerber im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, sodass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden würde. Der Revisionswerber verfüge in Afghanistan jedenfalls über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte, fände bei seiner Rückkehr Unterstützungsmöglichkeiten vor und sei darüber hinaus ein junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Selbst wenn den Angaben des Revisionswerbers zu den individuellen Fluchtgründen gefolgt werden würde, ergebe sich letztlich, dass der Revisionswerber außerhalb seines Herkunftsorts in Afghanistan eine innerstaatliche Fluchtalternative habe und es wäre ihm allenfalls auch die Niederlassung in einer anderen Region in Afghanistan, wie z.B. in der Stadt Kabul, zumutbar.

Des Weiteren wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

1.3. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof, in der er auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. Er machte in der Beschwerde unter anderem - soweit hier relevant - geltend, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft durchgeführt worden, weil die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen unvollständig und teilweise unrichtig seien. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über Afghanistan beinhalten, die Behörde habe es aber unterlassen, sich näher mit der Verfolgung aufgrund vorehelichen Geschlechtsverkehrs auseinanderzusetzen. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte würden deutlich zeigen, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr in Afghanistan nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer "tödlich ende", weil die Familie der "entehrten" Frauen für die Wiederherstellung der verlorenen Familienehre ihr gesamtes "ethnisches Netzwerk", welches sich über das gesamte Staatsgebiet erstrecke, benützen würden. Vor- bzw. außerehelicher Geschlechtsverkehr würde als "Zina" betrachtet und von der Scharia, traditionellem Recht und afghanischem Recht als schwere Straftat eingestuft. Sowohl Frauen als auch Männer würden wegen Zina verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Der Revisionswerber könne keine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen, weil er in die Provinz Baghlan nicht zurückkehren könne und ihn die Familie seiner Freundin in Kabul jedenfalls finden würde.

1.4. Das beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren wurde ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt (§ 75 Abs. 19 AsylG 2005).

1.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich Spruchpunkt I. des verwaltungsbehördlichen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt A I. des angefochtenen Erkenntnisses). Mit Spruchpunkt A II. der Entscheidung wurde dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und mit Spruchpunkt A III. wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19. Dezember 2015 erteilt. In Erledigung der Beschwerde wurde Spruchpunkt III. des verwaltungsbehördlichen Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben (Spruchpunkt A IV. des angefochtenen Erkenntnisses). Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen (Spruchpunkt B).

Dazu stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, der Revisionswerber sei Staatsangehöriger von Afghanistan, volljährig und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er stamme aus der Provinz Baghlan und sei gesund und erwerbsfähig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber Afghanistan aufgrund einer asylrelevanten Verfolgung verlassen habe bzw. in Afghanistan eine Verfolgung der Volksgruppe der Tadschiken "in besonderem Maße" gegeben sei. Im Zusammenhang mit der Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie der Versorgungslage und der Tatsache, dass die Möglichkeit familiärer oder sonstiger relevanter Unterstützung in Kabul, Mazar-e-Sharif oder sonst einer größeren Stadt nicht nachgewiesen worden sei, könne der Revisionswerber nicht nach Afghanistan zurückkehren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht offen.

In seinen beweiswürdigenden Überlegungen folgte das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach zwischen ihm und dem Mädchen aus seinem Herkunftsort eine Beziehung vorgelegen sei. Unter "Wahrunterstellung" ging das Bundesverwaltungsgericht jedoch davon aus, dass das Vorbringen zu den aus dieser Beziehung resultierenden Fluchtgründen des Revisionswerbers rund um die behauptete Verfolgung durch Verwandte des Mädchens dahingestellt bleiben könnte, weil man auch dann, wenn man diese Angaben des Revisionswerbers den Feststellungen zugrunde legte, in rechtlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis gelangte.

In seiner rechtlichen Beurteilung kommt das Bundesverwaltungsgericht sodann zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung und einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) taxativ aufgezählten Gründe nicht bestehe. Möge es auch in Afghanistan zu Problemen im Zusammenhang mit Beziehungen zwischen Männern und Frauen mit Gewaltanwendung kommen, so treffe den Revisionswerber diese Gefahr jedenfalls nicht aufgrund eines besonderen Merkmals oder einer besonderen Eigenschaft. Die Gefahr, wegen Beziehungen verletzt oder gar getötet zu werden, bestehe vielmehr potentiell für alle Menschen; eine Verfolgung aus rein kriminellen Motiven bedeute für den Revisionswerber per se keine Verfolgung iSd GFK. Somit komme auch bei Annahme der Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Rückkehrbefürchtung des Revisionswerbers eine Gewährung von Asyl gemäß der GFK nicht in Betracht.

Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG führte das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen worden sei und Rechtsprechung auch nicht fehle.

1.6. Gegen diese Entscheidung, soweit sie die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten betrifft, richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision des Revisionswerbers.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

2.1. Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision u. a. geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe zwar das Vorliegen einer außerehelichen Beziehung zwischen ihm und einem Mädchen festgestellt, eine Verfolgung iSd GFK allerdings verneint. Damit übersehe das Bundesverwaltungsgericht aber die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Verletzung religiöser Werte in muslimischen Staaten unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung zu prüfen sei. Aufgrund dieser unrichtigen Rechtsansicht habe es das Bundesverwaltungsgericht auch unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob in Afghanistan der Staat selbst die außereheliche Beziehung und damit einen Verstoß gegen die religiösen Werte unter Strafe stelle bzw. ob von den Taliban aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung eine Gefährdung ausgehe. Es habe damit den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und festgestellt.

2.2. Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

2.3. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht."

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung

der Flüchtlinge (GFK) lautet (auszugsweise):

"Artikel 1

Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'

A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer (...)

2. sich (...) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; (...)"

2.4. Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung das Vorbringen des Revisionswerbers in Bezug auf seine behauptete außereheliche Beziehung zu einem Mädchen zu Grunde und ließ dahingestellt, ob die darüber hinaus behaupteten Verfolgungshandlungen durch Familienangehörige des Mädchens tatsächlich stattgefunden haben. Es ging in rechtlicher Hinsicht nämlich davon aus, dass auch bei Zugrundelegung der Verfolgungsbehauptungen ein Zusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung und einem der in der GFK taxativ angeführten Verfolgungsgründe zu verneinen sei. Die Annahme einer "sozialen Gruppe", welcher der Revisionswerber als verfolgte Person angehören könnte, scheide aus, weil es zwar im Herkunftsstaat zu Problemen im Zusammenhang mit Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu Gewaltanwendung komme, diese Gefahr den Revisionswerber aber jedenfalls nicht aufgrund eines besonderen Merkmals oder einer besonderen Eigenschaft treffe. Eine Verfolgung aus rein kriminellen Motiven bedeute für den Revisionswerber aber per se keine Verfolgung iSd GFK.

Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dem vom Revisionswerber behaupteten Sachverhalt komme auch bei hypothetischer Richtigkeit seines Vorbringens ("Wahrunterstellung") keine Asylrelevanz zu, kann jedoch nicht geteilt werden:

Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. etwa VwGH vom 21. April 2011, 2011/01/0100, mwN). Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH vom 13. November 2001, 2000/01/0098, und vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0112, unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU - Statusrichtlinie).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion in muslimischen Staaten das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung besteht. Die völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindliche Moralvorstellungen drohen, kann unter diesem Blickwinkel asylrelevant sein (vgl. wiederum VwGH vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0112, mwN).

Zunächst ist dem Bundesverwaltungsgericht beizupflichten, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zur Verfolgung durch Familienangehörige seiner Freundin zwecks "Wiederherstellung der verlorenen Familienehre" nicht die erforderliche Verknüpfung mit einem Konventionsgrund aufweist. In so einem Fall ist jedoch nach der oben dargestellten Rechtsprechung zu klären, ob allenfalls der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, 2008/23/0334, mwN). Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Der Revisionswerber führte in seiner Beschwerde ins Treffen, dass außerehelicher Geschlechtsverkehr in Afghanistan sowohl nach dem Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten sei und sowohl Frauen als auch Männer wegen des dadurch verwirklichten Deliktes "Zina" strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt würden. Träfen diese Ausführungen zu, käme eine Schutzgewährung durch den Staat schon wegen dessen Strafverfolgungsanspruchs nicht in Betracht, wenn sich die staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung als asylrelevant erweisen, weil sie sich als völlig unverhältnismäßig darstellten. Würde die bei Verfolgung durch Privatpersonen in Erwägung zu ziehende Inanspruchnahme staatlichen Schutzes asylrelevante Verfolgung durch den Staat verursachen, ist es im Hinblick auf wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes des Heimatstaates zu bedienen. Ohne zur Frage des staatlichen Umgangs mit außerehelichem Geschlechtsverkehr Feststellungen zu treffen, konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne Weiteres davon ausgehen, die Nichterlangung staatlichen Schutzes durch den Revisionswerber weise keinen Anknüpfungspunkt zu den in der GFK genannten Gründen auf.

Ausgehend von der somit unzutreffenden Rechtsansicht, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers rechtfertige von vornherein keine Zuerkennung von Asyl, hat es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, die für eine abschließende Beurteilung des Falles notwendigen Sachverhaltsfeststellungen in nachvollziehbarer Art und Weise zu treffen, wodurch es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich darüber hinaus nicht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, er habe wegen der außerehelichen Beziehung zu einer Frau auch Verfolgung durch die in seiner Heimatprovinz immer präsenter werdenden Taliban, zu denen die Brüder seiner Freundin gute Kontakte pflegten, zu befürchten, auseinandergesetzt.

Die angefochtene Entscheidung war daher im Anfechtungsumfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Mai 2015

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