BVwG L508 2221162-2

BVwGL508 2221162-217.6.2020

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2221162.2.00

 

Spruch:

 

 

L508 2161642-4/4E

L508 2162329-4/4E

L508 2162326-4/4E

L508 2221162-2/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten Rechtsanwälte RAST & MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 1111102410-180587782 / BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwälte RAST & MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 1111102508-180587795 / BMI-BFA_SZB_RD, zur Recht erkannt:

 

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwälte RAST & MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 1130111106-180587804 / BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwälte RAST & MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 1216412108-190014143 / BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführer) und seine Ehefrau XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin), beide bangladeschische Staatsangehörige, stellten am 11.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Für den am 17.08.2016 in Österreich geborenen Sohn XXXX (in der Folge: Drittbeschwerdeführer) stellte die Mutter als gesetzliche Vertreterin im September 2016 einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) wies die Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 18.12.2017 mündlich verkündeten Erkenntnissen als unbegründet ab (schriftliche Ausfertigungen vom 19.02.2018, L519 2161642-1/20E, L519 2162329-1/16E, L519 2162326-1/7E). Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig zurück (VwGH 27.04.2018, Ra 2018/20/0195 bis 0197).

2. Am 22.06.2018 stellten der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.07.2018 vernahm die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ein. Mit E-Mail vom 03.01.2019 wurde der Behörde mit Hinweis auf § 17a AsylG 2005 die Geburt des Sohnes XXXX (in der Folge: Viertbeschwerdeführer) angezeigt. Die Verfahren aller vier Beschwerdeführer wurden zugelassen. Am 22.03.2019 vernahm die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erneut ein.

3. Mit Bescheiden vom 29.05.2019 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt II), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt III), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VI). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt V). Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 29.05.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V). Die Behörde erkannte der Beschwerde gegen die Entscheidung – gestützt auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG – die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII).

4. Einer gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnissen des BVwG vom 18.07.2019, GZ: L527 2161642-2/6E, GZ: L527 2162329-2/6E, GZ: L527 2162326-2/6E sowie GZ: L527 2221162-1/6E stattgegeben und wurden die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben. Ferner wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen. Darüber hinaus wurde die Revision zur Klärung der Rechtfrage, ob es sich beim Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, sie würde im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sexuell misshandelt werden, um ein Vorbringen im Sinne des § 20 Abs 1 AsylG 2005 handelt, im Konnex zu daraus resultierenden gerichtsinterne Zuweisungsregelungen, für zulässig erklärt.

Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht wie folgt begründet:

…..“3.1. Subsumiert man die unter 1.1. festgestellten Beziehungen dem § 2 Z 22 AsylG 2005, ergibt sich, dass es sich bei den vier Beschwerdeführern um Familienangehörige im Sinne dieser Bestimmung handelt.

3.2. § 34 Abs 4 AsylG 2005 verpflichtet die Behörde, Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 leg cit erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. U. a. die Bestimmungen des § 34 Abs 4 AsylG 2005 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs 5 AsylG 2005); vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004.

Die Verfahren der Beschwerdeführer waren daher, wovon, wie unter 1.3. festgestellt, auch die belangte Behörde zutreffenderweise ausging, „unter einem“ im Sinne des § 34 Abs 4 AsylG 2005 zu führen. Vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004, wonach der Gesetzgeber bei der Normierung, dass die Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen sind, in § 34 Abs 4 AsylG 2005 jene Fälle vor Augen hatte, bei denen die Anträge aller Familienangehörigen zur selben Zeit oder zumindest zeitnahe gestellt und damit auch weitgehend zeitgleich von derselben Behörde bearbeitet werden können. Der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin haben ihre Anträge auf internationalen Schutz zeitgleich gestellt. Mit Einlangen der Anzeige über die Geburt des Viertbeschwerdeführers bei der belangten Behörde galt der Antrag auf internationalen Schutz für den Viertbeschwerdeführer als gestellt und eingebracht; dies erfolgte zeitnahe und die Anträge aller vier Beschwerdeführer konnten (weitgehend) zeitgleich bearbeitet, was auch tatsächlich geschah.

3.3. Das Vorgehen der belangten Behörde, die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des Viertbeschwerdeführers jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, steht mit § 34 Abs 4 AsylG 2005 jedoch nicht in Einklang:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf ähnlich gelagerte Verfahren (einerseits Zurückweisung nach § 68 AVG, andererseits Sachentscheidung in Bezug auf Familienangehörige) im Erkenntnis vom 25.11.2009, 2007/01/1153, ausgeführt, dass § 34 Abs 4 AsylG 2005 dahingehend zu verstehen sei, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Auslegung ist seither ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs; vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist es verwehrt, über die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin selbst meritorisch zu entscheiden, da Sache des Beschwerdeverfahrens nur die Zurückweisung der Anträge durch die belangte Behörde ist. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide betreffend Erst- und Drittbeschwerdeführer sowie Zweitbeschwerdeführerin ersatzlos zu beheben.

Da die ersatzlose Behebung der Bescheide im Familienverfahren auf die übrigen Familienangehörigen durchschlägt, erweist sich der gegenüber dem Viertbeschwerdeführer erlassene Bescheid ebenfalls als rechtswidrig und ist gleichermaßen aufzuheben; vgl. VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0357.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (§ 28 Abs 2 VwGVG iVm § 34 Abs 4 AsylG 2005; jeweils Spruchpunkt A) I)).“………..

5. In der Folge wurde der Erst- und die Zweitbeschwerdeführer(in) abermals vom Bundesamt, diesmal von einer Referentin weiblichen Geschlechts, niederschriftlich einvernommen. Dabei wiederholten die Beschwerdeführer im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und brachten neu vor, dass sie sich nunmehr auch für das Christentum interessieren und eine Konversion beabsichtigen würden.

6. Eine Revision gegen die Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019 wurde, trotz deren Zulassung, weder vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch von den Beschwerdeführern bzw. dessen Rechtsvertretung erhoben.

7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 26.02.2020 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin abermals gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen (Spruchpunkt II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt V) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VII). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt VI). Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 26.02.2020 abermals sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V).

7. Mit den gegenständlichen Beschwerden fochten die Beschwerdeführer die Bescheide zur Gänze an und beantragten die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

 

8. Die gegenständlichen Beschwerden samt erstinstanzlichen Verwaltungsakten langten letztlich allesamt am 16.06.2020 in der Außenstelle Linz ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet; die Ehe bestand bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet. Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen in Österreich geborenen minderjährigen Kinder. Der Drittbeschwerdeführer wurde am 17.08.2016, der Viertbeschwerdeführer am 26.12.2018 geboren. Die Beschwerdeführer sind bangladeschische Staatsangehörige.

1.2. Die ersten Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin wies die belangte Behörde sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 18.12.2017 mündlich verkündeten Erkenntnissen als unbegründet ab (schriftliche Ausfertigungen vom 19.02.2018, L519 2161642-1/20E, L519 2162329-1/16E, L519 2162326-1/7E). Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig zurück (VwGH 27.04.2018, Ra 2018/20/0195 bis 0197).

1.3. Am 22.06.2018 stellten der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit E-Mail vom 03.01.2019 wurde der Behörde mit Hinweis auf § 17a AsylG 2005 die Geburt des Viertbeschwerdeführers angezeigt (AS 109 Verwaltungsverfahrensakt zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin [VA 2 BF 2]. Die Verfahren aller vier Beschwerdeführer wurden zugelassen und von der Behörde als Familienverfahren geführt (vgl. z. B. AS 205 Verwaltungsverfahrensakt zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers [VA 2 BF 1]).

Mit Bescheiden vom 29.05.2019 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt II), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt III), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VI). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt V).

Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 29.05.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V). Die Behörde erkannte der Beschwerde gegen die Entscheidung – gestützt auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG – die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII).

1.4. Einer gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnissen des BVwG vom 18.07.2019, GZ: L527 2161642-2/6E, GZ: L527 2162329-2/6E, GZ: L527 2162326-2/6E sowie GZ: L527 2221162-1/6E stattgegeben und wurden die angefochtenen Bescheide mit oben unter Punkt 4. wiedergegebener Begründung ersatzlos behoben. Ferner wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen. Darüber hinaus wurde die Revision zur Klärung der Rechtfrage, ob es sich beim Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, sie würde im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sexuell misshandelt werden, um ein Vorbringen im Sinne des § 20 Abs 1 AsylG 2005 handelt, im Konnex zu daraus resultierenden gerichtsinterne Zuweisungsregelungen, für zulässig erklärt.

1.5. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 26.02.2020 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin abermals gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen (Spruchpunkt II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt V) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VII). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt VI).

Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 26.02.2020 abermals sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Akten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1961_194_0/1961_194_0.pdf , des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1950_173_0/1950_173_0.pdf , und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1984_29_0/1984_29_0.pdf , und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):

 

"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."

 

Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG haben das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

 

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerden in den gegenständliche Verfahren mit Erkenntnissen des BVwG vom 18.07.2019, GZ: L527 2161642-2/6E, GZ: L527 2162329-2/6E, GZ: L527 2162326-2/6E sowie GZ: L527 2221162-1/6E stattgegeben und wurden die angefochtenen Bescheide vom 29.05.2019 ersatzlos behoben.

Begründet wurde diese Entscheidung wie folgt:

…..“3.1. Subsumiert man die unter 1.1. festgestellten Beziehungen dem § 2 Z 22 AsylG 2005, ergibt sich, dass es sich bei den vier Beschwerdeführern um Familienangehörige im Sinne dieser Bestimmung handelt.

3.2. § 34 Abs 4 AsylG 2005 verpflichtet die Behörde, Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 leg cit erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. U. a. die Bestimmungen des § 34 Abs 4 AsylG 2005 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs 5 AsylG 2005); vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004.

Die Verfahren der Beschwerdeführer waren daher, wovon, wie unter 1.3. festgestellt, auch die belangte Behörde zutreffenderweise ausging, „unter einem“ im Sinne des § 34 Abs 4 AsylG 2005 zu führen. Vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004, wonach der Gesetzgeber bei der Normierung, dass die Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen sind, in § 34 Abs 4 AsylG 2005 jene Fälle vor Augen hatte, bei denen die Anträge aller Familienangehörigen zur selben Zeit oder zumindest zeitnahe gestellt und damit auch weitgehend zeitgleich von derselben Behörde bearbeitet werden können. Der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin haben ihre Anträge auf internationalen Schutz zeitgleich gestellt. Mit Einlangen der Anzeige über die Geburt des Viertbeschwerdeführers bei der belangten Behörde galt der Antrag auf internationalen Schutz für den Viertbeschwerdeführer als gestellt und eingebracht; dies erfolgte zeitnahe und die Anträge aller vier Beschwerdeführer konnten (weitgehend) zeitgleich bearbeitet, was auch tatsächlich geschah.

3.3. Das Vorgehen der belangten Behörde, die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des Viertbeschwerdeführers jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, steht mit § 34 Abs 4 AsylG 2005 jedoch nicht in Einklang:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf ähnlich gelagerte Verfahren (einerseits Zurückweisung nach § 68 AVG, andererseits Sachentscheidung in Bezug auf Familienangehörige) im Erkenntnis vom 25.11.2009, 2007/01/1153, ausgeführt, dass § 34 Abs 4 AsylG 2005 dahingehend zu verstehen sei, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Auslegung ist seither ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs; vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist es verwehrt, über die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin selbst meritorisch zu entscheiden, da Sache des Beschwerdeverfahrens nur die Zurückweisung der Anträge durch die belangte Behörde ist. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide betreffend Erst- und Drittbeschwerdeführer sowie Zweitbeschwerdeführerin ersatzlos zu beheben.

Da die ersatzlose Behebung der Bescheide im Familienverfahren auf die übrigen Familienangehörigen durchschlägt, erweist sich der gegenüber dem Viertbeschwerdeführer erlassene Bescheid ebenfalls als rechtswidrig und ist gleichermaßen aufzuheben; vgl. VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0357.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (§ 28 Abs 2 VwGVG iVm § 34 Abs 4 AsylG 2005; jeweils Spruchpunkt A) I)).“………

 

2.1.1. Die belangte Behörde hat nun, entgegen der Begründung respektive den Ausführungen in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019, abermals unterschiedliche Arten von Erledigungen getroffen und somit die Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Vorgehensweise, die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des Viertbeschwerdeführers jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, mit § 34 Abs 4 AsylG 2005 nicht in Einklang stehe, völlig negiert bzw. ignoriert. Unrichtigerweise führt die belangte Behörde in den nunmehr angefochtenen Bescheiden aus, dass die ersatzlose Behebung der Bescheide vom 29.05.2019 durch Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019, alleinig aus dem Grund erfolgt sei, da es sich bei dem verfahrensleitenden Organwalter des Bundesamtes, um eine Person männlichen Geschlechts handle und die Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin), XXXX , mit einem einzigen Satz, in deren gesamten Verfahren, die bloße Möglichkeit aufgezeigt hätte, zukünftig von einem Eingriff in deren sexuelle Selbstbestimmung betroffen sein zu können. Richtigerweise war diese Thematik jedoch nicht kausal für die Entscheidungsfindung des Bundesverwaltungsgerichts, sondern fand diese Frage ausschließlich in der Zulässigkeitsbegründung zur Revision Eingang. Somit hat die belangte Behörde den Inhalt der Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts zur Gänze verkannt. Dadurch dass die belangte Behörde gegenständlich abermals unterschiedliche Erledigungsarten getroffen hat und damit die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts ignoriert wurde, erweisen sich die angefochtenen Bescheide, da die Verwaltungsbehörden verpflichtet sind, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgericht entsprechenden Rechtszustand herzustellen (vgl. etwa VwGH vom 25.04.2018, Ra 2015/06/0130), abermals als rechtwidrig und waren infolge dessen ersatzlos zu beheben.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß mit einer Behebung der in Beschwerde gezogenen Bescheide vorzugehen.

 

Überdies ist festzuhalten, dass die vorangegangenen Erkenntnisse des Bundesver-waltungsgerichtes vom 18.07.2019, nach wie vor dem Rechtsbestand angehören, weshalb im gegenständlichen Fall auch das Bundesverwaltungsgericht - zumal sich weder die Rechts- noch die Sachlage geändert haben - an die tragende Rechtsansicht und die diesbezügliche Begründung dieser Erkenntnisse gebunden ist (vgl. dazu VwGH vom 19.09.2017, Ra 2017/20/0045). Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden und auch das VwG selbst an die vom VwG in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Die schon vor der Erlassung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (Hinweis E vom 18. Jänner 2017, Ra 2016/18/0293). Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 66 Abs. 2 AVG (vgl. dazu bereits VwGH VS 22.10.1971, VwSlg 8091 A/1971) erstreckt sich die von einem rechtskräftigen Zurückverweisungsbescheid ausgehende Bindungswirkung nicht nur auf die angewiesene Unterbehörde und die Parteien des Verfahrens, die diesbezüglich ein subjektives Recht haben. Innerhalb der Grenzen der Rechtskraft ist die dem Behebungsbescheid zu Grunde liegende Rechtsansicht allgemein "verbindlich", d.h. im Falle eines weiteren Rechtsganges auch für die bescheiderlassende Behörde selbst sowie in weiterer Folge für eine allenfalls im Instanzenzug übergeordnete Behörde. Wie die Verwaltungsbehörden sind auch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - an die die Aufhebung tragenden Gründe gebunden (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2015/06/0103).

 

Seitens des BFA wurde jedoch die Bindungswirkung der rechtskräftigen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019 missachtet und damit die Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts völlig ignoriert. Die von der belangten Behörde gewählte Vorgehensweise missachtet die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und waren daher die angefochtenen Bescheide zwingend neuerlich ersatzlos zu beheben.

 

2.2. Auf eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war inhaltlich nicht einzugehen, da das Bundesverwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide innerhalb der einwöchigen Frist aufgehoben hat.

 

 

3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Frage, ob eine mündliche Verhandlung abzuhalten war, war nach § 22 Abs 7 BFA-VG und § 24 VwGVG zu beurteilen. Demnach konnte gegenständlich – im Einklang mit Art 6 EMRK und Art 47 GRC – die mündliche Verhandlung trotz Beantragung in der Beschwerde entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide aufzuheben sind (§ 24 Abs 2 Z 1 VwGVG).

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Was die Zulässigkeitserklärung der Revision im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2019 betrifft (Die Revision wurde zur Klärung der Rechtfrage, ob es sich beim Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, sie würde im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sexuell misshandelt werden, um ein Vorbringen im Sinne des § 20 Abs 1 AsylG 2005 handelt, im Konnex zu daraus resultierenden gerichtsinterne Zuweisungsregelungen, für zulässig erklärt), so ist dazu auszuführen, dass sich die nunmehrige Rechts- bzw. Sachlage und demzufolge auch die Rechtsansicht der erkennenden Richterin abweichend davon darstellt; dies schon deshalb, da die nunmehrigen Rechtssachen einer Richterin weiblichen Geschlechts zugewiesen wurden, und die Entscheidung sohin gegenständlich nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte