Normen
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1997 §28;
AVG §45 Abs2;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1997 §28;
AVG §45 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der " Jugosl. Föderation", die am 8. Dezember 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 9. Dezember 1997 die Gewährung von Asyl. Sie wurde am 11. Dezember 1997 zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab sie an, sie stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.
Sie habe den Kosovo verlassen, weil die Polizei ihren Arbeitgeber, einen Arzt, wegen Behandlung von durch Tränengasverwendung bei Demonstrationen Vergifteten, festgenommen habe. Sie habe die Festnahme mitansehen müssen. Die Ordination sei zumindest vorübergehend geschlossen worden. Die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden, sich zur Einvernahme zur Polizeistation zu begeben. Sie habe diese Aufforderung nicht befolgt, sondern sich verborgen gehalten. Sodann sei einmal im Elternhaus der Beschwerdeführerin von der Polizei nach ihr gefragt worden.
Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin sei nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK.
In der dagegen erhobenen Berufung behauptete die Beschwerdeführerin über ihr bisheriges Vorbringen hinausgehend das Bestehen von Gruppenverfolgung ethnischer Albaner im Kosovo durch die Behörden ihrer Heimat. Es werde "von den serbischen Behörden offensichtlich alles unternommen, Kosovo-Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben und ihnen dort jegliche Lebensgrundlage zu entziehen". Dies führe dazu, daß "praktisch jeder ethnische Albaner in allen Lebensbereichen, allen Schichten und allen Altersgruppen derzeit jederzeit Übergriffe der serbischen Behörden - wie Hausdurchsuchungen, Schläge und Folter auf Polizeiposten und anläßlich von Kontrollen, sowie willkürliche Inhaftierungen - befürchten" müsse. Sie zitierte aus Berichten des "Council for the Defence of Human Rights and Freedoms"(CDHRF), wies auf "neuere Berichte" der International Helsinki Federation for Human Rights und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe hin, zitierte aus der Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte und stellte die Beweisanträge, Anfragen an
- einen informierten Vertreter bzw. Vertreterin des Ministeriums für
auswärtige Angelegenheiten in Österreich
- amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland
- UNHCR, Regionalbüro in Wien
- das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte
zu stellen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Sie begründete den Bescheid damit, daß die der Beschwerdeführerin individuell widerfahrenen Ereignisse keine asylrechtlich relevante Verfolgung seien. Zu den Berufungsausführungen führte die belangte Behörde folgendes aus:
"Zu den in der Berufung der Asylwerberin neu vorgebrachten Äußerungen in Hinsicht auf eine Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner in Kosovo wird festgestellt, daß diese auch unter Berücksichtigung der herangezogenen Quellen nicht als gegeben angenommen werden; die allfällig stattfindenden Maßnahmen weisen nicht die erforderliche Verfolgungsdichte für die Annahme einer Gruppenverfolgung auf.
Ein staatliches Verfolgungsprogramm, das die Annahme einer Gruppenverfolgung schon dann rechtfertigen würde, wenn eine hinreichende Verfolgungsdichte doch nicht festgestellt werden kann, ist nicht zu erkennen.
Ein staatliches Programm, das etwa die physische Vernichtung oder die Vertreibung der gesamten albanischen Volksgruppe aus dem Kosovo zum Ziele hätte, ist weder ersichtlich noch belegbar.
Ein staatliches Vertreibungsprogramm müßte, um asylrechtlich relevant zu sein, jeden ethnischen Albaner im Kosovo in seiner physischen Existenz seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedrohen. Staatliche Maßnahmen die keine gewaltsamen Vertreibungs- oder Ausrottungsmaßnahmen darstellen sondern eher eine Politik der Einschüchterung verfolgen reichen nicht aus, um ein Asylrechtsrelevantes Gruppenverfolgungsprogramm des serbischen Staates anzunehmen.
Wie der Berufung richtig zu entnehmen ist, ist die zitierte Judikatur aus Deutschland von keiner Bindungswirkung für das Österreichische Recht.
Trotzdem sei darauf verwiesen, daß das Deutsche Bundesverwaltungsgericht zur Aktenzahl 9C 158/94
(ZDWF - Rechtssprechungsübersicht 1995) eine Gruppenverfolgung in Kosovo als nicht gegeben annimmt - sodaß - insbesondere in Hinsicht auf die Mehrzahl zitierten Aktenzahlen ex 93 und 94 von einheitlicher Judikatur deutscher Verwaltungsgerichte in Hinsicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wohl nicht mehr gesprochen werden kann.
Vielmehr geht die neuere deutsche Rechtsprechung davon aus, daß sich eine Gruppenverfolgung nicht feststellen läßt.
Vergleicht man die rasante geschichtliche Entwicklung in diesem geographischen Raum mit der notwendigerweise nachhinkenden rechtlichen Betrachtung, so ergeben sich eindeutig wohl nur Feststellungen aus jüngster Zeit, welche ein Indiz für die augenblickliche Lage darstellen können.
So hat etwa das VG Sigmaringen mit Urteil vom 09.12.1997, Zahl A 7 K 11.511/96, festgestellt: das Gericht kann in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Feststellung nicht feststellen, daß albanische Volkszugehörige in Jugoslawien, namentlich in Kosovo, allein aus ethnischen Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.
Auch das VG Saarland verneinte mit Urteil vom 26.11.1996 zu Zahl 5 K 301/93 eine Gruppenverfolgung der Kosovo-Albander in Jugoslawien ebenso wie eine Gefährdung aus einer auf diesen Grund gestützten Asylantragstellung.
Wenn im Obigen davon gesprochen wird, daß eine begriffsnotwendige 'Verfolgungsdichte', durch die aufgezeigten Einzelrepressionen nicht in einem Ausmaß gegeben ist, daß Gruppenverfolgung vorliegt, so müssen alle bekannten Ziffern, die zwischen zweitausendfünfhundert und vierzehntausend behaupteten Einzelverfolgungen liegen - je nach Quelle -, relativiert im Lichte der Gesamtbevölkerungszahl, an von geschätzt 1,8 Millionen ethnischen Albanern im Kosovo gesehen werden.
Andererseits muß auch darauf hingewiesen werden, daß gleichgelagerte Willkürmaßnahmen auch gegen andere Bevölkerungsminoritäten der Republik Jugoslawien in einem in etwa vergleichbaren Ausmaß berichtet werden, sodaß derartige Repressionen offensichtlich wie jede staatliche Bevölkerungsminorität des Völkerstaates Jugoslawien in etwa im gleichen Ausmaß treffen. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht eine bloße Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Minderheit grundsätzlich für eine Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht aus (Erkenntnis 92/01/02 vom 05.11.1992 und 93/01/0801 vom 24.11.1993).
Im Rahmen dieser ständigen Judikatur (die obigen Entscheidungen betreffen keine Fälle albanischer Volkszugehöriger) geht der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 94/01/0769 von 31.05.95 speziell auf die albanische Volksgruppe ein und vermeint, daß die Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung dann erst anzunehmen wäre, wenn aufgrund der Verhältnisse im Heimatland systematisch eine Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe gegeben wäre, was aber nur dann anzunehmen wäre, wenn ein zielgerichtetes Vorgehen von erheblicher Intensität gegen die Gesamtheit der albanischen Volksgruppe gegeben wäre, das nicht bloß in Beeinträchtigungen allgemeiner Natur seinen Ausdruck findet.
Unter Berücksichtigung der amtsbekannten Situation, insbesondere der regelmäßigen Berichte der österreichischen Vertretungsbehörden in diesem geographischen Raum, kann - so bedauerlich die Situation auch einzustufen ist -im Raum Kosovo für eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner kein Anhaltspunkt für das maßgebliche Kriterium einer solchen Annahme gefunden werden.
Die aufgezeigten Einzelereignisse insbesondere in der Berufung fügen sich in dieses Gesamtbild der schwierigen Verhältnisse dieses geographischen und politischen Raumes, ohne im Gesamtbild den Ausschlag für eine andere einheitliche Betrachtung geben zu können."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 Asylgesetz 1997 bestimmt, daß die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 Asylgesetz 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zur diesbezüglich inhaltsgleichen Rechtslage nach § 16 AsylG 1991 z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin aber bereits in der Berufung das Vorliegen von Gruppenverfolgung ethnischer Albaner im Kosovo in ausreichend konkreter Weise behauptet, sich auf Beweisquellen berufen und Beweisanträge gestellt. Die belangte Behörde ist den Beweisanträgen nicht nachgekommen und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht dargetan, warum sie keine weiteren Ermittlungen anstellte. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zudem nicht hinreichend klar dargestellt, auf welche Beweisquellen (abgesehen von den zitierten Gerichtsentscheidungen) zur jüngsten Situation im Kosovo sich die belangte Behörde stützt und ob sie diesbezüglich Parteiengehör gewährt hat. Der belangten Behörde ist daher sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht als auch der Begründungspflicht unterlaufen.
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (ggf. unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Indem die Beschwerdeführerin darauf hinweist, daß im Falle des Zutreffens ihrer Behauptung aufgrund des derzeitigen massiven Vorgehens der Regierung ihrer Heimat gegen die albanisch-stämmige Zivilbevölkerung Gruppenverfolgung nicht auszuschließen wäre, von der auch sie selbst in asylrechtlich relevanter Weise betroffen wäre, zeigt sie die Relevanz der Verfahrensmängel auf.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. cVwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. Oktober 1998
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