Überprüfung des Grenzbetrages beim Alleinverdienerabsetzbetrag
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2017:RV.3100290.2011
Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2017/15/0041. Mit Erk. v. 28.2.2018 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis vom 29.8.2018 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Unger in der Beschwerdesache der Bf, über die Beschwerde vom 6.6.2011, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Innsbruck vom 27.5.2011, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2010 gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin erzielte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
In ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 beantragte die Beschwerdeführerin ua die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 28.2.2011 gewährte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin antragskonform den Alleinverdienerabsetzbetrag iHv 669 €.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.5.2011 hob die belangte Behörde diesen Einkommensteuerbescheid 2010 gemäß § 299 BAO auf und erließ gleichzeitig einen neuen Einkommensteuerbescheid, in dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nun nicht mehr zuerkannt wurde.
Hinsichtlich der Begründung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Einkommensteuerbescheides verwies der angefochtene Aufhebungsbescheid auf die Begründung des neuen Sachbescheides. Dort führte die belangte Behörde aus, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt habe werden können, da die steuerpflichtigen Einkünfte des Ehepartners der Beschwerdeführerin höher als der maßgebliche Grenzbetrag von 6.000 € seien.
In ihrer Berufung gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr Ehemann im Kalenderjahr 2010 bis 31.7.2010 Notstandshilfe und von 1.8.2010 bis 30.11.2010 einen Pensionsvorschuss bezogen habe. Dieser Pensionsvorschuss sei sodann rückwirkend per 1.8.2010 in eine monatliche Pension iHv 1.226,25 € brutto "umgewandelt" worden, welche ihr Ehemann bis 31.12.2010 bezogen habe. Aus diesen fünf Monaten ergäben sich daher laufende Bezüge im Kalenderjahr 2010 iHv insgesamt 5.818,55 €. Erst durch die Sonderzahlung habe ihr Ehemann die Grenze von 6.000 € überschritten. Dabei sei aber zu beachten, dass der zweite Arbeitgeber (auszahlende Stelle) auch die Bezüge der ersten auszahlenden Stelle mit in die „Sechstelberechnung“ einbeziehen könne. Unter Einbeziehung der monatlichen Notstandshilfe von ca. 870 € läge die "Sechstel Grenze" weit über dem Betrag der monatlichen Bruttopension. Zum Beweis ihrer Angaben legte die Beschwerdeführerin eine Bezugsbestätigung des AMS vom 3.3.2011 betreffend ihren Ehemann bei, in welcher der Bezug von Notstandshilfe für den Zeitraum 1.1.2010 bis 30.04.2010 und 1.5.2010 bis 31.07.2010 sowie der Bezug von Pensionsvorschuss-Notstandshilfe für den Zeitraum 1.8.2010 bis 30.9.2010 und 1.10.2010 bis 30.11.2010 angeführt mit den jeweiligen Tagsätzen angeführt sind.
Zudem sei die Aufhebung unbillig, da die Beschwerdeführerin monatlich nur ca 580 € verdiene, ihr Ehemann und sie für drei Kinder zu sorgen hätten und sie trotz Mietzinsbeihilfe ca 520 € an Miete bezahlen würde.
Am 4.7.2011 erließ die belangte Behörde eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung "gegen den Bescheid vom 27.05.2011" als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde unter Verweis auf § 33 Abs 4 Z 1 EStG aus, dass der Gatte der Beschwerdeführerin die maßgebliche Einkommensgrenze von 6.000 € im Kalenderjahr 2010 überschritten habe. Der Gesamtbetrag der Einkünfte, ohne jener, die auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs 2 EStG anzusetzen seien, habe 6.415,83 € betragen, weshalb der Berufung nicht entsprochen werden könne.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Vorlage der Berufung an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz. In ihrem Vorlageantrag wiederholte die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen und brachte ergänzend vor, dass die belangte Behörde in der Berufungsvorentscheidung nicht auf ihre Ausführungen bezüglich der Berechnung des Jahressechstels eingegangen sei und auch die anderen Berufungsgründe, wie Unbilligkeit der „Wiederaufnahme“ [gemeint wohl: Aufhebung nach § 299 BAO] nicht gewürdigt habe.
Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt ohne weitere Stellungnahme an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner 2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Dementsprechend stellt das Bundesfinanzgericht auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin war mit ihrem Ehemann das ganze Kalenderjahr 2010 verheiratet und hat für zwei ihrer drei Kinder im Kalenderjahr 2010 mehr als sieben Monate Familienbeihilfe bezogen.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 28.2.2011 gewährte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin antragskonform den Alleinverdienerabsetzbetrag iHv 669 €.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.5.2011 hob die belangte Behörde diesen Einkommensteuerbescheid 2010 gemäß § 299 BAO auf und erließ gleichzeitig einen neuen Einkommensteuerbescheid, in dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nun nicht mehr zuerkannt wurde. Als Begründung für die Aufhebung führte die belangte Behörde an, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2010 steuerpflichtige Einkünfte von mehr als 6.000 € erzielt hat.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin bezog von 1.1.2010 bis 31.7.2010 Notstandshilfe. Nach Bezug eines Pensionsvorschusses von 1.8.2010 bis 30.11.2010 wurde für den Ehemann rückwirkend ab 1.8.2010 eine monatliche Pension nach dem ASVG festgesetzt. Die Bruttopensionseinkünfte des Ehemannes betrugen im Kalenderjahr 2010 insgesamt 7.444,71 € (Kz 210). In diesem Betrag waren steuerfreie Bezüge nach § 67 Abs 1 und 2 EStG iHv 545 € (Kz 220), insgesamt einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge iHv 379,68 € (Kz 230 + 225) und nach Tarif zu versteuernde sonstige Bezüge iHv 681,25 € enthalten.
Die belangte Behörde stellte für die Beurteilung der für den Alleinverdienerabsetzbetrag der Beschwerdeführerin maßgeblichen Einkunftsgrenze ihres Ehemannes auf einen Gesamtbetrag seiner Einkünfte iHv 6.415,83 € ab. Dieser Betrag entspricht rechnerisch den im aktenkundigen Einkommensteuerbescheid des Ehemannes dargestellten steuerpflichtigen Pensionsbezügen iHv 6.547,83 € abzüglich dem Werbungskostenpauschbetrag iHv 132 €.
Die belangte Behörde erließ am 27.5.2011 sowohl den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO, als auch den neuen Sachbescheid (Einkommensteuer 2010). Die Beschwerdeführerin erhob am 6.6.2011 nur gegen den Aufhebungsbescheid Berufung. Eine Berufung gegen den gleichzeitig erlassenen neuen Einkommensteuerbescheid 2010 erfolgte nicht. Zu dieser Berufung gegen den Aufhebungsbescheid ist auch die Berufungsvorentscheidung vom 4.7.2011 ergangen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin. Die detaillierten Feststellungen zu den Pensionseinkünften des Ehemannes der Beschwerdeführerin basieren auf dem in den Akten befindlichen Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt.
Der von der belangten Behörde angenommene "Gesamtbetrag der Einkünfte" des Ehemannes der Beschwerdeführerin iHv 6.415,83 € ist der Berufungsvorentscheidung zu entnehmen, wenngleich ohne näherer Begründung bzw Berechnung.
Dass sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung gegen den Aufhebungsbescheid richtet, ergibt sich bereits aus den ersten beiden Sätzen ihrer Berufung, welche lauten:
„Mit Bescheid vom 27.05.2011 wird mein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid 2010 gemäß § 299 BAO wieder aufgehoben. Ich erhebe dagegen Berufung, weil die Aufhebung unbillig ist.“
In dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin wird der von der belangten Behörde dargelegte Aufhebungsgrund, konkret die rechtswidrige Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages bestritten und will sie, dass „das Finanzamt die Aufhebung wieder rückgängig macht.“ Auch in ihrem Vorlageantrag weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die belangte Behörde den Berufungsgrund der „Unbilligkeit der Wiederaufnahme“ [gemeint: Aufhebung] und ihre dazu in der Berufung erstatteten Ausführungen nicht gewürdigt habe.
Die Berufungsvorentscheidung wird in verständiger Würdigung als eine solche im Rechtsmittelverfahren gegen den Aufhebungsbescheid gewertet, in welcher die belangte Behörde ihren für die Aufhebung herangezogenen Aufhebungsgrund rechtfertigt und damit auf die Berufungsausführungen reagiert.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Bescheidaufhebung)
Gemäß § 299 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde [bis 31.12.2013: erster Instanz] auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde [bis 31.12.2013: erster Instanz] aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Nach Absatz 2 ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa wegen einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, wegen mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, wegen Übersehens von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs 1 BAO nicht ausschlaggebend (vgl Ritz, BAO5, § 299 Rz 10). Die Aufhebung setzt jedoch die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus und erfordert deshalb die (vorherige) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes (Ritz, BAO5, § 299 Rz 13, mit Verweis auf VwGH 22.2.2000, 96/14/0018 und VwGH 22.2.2001, 98/15/0123). Die Rechtsmittelinstanz hat bei gegen den Aufhebungsbescheid gerichteten Rechtsmittel lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Aufhebung rechtfertigen (vgl Ritz, BAO5, § 299 Rz 43a). Bei der Bescheidaufhebung von Amts wegen legt die Abgabenbehörde fest, aus welchen Gründen sie den Bescheid als inhaltlich rechtswidrig ansieht. Die Sache, über die anlässlich einer Beschwerde gegen einen Aufhebungsbescheid zu entscheiden ist, wird daher bei der amtswegigen Aufhebung durch das Finanzamt im Rahmen der Erlassung des Aufhebungsbescheides festgelegt (vgl VwGH 26.4.2012, 2009/15/0119, mit Hinweis auf VwGH 14.5.1991, 90/14/0262, ergangen zu § 303 BAO).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nach dem oben festgestellten Sachverhalt bei ihrer amtswegigen Aufhebung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides als Grund für die Aufhebung den Umstand herangezogen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2010 steuerpflichtige Einkünfte von mehr als 6.000 € erzielt habe. Aufgrund dessen stehe der Beschwerdeführerin der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zu, weshalb sich der Spruch des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2010 als nicht richtig erweise.
Dieser Sachverhaltskomplex bildet daher den Rahmen, in dem das Bundesfinanzgericht zu prüfen hat, ob die Aufhebung rechtmäßig erfolgte.
Vorweg ist festzuhalten, dass nach Ansicht des erkennenden Richters der Einkommensteuerbescheid des Ehemannes der Beschwerdeführerin keine Bindungswirkung bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag im hier gegenständlichen Verfahren der Beschwerdeführerin haben kann. Die Ermittlung eines Über- oder Unterschreitens des in § 33 Abs 4 Z 1 EStG genannten Grenzbetrages hat im (Rechtsmittel-)Verfahren der Partei, die einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt, vielmehr gesondert von einer allfälligen Veranlagung des jeweiligen Ehepartners zu erfolgen (vgl Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 33 Tz 47; Baldauf, Alleinverdienerabsetzbetrag: Bindung an den Einkommensteuerbescheid des (Ehe-)Partners?, SWK 2011, S 25; sowie Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 33 Tz 69a, jeweils mit weiteren Nachweisen samt Darstellung der dbzgl uneinheitlichen Rechtsprechung des unabhängigen Finanzsenates bzw Bundesfinanzgerichtes).
Dies vor allem deswegen, da eine rechtliche Grundlage für die Annahme einer Bindungswirkung im gegebenen Zusammenhang fehlt. § 192 BAO kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, da dieser lediglich die Bindung bestimmter (abgeleiteter) Abgabenbescheide an Feststellungsbescheide vorsieht, jedoch nicht an Festsetzungsbescheide, wie dies im Verhältnis zweier Einkommensteuerbescheide der Fall wäre. Zudem spricht ein Einkommensteuerbescheid nicht über steuerbefreite Einkünfte ab, von denen jedoch bestimmte Arten bei Ermittlung der Einkünfte nach § 33 Abs 4 Z 1 EStG hinzuzuzählen sind. Aufgrund dieser mangelnden Tatbestandskongruenz kommt auch § 116 BAO nicht für die Begründung einer Bindung in Betracht. Schließlich hat die Partei, die einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt keine Parteistellung im Einkommensteuerverfahren des Ehepartners und somit keine abgabenrechtliche Möglichkeit, auf ein Unterschreiten des Grenzbetrages (zB durch Geltendmachung tatsächlicher Werbungskosten) hinzuwirken, um solcherart den Alleinverdienerabsetzbetrag zu sichern. Auch eine begründete Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid des Ehepartners würde mangels Parteistellung zurückgewiesen werden.
Ein Vergleich zu Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO, welche gemäß § 192 BAO Bindungswirkung für die abgeleiteten Einkommensteuerverfahren entfalten, offenbart den grundlegenden Unterschied zum hier vorliegenden Fall. Denn mit der Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden geht die Parteistellung der Einkommen- bzw Körperschaftsteuersubjekte im Feststellungsverfahren einher, wodurch etwaige Einwendungen gegen Feststellungsbescheide im Zuge einer Beschwerde dargelegt werden können (vgl § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO) bzw müssen (vgl § 252 Abs 1 BAO). Solche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen jedoch für eine Partei, die einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid des Ehepartners gerade nicht.
Die Annahme einer Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheides des Ehepartners im Verfahren betreffend den Alleinverdienerabsetzbetrag würde somit im Vergleich zur ausdrücklich gesetzlich geregelten Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden zwei (im Hinblick auf die einen Rechtsschutz bewirkende Parteistellung) ungleiche Fälle gleich behandeln, wofür die sachliche Rechtfertigung fehlt.
§ 33 Abs 4 Z 1 EStG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, BGBl I 2009/135, lautete:
"Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- ohne Kind 364 Euro,
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinverdienende sind Steuerpflichtige, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Alleinverdienende sind auch Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-) Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich, sonst Einkünfte von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu."
Maßgebend für die Ermittlung des Grenzbetrages von 6.000 € ist der Gesamtbetrag der Einkünfte iSd § 2 Abs 2 bis 4 EStG im gesamten Kalenderjahr zuzüglich bestimmter steuerfreier Einkünfte sowie sonderbesteuerter Einkünfte. Nicht als steuerfreie Einkünfte gelten solche, die bloß aufgrund gesonderter Tarifvorschriften bei der Veranlagung nicht zu berücksichtigen sind. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind daher bei der Ermittlung des Grenzbetrages die gemäß § 67 mit festen Steuersätzen zu versteuernden sonstigen Bezüge grundsätzlich miteinzubeziehen. Bis zur Freigrenze von 2.100 € bleiben diese sonstige Bezüge jedoch gemäß § 67 Abs 1 EStG außer Ansatz, sofern die sonstigen Bezüge in dem Jahressechstel Deckung finden (vgl Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2017, § 33 Rz 27; Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 33 Tz 44 ff; VwGH 27.9.2000, 97/14/0033; VwGH 10.5.2001, 99/15/0256; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG14, § 67 Tz 13 und 23; Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 67 Tz 19; Jakom/Lenneis, EStG, 2017, § 67 Rz 4; Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 67 Tz 20).
§ 67 EStG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, BGBl I 2009/52, lautete auszugsweise:
"(1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 620 Euro übersteigen, 6%. Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit dem festen Steuersatz unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2 100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2 100 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen.
(2) Soweit die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge (Abs. 1) vor Abzug der in Abs. 12 genannten Beiträge innerhalb eines Kalenderjahres ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge übersteigen, sind sie dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes zuzurechnen, in dem sie ausgezahlt werden. Bei der Berechnung des Sechstels ist derjenige laufende Bezug, der zusammen mit dem sonstigen Bezug ausgezahlt wird, bereits zu berücksichtigen. Wird ein sonstiger Bezug in einem Kalenderjahr vor Fälligkeit des ersten laufenden Bezuges ausgezahlt, ist dieser erste laufende Bezug in seiner voraussichtlichen Höhe auf das Kalenderjahr umzurechnen. Steuerfreie laufende Bezüge gemäß § 3, ausgenommen laufende Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 15 lit. a, erhöhen nicht das Jahressechstel, steuerfreie sonstige Bezüge gemäß § 3, ausgenommen sonstige Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 und 11, werden auf das Jahressechstel nicht angerechnet."
Aus § 67 Abs 2 EStG ergibt sich, dass das Jahressechstel ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge beträgt. Zur Berechnung des Jahressechstels ist die Summe der im Kalenderjahr (auch zusammen mit einem sonstigen Bezug) zugeflossenen laufenden Bezüge durch die Anzahl der bereits abgelaufenen Kalendermonate zu teilen. Der so ermittelte Durchschnitt ist auf den Jahresbezug umzurechnen, also mit 12 zu vervielfachen und davon das Sechstel zu berechnen (Jakom/Lenneis, EStG, 2013 § 67 Rz 6 mit Verweis auf VwGH 4.8.2004, 2001/08/0154; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG14, § 67 Tz 20; Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 67 Tz 27).
Nach § 67 Abs 2 letzter Satz EStG erhöhen steuerfreie laufende Bezüge gemäß § 3 EStG (abgesehen von hier nicht maßgeblichen Bezügen) nicht das Jahressechstel. Deswegen ist auch die in § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG geregelte Notstandshilfe nicht für die Berechnung des Jahressechstels heranzuziehen.
In vorliegendem Fall wurde nach dem oben festgestellten Sachverhalt auf dem Lohnzettel des Ehemannes der Beschwerdeführerin von der Pensionsversicherungsanstalt ein Betrag iHv 681,25 € unter der Rubrik "Sonst. Bezüge (Tarif)", dh sonstige Bezüge, die nach Tarif zu versteuern sind, ausgewiesen. Dabei handelt es sich um einen sonstigen Bezug, ebenso wie der auf dem Lohnzettel als sonstiger Bezug nach "§ 67 Abs. und 2" ausgewiesene Betrag iHv 545 €. Somit erhielt der Ehemann der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2010 zuzüglich zu seinen laufenden Bezügen insgesamt sonstige Bezüge iHv 1.226,25 €.
Nach § 33 Abs 4 Z 1 achter Satz EStG sind andere, als die ausdrücklich im Gesetz aufgezählten steuerfreien Einkünfte bei Ermittlung einer Über- oder Unterschreitung des maßgeblichen Grenzbetrages nicht zu berücksichtigen. Daher sind auch sonstige Bezüge bis zu maximal 2.100 € bei den erzielten Einkünften des Ehepartners eines Alleinverdieners nicht zu berücksichtigen, sofern der zugeflossene Betrag das Jahressechstel nicht übersteigt.
Aufgrund dessen ist im vorliegenden Fall eine Berechnung des Jahressechstels vorzunehmen, um das Ausmaß der steuerfreien sonstigen Bezüge ermitteln zu können. Das Jahressechstel des Ehemannes der Beschwerdeführerin für das Kalenderjahr 2010 errechnet sich wie folgt (Jakom/Lenneis, EStG, 2017, § 67 Rz 6 mit Verweis auf VwGH 4.8.2004, 2001/08/0154 und VwGH 10.4.1997, 94/15/0197; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG14, § 67 Tz 20; Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 67 Tz 27):
| € |
Bruttolohn | 7.444,71 € |
abzüglich sonstiger Bezüge | -1.226,25 € |
abzüglich Sozialversicherung für lfd. Bezüge | -351,88 € |
ergibt | 5.866,58 € |
dividiert durch die abgelaufenen Monate (12) | :12 |
Durchschnittswert | 488,88 € |
multipliziert mit 12 | x 12 |
Jahreseinkommen | 5.866,58 € |
dividiert durch 6 | :6 |
J a h r e s s e c h s t e l | 977,76 € |
Die vom Ehemann der Beschwerdeführerin im Jahr 2010 insgesamt erhaltenen sonstigen Bezüge iHv 1.226,25 € übersteigen daher sein Jahressechstel iHv 977,76 € um 248,49 €. Dieser Betrag, somit das Ausmaß, in dem die sonstigen Bezüge das Jahressechstel übersteigen, ist nach dem Tarif zu besteuern und daher den steuerpflichtigen Einkünften hinzuzurechnen. Der Betrag von 977,76 €, somit das Ausmaß des Jahressechstels, bleibt bei der Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte hingegen außer Ansatz (vgl Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG14, § 67 Tz 13 und 23; Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 67 Tz 19; Jakom/Lenneis, EStG, 2017, § 67 Rz 4; Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 67 Tz 29).
Gemäß § 16 Abs 3 EStG ist für Werbungskosten, die bei nichtselbständigen Einkünften erwachsen, ohne besonderen Nachweis ein Pauschbetrag iHv 132 € jährlich abzusetzen.
Der Pauschbetrag iHv 132 € jährlich steht auch dann im vollen Umfang zu, wenn neben Pensionseinkünften auch Einkünfte als aktiver Arbeitnehmer oder nachträgliche Einkünfte aus aktiver nichtselbständiger Tätigkeit bezogen werden (vgl Jakom/Lenneis, EStG, 2017, § 16 Rz 55; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 16 Tz 217). Notstandshilfe und ähnliche Bezüge iSd § 3 Abs 2 EStG sind im Fall einer Kontrollrechnung als Aktivbezüge zu werten und lassen daher - nach der Hochrechnung - den Abzug des Werbungskostenpauschbetrages zu (Jakom/Laudacher, EStG, 2017, § 3 Rz 122; Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 33 Tz 44).
Dem Ehemann der Beschwerdeführerin steht somit der Werbungskostenpauschbetrag iHv 132 € für das Kalenderjahr 2010 - wie auch von der belangten Behörde angenommen - zu, da sein steuerpflichtiges Einkommen für das Jahr 2010 mittels Kontrollrechnung ermittelt wurde.
Der für die Einkunftsgrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG im Jahr 2010 maßgebliche Betrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin errechnet sich daher wie folgt (vgl Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 33 Tz 44/3; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 33 Tz 77; VwGH 10.5.2001, 99/15/0256):
| € |
Bruttobezüge (Kz 210 des Lohnzettels) | 7.444,71 € |
abzüglich steuerfreie sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels | - 977,76 € |
abzüglich Sozialversicherungsbeiträge für laufende Bezüge | - 351,88 € |
abzüglich Werbungskostenpauschbetrag | - 132 € |
maßgebliche Einkünfte iSd § 33 Abs 4 Z 1 EStG | 5.983,07 € |
Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat somit im Kalenderjahr 2010 entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht mehr als 6.000 € an maßgeblichen Einkünften bezogen und somit den Grenzbetrag des § 33 Abs 4 Z 1 EStG nicht überschritten. Der für die Aufhebung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2010 vom 28.2.2011 von der belangten Behörde herangezogene Aufhebungsgrund vermag daher nicht die vorgenommene Aufhebung nach § 299 BAO zu tragen, weshalb sich der angefochtene Aufhebungsbescheid als rechtswidrig erweist.
Nach § 299 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat. Die Aufhebung des aufhebenden Bescheides beseitigt vom Aufhebungsbescheid zwingend abgeleitete Bescheide (somit bei unlösbarem rechtlichem Zusammenhang) aus dem Rechtsbestand (Ritz, BAO5, § 299 Rz 60 mit Verweis auf Zorn, in Holoubek/Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren, 253 ff; Stoll, BAO, 2894 ff; Tanzer, in Holoubek/Lang, Das verfassungsgerichtliche Verfahren, 197 ff; VwGH 11.12.2003, 2003/14/0032).
Der gleichzeitig mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid erlassene neue Einkommensteuerbescheid 2010 vom 27.5.2011, sowie die Berufungsvorentscheidung vom 4.7.2011, scheiden somit ex lege aus dem Rechtsbestand aus, da es sich bei diesen Bescheiden um mit dem Aufhebungsbescheid in unlösbarem rechtlichem Zusammenhang stehende Bescheide handelt.
Der aufgehobene Einkommensteuerbescheid 2010 vom 28.2.2011 tritt infolge § 299 Abs 3 BAO wieder in Kraft, wodurch das Einkommensteuerverfahren 2010 (wieder) rechtskräftig beendet ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 BVG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich ist die vorgenommene rechtliche Beurteilung, dass der Einkommensteuerbescheid eines Ehepartners keine Bindungswirkung für die Überprüfung des Grenzbetrages nach § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 im Verfahren einer Partei, welche einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt, hat. Da zu dieser Rechtsfrage bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, war die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zuzulassen.
Wien, am 19. Juli 2017
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 22.02.2000, 96/14/0018 |