Rechtssatz
Nach § 179 Abs 4 Z 4 StPO (§ 182 Abs 4 zweiter Satz StPO) hat jeder Beschluss eines Oberlandesgerichtes über die Fortsetzung der Untersuchungshaft „die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht" für das Oberlandesgericht ergibt, zu enthalten. Das bedeutet, dass einerseits mit Bestimmtheit anzugeben ist, welcher - in Hinsicht auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit als begründet angesehenen strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien, also Tatbeständen; vergleiche § 260 Abs 1 Z 2 StPO) rechtlich als entscheidend beurteilte - Sachverhalt angenommen wurde (sog Feststellungsebene), andererseits klarzustellen ist, auf welchen ganz bestimmten Tatumständen (Beweisergebnissen, sog erheblichen Tatsachen) diese Sachverhaltsannahmen über die sog entscheidenden Tatsachen ruhen (sog Begründungsebene). Geschieht dies nicht, liegt eine Grundrechtsverletzung vor (§ 10 GRBG in Verbindung mit § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO). Insoweit unterscheidet sich die formale Begründungspflicht für Haftbeschlüsse nicht von derjenigen für ein Strafurteil.
13 Os 81/07x | OGH | 16.07.2007 |
Beisatz: Das Beschwerdegericht kann sich dabei auch auf die Feststellung haftrelevanter Umstände einiger weniger Taten aus einer umfangreichen Verdachtslage beschränken, doch müssen diese hafttragend sein. (T1)<br/>Beisatz: Den gesetzlichen Deutlichkeitserfordernissen wird nicht entsprochen, wenn sich das Beschwerdegericht damit begnügt, die Sachverhaltsannahmen des Untersuchungsrichters zu zitieren und diese - ohne Herstellung eines Zusammenhangs zur dort vorgenommenen Faktenbezeichnung - teilweise zu kommentieren, ohne jedoch zu irgendeiner der dem Beschuldigten angelasteten Taten eine klare und für Dritte nachvollziehbare Aussage darüber zu treffen, von welchen eigenen Sachverhaltsannahmen es ausging oder auf welchen konkreten Beweisergebnissen diese basieren. (T2)<br/>Beisatz: Um Undeutlichkeit zu vermeiden genügt es nicht, undeutlich auf den Akteninhalt, frühere Beschlüsse oder Entscheidungen des Erstgerichts zu verweisen, vage mehrere Varianten eines möglichen Tatgeschehens anzudeuten und dazu weitgehend pauschal Bezugsstellen aktenkundiger polizeilicher Erhebungsergebnisse zu zitieren. (T3) |
14 Os 135/07w | OGH | 30.10.2007 |
Beisatz: Hier: Grundrechtsverletzung bejaht. (T4)<br/>Beisatz: Die Defizite der Sachverhaltsannahmen erfordern eine unverzügliche Klärung der Haftvoraussetzungen im Rahmen einer Haftverhandlung, nicht aber die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. (T5) |
13 Os 181/08d | OGH | 17.12.2008 |
Beis ähnlich wie T1; Beisatz: Das Beschwerdegericht kann sich zwar darauf beschränken, Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht nur insoweit zu treffen, als dies für die Haftvoraussetzung des § 173 Abs 1 StPO erforderlich ist. Die solcherart für dringend wahrscheinlich gehaltenen Straftaten müssen jedoch stets den Anforderungen des § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO entsprechen. (T6) |
13 Os 19/13p | OGH | 27.03.2013 |
Auch; Auch Beis wie T5; Beisatz: Setzt das Oberlandesgericht im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung (§ 87 Abs 1 StPO) die Untersuchungshaft fort, muss es selbst Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht treffen, welche die rechtliche Beurteilung, ob durch die solcherart als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen ‑ objektiv wie subjektiv ‑ eine hafttragende strafbare Handlung begründet wird, ermöglichen. (T7) |
12 Os 51/14p | OGH | 08.05.2014 |
Auch |
Dokumentnummer
JJR_20060613_OGH0002_0140OS00059_06T0000_001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)