OGH 5Ob148/07m; 4Ob87/08k; 5Ob231/10x; 10Ob84/11t; 7Ob214/11p; 9Ob52/12f; 4Ob241/12p; 9Ob32/12i; 8Ob54/14w; 9Ob45/14d; 7Ob143/14a; 9Ob48/15x; 9Ob79/16g; 1Ob138/16z; 1Ob244/16p; 7Ob88/17t; 6Ob233/17h; 1Ob16/22t; 7Ob1/23g; 3Ob9/23d (RS0123136)

OGH5Ob148/07m; 4Ob87/08k; 5Ob231/10x; 10Ob84/11t; 7Ob214/11p; 9Ob52/12f; 4Ob241/12p; 9Ob32/12i; 8Ob54/14w; 9Ob45/14d; 7Ob143/14a; 9Ob48/15x; 9Ob79/16g; 1Ob138/16z; 1Ob244/16p; 7Ob88/17t; 6Ob233/17h; 1Ob16/22t; 7Ob1/23g; 3Ob9/23d21.11.2023

Rechtssatz

a) Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind.

b) Wird beim Organscreening im Rahmen pränataler Diagnostik ein Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge einer Meningomyelozele nicht entdeckt und unterbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren, obwohl diagnoserelevante Strukturen nicht einsehbar waren, dann liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB zu Letzterem entschlossen, haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind. In einem solchen Fall stünden sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.

wrongful birth — wrongful life

 

Normen

ABGB §1293
ABGB §1295 Abs1 Ia3f
ABGB §1295 Abs1 Ia9
ABGB §1295 Abs1 IIc
ABGB §1295 Abs1 IIf7f
ABGB §1295 Abs1 IIf9
ABGB §1299 B
StGB §97 Abs1 Z2

5 Ob 148/07mOGH11.12.2007
4 Ob 87/08kOGH10.06.2008

nur: Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. (T1)<br/>Veröff: SZ 2008/82

5 Ob 231/10xOGH08.03.2011

Auch; nur T1; Beisatz: Maßgeblich ist dafür der aktuelle anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. (T2)

10 Ob 84/11tOGH04.10.2011

Auch

7 Ob 214/11pOGH27.02.2012

Auch; nur: Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind. (T3)<br/>Beisatz: Hier: Der Beklagte schuldete nicht die Durchführung einer Fruchtwasser‑/Plazentapunktion. Ob eine solche Untersuchung vorgenommen werden soll, muss die Frau selbst entscheiden. Er schuldete aber eine umfassende neutrale Beratung über die Untersuchungsmethoden, die zur Feststellung einer Trisomie 21 geeignet sind, samt deren Vor- und Nachteilen, sodass der Frau eine sachgerechte Entscheidung über die Art der Abklärung und einen allfälligen, gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch ermöglicht wird. (T4)<br/>Beisatz: Es besteht kein Anlass, die §§ 1301, 1304 ABGB, die nicht unmittelbar zum Tragen kommen können, analog schlicht zum Zweck der Anspruchskürzung heranzuziehen. (T5)

9 Ob 52/12fOGH17.12.2012

nur T1

4 Ob 241/12pOGH12.02.2013

nur T1

9 Ob 32/12iOGH21.02.2013

Auch; Beisatz: Die im Rahmen eines Behandlungsvertrags bestehenden Pflichten eines Krankenanstaltenträgers gehen nicht so weit, dass der Krankenanstaltenträger eine vom Patienten gewünschte Behandlungsmethode auch dann anzubieten und durchzuführen hätte, wenn sie vom im Krankenhaus behandelnden Arzt nach seinem Wissen und seiner Erfahrung als nicht erfolgversprechend abgelehnt wird und darin ‑ ex ante gesehen ‑ im Rahmen des medizinischen Kalküls auch keine Verkennung der Sachlage liegt. (T6)

8 Ob 54/14wOGH23.07.2014

Auch; nur T1; Beis wie T2, Beisatz: Die pränatale Diagnostik dient vor allem der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes. Ihr Zweck liegt daher auch darin, der Mutter bzw den Eltern im Fall, dass dabei drohende schwerwiegende geistige oder körperliche Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Einschätzung und Reaktion - die zunehmend auch in pränatalen Behandlungen liegen kann - zu ermöglichen. (T7); Veröff: SZ 2014/68

9 Ob 45/14dOGH22.07.2014

nur T1

7 Ob 143/14aOGH17.09.2014

Auch; nur T1; Beis wie T2

9 Ob 48/15xOGH27.08.2015

Auch; nur T1; Beis wie T2

9 Ob 79/16gOGH19.12.2016

Auch; nur T1; Beis wie T2

1 Ob 138/16zOGH23.11.2016

nur T1; Beis wie T2; Beisatz: Zum zumutbaren Erkenntnisstand eines Facharztes zählt auch der Inhalt des zu einem Verhütungsmittel vom Hersteller ausgelieferten und Warnhinweise enthaltenden Beipackzettels. (T8)<br/>Beisatz: Hier: Aufklärungspflicht über das bei der „Spirale“ behandlungstypische Risiko ihres „Abwanderns“. (T9)

1 Ob 244/16pOGH31.01.2017

nur T1; Beis wie T2; Beisatz: Voraussetzung für eine sachgerechte Behandlung ist die diagnostische Abklärung der Beschwerden durch Erhebung der erforderlichen Befunde und deren fachgerechte Auswertung. (T10)<br/>Beisatz: Hier: Fehldiagnose. (T11)

7 Ob 88/17tOGH27.09.2017

Auch; Beis wie T2; nur T1

6 Ob 233/17hOGH17.01.2018

Auch; nur T1; Beis ähnlich wie T10; Beisatz: Auch bei der Erstellung einer Diagnose ist daher entscheidend, wie ein verantwortlicher Arzt in der konkreten Situation vorgegangen wäre; weitergehende Untersuchungen können dort nicht verlangt werden, wo nach den Umständen des konkreten Falls keine Anhaltspunkte oder konkrete Verdachtsmomente für eine durch eine solche Untersuchung feststellbare Erkrankung oder Verletzung vorliegen. (T12)

1 Ob 16/22tOGH21.02.2022

Vgl auch; nur T1

7 Ob 1/23gOGH21.02.2023
3 Ob 9/23dOGH21.11.2023

Beisatz: Hier: Mangelnde Aufklärung durch den Gynäkologen im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung, dass dem Kind eine obere Extremität zur Gänze fehlt. (T13)

Dokumentnummer

JJR_20071211_OGH0002_0050OB00148_07M0000_001

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