OGH 5Ob104/12y (RS0128438)

OGH5Ob104/12y25.11.2020

Rechtssatz

1. Ziel des KSÜ ist unter anderem die Bestimmung des Staats, dessen Behörden zur Setzung von Maßnahmen zum Schutz des Kindes zuständig sind. Das Übereinkommen trachtet daher, konkurrierende Zuständigkeiten zwischen den Behörden verschiedener Vertragsstaaten weitgehend zu vermeiden, und stellt dazu auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab. Nach Art 5 Abs 1 KSÜ sind die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Schutzmaßnahmen im Sinne des Übereinkommens zu treffen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Minderjährigen bestimmt damit die internationale Zuständigkeit.

2. Da der Grundsatz der perpetuatio fori in diesem Übereinkommen grundsätzlich nicht zum Tragen kommt, kann die internationale Zuständigkeit auch noch während eines zulässig anhängig gemachten Verfahrens wegfallen. Das ist nach Art 5 Abs 2 KSÜ der Fall, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Vertragsstaat verlegt, weil damit dessen (internationale) Zuständigkeit begründet wird.

3. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird im Übereinkommen nicht definiert, sodass er autonom auszulegen ist. Das bedeutet, dass dieser Begriff als zentraler Anknüpfungspunkt für die Begründung der internationalen Zuständigkeit nach dem Wortlaut und dem Kontext des Übereinkommens sowie dessen Zielen zu bestimmen ist.

4. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art 5 KSÜ ist gleich auszulegen wie in den diesen Begriff enthaltenden Bestimmungen des MSÜ und der Brüssel IIa‑VO, weil den Zielsetzungen der genannten internationalen Übereinkommen der Schutz der Person des Kindes (das Kindeswohl) und die räumliche Nähe der zur Entscheidung berufenen Stellen zugrunde liegen. Dazu kann auf bestehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

Normen

KSÜ Art5
MSÜ allg
Brüssel IIa-VO allg

5 Ob 104/12yOGH20.11.2012

Bem: Zur Rechtsprechung zum gewöhnlichen Aufenthalt vgl RS0046742, RS0074327, RS0074198. (T1)

5 Ob 80/16zOGH25.08.2016

Auch; nur: Da der Grundsatz der perpetuatio fori in diesem Übereinkommen grundsätzlich nicht zum Tragen kommt, kann die internationale Zuständigkeit auch noch während eines zulässig anhängig gemachten Verfahrens wegfallen. (T2)<br/>nur: Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird im Übereinkommen nicht definiert, sodass er autonom auszulegen ist. (T3)<br/>Beisatz: Nach der herrschenden Auffassung kommt es für die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf die Absicht an, dauernd an einem Ort verbleiben zu wollen, sondern darauf, ob jemand tatsächlich einen Ort zum Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehungen macht. Maßgeblich sind die dauerhaften Beziehungen einer Person zu ihrem Aufenthaltsort, sodass sich der Aufenthalt ausschließlich nach tatsächlichen Umständen bestimmt. (T4)<br/>Beisatz: Der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes drückt sich in seiner sozialen und familiären Integration aus. (T5)

1 Ob 205/18fOGH30.04.2019

nur: Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird im Übereinkommen nicht definiert, sodass er autonom auszulegen ist. Das bedeutet, dass dieser Begriff als zentraler Anknüpfungspunkt für die Begründung der internationalen Zuständigkeit nach dem Wortlaut und dem Kontext des Übereinkommens sowie dessen Zielen zu bestimmen ist. (T6)<br/>nur: Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art 5 KSÜ ist gleich auszulegen wie in den diesen Begriff enthaltenden Bestimmungen des MSÜ und der Brüssel IIa‑VO, weil den Zielsetzungen der genannten internationalen Übereinkommen der Schutz der Person des Kindes (das Kindeswohl) und die räumliche Nähe der zur Entscheidung berufenen Stellen zugrunde liegen. Dazu kann auf bestehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden. (T7)<br/>Beis wie T4; Beis wie T5

9 Ob 52/20tOGH25.11.2020

Vgl

Dokumentnummer

JJR_20121120_OGH0002_0050OB00104_12Y0000_002

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