Die Einladung der ZöR, ein bestes oder schlechtestes Erkenntnis des VfGH zu benennen, führt leichthin zu einer ernsten Frage: Wonach bemisst sich eigentlich die Qualität einer gerichtlichen Entscheidung? Zuallererst nach ihrer Übereinstimmung mit dem Recht, werden Staatsrechtslehrende geneigt sein zu antworten, und einige setzen vielleicht noch hinzu, dass es auch nicht angehe, seine Einsicht in das Recht aus „irgendwelchen Menschlichkeitsrücksichten“ zu beschneiden1 – diesen Maßstab hat Merkl formuliert, wohlweislich aber nur für Rechtstheoretiker. Der Rechtspraktiker hingegen, meint Merkl, „ist und sei Jurist und Mensch nicht bloß in einer Person, sondern auch in derselben Handlung! Sogar etwas unjuristisch zu werden zugunsten des ethischen Postulates, ganzer Mensch zu sein, wird man ihm verzeihen dürfen.“2 Kurt Gottlich, langjähriges Mitglied des VfGH, hätte das wohl wörtlich unterschrieben. Er war ein glänzender Jurist, ein raffinierter Stratege, ein politischer Kopf und ein großherziger Mensch – all das hat er in seiner richterlichen Tätigkeit virtuos vereint. Ihm sind die folgenden Zeilen gewidmet; sie reflektieren ein Judikat des VfGH, in dem das Juristische und das Menschliche besonders glücklich verbunden sind.