Dass der Rechtsanwalt ein Vorbringen, an das er vor dem Hintergrund der damals vorhandenen OGH-Rsp nicht denken musste, im Prozess nicht rechtzeitig erstattet hat, begründet nach 6 Ob 95/21w = Zak 2021/467, 258 keinen Sorgfaltsverstoß, auch wenn es aufgrund einer Judikaturänderung erfolgreich gewesen wäre. Der Autor erkennt ein Spannungsverhältnis zwischen dieser Entscheidung und der Judikatur, nach welcher der Rechtsanwalt stets den sichersten Weg einschlagen muss. Bei mehreren denkbaren Argumentationswegen, die einander nicht ausschließen oder zueinander im Widerspruch stehen, bestehe der sicherste Weg aus einem kumulativen Vorbringen. Dass der allein gewählte Argumentationsweg auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhe, schließe einen Sorgfaltsverstoß daher nicht aus.