Den Rechtswissenschafter Alfred Noll hat die Verfassungsgerichtsbarkeit immer interessiert; und zwar, wie könnte es bei einem Universalgelehrten und politischen Menschen wie dem Jubilar anders sein, nicht nur in ihrer verfassungsrechtlichen Ausgestaltung, sondern insbesondere auch in ihrer Funktion im und ihren Auswirkungen auf das politische System1. Im Fokus der Überlegungen steht bei Alfred Noll, wie auch sonst in der wissenschaftlichen Diskussion über Verfassungsgerichtsbarkeit in aller Regel, die Institution, ihre Funktion und Bedeutung. Die nachstehenden Überlegungen setzen demgegenüber an zwei Detailfragen der Organisation und des Verfahrens des VfGH an, die eher Spezifika des österreichischen Verfassungsgerichts zu sein scheinen und jedenfalls nicht wesentlich, schon gar nicht notwendig mit dem „österreichischen Modell“ der Verfassungsgerichtsbarkeit verbunden sind: die Größe des Spruchkörpers und die Tatsache, dass dieser in einem sogenannten „Sessionssystem“ berät und entscheidet. Beides sind – auch im internationalen Vergleich – Auffälligkeiten der Arbeitsweise des VfGH. Diesen beiden Besonderheiten seien im Folgenden einige Überlegungen gewidmet, die – Alfred Noll wird mir das verzeihen, ich hoffe, es wird ihm sogar gefallen – ihren Gegenstand aus (auch methodisch) verschiedenen Blickwinkeln, aus einer „teilnehmenden Beobachterperspektive“ und mit dem erklärten Anspruch auf Vorläufigkeit betrachten.