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Zu einer Systematik der Rücktrittsrechte insbesondere im Verbraucherrecht (3. Teil)

AufsätzeUniv.-Ass. Dr. Susanne Kalss und Univ.-Ass. Dr. Brigitta LurgerJBl 1998, 219 Heft 4 v. 20.4.1998

VIII. Die absolute Frist

Das Rücktrittsrecht erlischt gem § 3 KSchG spätestens einen Monat nach der vollständigen Erfüllung des Vertrages durch beide Vertragspartner208)208)Diese Formulierung wurde im Zuge der EWR-Anpassungen mit der Novelle BGBl 1993/247 in das KSchG eingeführt. Sie deckt sich mit der absoluten Frist in § 2 des deutschen HaustürwiderrufsG, ist aber durch die EG-Haustür-RL nicht vorgezeichnet. Art 5 der RL verlangt eine Frist von mindestens 7 Tagen, die ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Belehrung zu laufen beginnt. Die RL trägt es dem Staat auf, Schutz zu gewähren, wenn die vorgeschriebene Belehrung nicht erfolgt (Art 4), erlaubt aber gleichzeitig, daß das Rücktrittsrecht dem Verfahren und den Bedingungen unterworfen wird, die staatliche Vorschriften vorsehen. Ob die einschränkende Bedingung einer absoluten Frist von einem Monat dem Verbraucher noch den von der RL geforderten Schutz bei Ausbleiben der Belehrung zu bieten imstande ist, wurde noch nicht endgültig geklärt.. Die Festlegung der absoluten Frist von einem Monat nach beidseitiger Erfüllung des Vertrags zeigt, daß sie auf Zielschuldverhältnisse zugeschnitten ist: Nach beidseitiger Erfüllung des Vertrags besteht im Regelfall kein Schutzbedürfnis für eine nachträgliche Auflösung und Rückabwicklung. Ein weiterbestehender Schwebezustand würde - nach der Wertung des Gesetzgebers - eine zu einseitige Belastung des Unternehmers darstellen. Bei Abzahlungsgeschäften und Verträgen über die Lieferung von Druckwerken besteht das Rücktrittsrecht bis zur Übergabe der entsprechenden Urkunden fort209)209) Apathy in Schwimann 2 § 3 KSchG Rz 10. Nach der ausdrücklichen Bestimmung von § 26 KSchG gilt das „lange“ Rücktrittsrecht auch bei Verträgen über die wiederholte Lieferung von Druckwerken; Koziol/Welser, Grundriß10I 528.. Ein Dauerschuldverhältnis - und um solche handelt es sich meist beim generellen Typenrücktritt - ist erst bei seiner Beendigung von beiden Parteien vollständig erfüllt, das kann oft viele Jahre nach dem Vertragsabschluß sein210)210)Zu bedenken sind auch unbillige Folgen der Rückabwicklung, wenn sie nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen durchgeführt werden sollte; zum Girovertrag vgl Schlaus, ZHR 151 (1987) 190. . Dem Verbraucher noch einen Monat Zeit zum Rücktritt wegen „Fortwirkens“ der Überrumpelungssituation beim Vertragsabschluß zu gewähren, erscheint nicht notwendig211)211)Vgl 809 BlgNR 18. GP 6; Apathy in Schwimann 2 § 3 KSchG Rz 10; Kalss, Auswirkungen des EWR auf das österreichische Zivilrecht, RdW 1994, 73; Knobl, Bankenrecht, in: Koppensteiner (Hrsg), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht, Teil 3 (1996) 154; krit für den Fall der Nichtbekanntgabe der Anschrift und des Namens des Rücktrittsempfängers: Riedler, Die Anpassung des KSchG an das EWR-Abkommen, ecolex 1994, 88. Das parallele Problem des unbefristeten Haustürrücktritts bei fehlender Belehrung tauchte nach der alten österr Rechtslage schon für Abzahlungsgeschäfte und § 26-Geschäfte auf: In der Literatur wurde das „unendliche Rücktrittsrecht“ von Anfang an kritisiert: Doralt/Koziol, Stellungnahme zum Ministerialentwurf des Konsumentenschutzgesetzes (1975) 15; Schilcher in Krejci, HdB KSchG 311 f; Krejci in Rummel 2 § 3 KSchG Rz 49.. Diese immens lange absolute Frist würde sogar die absoluten Fristen der generellen Typenrücktrittsrechte übersteigen; zB § 6 TNG: drei Monate und vierzehn Tage ab Aushändigung der Vertragsurkunde; § 5 BTVG: ein Monat ab Abgabe der Erklärung. Weder bei fehlender Rücktrittsbelehrung nach § 3 Abs 1 KSchG noch nach dem hier vertretenen Hinausschieben des Haustürrücktritts bei fehlenden typenspezifischen Informationen könnte daher eine solch lange absolute Frist gerechtfertigt werden. Der Kunde, der keine ausreichenden Informationen erhalten hat, kann daher nach Verstreichen der zB dreimonatigen absoluten Typenrücktrittsfrist nicht auf die dem Wortlaut nach längere Frist des § 3 KSchG zurückgreifen und nach zB sechs Monaten wegen Haustür-Überrumpelung vom Vertrag zurücktreten, obgleich ihm nach dem TNG oder den sonstigen speziellen Typenvorschriften ein Rücktritt nicht mehr zusteht212)212)Zu der parallelen deutschen Bestimmung in § 2 HaustürwiderrufsG (vom 16. 1. 1986 BGBl I 122) existieren E, die die absolute Rücktritts-/Widerrufsfrist erst mit der vollständigen beiderseitigen Erfüllung und damit der Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses zum Laufen bringen wollen (BGHZ 97, 127 [134]; OLG Karlsruhe NJW 1985, 2722; LG Hanau 22. 10. 1993 - 1 O 1123/93 unveröff und jüngst BGH, Verbraucher und Recht 1997, 251 [Anm Tonner] zu Timesharing-Verträgen), und dazu auch zustimmende Meinungen aus der Literatur: Hildenbrand, Time-Sharing-Verträge in der Rechtspraxis, NJW 1994, 1996; Fischer/Machunsky, Haustürwiderrufsgesetz-Kommentar2 (1995) § 2 HTWG Rz 61; mit Zweifeln bei Timesharing-Verträgen: Putzo in Palandt, BGB56 § 2 HTWG Rz 4. AAWolf in Soergel, BGB12 § 2 HTWG Rz 6: Er will bei manchen Verträgen auf einzelne Leistungsabschnitte abstellen, die einer selbständigen wirtschaftlichen Bewertung durch den Kunden zugänglich sind, sonst auf die Erzielung des einheitlichen Gesamterfolgs..

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