I. Einleitung
Die zu besprechende Reform des Scheidungsrechts*) wäre möglicherweise nicht nötig gewesen, hätte die Rechtsprechung ihre Aufgabe wahrgenommen. Stein des Anstoßes war § 55 Abs 2 Satz 2 EheG in der vom OGH entwickelten Auslegung, die, wie die Rechtsprechung des Reichsgerichts vor 1945 gezeigt hat, keineswegs die allein mögliche ist. Einfallstor für die unterschiedlichen Auslegungsergebnisse ist einmal der Widerspruch im Text des § 55 EheG, der in Abs 1 das „eheliche Verhältnis“, in Abs 2 aber die „Ehe“ anspricht. Sinnvoll löst sich dieser Widerspruch nur, wenn man „eheliches Verhältnis“ als eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft anspricht, unter „Ehe“ des Abs 2 aber das Eheband als solches versteht1).