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28 Veranlagung (§§ 39 bis 46 EStG 1988)

BMF2023-0.871.81913.3.2024

28.1 Allgemeine Veranlagung und Veranlagungszeitraum (§ 39 EStG 1988)

Rz 7501
Veranlagen heißt, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln und die Steuern festzusetzen. Veranlagungszeitraum ist grundsätzlich das Kalenderjahr. Es bleibt auch dann Veranlagungszeitraum, wenn der Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelt wird (siehe Rz 179 ff). Bei Rumpfwirtschaftsjahren können zwei (theoretisch auch mehrere) Wirtschaftsjahre der Veranlagung eines Kalenderjahres zu Grunde gelegt werden.

28.1.1 Beginn bzw. Ende der Steuerpflicht während des Veranlagungszeitraumes

Rz 7502
Bei Begründung (zB Geburt, Zuzug aus dem Ausland) oder Beendigung (zB Tod, Wegzug ins Ausland) der Steuerpflicht während eines Kalenderjahres ist das während der Dauer der Steuerpflicht bezogene Einkommen der Veranlagung zu Grunde zu legen. Die Veranlagung kann bei Wegfall der Steuerpflicht sofort vorgenommen werden (§ 39 Abs. 2 EStG 1988).

28.1.2 Wechsel der Steuerpflicht

Rz 7503
Wird ein unbeschränkt Steuerpflichtiger innerhalb eines Kalenderjahres beschränkt steuerpflichtig oder umgekehrt (zB Wohnsitzverlegung ins Inland oder vom Inland ins Ausland), so bestehen innerhalb des Kalenderjahres zwei Veranlagungszeiträume (§ 39 Abs. 1 EStG 1988). Die Einkünfte, die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht, und jene, die während der Dauer der beschränkten Steuerpflicht bezogen wurden, sind getrennt zu veranlagen (VwGH 26.9.1990, 86/13/0104).

28.1.3 Einkünfte der Verlassenschaft

Rz 7504
Die der Verlassenschaft zufließenden Einkünfte sind (grundsätzlich) bereits dem oder den Erben zuzurechnen und bleiben bei der Veranlagung des Erblassers außer Ansatz. Solange der Nachlass nicht eingeantwortet ist, sind die Abgabenbescheide für Zeiträume vor dem Todestag an die Verlassenschaft nach dem Steuerpflichtigen, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, den erbserklärten Erben oder den Erbenmachthaber zu richten (VwGH 25.9.1992, 90/17/0331).

Rz 7505
Stirbt ein Mitunternehmer, ist sein Gewinnanteil für die Zeit bis zu seinem Todestag auch im Fall eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres in dem Kalenderjahr steuerlich zu erfassen, in das der Todestag fällt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mangels einer Teilung des Wirtschaftsjahres in zwei Rumpfwirtschaftsjahre der gesamte Gewinn der Gesellschaft gemäß § 188 BAO festgestellt wird (VwGH 20.01.1988, 87/13/0026).

28.1.4 Rechtsanspruch auf Veranlagung

Rz 7506
Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung stellt ein Anbringen dar (§ 85 BAO), über das mit Bescheid (§ 92 BAO, § 198 BAO) ohne unnötigen Aufschub (§ 311 Abs. 1 BAO) abzusprechen ist. Auch ein Null- oder Nichtveranlagungsbescheid (Bescheid, mit dem keine Einkommensteuer festgesetzt wird) ist möglich.

28.1.5 Grenzgänger

Rz 7507
Von den Einkünften österreichischer Grenzgänger, die im Inland ihren Wohnsitz und im Ausland ihre Arbeitsstätte haben, wird die Einkommensteuer im Wege der Veranlagung erhoben (VwGH 23.10.1990, 89/14/0302). Gemäß § 67 Abs. 11 EStG 1988 und § 68 Abs. 8 EStG 1988 sind die Begünstigungen der § 67 Abs. 1, 2, 6 und 8 EStG 1988 sowie § 68 Abs. 1 bis 6 EStG 1988 anzuwenden. Die Gewährung der in § 68 EStG 1988 vorgesehenen Begünstigungen steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen im Wege der Amtshilfe; diese ist nicht nur im Verhältnis zu Deutschland und Italien, sondern auch im Verhältnis zu Liechtenstein gegeben (vgl. dazu näher den Erlass des BMF vom 25.1.1999, 04 3202/1-IV/4/99, AÖF Nr. 55/1999).

28.1.6 Inländisches Personal ausländischer diplomatischer Vertretungen oder ausländischer Unternehmen

Rz 7508
Bei Arbeitnehmern, die im Inland bei Arbeitgebern beschäftigt sind, welche nach Völkerrecht, auf Grund von Staatsverträgen oder wegen Fehlens einer inländischen Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 nicht zur Vornahme des Steuerabzuges vom Arbeitslohn verhalten werden können, ist die Einkommensteuer im Veranlagungsweg zu erheben. Gemäß § 67 Abs. 11 EStG 1988 und § 68 Abs. 8 EStG 1988 sind die Begünstigungen der § 67 Abs. 1, 2, 6 und 8 EStG 1988 sowie § 68 Abs. 1 bis 6 EStG 1988 anzuwenden.

Rz 7509
Zu inländischen Grenzgängern, die in einem an Österreich angrenzenden Staat bei einem ausländischen Arbeitgeber tätig sind, sowie zu ausländischen Vertretungen in Österreich siehe LStR 2002 Rz 927.

28.1.7 Veranlagung von Amts wegen

Rz 7510
Die Durchführung einer Veranlagung ist nicht an das Vorliegen einer Steuererklärung gebunden. Die Veranlagung von Amts wegen richtet sich nach den Grundsätzen der BAO (insbesondere §§ 114, 115 und 184 BAO).

28.1.8 Freigrenze für geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen

Rz 7511
Sind im Einkommen Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten, so bleiben Überschüsse aus dieser Einkunftsart außer Ansatz, wenn sie 22 € nicht übersteigen. Die Freigrenze von 22 € (siehe auch Rz 7578§ 39 EStG 1988 als auch bei der Veranlagung nach § 41 EStG 1988 zu berücksichtigen. Die erhobene Kapitalertragsteuer ist gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 auf die veranlagte Einkommensteuer nicht anzurechnen (siehe Rz 7578). Die Freigrenze bei kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften ist auf die Summe der Einnahmen zu beziehen und haben daher nur Einnahmen unter 22 € außer Ansatz zu bleiben (VwGH 24.6.2003, 2000/14/0052).

28.1.9 Wahrnehmung von Besteuerungswahlrechten und Anträgen in der Veranlagung (§ 39 Abs. 4 EStG 1988)

Rz 7511a
Mit Wirksamkeit ab der Veranlagung 2023 wurde in § 39 Abs. 4 EStG 1988 eine generelle Regelung für die Ausübung von Besteuerungswahlrechten und Anträgen im Rahmen der Veranlagung aufgenommen. Gemäß § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 ist § 39 Abs. 4 EStG 1988 in gleicher Weise auch für die Körperschaftsteuerveranlagung maßgebend. Die Regelung stellt eine Generalnorm dar, die nur durch ausdrückliche speziellere Einzelbestimmungen verdrängt wird.

Rz 7511b
Besteuerungswahlrechte und Anträge sind in der Steuererklärung auszuüben, wenn dies auf dem amtlichen Vordruck oder im Rahmen der automationsunterstützten Datenübertragung vorgesehen ist (§ 133 BAO). Die Regelung soll eine verwaltungsökonomische Abwicklung des Besteuerungsverfahrens auf Grundlage der abgegebenen Steuererklärung gewährleisten. Sieht die Steuererklärung (Online-Eingabemaske) daher für Wahlrechte und Anträge Eingabefelder vor, sind diese auszufüllen. Sollen einzelne Änderungen nach dem Erstbescheid erfolgen, kann dies auch ohne weitere Abgabe einer vollständigen Steuererklärung erfolgen.

Rz 7511c
Soweit nichts Anderes bestimmt ist, können veranlagungsbezogene Besteuerungswahlrechte und Anträge nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Vorschriften nach erstmaligem Eintritt der Rechtskraft nachträglich ausgeübt oder geändert bzw. zurückgezogen werden. Voraussetzung dafür ist aber stets das Vorliegen eines tauglichen Verfahrenstitels zur allgemeinen Rechtskraftdurchbrechung (insbesondere eine Wiederaufnahme des Verfahrens, nicht aber Fälle von "Teilrechtskraftdurchbrechung" wie etwa § 293b BAO).

Besteht eine abweichende Spezialregelung, geht diese der allgemeinen Regelung vor. So sieht zB § 37 Abs. 9 EStG 1988 vor, dass das Wahlrecht auf (Rückwärts)Verteilung von positiven Einkünften aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit bei erstmaliger Veranlagung auf Grund eines in der Steuererklärung zu stellenden unwiderruflichen Antrages auszuüben ist. Dementsprechend ist das Antragsrecht verwirkt, wenn es nicht bei der erstmaligen Veranlagung des betreffenden Jahres in der Steuererklärung gestellt wird.

Rz 7511d
Die bloße Stellung bzw. Zurückziehung eines Antrages oder Ausübung bzw. Änderung eines Besteuerungswahlrechtes stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar. § 295a BAO kann somit keinen Verfahrenstitel darstellen, der - ohne Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - eine nachträgliche Ausübung/Änderung eines Besteuerungswahlrechtes ermöglicht.

Beispiel:

A gibt seinen Kleinbetrieb im Jahr 1 auf und erfüllt die Voraussetzungen für die Dreijahresverteilung des Aufgabegewinnes gemäß § 37 Abs. 2 Z 1 EStG 1988. A unterlässt eine diesbezügliche Antragstellung in der Veranlagung des Jahres 1 und wird mit Bescheid vom 5.8. des Folgejahres rechtskräftig veranlagt. Im Jahr 4 erfährt A von der Möglichkeit der Dreijahresverteilung und beantragt, den Bescheid des Jahres 1 mit der Begründung zu ändern, seine Antragstellung sei als Willenserklärung ein Ereignis, das iSd § 295a BAO abgabenrechtliche Wirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Jahres 1 hätte.

Der Antrag ist auf Grundlage des § 39 Abs. 4 letzter Satz EStG 1988 abzuweisen. Würden im Jahr 4 Tatsachen neu hervorkommen, die auf die Höhe des Aufgabegewinnes Auswirkung haben und zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) führen, könnte im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens der Antrag auf Dreijahresverteilung (erstmalig) gestellt werden.

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