VwGH 89/14/0302

VwGH89/14/030223.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 29. September 1989, Zl. 8/47/1-BK/Hö-1987, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
EStG 1972 §16 Abs1;
EStG 1972 §25;
EStG 1972 §41 Abs1 Z1;
EStG 1972 §41 Abs2 Z2;
EStG 1972 §42 Abs2 Z2;
EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §47;
EStG 1972 §81;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
EStG 1972 §16 Abs1;
EStG 1972 §25;
EStG 1972 §41 Abs1 Z1;
EStG 1972 §41 Abs2 Z2;
EStG 1972 §42 Abs2 Z2;
EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §47;
EStG 1972 §81;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielte im Jahre 1985 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die sich wie folgt zusammensetzten:

Pensionsbezüge von der Pensionsversicherungs-

anstalt der Angestellten S 161.889,--

negative Einkünfte aus nichtselbständiger

Arbeit - S 25.813,--

Summe S 136.076,--.

Die negativen Einkünfte bestanden ausschließlich aus Werbungskosten und resultierten aus einem Prozeß vor dem Arbeitsgericht, mit dem der Beschwerdeführer seine Weiterbeschäftigung als Dienstnehmer einer GmbH durchsetzen wollte, den er aber verlor.

Unbestritten ist die Höhe dieses Verlustes sowie dessen grundsätzliche steuerliche Anerkennung.

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hingegen darüber, ob für das Jahr 1985 eine Verlustveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 vorzunehmen war. Der Beschwerdeführer bejaht dies mit der Begründung, daß bei negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begrifflich kein Steuerabzug vom Arbeitslohn in Betracht komme. Negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien daher als negative "andere Einkünfte" im Sinne des § 41 Abs. 1 Z. 1 EStG anzusehen, bei deren Vorliegen eine Antragsveranlagung durchzuführen sei.

Im angefochtenen Bescheid wird von der belangten Behörde ohne weitere Begründung die Auffassung vertreten, daß auch negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit solche seien, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlägen.

In der Gegenschrift wird dazu ausgeführt, die Einkünfte des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit setzten sich zwar aus zwei "Einkunftstangenten" zusammen, weil kein Zusammenhang zwischen den Pensionsbezügen und den Werbungskosten bestehe; dies ändere aber nichts daran, daß die beiden Einkunftstangenten innerhalb der Einkunftsart "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" auszugleichen seien, sodaß per Saldo nur Einkünfte in Höhe von S 136.076,-- vorlägen, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlägen.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes

geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid lediglich kassatorisch entschieden und damit gegen die Vorschrift des § 289 Abs. 1 BAO verstoßen hat. Diese Rüge ist berechtigt.

Gemäß § 289 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sache ist bei veranlagten Abgaben nicht nur die Feststellung der Steuerpflicht sowie die Festsetzung der Abgabenbemessungsgrundlage und der Abgabe, sondern auch die Prüfung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung vorliegen. Ein Bescheid, mit dem festgestellt wird, daß keine Veranlagung durchzuführen ist, ergeht in derselben Sache, in der der Abgabenbescheid ergangen wäre, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung bejaht hätte (vgl. auch das zu Feststellungsbescheiden ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1989, Zl. 85/13/0176). Es liegt daher kein Fall vor, in dem das Gesetz (§ 289 Abs. 2 BAO) die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides erlaubt, weil sich die betreffende Anordnung nur auf ersatzlose Aufhebungen bezieht.

Die belangte Behörde hätte sich daher nicht darauf beschränken dürfen, den erstinstanzlichen, mit Berufung angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 aufzuheben und das Finanzamt anzuweisen, einen sogenannten "Nichtveranlagungsbescheid" zu erlassen, sondern sie hätte den letztgenannten Bescheid, sofern ein solcher überhaupt zu erlassen gewesen wäre, selbst zu erlassen gehabt. Der angefochtene Bescheid leidet daher insoweit an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit.

Zur materiell-rechtlichen Frage ist folgendes zu sagen:

Sind im Einkommen Einkünfte enthalten, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist, und sind die Voraussetzungen für die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 41 Abs. 1 EStG nicht gegeben, so wird der Steuerpflichtige gemäß Abs. 2 der zitierten Bestimmung nur auf Antrag veranlagt, sofern einer der dort angeführten Gründe vorliegt. Im Beschwerdefall kommt nur jener der Z. 2 in Betracht; diese lautet:

"wenn

...

2. die Summe der Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Z. 1 einen Verlust ergeben hat,

..."

Einkünfte im Sinne des § 41 Abs. 1 Z. 1 EStG sind solche, von denen kein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist, ausgenommen die steuerabzugspflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Die belangte Behörde setzt offensichtlich den Begriff "Summe der Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Z. 1" mit "Summe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" gleich. Dies ist jedoch unrichtig. Nicht alle Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen dem Steuerabzug vom Arbeitslohn. Voraussetzung für einen Steuerabzug vom Arbeitslohn ist nämlich gemäß § 47 Abs. 1 EStG, daß im Inland eine Betriebsstätte vorhanden ist.

Was als Betriebsstätte für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn anzusehen ist, bestimmt § 81 EStG. Danach ist unter Betriebsstätte der Betrieb oder Teil des Betriebes des ARBEITGEBERS zu verstehen, in dem die Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer vorgenommen wird und die Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer aufbewahrt werden. Eine Betriebsstätte im Sinne des § 81 EStG setzt somit unter anderem einen Arbeitgeber voraus. Arbeitgeber im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG auszahlt (§ 47 Abs. 1 letzter Satz leg. cit.).

Der Beschwerdeführer hatte jedenfalls nur einen Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts, und zwar die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. Nur diese zahlte "Arbeitslohn im Sinne des § 25" aus. Die vom Beschwerdeführer im Wege eines arbeitsgerichtlichen Prozesses angestrebte Weiterbeschäftigung bei einer GmbH führte zwar, wie die belangte Behörde richtig erkannte, zu Werbungskosten und damit zu negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Diese unterlagen aber mangels Auszahlung von Arbeitslohn durch einen Arbeitgeber im Sinne des § 47 in Verbindung mit § 25 EStG nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn. Sie waren daher "andere Einkünfte" im Sinne des § 41 Abs. 1 Z. 1 EStG und erfüllten damit die Voraussetzung für die Durchführung einer Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. Daran änderte auch der Umstand nichts, daß innerhalb der Einkunftsart des § 2 Abs. 3 Z. 4 EStG ein sogenannter "horizontaler" Verlustausgleich vorzunehmen war, der dazu führte, daß die Pensionseinkünfte des Beschwerdeführers, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlagen, um die negativen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gekürzt wurden. Gerade der steuerlichen Berücksichtigung solcher negativen Einkünfte dient ja die Verlustveranlagung.

Einen deutlichen Hinweis auf die Unrichtigkeit der Auffassung der belangten Behörde zeigt im übrigen auch das Beispiel von Steuerpflichtigen, die im selben Veranlagungszeitraum Einkünfte als Grenzgänger (§ 16 Abs. 1 Z. 4 letzter Satz EStG) und solche aus im Inland ausgeübter nichtselbständiger Arbeit bezogen haben. Beide Einkünfte sind solche aus nichtselbständiger Arbeit, aber nur die zweitgenannten unterliegen dem Steuerabzug vom Arbeitslohn. Die Einkünfte als Grenzgänger von einem ausländischen Arbeitgeber stellen hingegen "andere Einkünfte" im Sinne des § 41 Abs. 1 Z. 1 EStG dar und werden daher (gemeinsam mit den steuerabzugspflichtigen Einkünften) im Veranlagungsweg erfaßt.

Mit Rücksicht auf die Beschwerdeausführungen sieht sich der Gerichtshof noch zu folgender Feststellung veranlaßt, die allerdings den Sachverhalt des Beschwerdefalles nicht betrifft:

Der Umstand allein, daß Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Grunde nach dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, im Einzelfall negativ sein können, sodaß es NUR aus diesem Grund zu keinem tatsächlichen Steuerabzug vom Arbeitslohn kommt, ändert nichts daran, daß es sich dabei dem Grunde nach um steuerabzugspflichtige Einkünfte handelt. Als Einkünfte, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist, sind nämlich alle Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen, die die Voraussetzungen des § 47 EStG erfüllen. Ob infolge der geringen Höhe solcher Einkünfte oder deswegen, weil sie sogar negativ sind, ein tatsächlicher Steuerabzug unterbleibt, ändert nichts an ihrer rechtlichen Qualifikation als Einkünfte, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist.

Aus den oben angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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