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22.8 Zinsvortrag (§ 12a Abs. 6 Z 1 KStG 1988)

BMF2021-0.768.4855.11.2021

22.8.1 Allgemeines

Rz 1309dq
Ein im laufenden Wirtschaftsjahr nicht abzugsfähiger Zinsüberhang kann gemäß § 12a Abs. 6 Z 1 KStG 1988 auf Antrag in darauffolgende Wirtschaftsjahre vorgetragen werden (Zinsvortrag). Dadurch kann ein zunächst nicht abzugsfähiger Zinsüberhang auch in späteren Wirtschaftsjahren nach Maßgabe der Bestimmungen des § 12a KStG 1988 nachträglich vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Der Zinsvortrag kann - ähnlich dem Verlustvortrag - zeitlich unbefristet verwertet werden. Im Unterschied dazu ist die Verwertung des EBITDA-Vortrags zeitlich auf die darauffolgenden 5 Wirtschaftsjahre begrenzt (siehe zum EBITDA-Vortrag näher Rz 1309dy ff).

Rz 1309dr
Der Zinsvortrag erhöht die Zinsaufwendungen im Sinne des § 12a Abs. 3 KStG 1988 in den darauffolgenden Wirtschaftsjahren, nicht jedoch das steuerliche EBITDA der darauffolgenden Wirtschaftsjahre (§ 12a Abs. 6 Z 1 zweiter Satz KStG 1988).

Rz 1309ds
Die Berücksichtigung eines Zinsvortrages setzt einen Antrag der Körperschaft voraus. Der Antrag ist für jenes Wirtschaftsjahr zu stellen, in dem der Zinsüberhang nicht zur Gänze abgezogen werden kann, dh. im Entstehungsjahr des Zinsvortrages. Die Antragstellung erfolgt durch Ankreuzen der hierfür vorgesehenen Stelle in der Körperschaftsteuererklärung oder als formlose Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für das Veranlagungsjahr, in dem das betreffende Wirtschaftsjahr zu erfassen ist. Eine Antragstellung ist auch nach Ergehen des Körperschaftsteuerbescheides möglich und kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides nachgeholt werden (etwa im Rahmen einer Beschwerde oder im Wiederaufnahmeverfahren).

22.8.2 Entstehung des Zinsvortrages

Rz 1309dt
Der Zinsvortrag betrifft nur jenen Zinsüberhang, der nach Maßgabe von § 12a Abs. 1 bis 5 KStG 1988 im laufenden Wirtschaftsjahr nicht abgezogen werden kann. Ein Zinsvortrag entsteht daher nur insoweit, als der Zinsüberhang das verrechenbare EBITDA und den Freibetrag gemäß § 12a Abs. 1 KStG 1988 überschreitet und weder aufgrund der Ausnahme für eigenständige Unternehmen gemäß § 12a Abs. 2 zweiter Satz KStG 1988 noch jener aufgrund des Eigenkapitalquotenvergleichs gemäß § 12a Abs. 5 KStG 1988 abgezogen werden kann.

Beispiel:

Die A-GmbH weist im Wirtschaftsjahr X1 einen Zinsüberhang von 5 Mio. Euro und ein verrechenbares EBITDA von 2,5 Mio. Euro aus.

Der Zinsüberhang übersteigt sowohl das verrechenbare EBITDA iHv 2,5 Mio. Euro als auch den höheren Freibetrag iHv 3 Mio. Euro. Der nicht abzugsfähige Zinsüberhang beträgt daher 2 Mio. Euro. Dieser nicht abzugsfähige Zinsüberhang kann auf Antrag in darauffolgende Wirtschaftsjahre unbefristet vorgetragen werden.

Variante:

Die A-GmbH ist in X1 vollständig in einen Konzernabschluss einbezogen und kann nachweisen, dass ihre Eigenkapitalquote höher ist als jene des Konzerns (Eigenkapitalquotenvergleich gemäß § 12a Abs. 5 KStG 1988). Da die Ausnahmebestimmung anwendbar ist, kann die A-GmbH in X1 den Zinsüberhang zur Gänze abziehen. Ein Zinsvortrag entsteht daher nicht.

Rz 1309du
Ein im laufenden Wirtschaftsjahr zunächst nicht abzugsfähiger Zinsüberhang ist jedoch gemäß § 12a Abs. 6 Z 2 lit. b KStG 1988 bis zur Höhe der EBITDA-Vorträge aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren abziehbar (siehe zum EBITDA-Vortrag näher Rz 1309dy ff). Diese Verrechnung mit EBITDA-Vorträgen bewirkt daher insoweit eine Abzugsfähigkeit des Zinsüberhangs, sodass nur der nach dieser Verrechnung verbleibende letztlich nicht abzugsfähige Zinsüberhang für einen Zinsvortrag gemäß § 12a Abs. 6 Z 1 KStG 1988 in Betracht kommt.

Beispiel:

Die A-GmbH weist im Wirtschaftsjahr X2 einen Zinsüberhang von 5 Mio. Euro und ein verrechenbares EBITDA von 4 Mio. Euro aus. Im Wirtschaftsjahr X1 ist ein EBITDA-Vortrag iHv 500.000 Euro entstanden.

Der im Wirtschaftsjahr X2 zunächst nicht abzugsfähige Zinsüberhang iHv 1 Mio. Euro ist mit dem EBITDA-Vortrag iHv 500.000 Euro zu verrechnen. Es verbleibt im Wirtschaftsjahr X2 daher letztlich nur mehr ein nicht abzugsfähiger Zinsüberhang iHv 500.000 Euro, der insoweit auf Antrag in darauffolgende Wirtschaftsjahre vorgetragen werden kann.

22.8.3 Verbrauch des Zinsvortrages

Rz 1309dv
Ein Verbrauch (und damit eine nachträgliche Abzugsfähigkeit) des gesamten Zinsvortrages erfolgt, wenn die Zinsaufwendungen inklusive der noch vorhandenen Zinsvorträge in einem darauffolgenden Wirtschaftsjahr das verrechenbare EBITDA dieses Wirtschaftsjahres nicht überschreiten. Ist das verrechenbare EBITDA niedriger als der Freibetrag von 3 Millionen Euro, kann der Zinsvortrag bis zur Höhe des Freibetrages verbraucht werden.

Kann der Zinsvortrag nur teilweise verbraucht werden, ist der gekürzte Zinsvortrag in die darauffolgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen; ein neuerlicher Antrag ist in diesem Fall nicht erforderlich. Erhöht sich der Zinsvortrag oder entsteht neuerlich ein Zinsvortrag, ist (insoweit) neuerlich ein Antrag zu stellen.

Beispiel:

Die B-GmbH hat für einen im Wirtschaftsjahr X1 nicht abzugsfähigen Zinsüberhang iHv 400.000 Euro einen Zinsvortrag beantragt.

Im Wirtschaftsjahr X2 betragen die laufenden Zinsaufwendungen 5,1 Mio. Euro, denen Zinserträge von 100.000 Euro gegenüberstehen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte vor Anwendung des § 12a KStG 1988 beträgt 8 Mio. Euro; der steuerlich abzugsfähige Abschreibungsaufwand 4 Mio. Euro.

X2:

Ermittlung Zinsüberhang:

Zinsaufwendungen

5.100.000

Zinserträge

100.000

Zinsüberhang (ohne Zinsvortrag)

5.000.000

Zinsvortrag 1.1.X2

400.000

Zinsüberhang (inklusive Zinsvortrag)

5.400.000

Ermittlung steuerliches EBITDA:

Gesamtbetrag der Einkünfte vor § 12a KStG 1988

8.000.000

+ Abschreibungen

4.000.000

+ Zinsüberhang (ohne Zinsvortrag)

5.000.000

Steuerliches EBITDA

17.000.000

Verrechenbares EBITDA (30% vom steuerlichen EBITDA)

5.100.000

Ermittlung abzugsfähiger Zinsüberhang:

Zinsüberhang (inklusive Zinsvortrag)

5.400.000

- verrechenbares EBITDA

5.100.000

abzugsfähiger Zinsüberhang (ohne Zinsvortrag)

-5.000.000

abzugsfähiger Zinsvortrag

- 100.000

Zinsvortrag zum 31.12.X2

300.000

Der Zinsüberhang (ohne Zinsvortrag) iHv 5.000.000 Euro ist niedriger als das verrechenbare EBITDA iHv 5.100.000 Euro und ist daher zur Gänze abzugsfähig. In Höhe der Differenz von 100.000 Euro wird somit auch der Zinsvortrag abzugsfähig. Der Zinsvortrag zum 31.12.X2 beträgt somit lediglich 300.000 Euro und ist in darauffolgende Wirtschaftsjahre weiterhin vorzutragen; ein neuerlicher Antrag ist nicht erforderlich.

Rz 1309dw
Sollten die laufenden Zinsaufwendungen in einem darauffolgenden Wirtschaftsjahr niedriger sein als die laufenden Zinserträge (Nettozinsertrag), erhöht der Zinsvortrag ebenso die Zinsaufwendungen. Es kommt daher zunächst zu einem Verbrauch des Zinsvortrages bis zur Höhe des Nettozinsertrags und damit zu dessen nachträglicher Abzugsfähigkeit.

Beispiel:

Die C-GmbH hat für einen im Wirtschaftsjahr X1 nicht abzugsfähigen Zinsüberhang iHv 200.000 Euro einen Zinsvortrag beantragt.

Im Wirtschaftsjahr X2 betragen die laufenden Zinsaufwendungen 500.000 Euro, denen Zinserträge von 550.000 Euro gegenüberstehen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte vor Anwendung des § 12a KStG 1988 beträgt 8 Mio. Euro; der steuerliche abzugsfähige Abschreibungsaufwand 4 Mio. Euro.

Ermittlung Zinsüberhang:

Zinsaufwendungen

500.000

Zinserträge

550.000

Zinsvortrag 1.1.X2

200.000

Zinsüberhang (inklusive Zinsvortrag)

150.000

Ermittlung steuerliches EBITDA:

Gesamtbetrag der Einkünfte vor § 12a KStG 1988

8.000.000

+ Abschreibungen

4.000.000

+ Zinsaufwendungen

500.000

- Zinserträge

550.000

Steuerliches EBITDA

11.950.000

Verrechenbares EBITDA

3.585.000

Ermittlung abzugsfähiger Zinsüberhang:

Zinsüberhang (inklusive Zinsvortrag)

150.000

verrechenbares EBITDA

3.585.000

abzugsfähiger Zinsvortrag

- 200.000

Zinsvortrag zum 31.12.X2

0

Der Zinsvortrag wird bis zur Höhe des Nettozinsertrages iHv 50.000 Euro und darüber hinaus iHv 150.000 Euro verbraucht, weil der Zinsüberhang (inklusive Zinsvortrag) niedriger als das verrechenbare EBITDA ist. Insgesamt ist daher der Zinsvortrag iHv 200.000 Euro in X2 abzugsfähig, sodass per 31.12.X2 kein Zinsvortrag mehr besteht. Zur Entstehung eines EBITDA-Vortrages siehe Rz 1309eb ff.

Rz 1309dx
Ein Zinsvortrag kann in einem darauffolgenden Wirtschaftsjahr zur Gänze verbraucht und somit nachträglich abgezogen werden, wenn die Körperschaft in diesem darauffolgenden Wirtschaftsjahr die Voraussetzungen der Ausnahme für eigenständige Körperschaften gemäß § 12a Abs. 2 zweiter Satz KStG 1988 erfüllt.

Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die Ausnahme aufgrund des Eigenkapitalquotenvergleichs gemäß § 12a Abs. 5 KStG 1988 erfüllt ist, es sein denn, der Eigenkapitalquotenvergleich wird lediglich kurzfristig (zB durch Einlagen vor dem Bilanzstichtag mit nachfolgender zeitnaher Einlagenrückzahlung bzw. Ausschüttung) zum Zwecke der Verwertung eines Zinsvortrages erfüllt.

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