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101. Innergemeinschaftlicher Erwerb (Art. 1 UStG 1994)

BMFBMF-010219/0270-IV/4/201928.11.2019

101.1. Innergemeinschaftlicher Erwerb - allgemein

Rz 3571
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nur vor, wenn der Gegenstand anlässlich der Lieferung an den Erwerber aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt. Die Durchfuhr durch weitere Mitgliedstaaten oder durch Drittländer ist unschädlich. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt auch vor, wenn die Beförderung oder Versendung im Drittlandsgebiet beginnt und der Gegenstand im Gebiet eines Mitgliedstaates der dortigen Einfuhrumsatzsteuer unterworfen wird, bevor er in einen anderen Mitgliedstaat gelangt.

Beispiel:

Der Unternehmer L aus Linz kauft Kohle beim Händler R in Russland. Die Kohle wird per Bahn nach Linz befördert. R lässt die Kohle in Ungarn abfertigen und der ungarischen EUSt unterwerfen. Durch diesen Vorgang gilt die Lieferung des R an L als im Einfuhrmitgliedstaat Ungarn ausgeführt (§ 3 Abs. 9 UStG 1994). Es liegt somit eine innergemeinschaftliche Lieferung von Ungarn nach Österreich vor.

Rz 3572
Wird hingegen der Gegenstand vom Drittlandsgebiet im Wege der Durchfuhr durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten in das Bestimmungsland befördert oder versendet und erst im Bestimmungsland der Einfuhrumsatzsteuer unterworfen, liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt ebenfalls nicht vor, wenn der Gegenstand im Gebiet eines Mitgliedstaates verbleibt.

Beispiel:

Der Grazer Unternehmer G bestellt beim deutschen Unternehmer M in München eine Maschine und lässt sie in sein Auslieferungslager in Köln bringen. Dort verkauft er die Maschine. Die Lieferung des M an G führt zu keiner innergemeinschaftlichen Warenbewegung, da der Gegenstand in Deutschland verbleibt.

Rz 3573
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren wird der innergemeinschaftliche Erwerb von dem Abnehmer bewirkt, an den die innergemeinschaftliche Lieferung und die damit verbundene grenzüberschreitende Warenbewegung ausgeführt wird. Für das Vorliegen des innergemeinschaftlichen Erwerbs verbrauchsteuerpflichtiger Waren ist nicht Voraussetzung, dass dieser Abnehmer auch Schuldner der im Bestimmungsland anfallenden Verbrauchsteuer ist (vgl. EuGH 19.12.2018, Rs C-414/17 , AREX CZ a.s.).

Randzahlen 3574 bis 3580: derzeit frei.

101.2. Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb

101.2.1. Erwerber

Rz 3581
Erwerber ist der Empfänger der Lieferung. Dieser muss bereits bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststehen und nicht erst, wenn der Gegenstand bereits in den anderen Mitgliedstaat gelangt ist.

Rz 3582
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt jedoch nur vor, wenn der Erwerber einem bestimmten Personenkreis angehört (siehe dazu Rz 3583 bis Rz 3588) und sofern nicht eine Ausnahme von der Erwerbsbesteuerung vorliegt (Rz 3626).

101.2.1.1. Unternehmer

Rz 3583
Der Unternehmer tätigt einen innergemeinschaftlichen Erwerb nur, wenn er den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt. Die Qualifikation des Erwerbes als für das Unternehmen richtet sich nach § 12 Abs. 2 UStG 1994 (siehe hiezu Rz 1901 bis Rz 1990).

Rz 3584
Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, wonach bestimmte Lieferungen nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten, gilt gemäß Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 nicht für den innergemeinschaftlichen Erwerb (die sich auf Grund des Abs. 4 ergebende Erwerbsteuer ist jedoch gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nicht abzugsfähig).

101.2.1.2. Juristische Person

Rz 3585
Der Erwerbsteuerpflicht sind neben Unternehmern auch juristische Personen unterworfen, die keine Unternehmereigenschaft besitzen oder nicht für ihr Unternehmen erwerben.

Rz 3586
Zur diesfalls anzuwendenden Erwerbsschwellenregelung wird auf Rz 3626 verwiesen.

Rz 3587
Bei juristischen Personen, die sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich besitzen, sind getrennte Betrachtungen durchzuführen (siehe Rz 3583 und Rz 3584 und Rz 3626 bis Rz 3635).

Rz 3588
Die juristische Person tritt grundsätzlich mit einer einzigen UID auf. Lediglich Körperschaften öffentlichen Rechts - vor allem große Gebietskörperschaften - können mehrere UID haben.

101.2.2. Lieferung an den Erwerber

Rz 3589
Gelangt beim Kommissionsgeschäft das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann abweichend vom § 3 Abs. 3 UStG 1994 die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär bereits zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung des Gegenstandes an den Kommissionär als ausgeführt angesehen werden. Der Kommissionär tätigt dann zu diesem Zeitpunkt einen innergemeinschaftlichen Erwerb.

Rz 3590
Die Lieferung an den Erwerber muss durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens erfolgen. Der liefernde Unternehmer darf nach dem Steuerrecht des für die Besteuerung seiner Lieferung zuständigen Mitgliedstaates nicht als Kleinunternehmer behandelt werden.

101.2.3. Erwerb im Inland

Rz 3591
Erfolgt nach Art. 1 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen im Inland, wird die Besteuerungskompetenz im Inland unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände wahrgenommen (Art. 16 VO (EU) 282/2011 ).

Zum Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbes wird auf Rz 3776 bis Rz 3805 verwiesen.

Randzahlen 3592 bis 3600: derzeit frei.

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