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Beteiligung an einer estnischen Holdinggesellschaft

BMFBMF-010221/1819-IV/4/200723.11.20072007

EAS 2903

§ 10 Abs. 4 KStG 1988 ist eine Antimissbrauchsbestimmung, deren Kernziel darauf ausgerichtet ist zu verhindern, dass in Österreich steuerpflichtige Einkünfte in eine nicht oder niedrig besteuerte Auslandstochtergesellschaft verlagert werden, um von dort unter Nutzung der internationalen Schachtelbefreiung wieder steuerfrei in die Hände der inländischen Muttergesellschaft zu gelangen. Ist eine österreichische AG (Ö-AG) über eine estnische Tochterholding-GmbH (EST-OU) zu 45% an einem estnischen Coal Terminal beteiligt, der seinerseits in eine Besitzobergesellschaft (CT-AS) und eine Betriebsuntergesellschaft (CTO-AS) aufgespalten ist, dann kann in einer solchen Gestaltung, bei der estnische operative Gewinne aus dem Coal Terminal Geschäft über eine estnische Holdinggesellschaft in die Hände der österreichischen Ö-AG gelangen, kein Missbrauchsverdacht aufkommen.

Wendet man die VO BGBl. II Nr. 295/2004 auf die gegebene Gestaltung an, so erzielt die Tochterholdinggesellschaft (EST-OU) keine schädlichen Passiveinkünfte, da ihre Einkünfte ausschließlich aus Dividendeneinkünften von der untergeordneten Besitzgesellschaft (CT-AS) bestehen. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass bei enger Auslegung des § 2 der VO die Verpachtung der Kohlentladeanlagen an die estnische Betriebsgesellschaft als schädliche Aktivität gewertet werden könnte, die nach der Konsolidierungsanordnung des § 2 Z 4 der VO auf die EST-OU durchschlägt. Da aber die Gewinnausschüttung der Betriebsuntergesellschaft (CTO-AS) an die Besitzobergesellschaft (CT-AS) nach dem estnischen Steuersystem einer Dividendenbesteuerung unterliegt, die ab 2007 nach den hier vorliegenden Unterlagen 22% beträgt, unterliegen die nach Österreich weiterfließenden Einkünfte jedenfalls einer die Mindestgrenze von 15% übersteigenden Steuerbelastung.

Wohl verlangt die ggstl. Verordnung, dass die ausgeschütteten Gewinne einer der österreichischen Körperschaftsbesteuerung vergleichbaren Besteuerung unterliegen müssen. Zieht man aber in Betracht, dass nach dem estnischen Besteuerungssystem die Dividendensteuer anstelle einer Körperschaftsteuer erhoben wird und diese sonach ersetzt, erscheint im gegebenen Zusammenhang eine Beurteilung sachgerecht, dass das Erfordernis einer ausreichenden Körperschaftsteuervorbelastung der von der CT-AS an die EST-OU gezahlten Dividende erfüllt ist.

Nach dem hier geschilderten Sachverhaltsbild liegt sonach keine "rein künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken" (EuGH v. 13.03.2007, Thin Cap Group Litigation) und daher auch kein Missbrauch vor, sodass die Vorteile der Mutter-Tochterrichtlinie nicht versagt werden dürfen. Durch den aufgezeigten Interpretationsweg ist die Steuerbefreiung der Gewinnausschüttung der estnischen Holdinggesellschaft gewährleistet und damit eine EU-konforme Gesetzesanwendung sichergestellt.

Bundesministerium für Finanzen, 23. November 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 10 Abs. 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
Steuerliche Entlastung von Erträgen aus der int. Schachtelbeteiligung, BGBl. II Nr. 295/2004

Schlagworte:

Methodenwechsel, internationale Schachtelbefreiung, estnische Dividendenbesteuerung

Verweise:

EuGH 13.03.2007, C-524/04

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