EAS 2760
Verlegt eine deutsche Europäische Gesellschaft (SE) ihren Sitz nach Österreich und kommt es hierbei nach dem (derzeit noch im Entwurf vorliegenden) "Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften" (SEStBglG) zu einer steuerlichen Entstrickung der Wirtschaftsgüter der SE auf Basis der Bewertung zum gemeinen Wert (Verkehrswert), dann tritt auf österreichischer Seite diese Gesellschaft mit den sich aus § 6 Z 6 lit. c EStG ergebenden korrespondierenden Werten in das österreichische Besteuerungsrecht ein.
Auf österreichischer Seite werden die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft somit für steuerliche Belange nicht mit steuerlichen Buchwerten übernommen, sondern auf die idR höheren Verkehrswerte aufgewertet. Dies gilt sowohl für die Wirtschaftsgüter auf der Aktivseite der Bilanz wie auch für jene auf der Passivseite. Hat daher eine Pensionsrückstellung der deutschen Gesellschaft einen steuerlichen Buchwert von beispielsweise 25 Mio. Euro, beträgt jedoch die tatsächliche Vorsorgelast für das Unternehmen bereits 40 Mio. Euro (=Verkehrswert der Pensionsrückstellung), dann würde auf österreichischer Seite die Pensionsrückstellung mit 40 Mio. Euro zu passivieren sein; und zwar auch dann, wenn dieser Betrag jenen übersteigt, der nach den Grundsätzen des § 14 Abs. 7 EStG im Zuzugsjahr erreicht worden wäre; dies deshalb, weil § 6 Abs. 6 lit. c EStG keine derartige Beschränkung enthält (wodurch Doppelabzüge im Fall ausländischer Pensionslastenaufwertung vermieden werden).
Es ist einzuräumen, dass der Effekt einer Doppelbesteuerung eintritt, wenn Deutschland im Rahmen seiner Entstrickung die stillen Reserven der Aktivseite der Besteuerung unterzieht, jedoch keine adäquate Aufwertung der Passivseite vornimmt. Denn es würde dann im Laufe der Jahre ein Pensionsaufwand in der Größenordnung von 15 Mio. Euro weder in Österreich noch in Deutschland als Betriebsausgabe abzugsfähig sein. Die Verweigerung des Abzuges ein und derselben Betriebsausgabe in zwei Staaten hat im Ergebnis die gleiche wirtschaftliche Negativauswirkung für das betroffene Unternehmen wie eine Besteuerung ein und derselben Betriebseinnahme in zwei Staaten. Eine derartige doppelte Nichtanerkennung von Pensionsaufwand im Fall einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung könnte eine SE davon abhalten, sich in einem anderen EU-Staat niederzulassen und erscheint daher gemeinschaftsrechtlich unzulässig.
Das BM für Finanzen wäre dem Grunde nach bereit, eine solche Doppelbelastung durch eine Maßnahme nach § 48 BAO zu vermeiden, wenn sich - unerwarteterweise - herausstellen sollte, dass diese Doppelbelastung nach dem geltenden Gemeinschaftsrecht nicht im Wegzugsstaat zu beseitigen ist. Eine solche Klärung wird aber nur der zur abschließenden Auslegung von Gemeinschaftsrecht berufene Europäische Gerichtshof herbeiführen können. Eine Entlastungsmaßnahme nach § 48 BAO kann daher nur für den Fall in Aussicht gestellt werden, dass eine Entscheidung durch den EuGH erwirkt wird, die - im Ergebnis - besagt, dass der Wegzugsstaat eine solche Form der Wegzugsbehinderung aufrechterhalten darf.
Bundesministerium für Finanzen, 24. August 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 |
Schlagworte: | Societas Europaea, SE, Wegzugsbesteuerung, Pensionsrückstellung, EuGH |
Verweise: | § 14 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |