9.2.6 Führung des Eigenkapital-Evidenzkontos

BMF06 0104/9-IV/6/0022.3.2005

Rz 3841
Die Führung eines Eigenkapital-Evidenzkontos ist materielle Anwendungsvoraussetzung für die Geltendmachung der Eigenkapitalzuwachsverzinsung und hat betriebsbezogen zu erfolgen. Es ist nicht mit dem Evidenzkonto iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 zu verwechseln. Wird die Eigenkapitalverzinsung nicht von Beginn an vorgenommen, oder wird sie in späteren Jahren unterbrochen, ist das Eigenkapital-Evidenzkonto für den maßgeblichen Beobachtungszeitraum nachzuentwickeln.

Rz 3842
Ändern sich die Grundlagen für die Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen Jahresstandes im abgabenrechtlichen Verfahren, ist ein berichtigtes Eigenkapital-Evidenzkonto aufzustellen. Änderungen wie etwa durch Betriebsprüfungen sind im berichtigten Eigenkapitalkonto zu berücksichtigen. Werden die Änderungen vom Steuerpflichtigen nicht durchgeführt, steht ein weiterer Abzug solange nicht zu, bis sie erfolgt sind.

Rz 3843
Eine nachträgliche Änderung einer bereits vorgenommenen Verzinsung des Eigenkapitalzuwachses seitens des Steuerpflichtigen ist, wenn die Zinsen außerbilanzmäßig abgesetzt werden, nur unter analoger Anwendung der Voraussetzungen für eine Bilanzänderung zulässig.

9.2.7 Ermittlung des Durchschnittsstandes an Eigenkapital

Rz 3844
Die für die Ermittlung des Durchschnittskapitalstandes erforderliche Gewichtung ist durch den jeweiligen Tagesstand des Eigenkapitals und die Dauer des jeweiligen Standes im Laufe des Wirtschaftsjahres, bezogen auf die Zahl der Tage dieses Wirtschaftsjahres zu ermitteln. Im Regelfall ist daher von einem Wirtschaftsjahr mit 365 Tagen auszugehen, in Schaltjahren, bei abweichenden Wirtschaftsjahren oder Rumpfwirtschaftsjahren von der jeweils maßgebenden Zahl.

Beispiel:

Im Einzelunternehmen des A (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) beträgt der Anfangsstand laut Eigenkapital-Evidenzkonto 1.000, der auch den höchsten Durchschnittsstand der letzten sieben Wirtschaftsjahre darstellt. Die erste Einlage am 1.1. betrifft den steuerlichen Vorjahresgewinn in Höhe von 200. Am 1.7. werden 200 entnommen, der Endstand laut Eigenkapital-Evidenzkonto beträgt 1.000. Der durchschnittliche Eigenkapitalstand beträgt daher gerundet 1.099,18. Dieser Betrag ergibt sich aus der Summe des Einlagenstandes in Höhe von 1.200 vom 1.1.-30.6. (1.200x181/365 = 595,07) und des Einlagenstandes in Höhe von 1.000 vom 1.7.-31.12. (1.000x184/365 = 504,11).

9.2.8 Erfassung der Zinsen als Sondergewinn

Rz 3845
Da die fiktiven Zinsen für den Eigenkapitalzuwachs des jeweiligen Wirtschaftsjahres wie Fremdkapitalzinsen behandelt werden, steht dem Abzug als Betriebsausgabe eine Erfassung der Zinsen als Einnahme beim absetzenden Unternehmer gegenüber. Der steuerpflichtige Gewinn des Unternehmers ist daher in zwei Teile zu zerlegen. Diese Teile werden unterschiedlich hoch besteuert. Der laufende Gewinn (also der Gewinn nach Zinsenabzug) wird der normalen Besteuerung unterzogen. Daneben wird der abgesetzte Zinsenbetrag als Sondergewinn mit einem festen Steuersatz von 25% erfasst. Diese Fixbesteuerung kommt unabhängig davon zum Tragen, ob im betreffenden Veranlagungsjahr ein tarifmäßig zu versteuerndes Einkommen vorhanden ist.

Rz 3846
Sollte trotz Fehlens eines positiven Einkommens nicht auf die Eigenkapitalverzinsung verzichtet werden, ist der "laufende Verlust" vortragsfähig. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 8 EStG 1988, wonach der Sondergewinn bei den Einkünften (also hier beim Verlust) außer Ansatz bleibt. Die Entlastungswirkung von der Normalbesteuerung wird daher in solchen Fällen über den Verlustabzug in spätere Perioden verlagert.

Rz 3847
Die Besteuerung des Sondergewinnes besteht neben einer allfälligen Mindest-Körperschaftsteuerpflicht und hat auf diese keine Auswirkung. Auch eine Verrechnung der Sondergewinnsteuer mit der Mindest-Körperschaftsteuer, der Kapitalertragsteuer, der Lohnsteuer oder einer Vorauszahlung erfolgt nicht.

9.2.9 Berechnung der Verzinsung

Rz 3848
Die Berechnung der als Betriebsausgabe abzugsfähigen Zinsen für den Eigenkapitalzuwachs zeigt sich an folgenden Beispielen:

Beispiel 1:

Beispiel 2:

Beispiel 3:

Als Eigenkapitalzuwachs sind der den Durchschnittsstand aus Vorjahren übersteigende Anfangsstand des Kapitalkontos und der Jahreszuwachs zu werten. Dass die Entnahme am Ende des Wirtschaftsjahres zu einem negativen Kapitalkontenstand führt, hat auf Grund der kurzen Dauer des Negativstandes praktisch keine Auswirkung auf den Jahresdurchschnittsstand, führt aber dazu, dass für die Folgejahre das höhere Durchschnittskapital dieses Jahres (82.178,08) als Bezugsgröße für den Kapitalzuwachs heranzuziehen ist.

9.2.10 Übertragung betrieblicher Einheiten

Rz 3849
Wird ein Betrieb oder ein Mitunternehmeranteil übertragen, ist zu unterscheiden, ob die Übertragung auf der Grundlage

erfolgt.

Rz 3850
Die Frage, ob ein entgeltliches oder ein unentgeltliches Geschäft vorliegt, ist nach allgemeinem Steuerrecht zu beurteilen. In den Fällen des entgeltlichen Erwerbes mit Bewertung zu Anschaffungskosten hat der Betriebserwerber unabhängig von der Vorgehensweise des Veräußerers die Wahl zur Anwendung der Eigenkapitalverzinsung auf Basis seiner Eigenkapitalentwicklung. Der bisher höchste Jahresdurchschnittsstand des Eigenkapitals beim Veräußerer ist daher unbeachtlich, er beginnt bezogen auf den erworbenen Betrieb mit einem Eigenkapitalstand von Null. Der Kaufpreis stellt sofort die erste Einlage dar.

Rz 3851
In den Fällen einer entgeltlichen Teilbetriebsübertragung ändert sich für den Veräußerer nichts, der Veräußerungsgewinn(verlust) geht zusammen mit dem laufenden Gewinn (Verlust) als erste Einlage (Entnahme) in das Eigenkapital des Veräußerers im Folgejahr ein. Für den Erwerber als Neuunternehmer gilt die Ausführung im Vorabsatz; im Falle eines Erwerbs durch einen Unternehmer ergibt sich bei diesem nur eine Vermögensumschichtung und setzt sich die Eigenkapitalzuwachsverzinsung bei ihm unverändert fort. Die entgeltliche Übertragung von betriebszugehörigen Mitunternehmer- und Kapitalanteilen führt zu keiner Korrektur in der Eigenkapitaldarstellung im Betriebsvermögen des Veräußerers und des Erwerbers (eigenkapitalneutral).

Rz 3852
In Fällen des unentgeltlichen Erwerbes bzw. bei Umgründungsmaßnahmen nach dem Umgründungssteuergesetz unter Buchwertfortführung werden die Verhältnisse des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger unabhängig davon überbunden, ob der Rechtsvorgänger von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung (je) Gebrauch gemacht hat. Macht der Rechtsnachfolger von der Eigenkapitalverzinsung Gebrauch, hat er dabei - unter (gänzlicher oder teilweiser) Fortführung des Eigenkapital-Evidenzkontos des Rechtsvorgängers - den bisher höchsten Jahresdurchschnittsstand des Eigenkapitals beim Rechtsvorgänger im Beobachtungszeitraum zu beachten. Eine Eigenkapitalverzinsung kommt daher beim Rechtsnachfolger nur in Betracht, wenn er diesen maßgeblichen Eigenkapitalstand überschreitet. Sollten bei einem unentgeltlichen Erwerb Betriebe oder Mitunternehmeranteile des Übertragenden mit solchen des Übernehmenden vereinigt werden, ist zu unterscheiden, ob bisher nur der Rechtsvorgänger oder nur der Rechtsnachfolger oder beide von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung Gebrauch gemacht haben.

Beispiel:

An der A-KG ist der A als Kommanditist mit einem Anteil von 50% und B als Kommanditist mit einem Anteil von 25% beteiligt. B übernimmt als Erbe nach A mit dem Todestag des A den 50-prozentigen Kommanditanteil.

Variante 1:

Der Erblasser hat für seinen Anteil von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung Gebrauch gemacht, der Erbe hingegen hinsichtlich seines Anteils nicht. Auf Grund der Erbfolge will der Erbe hinsichtlich seines nunmehr 75-prozentigen Anteiles von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung Gebrauch machen. Hinsichtlich des ererbten Anteiles hat er das Eigenkapital-Evidenzkonto des Erblassers weiterhin zu beachten, hinsichtlich seines Anteils liegt das erstmalige Geltendmachen vor, sodass er das Eigenkapital-Evidenzkonto seit Beginn seiner Mitunternehmerstellung, längstens für die letzten sieben Wirtschaftsjahre, nachentwickeln muss.

Variante 2:

Der Erblasser hat für seinen Anteil von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung nicht Gebrauch gemacht, der Erbe hingegen hinsichtlich seines Anteils schon. Der Erbe will von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung hinsichtlich seines nunmehr 75-prozentigen Anteiles Gebrauch machen. Hinsichtlich des ererbten Anteiles liegt das erstmalige Geltendmachen vor, sodass er das Eigenkapital-Evidenzkonto seit Beginn der Mitunternehmerstellung des Erblassers, längstens für die letzten sieben Wirtschaftsjahre, nachentwickeln muss.

Rz 3853
Bei unentgeltlichen Teilvermögensübertragungen (Schenkung eines Teilbetriebes bzw. Teil-Mitunternehmer-Anteiles) auf einen Nichtunternehmer hat eine Aliquotierung hinsichtlich der Vorjahresstände des Rechtsvorgängers Platz zu greifen. Der Rechtsvorgänger hat seine Vorjahresstände in der Relation des abgegangenen Verkehrswertes zu reduzieren, während der Rechtsnachfolger die auf das übernommene Vermögen entfallende Quote zu berücksichtigen hat (Übernahme des Beobachtungszeitraumes).

Rz 3854
Bei Umgründungen mit Buchwertfortführung hat der Rechtsnachfolger einerseits die ihn betreffende Entwicklung beim Rechtsvorgänger und andererseits die Grundsätze über Einlagen bzw. Einlagenrückzahlungen und mögliche Kaskadenwirkungen zu beachten. Daraus ergibt sich Folgendes:

Rz 3855
Bei Verschmelzungen ist analog zur Betriebsschenkung von der übernehmenden Körperschaft das Eigenkapital-Evidenzkonto der übertragenden Gesellschaft zu übernehmen und ggf. vereinigt mit dem eigenen fortzuführen (UmgrStR 2002 Rz 378 ff).

Rz 3856
Bei Umwandlungen ist wie bei der Schenkung eines Betriebes das Eigenkapital-Evidenzkonto der umwandelnden Gesellschaft von dem (den) Nachfolgeunternehmer(n) ganz oder anteilig zu übernehmen und fortzuführen (UmgrStR 2002 Rz 628 ff).

Rz 3857
Bei Einbringungen gilt Folgendes:

Rz 3858
Bei einem Zusammenschluss erfolgt keine betragliche Änderung des Eigenkapitals, da es durch das Mitunternehmerkapital im neuen Mitunternehmeranteil oder im restlichen Betriebsvermögen des Übertragenden ersetzt wird (UmgrStR 2002 Rz 1501 f).

Rz 3859
Bei einer Realteilung erfolgt keine betragliche Änderung des Eigenkapitals, da das Eigenkapital im wegfallenden Mitunternehmeranteil nur durch einen (Teil-)Betrieb oder einen anderen Mitunternehmeranteil ersetzt wird (UmgrStR 2002 Rz 1637).

Rz 3860
Bei einer Handelsspaltung sind die Verschmelzungsgrundsätze anzuwenden. Bei einer Steuerspaltung kommen die Einbringungsgrundsätze zur Anwendung. Hat der jeweilige Rechtsvorgänger bis zur Umgründung von der Eigenkapitalzuwachsverzinsung nicht Gebrauch gemacht, liegt für den oder die Rechtsnachfolger diesbezüglich ein erstmaliges Geltendmachen mit der Notwendigkeit des Einbeziehens der (ggf. quotenmäßigen) Eigenkapitalentwicklung des Rechtsvorgängers vor (UmgrStR 2002 Rz 1800).

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