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Liechtensteinisches Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen

BMFB 13/11-IV/4/9627.1.19971997

EAS 1007

Frage der Arbeitgebereigenschaft:

Die Frage, ob bei einer 183 Tage nicht überschreitenden Arbeitskräftegestellung durch ein liechtensteinisches Unternehmen an österreichische Bauunternehmen den inländischen Gestellungsnehmern die steuerliche Stellung eines lohnsteuerabzugspflichtigen Arbeitgebers der gestellten Arbeitskräfte zukommt oder nicht, ist eine Sachverhaltsfrage, die nicht im Rahmen des EAS-Verfahrens einer Klärung zugeführt werden kann. Es ist aber einzuräumen, dass dann, wenn die gestellten Arbeitskräfte arbeitsrechtliche Vertragsbeziehungen ausschließlich zu dem liechtensteinischen Unternehmen eingegangen sind, auf der Grundlage von § 21 BAO eine Nichtanerkennung dieser vertraglichen Beziehungen für steuerliche Zwecke nur dann möglich ist, wenn unter Berücksichtigung aller im gegebenen Zusammenhang maßgebenden Umstände die wahre Arbeitgeberfunktion nicht vom Gesteller, sondern vom Gestellungsnehmer wahrgenommen wird. Bei Abweichung von der zivilrechtlichen Gestaltung im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen ist (VwGH v. 4. März 1983, Zl. 81/17/102, ÖStZB 1983, 339). Insbesondere folgende Umstände sprechen für eine Anerkennung der Arbeitgebereigenschaft des liechtensteinischen Unternehmens (für Zwecke des inländischen Rechtes und für Zwecke des Doppelbesteuerungsabkommens mit Liechtenstein):

Frage der Steuerabzugspflicht des Gestellungsnehmers:

Geht man davon aus, dass die Arbeitgebereigenschaft des liechtensteinischen Unternehmens im finanzamtlichen Ermittlungsverfahren anerkannt wird, dann unterliegen die von den österreichischen Baufirmen an das liechtensteinische Arbeitskräftegestellungsunternehmen gezahlten Entgelte gemäß § 99 EStG einem inländischen Steuerabzug. Auf Grund von Artikel 7 DBA-Liechtenstein, kann von diesem Steuerabzug nur dann Abstand genommen werden, wenn die DBA-Steuerfreistellungsvoraussetzungen einwandfrei nachgewiesen werden können. Hiezu gehört eine von der liechtensteinischen Steuerverwaltung ausgestellte Bescheinigung, derzufolge das liechtensteinische Unternehmen gemäß Artikel 4 DBA-Liechtenstein in Liechtenstein ansässig ist und nicht nach Artikel 26 des Abkommens als steuerfreie Domizilgesellschaft von den Abkommensvorteilen ausgeschlossen ist.

Frage der Steuerpflicht der gestellten Arbeitskräfte:

Treten in Österreich ansässige Arbeitsnehmer (österreichischer oder ausländischer Nationalität) in die Dienste des liechtensteinischen Verleihunternehmens, dann unterliegen sie kraft der sie treffenden unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich mit sämtlichen Bezügen der inländischen Steuerpflicht, die im Veranlagungsweg wahrzunehmen ist (falls das liechtensteinische Unternehmen keine inländischen Einrichtungen besitzt, die eine "Lohnsteuerbetriebstätte" im Sinn von § 81 EStG begründen; § 81 EStG wird in diesem Zusammenhang nicht durch die Betriebstättendefinition des DBA-Liechtenstein außer Wirksamkeit gesetzt). Es ist im allgemeinen gleichgültig, ob die Arbeitnehmer auf inländischen oder ausländischen Baustellen tätig werden. Eine Ausnahme gilt für berufliche Tätigkeiten, die auf liechtensteinischem oder auf deutschem Staatsgebiet ausgeübt werden. Denn nach Artikel 15 DBA-Liechtenstein und nach Artikel 9 Abs. 1 DBA-Deutschland wird für die auf diese Tätigkeiten entfallenden Einkünfte den genannten Staaten das Besteuerungsrecht zugeteilt und es sind folglich sowohl die betreffenden Einnahmen als auch die zugehörigen Werbungskosten aus der österreichischen Besteuerungsgrundlage auszuscheiden. Ob die Tätigkeitsdauer in diesen beiden Staaten 183 Tage überschreitet oder nicht ist unerheblich, da bei keinem dieser Staaten im gegebenen Zusammenhang die "183-Tage-Klausel" wirksam wird. Der Umstand, dass daher Deutschland auch tatsächlich die beschränkte Steuerpflicht der auf den dortigen Baustellen eingesetzten Österreicher wahrnimmt, löst demnach keine internationale Doppelbesteuerung aus.

Werden in Deutschland ansässige Arbeitnehmer, die in Österreich nur nach den Regeln der beschränkten Steuerpflicht erfasst werden können, auf inländischen Baustellen eingesetzt, dann sind die darauf entfallenden Einkünfte in Österreich der Besteuerung zu unterziehen, wobei ebenfalls - bei Fehlen einer inländischen "Lohnsteuerbetriebstätte" des liechtensteinischen Arbeitgebers - eine Besteuerung im Wege der Veranlagung vorgenommen werden muss. Falls sich die nur kurzfristig in Österreich tätigen deutschen Arbeitnehmer der inländischen Besteuerung durch Unterlassung der vorgeschriebenen Kontaktnahme mit den österreichischen Finanzämtern entziehen, muss mit einer nachträglichen Besteuerung unter Nutzung der mit Deutschland bestehenden Amtshilfemöglichkeiten gerechnet werden, wobei die dann vorgeschriebenen Steuern im Amtshilfeweg in Deutschland auch vollstreckbar sind.

27. Jänner 1997 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

Schlagworte:

Arbeitskräfteüberlassung, 183-Tage-Frist, Domizilcharakter, Briefkastengesellschaft, Arbeitnehmergestellung, Arbeitgeberbegriff, Arbeitgeberfunktion, Nachweis, Abzugsbesteuerung, Steuerfreistellung, Ansässigkeitsbescheinigung, Veranlagung, Baustelle, Betriebstätte

Verweise:

§ 21 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 81 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
VwGH 04.03.1983, 81/17/0102

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