VwGH 81/17/0102

VwGH81/17/01024.3.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Hnatek, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stubner, über die Beschwerde der Wgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat für Körperschaften) vom 28. November 1980, Zl. 6/2- 3184/2/80, betreffend Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, Vermögensteuer, Sonderabgabe vom Vermögen, Beitrag vom Vermögen und Erbschaftssteueräquivalent zum 1. Jänner 1970, 1. Jänner 1971 und 1. Jänner 1972, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
BAO §24;
BewG 1955 §64 Abs1;
KVG 1934 §3;
BAO §21 Abs1;
BAO §24;
BewG 1955 §64 Abs1;
KVG 1934 §3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.535,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei (im folgenden kurz Beschwerdeführerin), deren alleiniger Gesellschafter in den hier maßgeblichen Zeitpunkten die Bundeshauptstadt Wien mit einem Stammkapital von S 48,000.000,-- war, wies in ihren Bilanzen zum 30. Juni 1969, 30. Juni 1970 und 30. Juni 1971 unter den sonstigen Verbindlichkeiten jeweils ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von S 40,000.000,-- aus. In den Berichten über die Prüfung der jeweiligen Jahresabschlüsse heißt es hiezu, daß das Gesellschafterdarlehen mit Schreiben des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 25. April 1966 der Beschwerdeführerin eingeräumt worden sei. Gemäß Beschluß des Gemeinderatsausschusses II vom 11. Juli 1967 solle die Rückzahlung des Kredites in sechs gleichen Halbjahresraten, beginnend mit 30. Juni 1972 erfolgen. Zufolge desselben Beschlusses würden für das Darlehen keine Zinsen verrechnet.

Bei der Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1970, 1. Jänner 1971 und 1. Jänner 1972 ließ das Finanzamt für Körperschaften in Wien besagtes Gesellschafterdarlehen nicht als Schuldpost zum Abzug zu. Begründend wurde ausgeführt, daß im Hinblick auf die unzureichende Deckung des Anlagevermögens durch Eigenmittel das langfristig gewährte, unverzinsliche Gesellschafterdarlehen von S 40,000.000,--

als verdecktes Stammkapital aus den abzugsfähigen Schulden auszuscheiden sei, da durch diese Darlehensgewährung die betriebswirtschaftlich gebotene Erhöhung des Eigenkapitals ersetzt werde. Auf dieser Rechtsansicht beruhen die folgenden Einheitswertfeststellungen und Abgabenfestsetzungen:

 

Einheitswert des Betriebsvermögens

Vermögenssteuer

Sonderabgabe v. Vermögen

Beitrag vom Vermögen

Erbschaftssteuer äquivalent

 

S

S

S

S

S

lt. Bescheid zum 1. Jänner 1970 vom 14. Dezember 1971

45,285.000,--

226.426,--

113.212,--

6.793,--

226.425,--

lt. vorläufigem Bescheid zum 1. Jänner 1971 vom 11. Mai 1973

41,463.000,--

207.315,--

103.657,--

6.219,--

207.315,--

lt. vorläufigem Bescheid zum 1. Jänner 1972 vom 11. Mai 1973

33,294.000,--

166.470,--

83.235,--

4.994,--

166.470,--

In ihrer gegen diese Bescheide erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, daß ein Gesellschafterdarlehen dadurch, daß es langfristig und unverzinslich gewährt werde, noch keineswegs den Charakter eines verdeckten Stammkapitals erhalte, auch wenn eine Erhöhung des Eigenkapitals betriebswirtschaftlich geboten sei. Die Bestimmungen des § 3 Kapitalverkehrsteuergesetz könnten im Bereich der Körperschaftsteuer und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht angewendet werden. Ein verdecktes Stammkapital könne nur dann angenommen werden, wenn ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes nachweisbar sei. Grundsätzlich sei maßgebend, daß im Einzelfall alle rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte dazu zwingen würden, die erforderlichen Mittel nicht in Form von Darlehen, sondern als Einlagen zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß der Betriebsmittelkredit der Bundeshauptstadt Wien ursprünglich kurzfristig gewährt worden sei und hinsichtlich der Laufzeit nur mit Rücksicht auf die zwischenzeitig eingetretenen Verluste der Beschwerdeführerin eine Verlängerung erfahren habe. Als Betriebsmittelkredit sei er in der Vergangenheit vom Finanzamt auch als (echte) Schuld anerkannt worden. Daß das Darlehen eine betriebswirtschaftlich gebotene Erhöhung des Eigenkapitals ersetzt habe, treffe nicht zu, weil zum 31. Dezember 1969 bei einer Bilanzsumme von rund S 236,000.000,-- Eigenmittel von rund S 75,000.000,-- vorhanden gewesen seien, sodaß von einer durchaus gesunden Finanzierung gesprochen werden müsse. Der Umstand, daß das Anlagevermögen einen Buchwert von rund S 203,000.000,-- gehabt habe, sei unbeachtlich, weil hievon allein S 132,000.000,-- auf das Stadthallengebäude entfielen, wovon S 88,000.000,-- durch einen Sparkassenkredit finanziert worden seien. Dieser Kredit hätte ursprünglich einen Rahmen von S 123,000.000,-- gehabt, doch wären in den letzten Jahren Teilrückzahlungen vorgenommen worden.

Eine die Berufung gegen den Bescheid vom 14. Dezember 1971 betreffende abweisliche Berufungsvorentscheidung verlor durch einen rechtzeitig gestellten Antrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz ihre rechtliche Wirksamkeit. Die gegen die vorerwähnten vorläufigen Bescheide erhobene Berufung galt gemäß § 274 BAO in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 als auch gegen die endgültig erklärten Bescheide gerichtet.

Über Vorhalt der belangten Behörde brachte die Beschwerdeführerin vier an sie gerichtete Schreiben der Magistratsabteilung 5 in Fotokopie bei, deren Inhalt die belangte Behörde später im angefochtenen Bescheid wie folgt umschrieb:

"Erstes Schreiben vom 25. April 1966:

Einräumung des Betriebskredites von S 40,000.000,--, der mit 6 1/2 % p.a. zu verzinsen und in sechs gleichen Halbjahresraten beginnend mit 30. Juni 1967 zurückzuzahlen ist, zwecks Ablösung des bei der A-Bank aufgenommenen Kredites zur Durchführung des Weltverleihes des Filmes 'XY'.

Zweites Schreiben vom 18. Juli 1967:

Erstreckung des Termines für die erste Rückzahlungsrate um maximal fünf Jahre und gleichzeitig Abstandnahme von der Anrechnung von Zinsen ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme.

Drittes Schreiben vom 18. Mai 1972:

Verlängerung der Laufzeit des gewährten Betriebskredites auf unbestimmte Zeit.

Viertes Schreiben vom 29. September 1977:

Mitteilung, daß der Betriebskredit der Beschwerdeführerin erlassen wird."

In Ergänzung ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin auch noch besonders darauf aufmerksam, daß dieser Schuldnachlaß im Wirtschaftsjahr 1977/1978 steuerlich als außerordentlicher Ertrag behandelt worden sei. Die Beurteilung als gesellschaftsrechtlich bedingte Kapitalzuführung sei nicht möglich, weil die Bundeshauptstadt Wien zur Zeit der Gewährung des Schuldnachlasses nicht mehr Gesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen sei.

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung wies der Vertreter der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren noch darauf hin, daß sich die Verhältnisse für die Darlehensgewährung, wie sie sich zu den einzelnen in Berufung gezogenen Bewertungsstichtagen dargestellt hätten, gegenüber dem Zeitpunkt, zu dem das Darlehen gegeben worden sei, geändert hätten. Das Darlehen wäre nämlich als Betriebsmittelkredit gedacht gewesen, um den Weltverleih des oben angeführten Filmes durchführen zu können; aus dem daraus gewonnenen Ertrag hätte die Rückzahlung erfolgen sollen. Der Umstand, daß der Vertrieb dieses Filmes nachher nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätte, habe bewirkt, daß die ursprünglich vorgesehene Rückzahlung nicht hätte erfolgen können. Bei verdecktem Stammkapital beabsichtige der Gesellschafter von vornherein, mit der Hingabe des Geldes Steuerleistungen bewußt zu vermeiden. Bei der Bundeshauptstadt Wien wäre eine solche Absicht nicht vorgelegen und könne im Zeitpunkt der Darlehensgewährung auch nicht unterstellt werden. Der Grund für die Darlehensgewährung sei vielmehr die Finanzierung des Weltverleihs eines Filmprojektes gewesen. Das Unternehmen der Beschwerdeführerin sei dann tatsächlich im Jahre 1977 saniert worden, ohne daß hiefür das besagte Gesellschafterdarlehen herangezogen worden wäre. Die Bundeshauptstadt Wien als Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin sei im Wirtschaftsjahr 1977/1978 von der B-ges.m.b.H. abgelöst und das Stammkapital der Beschwerdeführerin von S 48,000.000,-- auf S 150,000.000,-- erhöht worden. Vom Verkauf des Stammanteils sei der Kredit nicht berührt worden. Dies sei als Indiz für das Vorliegen einer echten Schuld anzusehen. Im übrigen seien die festgestellten Einheitswerte des Betriebsvermögens insofern irreführend, als der Buchwert des Stadthallengebäudes um rund S 100,000.000 höher sei als der hiefür festgestellte Einheitswert. Stelle man dies in Rechnung, könne nicht zwingend angenommen werden, daß eine Eigenkapitalzufuhr unerläßlich gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin zu den Feststellungszeitpunkten sei durch hohe Verluste gekennzeichnet, die von Jahr zu Jahr gestiegen seien und Anzeichen für Ertragssteigerungen in der Zukunft vermissen ließen. Bereits vor dem 1. Jänner 1970 sei die Beschwerdeführerin wegen ihres Mißerfolges beim Filmverleih nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Rückzahlungen auf das Gesellschafterdarlehen zu leisten, weshalb der Termin für die erste Rückzahlungsrate zunächst bis zum Jahr 1972 erstreckt worden sei. Damit habe aber das Darlehen bereits den Charakter einer betriebsnotwendigen Dauerwidmung angenommen. Dieser Eindruck habe sich noch wesentlich verstärkt, als im Jahre 1972 die Laufzeit des Kredites auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei. Auch habe sich das Verhältnis zwischen Anlagevermögen und Eigenkapital weiterhin zu Ungunsten des Eigenkapitals verschoben, wie aus folgender, im angefochtenen Bescheid gegebenen Übersicht ersichtlich sei:

 

Anlagevermögen rd Mio S

Verlust rd Mio S

verbleibendes Eigenkapital rd. Mio S

1969

203

7,8

72

1970

207

8,2

64

1971

210

10,0

54

Bei dem aus dieser Tabelle ersichtlichen Mißverhältnis zwischen Anlagevermögen und Eigenkapital bzw. bei der daraus ersichtlichen Unterdeckung des Anlagevermögens gebe der Gesellschafter mit der Verlängerung der Laufzeit des von ihm der Beschwerdeführerin gewährten Kredites auf unbestimmte Zeit zu erkennen, daß eine Erhöhung des Stammkapitals oder die Leistung von Nachschüssen geboten sei. Die belangte Behörde bestreite nicht, daß die Beschwerdeführerin in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihren Betrieb führen wolle, nicht beschränkt sei. Diese Wahlfreiheit und Maßgeblichkeit der zivilrechtlich gewählten Gestaltung gelte auch dann, wenn die Zuführung von Mitteln durch den Gesellschafter an die Gesellschaft auf Grund eines Darlehensvertrages geschehe, wie er auch mit einem Nichtgesellschafter möglich wäre, bzw. als Kapitaleinzahlung, die nur ein Gesellschafter bewirken könne. Eine Gesellschaft könne also grundsätzlich ihren Geldbedarf auch bei einem Gesellschafter decken und zu diesem Zweck bei diesem ein Darlehen aufnehmen. Werde dieses Darlehen befristet und sei es in üblicher Weise zu verzinsen, so sei dieses Darlehen auch steuerlich als Schuldpost anzuerkennen. Lägen aber bei einer Darlehensgewährung besondere Umstände vor, wie z. B. ein auffallendes Mißverhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital, Aufzehrung des Nominalkapitals durch Verluste und ausschließliche Finanzierung des gesamten Anlage- und Umlaufvermögens durch Gesellschafterdarlehen, kein vorübergehender, sondern dauernder Geldbedarf, Darlehensgewährung durch die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Anteile oder keine Vereinbarung über Rückzahlung des Darlehens, dann seien solche Darlehen als verdecktes Stammkapital zu behandeln. Es komme nur auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles an.

Im Beschwerdefall fehle eine Vereinbarung über Sicherheiten, die ursprünglich vereinbarten Modalitäten der Rückzahlung des Darlehens an den Gesellschafter hätten von der Beschwerdeführerin nicht eingehalten werden können. Die Bundeshauptstadt Wien habe auch bereits 1967 auf die ursprünglich im Hinblick auf den Charakter der Schuld als Betriebsmittelkredit vereinbarte Verzinsung verzichtet.

Die belangte Behörde faßte im angefochtenen Bescheid ihre Beurteilung des Streitfalles unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 21. März 1969, III R 18/68 (BStBl. 1969 Teil II S. 430), wie folgt zusammen: Auch wenn kein Fall eines offenbaren Mißbrauches von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nachweisbar sei, sei ein Gesellschafterdarlehen als verdeckte Stammeinlage zu behandeln, wenn die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen eines Gesellschafters deshalb zwingend sei, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von Fremdkrediten nach den Umständen des Einzelfalles nicht hätte beschafft werden können. Dabei würden die Vereinbarungen der Beteiligten über Verzinsung, Kündbarkeit und Sicherstellung Anhaltspunkte geben. Die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin nicht imstande gewesen sei, schon die erste Rückzahlungsrate zu bezahlen und außerdem der Gesellschafter schon ein Jahr nach der Kreditgewährung (also 1967) auf die Verzinsung verzichtet habe, stellten besondere Umstände bei der Beschwerdeführerin dar, die bei Aufnahme von Fremdkrediten ohne Sicherstellung unberücksichtigt geblieben wären. Dies könne auch als Grund dafür gelten, weshalb das Gesellschafterdarlehen zur Ablösung des bei der A-Bank aufgenommenen Kredites gewährt worden sei. Es seien mehrere Kriterien maßgebend, die den Gesellschafter dazu zwingen, der Gesellschaft die notwendigen Mittel zuzuführen, die durch Aufnahme von fremden Krediten nicht beschafft hätten werden können. Ausschlaggebend sei jedoch, daß zu den einzelnen streitgegenständlichen Bewertungsstichtagen nicht ernsthaft mit einer Rückzahlung des Darlehens hätte gerechnet werden können, wie aus dem Schriftverkehr zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Gesellschafter eindeutig hervorgehe. Daß im Jahre 1977 der Betriebskredit erlassen worden sei, entspreche der Ansicht der belangten Behörde, wonach zu den einzelnen in Berufung gezogenen Bewertungsstichtagen das Gesellschafterdarlehen als verdecktes Stammkapital zu behandeln sei. Daran könne auch die von der Beschwerdeführerin entgegen der Ansicht der belangten Behörde vorgenommene körperschaftsteuerliche Behandlung des Schulderlasses nichts ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung - BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Für die Zurechnung der Wirtschaftsgüter gelten bei der Erhebung von Abgaben, soweit in den Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmt ist, die im § 24 Abs. 1 lit. a bis e leg. cit. aufgestellten Regeln; diese Bestimmungen gelten gemäß Abs. 2 der letztzitierten Rechtsvorschrift auch für wirtschaftliche Einheiten im Sinne des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148.

Im vorliegenden Fall steht in Streit, ob die belangte Behörde berechtigt war, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise den von der Bundeshauptstadt Wien der Beschwerdeführerin im Jahre 1966 zur Verfügung gestellten Betriebskredit in Höhe von S 40,000.000,-- entgegen seiner äußeren Einkleidung als Erhöhung des Stammkapitals der Beschwerdeführerin anzusehen und daraus die abgabenrechtlichen Folgerungen für die umstrittenen Feststellungen und die davon abgeleiteten Abgabenfestsetzungen zu ziehen. Die belangte Behörde ist sich hiebei des Umstandes bewußt und hat dem auch im angefochtenen Bescheid Ausdruck verliehen, daß die von einer Kapitalgesellschaft gewählte Finanzierung eines Teiles ihrer Aufgaben durch Fremdmittel - darunter auch durch Gesellschafterkredite - grundsätzlich auch abgabenrechtlich anzuerkennen ist; ferner, daß besondere Umstände den Schluß rechtfertigen können, dem wirtschaftlichen Gehalt nach seien vom Gesellschafter der Gesellschaft als Kredit hingegebene Mittel in Wahrheit als Gesellschaftereinlagen anzusehen. Die belangte Behörde meint, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Ausnahmsfalles vorliegen. Sie stützt sich dabei auf die zu den streitgegenständlichen Bewertungsstichtagen ungünstige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin, auf die Vermögensstruktur, wie sie sich aus den Bilanzen auf den diesen Stichtagen jeweils vorangehenden Abschlußtagen ergibt, und auf die vorerwähnten Schreiben des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien. Daraus ergebe sich, daß die Zuführung von weiterem Stammkapital zu diesen Zeitpunkten erforderlich gewesen sei, daß das Gesellschafterdarlehen von S 40,000.000,-- eine Dauerwidmung für den Betrieb der Beschwerdeführerin erhalten habe und seiner Funktion nach Eigenkapital ersetze. Diese Umstände rechtfertigten es, das Gesellschafterdarlehen als Stammeinlage anzusehen und daher hiefür die Abzugsfähigkeit als Schuldpost bei der Ermittlung des Einheitswertes zu versagen.

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, daß die von ihr aufgezeigten Umstände in der Tag von einigem Gewicht sind. Allerdings vermag die belangte Behörde aus diesen zum Großteil sehr lange nach Hingabe des Betrages von S 40,000.000,-- eingetretenen Umständen nicht schlüssig abzuleiten, daß von allem Anfang an der der Beschwerdeführerin durch ihren Gesellschafter gewährte Kredit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Erhöhung der Stammeinlage anzusehen ist. Ist aber solcherart unter Anlegung des gebotenen strengen Maßstabes - vgl. hiezu das Urteil des Reichsfinanzhofes vom 30. August 1938, RStBl. S 902 - davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall keine genügenden Anhaltspunkte dafür bestehen, schon die ursprüngliche Mittelzuführung abweichend von der zivilrechtlichen Gestaltung zu beurteilen, so stellte sich eine andere Rechtsfrage als jene, die die belangte Behörde zu lösen unternommen hat: Unter den gegebenen Verhältnissen konnte nämlich der Betrag von S 40,000.000,-- nur dann die Funktion von Eigenkapital haben, wenn seit seiner Hingabe der insofern zwischen der Bundeshauptstadt Wien und der Beschwerdeführerin geschlossene Vertrag eine Änderung erfahren hätte. Daß nämlich einer Kapitalgesellschaft als Fremdmittel zugeführte Gelder bei einer später eintretenden ungünstigen Wirtschaftsentwicklung automatisch ihren Charakter ändern und zu (verdeckten) Stammeinlagen werden, kann nicht ernstlich angenommen werden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es hiezu einer Willensübereinstimmung zwischen den Vertragspartnern, die allerdings auch stillschweigend zustandekommen kann. Ob Derartiges im Beschwerdefall vorliegt, hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage aber festzustellen unterlassen. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als mit der ihm zur Last gelegten Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Wien, am 4. März 1983

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