VwGH 2013/12/0049

VwGH2013/12/004927.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kupec, über die Beschwerde des WL in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 5. März 2013, Zl. 135.579/8-I/1/e/13, betreffend Erschwerniszulage gemäß § 19a GehG, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §19a Abs1;
GehG 1956 §19a;
GehG 1956 §19b;
GehG 1956 §74a;
GehG 1956 §74b;
GehG 1956 §81 Abs1 idF 1994/550;
GehG 1956 §82 Abs1 idF 1994/550;
GehG 1956 §83 Abs1 idF 1994/550;
VwGG §42 Abs2 Z1;
GehG 1956 §19a Abs1;
GehG 1956 §19a;
GehG 1956 §19b;
GehG 1956 §74a;
GehG 1956 §74b;
GehG 1956 §81 Abs1 idF 1994/550;
GehG 1956 §82 Abs1 idF 1994/550;
GehG 1956 §83 Abs1 idF 1994/550;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Am 22. Juli 2011 nahm er im Zuge seiner Dienstversehung gemeinsam mit einer Exekutivdienstbeamtin die Entkleidung einer Leiche vor.

Mit Eingabe vom 8. September 2011 begehrte er hiefür eine Erschwerniszulage ("Leichenentkleidungsgebühr").

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (siehe dazu die tieferstehende Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides) gemäß § 19a des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird der Verfahrensgang wie folgt dargestellt:

"Sie stehen als Bezirksinspektor, in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wurden zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Leichenkommissionierung beim Kriminalreferat des SPK X als Sachbearbeiter verwendet.

Mit Schreiben vom 08.09.2011 teilten Sie Ihrer Dienstbehörde mit, dass Sie am 22.07.2011 gemeinsam mit einer von Ihnen namentlich genannten Beamtin des Exekutivdienstes bei einer Leichenkommissionierung eingesetzt gewesen seien. Da Sie die Ihnen zustehende Erschwerniszulage (Nebengebühr) nicht erhalten hätten, ersuchten Sie um Ausstellung eines Feststellungsbescheides. Als Begründung führten Sie den Erlass des BM.I mit der GZ: 18.317/48- II/A/00 an, worin es heiße, dass dem Kriminalbeamten, der an einer Leiche hantiere, diese Erschwerniszulage zustehe.

In der Folge wurden vor dem Hintergrund, dass im gegenständlichen Anlassfall (X; Suizid durch Erhängen; GZ: E1/39834) die sogenannte 'Leichenentkleidungsgebühr' nur für die an der Leichenkommissionierung beteiligte Exekutivbeamtin verrechnet worden ist, zusammen gefasst folgende Verfahrens- /Erhebungsschritten gesetzt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.

§ 19a GehG idF BGBl. I Nr. 130/2003 lautet:

"Erschwerniszulage

§ 19a. (1) Dem Beamten, der seinen Dienst unter besonderen körperlichen Anstrengungen oder sonstigen besonders erschwerten Umständen verrichten muß, gebührt eine Erschwerniszulage.

(2) Bei der Bemessung der Erschwerniszulage ist auf die Art und das Ausmaß der Erschwernis angemessen Rücksicht zu nehmen. Die Bemessung der Erschwerniszulage und ihre Pauschalierung bedürfen der Zustimmung des Bundeskanzlers."

§ 83 GehG stand im Zeitpunkt der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Leichenentkleidung in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010 in Geltung. Er lautete:

"Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes

§ 83. (1) Dem Beamten des Exekutivdienstes gebührt für wachespezifische Belastungen eine monatliche Vergütung. Diese Vergütung beträgt 100,5 EUR.

(2) Die Vergütung nach Abs. 1 gebührt dem Beamten des

Exekutivdienstes

1. bei Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit

nach den §§ 50a oder 50b BDG 1979 oder

2. bei Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder nach

dem VKG

in dem Ausmaß, das der Arbeitszeit entspricht. Diese

Verminderung wird für den Zeitraum wirksam, für den die Maßnahme

nach den Z 1 und 2 gilt.

(3) Auf die Vergütung nach Abs. 1 sind anzuwenden:

  1. 1. § 15 Abs. 1 letzter Satz,
  2. 2. § 15 Abs. 4 und 5,
  3. 3. § 15a Abs. 2 und
  4. 4. § 82 Abs. 7."

    In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer - zusammengefasst - geltend, dass die mit der Entkleidung und Berührung der Leiche verbundenen psychischen Belastungen auch für einen Beamten des Exekutivdienstes in dieser Form nicht regelmäßig auftreten, somit atypisch seien, wovon auch der von der belangten Behörde zitierte, wenngleich den Verwaltungsgerichtshof nicht bindende, Erlass ausgehe. Es seien daher "sonstige besonders erschwerte Umstände" im Verständnis des § 19a Abs. 1 GehG sehr wohl vorgelegen.

    Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:

    Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis vom 11. Mai 1994, Zl. 90/12/0009, aber auch im Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 95/12/0199, ausgesprochen, dass die Behörde bei Prüfung der Voraussetzungen des § 19a GehG zu ermitteln hat, worin die dienstlichen Verrichtungen des Beamten bestehen, welche äußeren, seine Arbeitsverrichtung beeinflussenden Faktoren gegeben sind und ob diese geeignet sind, als besondere Erschwernis gewertet zu werden. Als Vergleichsmaßstab sind dabei nach der Rechtsprechung jene Umstände heranzuziehen, unter welchen Beamte der gleichen Besoldungsgruppe typischerweise Dienst zu versehen haben (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2000, Zl. 99/12/0112).

    Vor diesem Hintergrund ist zunächst das erste - aus der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbare - Versagungsargument der belangten Behörde unzutreffend, wonach eine Erschwerniszulage (schon deshalb) nicht gebühre, weil die gegenständliche Leichenentkleidung gegenüber anderen Leichenentkleidungen nicht unter erschwerten Umständen erfolgt sei.

    Vergleichsmaßstab sind nämlich nicht Leichenentkleidungen in ihrer Gesamtheit, sondern vielmehr die von Beamten des Exekutivdienstes typischerweise zu verrichtenden Dienste.

    Eine abweichende Betrachtung ergibt sich auch nicht aus dem von der belangten Behörde getätigten Hinweis auf die Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes gemäß § 83 GehG. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebührt diese Vergütung für wachespezifische Belastungen, wenn und solange die anspruchsbegründende Tätigkeit, das ist eine solche, die mit den genannten wachespezifischen Belastungen verbunden ist, tatsächlich erbracht wird. Der Ausdruck "Belastung" ist dabei so zu verstehen, dass damit jene besonderen körperlichen Anstrengungen oder sonstige erschwerte Umstände abgegolten werden sollen, die mit der Dienstausübung verbunden sind (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Jänner 2002, Zl. 96/12/0316). Die dort getroffenen Aussagen sind - ungeachtet der zwischenzeitigen Aufhebung des § 83 Abs. 3 Z. 5 GehG mit BGBl. I Nr. 119/2002 - nach wie vor gültig. Sie stehen freilich der Gebührlichkeit einer Erschwerniszulage gemäß § 19a GehG neben einer Vergütung gemäß § 83 leg. cit. nicht im Wege:

    Die Erschwerniszulage (§ 19a GehG) einerseits und die Wachdienstzulage (§ 81 GehG) sowie die Wachdienstvergütung (§ 83 GehG) andererseits können vielmehr nebeneinander gebühren. Während die letztgenannten besoldungsrechtlichen Leistungen nämlich Belastungen abgelten sollen, von denen im Exekutivdienst tätige Beamte typischerweise betroffen sind, ist die Erschwerniszulage eine Entschädigung für besondere, also in Art oder Umfang darüber hinausgehende Erschwernisse. Was die Vergütung für besondere Gefährdung nach § 82 GehG betrifft, so ersetzt diese zwar gemäß Abs. 1 leg. cit. die in § 19b GehG normierte Gefahrenzulage, nicht aber einen allfälligen Anspruch auf Erschwerniszulage (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 98/12/0178).

    Nach dem Vorgesagten war somit ausschlaggebend, ob die Vornahme der Leichenentkleidung unter Berührung der Leiche eine über die typischen Belastungen im Exekutivdienst hinausgehende, in Art oder Umfang besondere Erschwernis mit sich brachte.

    Einer solchen Qualifikation steht zunächst der Umstand, wonach derartige Leichenentkleidungen auch im Zuge der Dienstversehung eines Beamten des Exekutivdienstes vorkommen können, nicht entgegen. Andernfalls gingen die Bestimmungen über die Erschwerniszulage gemäß § 19a GehG ja völlig ins Leere. Maßgeblich ist vielmehr, ob Belastungen der genannten Art für Beamte des Exekutivdienstes typisch sind, also mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten. Dass dies in Ansehung von Leichenentkleidungen der Fall wäre, wurde im angefochtenen Bescheid aber nicht festgestellt.

    Der von der belangten Behörde weiters ins Treffen geführte Umstand, wonach der Exekutivdienst regelmäßig psychische Belastungen vergleichbarer Intensität aus anderen Gründen auszulösen vermag, betrifft lediglich den "Umfang" der psychischen Belastung im Sinne der vorzitierten Judikatur, nicht aber deren "Art". Schon im Hinblick auf die hier vorliegende Atypizität der erschwerenden Umstände für den Exekutivdienst nach ihrer Art sind diese nicht schon durch die Vergütung gemäß § 83 GehG abgegolten. Dies erhellt auch daraus, dass die in ihrer Gesamtheit durch die zuletzt genannte Geldleistung pauschal abgegoltenen wachespezifischen Belastungen auch während des Zeitraums der vom Beschwerdeführer durchgeführten Leichenentkleidung durchaus nicht in ihrer Gesamtheit weggefallen sind.

    Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

    Da sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vorliegenden Beschwerde nicht zu einer Entscheidung in der Sache selbst veranlasst sieht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

    Wien, am 27. Februar 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte