Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
MRK Art10;
StVO 1960 §82 Abs1;
StVO 1960 §82 Abs5;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
MRK Art10;
StVO 1960 §82 Abs1;
StVO 1960 §82 Abs5;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Gegenschrift der Wiener Landesregierung wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde nach Einholung von standortbezogenen verkehrstechnischen Sachverständigengutachten der Magistratsabteilung 46 (im Folgenden: MA 46) die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin auf Verlängerung einer Bewilligung nach § 82 Abs. 1 und 5 StVO 1960 für das Aufstellen von Zeitungsentnahmeboxen (im unter Pkt. 2 genannten Beschwerdefall einer Doppelbox, in allen übrigen Fällen jeweils einer Einzelbox) an näher genannten Standorten in allen Beschwerdefällen ab.
Die belangte Behörde legte den angefochtenen Bescheiden die im jeweiligen Fall erstellten und von ihr als schlüssig erachteten Sachverständigengutachten zugrunde, in denen neben der detaillierten verkehrstechnischen Beschreibung der konkreten Standorte mit genauen Angaben zur Breite der jeweiligen Haltestelleninseln, zu den an diesen Standorten erhobenen Fahrgastzahlen, den konkreten örtlichen Verhältnissen und der verkehrstechnischen Bedeutung der Haltestellen sowie zum Platzbedarf für die jeweils beantragten Zeitungsentnahmeboxen und für die Entnahmetätigkeit an diesen Boxen unter Verweis auf die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen - RVS 03.02.12 "Nicht Motorisierter Verkehr - Fußgängerverkehr" der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr und die ÖNORM B 1600 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen" weiters dargelegt wird, welcher Platzbedarf für unterschiedliche Verkehrsteilnehmer an den jeweiligen Haltestellen gegeben sein müsse. In allen Beschwerdefällen kamen die Gutachten jeweils zum Ergebnis, dass aufgrund der konkreten örtlichen bzw. verkehrstechnischen Verhältnisse der beantragten Standorte für die Aufstellung der Zeitungsentnahmeboxen nicht ausreichend Platz vorhanden sei, ohne dass im Fall des Aufenthalts eines Straßenbahnzuges in der Haltestelle der Ein- bzw. Aussteigevorgang behindert und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs sowie die Leichtigkeit und Flüssigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs wesentlich beeinträchtigt werde.
In ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2013 zu den ihr zur Kenntnis gebrachten verkehrstechnischen Gutachten brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die in den Gutachten angenommenen tatsächlichen Verhältnisse zum Teil nicht zuträfen, und legte von ihr selbst angefertigte Fotos und Skizzen der Haltestellen bei. Zudem behauptete sie in allen außer dem Zweit- und dem Drittbeschwerdefall, dass die beantragten Bewilligungen unter der Auflage einer Drehung der Zeitungsentnahmeboxen um 90 Grad zu erteilen wären, weil dadurch der Platzbedarf verringert und die Restbreite der Halltestelleninseln vergrößert werde.
Dazu führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden aus, dass einerseits durch die vorgelegten Skizzen und Fotos der Beschwerdeführerin den Feststellungen in den jeweiligen verkehrstechnischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden und diese somit nicht entkräftet worden seien. Zur Behauptung, durch eine Drehung verbleibe ausreichend Platz für die Aufstellung der beantragten Zeitungsentnahmeboxen, legte sie umfassend dar, dass die angebliche Platzersparnis durch die Drehung der Boxen einerseits nicht nachvollziehbar und nicht auf gleicher fachlicher Ebene wie das Sachverständigengutachten dargelegt worden sei, andererseits aber ausgehend von den Feststellungen in den Gutachten die behauptete Platzersparnis nicht mehr wesentlich sei, weil auch dann jedenfalls nicht ausreichend Platz für die Aufstellung der Entnahmeboxen verbliebe, ohne dass u.a. die Längsbewegungen der Fußgänger und das Ein- bzw. Aussteigen für Personen mit Kinderwägen verunmöglicht würden. Eine Bewilligung unter Erteilung einer solchen Auflage scheide daher aus.
Die belangte Behörde gelangte daher in allen Beschwerdefällen zum Schluss, dass jeweils eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs vorliege, weshalb nach einer jeweiligen Abwägung der Interessen der Meinungsfreiheit mit den Interessen der Sicherheit des Straßenverkehrs die beantragten Bewilligungen zu versagen seien.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Wiener Landesregierung legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass in dem vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesenen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiterhin anzuwenden sind, zumal durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist.
Die hier maßgebliche Bestimmung der StVO 1960 lautet auszugweise:
"§ 82. Bewilligungspflicht.
(1) Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.
...
(5) Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind."
Die Beschwerdeführerin behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften und wendet zunächst in allen Fällen - wie bereits in ihren Berufungen - zusammengefasst ein, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein Aufstellungsort eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs besorgen lasse, auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK Bedacht zu nehmen sei, weil durch die Bejahung dieser Frage in dieses Grundrecht, unter dessen Schutz die Verbreitung von Tageszeitungen stehe, eingegriffen werde. Ausnahmen von der Meinungsfreiheit seien restriktiv zu interpretieren; im Zweifel sei daher davon auszugehen, dass eine wesentliche Beeinträchtigung nicht vorliege. Gewisse Beeinträchtigungen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs seien außerdem hinzunehmen, da dem Gesetzeswortlaut des § 82 Abs. 5 StVO zufolge nur bei wesentlichen Beeinträchtigungen eine Bewilligung zu versagen sei.
Zu diesem Vorbringen hat bereits die belangte Behörde in allen angefochtenen Bescheiden zutreffend darauf verwiesen, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die im Einzelfall nach einer Abwägung der Interessen des gesetzlich verfolgten Ziels der Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs und jener der Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK erfolgende Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung durch die Versagung einer Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 und 5 StVO keine Bedenken hegt (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 12. März 1988, B 970/87), was der Verwaltungsgerichtshof teilt. Zudem ist nicht zu sehen, inwieweit die gegenständlichen Versagungen der beantragten Bewilligungen, welche die belangte Behörde nach einer Interessenabwägung und unter Zugrundelegung detaillierter, schlüssiger verkehrstechnischer Sachverständigengutachten nachvollziehbar und umfassend damit begründete, dass aufgrund einer gerade als wesentlich zu qualifizierenden Beeinträchtigung iSd § 82 Abs. 5 StVO die Voraussetzungen für eine Bewilligung jeweils nicht vorliegen, zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit führen könnten, zumal zahlreiche andere Standorte bewilligt wurden und auch noch weitere Standorte bewilligungsfähig wären.
Die belangte Behörde hat auch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin eine verkehrstechnische Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nicht aus Eigenem vorgenommen, sondern hat ihre Feststellungen auf umfassende, detaillierte und schlüssig begründete verkehrstechnische Sachverständigengutachten zu den in den jeweiligen Beschwerdefällen gegenständlichen Standorten gestützt (vgl. zu diesem Erfordernis die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1988, Zl. 87/15/0106 und vom 1. Februar 1989, Zl. 88/03/0030). Die darauf beruhende Würdigung der Beweisergebnisse durch die belangte Behörde, dass die Aufstellung der beantragten Zeitungsentnahmeboxen an den geplanten Standorten eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs darstellen würde, erscheint schlüssig und nachvollziehbar.
Insoweit die Beschwerdeführerin die in den Gutachten erhobenen Befunde durch die Vorlage von selbst erstellten Fotos der Haltestellen sowie Handskizzen in Zweifel zu ziehen versucht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie damit den entgegen ihrer Ansicht als schlüssig und nachvollziehbar zu beurteilenden Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. November 2013, Zl. 2010/06/0255). Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht, behauptete Unrichtigkeiten des Gutachtens nachvollziehbar aufzuzeigen.
Zu allen (außer den zweit- und drittangefochtenen) Bescheiden brachte die Beschwerdeführerin außerdem vor, sie habe sich mit Schriftsatz vom 6. Mai 2013 bzw. vom 27. Juni 2013 bereit erklärt, die beantragten Entnahmeboxen um 90 Grad zu drehen sowie im Fall des zweitangefochtenen Bescheides statt der beantragten Doppelbox eine Einzelbox aufzustellen. Unter diesen Auflagen wären die Bewilligungen zu erteilen gewesen.
Dazu ist festzuhalten, dass die nur laienhaften und nicht weiter fachkundig untermauerten Behauptungen der Beschwerdeführerin, wonach durch eine Drehung die erforderliche Platzersparnis bewirkt werde, sodass die Bewilligungen der Aufstellung der Entnahmeboxen an den jeweiligen Standorten zu erteilen gewesen wäre, die Beurteilung der belangten Behörde, welche sich auf eine nach einer umfassenden Prüfung der örtlichen Verhältnisse und der verkehrstechnischen Erfordernisse basierende gutachterliche Einschätzung sowie auf eine nachvollziehbare und schlüssige Beweiswürdigung stützte, nicht als rechtswidrig erscheinen lassen.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Mitteilung vom 27. Juni 2013 hinsichtlich des zweitangefochtenen Bescheides nach Klarstellung, dass ihr ursprünglicher Antrag auf Bewilligung einer Doppelbox voll umfänglich aufrecht bleibe, anführt, dass sie für den Fall, dass die Berufungsbehörde diesen nicht für bewilligungsfähig erachte, "stattdessen die Bewilligung einer Einzelbox mit um 90 Grad gedrehtem Entnahmeschacht (Entnahmevorgang in Fahrtrichtung) zu akzeptieren" bereit sei, ist dieses Vorbringen eindeutig nicht als Antragsmodifikation, sondern allenfalls als Eventualantrag anzusehen, über den behördlicherseits noch nicht abgesprochen wurde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die von der Wiener Landesregierung erstattete Gegenschrift vom 20. Jänner 2014 war mangels Zuständigkeit (vgl. Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012) zurückzuweisen.
Wien, am 23. Mai 2014
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