Normen
AsylG 1997 §1 Z3;
AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §34b;
AsylG 1997 §44 Abs1 idF 2003/I/101;
AVG §38;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z3;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §1 Z3;
AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §34b;
AsylG 1997 §44 Abs1 idF 2003/I/101;
AVG §38;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z3;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (UVS) vom 16. November 2005 wurde die Schubhaftbeschwerde des - vom 8. November 2005 bis 15. Dezember 2005 angehaltenen - Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsbürgers, abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung festgestellt. Dabei ging der UVS aufgrund eigener Beurteilung der Aktenlage (unter Heranziehung eines gegen den Beschwerdeführer ergangenen strafgerichtlichen Urteiles, einer Niederschrift im Asylverfahren und eines Fotos im Asylakt) von der Unrichtigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Geburtsdatums (1. Oktober 1985) und von der Volljährigkeit im Zeitpunkt der am 6. Juni 2003 an den Beschwerdeführer selbst erfolgten Zustellung des den Asylantrag abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes (BAA) vom 6. Juni 2003 aus. Demnach erachtete der UVS die erwähnte Zustellung für rechtswirksam und das Asylverfahren des Beschwerdeführers (mangels Rechtzeitigkeit der erst am 10. Mai 2005 eingebrachten Berufung) für rechtskräftig beendet. Der Beschwerdeführer sei daher - so folgerte der UVS - kein Asylwerber mit faktischem Abschiebeschutz im Sinne des § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 - AsylG (idF der Novelle 2003) und somit stehe die genannte Bestimmung der Verhängung der Schubhaft nicht entgegen.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 wies der unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) die vom Beschwerdeführer im Asylverfahren am 10. Mai 2005 erhobene Berufung - ausgehend von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im Zustellzeitpunkt - mangels wirksamer Erlassung des Bescheides des BAA vom 6. Juni 2003 als unzulässig zurück.
Darauf gründete der Beschwerdeführer einen auf § 69 Abs. 1 Z 3 AVG gestützten, am 19. Dezember 2006 eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des eingangs erwähnten Schubhaftbeschwerdeverfahrens, der mit dem angefochtenen Bescheid des UVS vom 12. März 2007 abgewiesen wurde. Die Ausführungen des UVS, der den Wiederaufnahmeantrag für zulässig und fristgerecht erachtete, lassen sich dahin verstehen, dass die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides des BAA in keinem der beiden Verfahren eine Hauptfrage gebildet, sondern eine Vorfrage dargestellt habe, die jeweils "selbst und unabhängig von der Entscheidung des anderen Senates" aufgrund eigener Ermittlungsergebnisse zu beurteilen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser Wiederaufnahmetatbestand - vor dem Hintergrund des § 38 AVG - dann verwirklicht, wenn über die im wiederaufzunehmenden Verfahren zunächst selbst beurteilte Vorfrage (eine für die Entscheidung präjudizielle Rechtsfrage) später von der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Gericht als Hauptfrage (als Gegenstand eines rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Abspruches) in einem anderen Verfahren abweichend entschieden wurde (vgl. idS die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 214 ff zu § 69 AVG abgedruckten Rechtssätze).
Das ist hier - entgegen der Meinung der belangten Behörde - der Fall. Der UVS erachtete für die Frage der Zulässigkeit der Schubhaft gegen Asylwerber im wiederaufzunehmenden Verfahren - ungeachtet der Übergangsbestimmungen der AsylG-Novelle 2003 (§ 44 Abs. 1), wonach Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, (mit im Abs. 3 angeführten, § 21 nicht erfassenden Ausnahmen) nach den Bestimmungen des AsylG idF vor der genannten Novelle zu führen sind - § 21 Abs. 1 erster Satz AsylG in der Fassung der Novelle 2003 für maßgeblich. Nach dieser Regelung finden die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG (u.a.) über die Schubhaft (§§ 61 bis 63) auf Fremde keine Anwendung, die nach Stellung eines Asylantrages bis zur Erlangung der Aufenthaltsberechtigungskarte oder bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 19 Abs. 1 AsylG genießen oder die im Sinne des § 19 Abs. 2 AsylG nach Zulassung ihres Asylverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. In diesen Fällen kann Schubhaft nur unter den Voraussetzungen des § 34b AsylG verhängt werden.
Der UVS erachtete es demnach im wiederaufzunehmenden Verfahren für die Frage der Zulässigkeit der nach § 61 Abs. 1 FrG verhängten Schubhaft unter dem Gesichtspunkt des von ihm angewandten § 21 Abs. 1 AsylG in der erwähnten Novellenfassung für entscheidungswesentlich, ob der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum der Anhaltung vom 8. November 2005 bis 15. Dezember 2005 noch Asylwerber (mit Abschiebeschutz nach § 19 AsylG) oder ob sein Asylverfahren schon rechtskräftig beendet war. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Z 3 AsylG ist nämlich Asylwerber(in) ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung. Der UVS beurteilte diese (Vor)Frage dahin, dass das Asylverfahren bereits rechtskräftig beendet und der Beschwerdeführer kein Asylwerber mehr gewesen sei, weil - ausgehend von seiner Volljährigkeit - die an ihn selbst (und nicht an den gesetzlichen Vertreter) vorgenommene Zustellung des Bescheides des BAA wirksam geworden sei.
Der UBAS kam im Asylberufungsverfahren jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis und wies die Berufung mangels wirksamer Erlassung des angefochtenen Bescheides des BAA als unzulässig zurück. Bei dieser Entscheidung bestimmte die angenommene Unwirksamkeit der Zustellung des Bescheides des BAA an den Beschwerdeführer den normativen Gehalt der vom UBAS vorgenommenen Berufungszurückweisung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl. 93/01/0259). Gegenstand des Asylberufungsverfahrens war demnach als Hauptfrage bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides des BAA, was für den UVS im wiederaufzunehmenden Schubhaftbeschwerdeverfahren eine Vorfrage darstellte. Angesichts dessen, dass der UBAS dabei zu einem anderen Ergebnis als der UVS kam, ist der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG verwirklicht.
Die auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Abweisung des Wiederaufnahmeantrages erweist sich somit als verfehlt und der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Oktober 2007
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