VwGH 2012/18/0184

VwGH2012/18/018422.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des HW in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. März 2010, Zl. E1/90.930/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe erstmals (nach dem damals geltenden Fremdengesetz 1997 - FrG) am 15. April 2002 eine bis 31. Oktober 2002 gültige Aufenthaltserlaubnis für den Zweck des Schulbesuches an einem Wiener Gymnasium erteilt erhalten. Der Aufenthaltstitel sei bis 31. Oktober 2003 verlängert worden. Der Beschwerdeführer habe dann die Ausbildungsstätte gewechselt. Ein weiterer Verlängerungsantrag sei (laut Verwaltungsakten: mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Jänner 2005 gemäß § 14 Abs. 3 FrG) rechtskräftig mit 16. Februar 2005 zurückgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer trotz Ladung nicht zur Behörde erster Instanz gekommen sei.

Am 15. Februar 2005 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Sodann habe er gestützt darauf die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Es habe der Verdacht bestanden, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Daher seien polizeiliche Erhebungen und Vernehmungen durchgeführt worden.

Im Weiteren stellte die belangte Behörde das Ergebnis der Erhebungen sowie Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner damaligen Ehefrau (diese Ehe wurde bereits geschieden; er ist mittlerweile in zweiter Ehe mit einer chinesischen Staatsangehörigen verheiratet) dar.

Im Anschluss an die beweiswürdigenden Überlegungen führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe die Vernehmung der Familie seiner früheren Ehefrau als Beweis dafür, dass er eine richtige Ehe geführt habe, geltend gemacht. Es obliege aber ihm, die Zeugen und das Beweisthema konkret zu benennen. Es müsse auch dargelegt werden, wozu infolge "eigener Wahrnehmungen zeugenschaftlich Auskunft" erteilt werden könnte. Da dies der Beschwerdeführer unterlassen habe, rücke der Beweisantrag "in die Nähe des unzulässigen Erkundungsbeweises". Daher sei diesem nicht nachzukommen gewesen.

Im Weiteren ging die belangte Behörde davon aus, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt sei, eine im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG maßgebliche Gefahr vorliege und auch § 66 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (23. März 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verfahrensführung der belangten Behörde und macht insbesondere geltend, diese habe in rechtswidriger Weise die Vernehmungen der beantragten Zeugen nicht durchgeführt.

Dieses Vorbringen ist berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Das Vorliegen von - nach Meinung der Behörde - ausreichenden und eindeutigen Beweisergebnissen für die Annahme einer bestimmten Tatsache rechtfertigt nicht die Auffassung, die Einvernahme eines zum Beweis des Gegenteils geführten Zeugen sei nicht geeignet, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Die begründungslose Unterlassung der Vernehmung eines Zeugen stellt einen relevanten Verfahrensmangel dar, es sei denn, dass die Zeugenaussage von vornherein nicht geeignet wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. September 2012, Zl. 2010/18/0401, und vom 22. November 2012, Zl. 2011/23/0555, jeweils mwN).

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, sie wäre nicht verpflichtet gewesen, den Beweisanträgen zu entsprechen, weil zum einen die Zeugen nicht konkret benannt und zum anderen das Beweisthema nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise bekanntgegeben worden seien. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Berufung seine Vernehmung, die seiner (damaligen) Ehefrau und die seiner (damaligen) Schwiegereltern ausdrücklich beantragt hat. Er hat im Berufungsschriftsatz die Namen seiner Schwiegereltern ausdrücklich angegeben. Zwar finden sich in der Berufung keine Angaben zum Namen der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers und zu den Adressen seiner Schwiegereltern. Jedoch sind diese Daten aktenkundig (vgl. etwa gerade auch zur Adresse der Schwiegereltern Blatt 206 und 207 sowie Blatt 271 des Verwaltungsaktes). Darüber hinaus hat die belangte Behörde hinsichtlich zahlreicher Personen Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) angefertigt, weil sie offenkundig die Ansicht vertrat, die Kenntnis vom jeweiligen Wohnsitz dieser Personen könnte zur Erhellung des Sachverhaltes beitragen. Weshalb solche Anfragen im ZMR - wäre die belangte Behörde davon ausgegangen, die in den Verwaltungsakten aufscheinenden Adressen seien nicht mehr aktuell - hinsichtlich der geltend gemachten Zeugen nicht möglich gewesen wären, kann nicht nachvollzogen werden, zumal diese betreffende Auskünfte aus dem ZMR bereits in den Verwaltungsakten erliegen (Blatt 206 und 207 der Verwaltungsakten). Es stand nach Aktenlage aber auch - für den Fall mangelnder Aktualität der Adressen - einer an den Beschwerdeführer gerichteten Aufforderung, die nunmehr aktuellen Wohnadressen bekannt zu geben, nichts entgegen.

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass der Beschwerdeführer auf Seite 3 des Berufungsschriftsatzes bloß darauf hingewiesen hat, schon im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach Zeugen zum Beweis dafür namhaft gemacht zu haben, dass er und seine Ehefrau eine "richtige Ehe führen". Die belangte Behörde war allerdings nicht berechtigt, das in diesem Kontext in der Berufung enthaltene sachverhaltsbezogene Vorbringen, aus dem sich hinreichend ergibt, wozu die Zeugen hätten befragt werden sollen, außer Acht zu lassen. Anhand der Ausführungen der Berufung ist unzweifelhaft, dass die genannten Personen gerade zu jenen Umständen Angaben hätten machen sollen, auf die sich dieses Vorbringen bezog. Anders als die belangte Behörde meint, kann daher nicht davon gesprochen werden, dass im vorliegenden Fall ein Antrag auf Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises vorgelegen wäre.

Vor dem Hintergrund, dass in der Berufung der Annahme der erstinstanzlichen Behörde, es liege eine Aufenthaltsehe vor, in substantiierter Weise entgegengetreten wurde, der Beweisantrag in einer dem Gesetz entsprechenden Weise gestellt wurde und die Durchführung der Beweisaufnahme auch tatsächlich möglich gewesen wäre, stellt die Unterlassung der beantragten Vernehmungen einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die belangte Behörde hätte sich durch die Aufnahme der beantragten Beweise und die Würdigung des Ermittlungsergebnisses eine nachvollziehbare Überzeugung davon verschaffen müssen, ob die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen oder nicht (vgl. nochmals das bereits erwähnte Erkenntnis vom 22. November 2012).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte