VwGH 2012/16/0029

VwGH2012/16/002928.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Dr. L in W, vertreten durch die Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 16. Dezember 2011, Zl. ABK-155/11, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1 Abs1 idF 1984/029;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1 Abs2 idF 1984/029;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1 Abs1 idF 1984/029;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1 Abs2 idF 1984/029;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage teilte der neben der Beschwerdeführerin zweite Geschäftsführer der N GmbH mit Schreiben vom 6. November 1997 dem Magistrat der Stadt Wien mit, dass die GmbH ihren Sitz ab 1. Jänner 1998 nach Wr. Neustadt verlege und der Standort in Wien aufgelöst werde. Daher werde auch die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerks besorgenden Medieninhabers in Wr. Neustadt sein.

Mit Haftungsbescheid vom 5. Oktober 2010 wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin der N GmbH in Liquidation für den im Zeitraum Februar 1998 bis Oktober 2009 entstandenen Rückstand an Anzeigenabgaben (samt Zuschlag und Zinsen) im Betrag von EUR 111.145,69 zur Haftung herangezogen und gleichzeitig aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheides zu entrichten.

Nach der Begründung sei der Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin, der N GmbH in Liquidation, wegen Betriebsbeendigung uneinbringlich. Die Beschwerdeführerin sei im Abgabenzeitraum im Firmenbuch als Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin der Abgabepflichtigen eingetragen und daher verantwortliche Vertreterin. Die schuldhafte Verletzung der ihr gemäß § 80 BAO auferlegten Pflichten sei im gegenständlichen Fall dadurch gegeben, dass sie es unterlassen habe, für die termingemäße Entrichtung der Anzeigenabgabe zu sorgen. Die Abgabepflichtige schulde folgende Beträge:

Anzeigenabgabe im Zeitraum 02/1998 bis 05/2000 in der Höhe von EUR 34.903,70, Säumniszuschlag im Zeitraum 02/1998 bis 05/2000 in der Höhe von EUR 4.727,32, Aussetzungszinsen im Zeitraum 06/2003 bis 10/2004 in der Höhe von EUR 9.020,90, Stundungszinsen im Zeitraum 10/2004 bis 10/2009 in der Höhe von EUR 62.493,77, gesamt somit EUR 111.145,69. Das - in der Folge rechtskräftig abgeschlossene - Abgabenverfahren habe ergeben, dass die gegenständlichen Medienwerke (auch) von Wien aus erstmals verbreitet worden seien, weshalb für die im Zeitraum Februar 1998 bis Mai 2000 für die Vornahme oder Verbreitung der Anzeigen vereinnahmten Entgelte jeweils bis zum 15. des der Vereinnahmung folgenden Monats Anzeigenabgabe (50 %) an die Stadt Wien hätte entrichtet werden müssen. Tatsächlich sei die Anzeigenabgabe in voller Höhe an die Gemeinden Wr. Neustadt bzw. Baden entrichtet worden. Aus diesem Grund habe die Abgabenbehörde im Jahr 2003 die Anzeigenabgabe mit Abgabenbescheid festsetzen müssen. Wende die Haftpflichtige Fehlen des Verschuldens an der Uneinbringlichkeit der Anzeigenabgabe ein, weil der Firmensitz nach Wr. Neustadt verlegt worden sei und die erstmalige Verbreitung der gegenständlichen Medienwerke (auch) von Wien aus für sie nicht erkennbar und vor allem nicht vorhersehbar gewesen sei, sei ihr entgegen zu halten, dass es sich anlässlich der Standortverlegung des von ihr vertretenen Verlages an geeigneter Stelle über die den Verlag treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen hätte unterrichten müssen und so die negativen Folgen ihres Rechtsirrtums hätte vermeiden können. Die zum Zeitpunkt der Standortverlegung seit Jahrzehnten vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur erstmaligen Verbreitung von Druckwerken sei eindeutig.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass in dem hier wesentlichen Zeitraum der Abgabenpflicht von 1998 bis 2000 die herrschende Rechtsprechung davon ausgegangen sei, dass als Erstverbreitung jener Ort zu verstehen sei, in dem das Druckwerk der Post zum Versand übergeben werde, wobei als Verbreitung die Zugänglichmachung des Druckwerkes an einen größeren Personenkreis verstanden werde (Hinweis auf das Erkenntnis vom 28. Juni 1973, Zl. 184/73). Im Zuge der Sitzverlegung im Jahre 1997 sei auch das Verlagspostamt Wien gewechselt worden und fortan sei die Verbreitung sämtlicher Zeitungen durch das Verlagspostamt Wr. Neustadt erfolgt. Die Abgaben seien daher von der Beschwerdeführerin korrekterweise zur Gänze in Niederösterreich abgeführt worden. Die Sitzverlegung sei dem Magistrat der Stadt Wien mitgeteilt worden. Bis zum Jahr 2000 sei die Anzeigenabgabe jeweils unterschiedlich von den Ländern geregelt worden, was zu einer unübersichtlichen Rechtslage geführt habe. Erst im Jahr 2000 sei die Anzeigenabgabepflicht mittels Bundesgesetz für alle einheitlich geregelt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich eingehend und umfassend über die Abgabenpflicht informiert. Weder der Rechtsexperte des Verbandes österreichischer Zeitungsherausgeber noch der seinerzeit für den Verlag tätige Rechtsanwalt, der ein entsprechendes Rechtsgutachten im Auftrag der Geschäftsführung erstellt habe, habe eine Abgabenpflicht in Wien bejaht. Die die Beschwerdeführerin beratenden Experten seien sich einig gewesen, dass die Übergabe der gedruckten Zeitungen an den Pressegroßvertrieb in Wien, der die Zeitungen dann in die Trafiken in Niederösterreich transportiert habe, nicht als Erstverbreitung in Wien anzusehen sei und daher in Wien keine Abgabenpflicht bestanden habe. Von der damaligen Bürgermeisterin von Wr. Neustadt und ihrem Finanzstadtrat sei die Rechtslage ebenfalls überprüft worden und die Abführung der Abgaben zur Gänze in Niederösterreich als rechtens befunden worden. Der Magistrat der Stadt Wien habe erst am 21. Mai 2003, somit sechs Jahre nach der Sitzverlegung, die Abgaben eingefordert. Zum Zeitpunkt der Standortverlegung habe es keine Rechtsprechung dahin gegeben, dass die Übergabe der Zeitungen an eine Vertriebsfirma, die die Zeitungen vor ihrer Verbreitung in Niederösterreich in einem Wiener Lager zwischenlagere, ein erstes Inverkehrbringen darstelle und die Anzeigepflicht in Wien auslöse. Erstmals im Erkenntnis vom 18. Juni 2001, Zl. 98/17/0025, habe der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr auf den Umstand der Übergabe des Druckwerkes an die Post zum Versand abgestellt, sondern die Übergabe eines Druckwerkes an die Post der Übergabe an ein anderes, den Versand besorgendes Unternehmen (im gegenständlichen Fall der Pressegroßvertrieb) gleichgestellt. Der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegende Sachverhalt habe sich mehrere Jahre vor der Erlassung des zitierten Erkenntnisses ereignet. Bis dahin habe als Erscheinungsort nach ständiger Rechtsprechung jener Ort gegolten, in dem das Druckwerk per Post zum Versand übergeben worden sei, um damit einem größeren Personenkreis erstmals zugänglich gemacht zu werden. Die Beschwerdeführerin habe daher keinen Zweifel daran haben können, dass in Wien keine Abgabenpflicht bestehe und die Anzeigenabgaben durch Zahlung an die niederösterreichischen Gemeinden ordnungsgemäß und vollständig abgeführt worden seien.

Gegen die diese Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung des Magistrats der Stadt Wien vom 24. November 2010 erhob die Beschwerdeführerin Vorlageantrag.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Nach der die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides übernehmenden Begründung ergebe sich die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin aus der Missachtung des § 7 Wiener Anzeigenabgabengesetz 1983, wonach der Abgabepflichtige für jeden Monat bis längstens 15. des darauf folgenden Monats dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme der Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich danach ergebenden Abgabenbetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen habe. Zur Behauptung der Beschwerdeführerin, es fehle ihr am Verschulden, sei auszuführen, dass es sich bei der Anzeigenabgabe um eine Selbstbemessungsabgabe handle, die selbst zu berechnen und zu entrichten sei. Die Beschwerdeführerin habe es als Vertreterin im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO in der Hand gehabt, durch eine rechtskonforme Abgabenerklärung und Abgabenentrichtung das Abgabenverfahren zu verkürzen und so die Abgabeneinbringung zu vereinfachen. Zur Frage, ob die Beschwerdeführerin eine vertretbare Rechtsansicht gehabt habe, sei auf den rechtskräftigen Berufungsbescheid über die Abgabenpflicht des Primärschuldners zu verweisen, in dem sich zum Verbreitungsvorgang Feststellungen fänden, wonach die Verbreitung auf drei Wegen, und zwar durch Postversand der Abonnentenexemplare vom Postamt Wr. Neustadt, durch Abendkolportage in Wr. Neustadt, Baden und Neunkirchen und durch Belieferung von Verschleißeinrichtungen in Niederösterreich durch die in Wien ansässige P GmbH erfolge. Ein Mitarbeiter einer in Wien ansässigen Druckerei sei am Tag vor dem Erscheinungstag um ca. 16.00 Uhr mit den Abonnenten- und den Kolportageexemplaren von Wien nach Wr. Neustadt gefahren. Die Exemplare für die Abonnenten seien bis spätestens 18.00 Uhr zum Postamt Wr. Neustadt gebracht worden, die zur Kolportage bestimmten Exemplare zum Bahnhof Wr. Neustadt, wo eine eigene Abgabestelle für die Kolporteure bestanden habe. Die für die Verschleißstellen in Niederösterreich bestimmten Teilauflagen seien spätestens am Erscheinungstag der Medienwerke von der Druckerei zur Wiener Zweigstelle der Pressegroßvertriebs GmbH in Wien 23 gebracht worden. Die Anlieferung sei in jedem Fall so zeitgerecht erfolgt, dass die Exemplare spätestens am Morgen des Erscheinungstages dem in Wien ansässigen Vertriebsunternehmen zur Verfügung gestanden seien. Im vorliegenden Fall habe es zu diesen drei Vertriebswegen bereits eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegeben, wonach der Begriff der Verbreitung im Sinne des § 3 Pressegesetz zu verstehen sei. Danach sei Verbreitung der Vertrieb, der Verschleiß, die Verteilung des Druckwerkes, dessen Anschlagen, Aushändigen oder Auflegen sowie jede andere Tätigkeit, wodurch es einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werde. Im Beschwerdefall sei dies von Wien aus erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 1 Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983 (in der Folge: Wr AnzAbgG), LGBl. Nr. 22 idF LGBl. Nr. 29/1984, aufgehoben mit LGBl. Nr. 74/2001, lautet:

"§ 1. (1) Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke (§ 1 Abs. 1 Z 3 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, unterliegen, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes.

(2) Als Erscheinungsort des Medienwerkes gilt Wien dann, wenn die Verbreitung erstmals von hier aus erfolgt oder wenn der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat oder wenn die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in Wien ausgeübt wird."

Gemäß § 7 Wr AnzAbgG hat der Abgabepflichtige für jeden Monat bis längstens 15. des darauf folgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich darnach ergebenden Abgabenbetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen.

Eine Anzeigenabgabepflicht in Wien besteht bereits dann, wenn auch nur einer der im § 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG angeführten Tatbestände in Wien verwirklicht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2008, Zl. 2005/17/0266, mwN).

In der Beschwerde führt die Beschwerdeführerin als zentralen Einwand gegen ihr Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben ins Treffen, sie sei auf Grund eingeholter Rechtsauskünfte und der bisherigen Rechtsprechung zur erstmaligen Verbreitung von Medienwerken in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass nur die Übergabe der Medienwerke an die Post, nicht aber die Verbreitung durch einen Pressegroßvertrieb zur Anzeigenabgabepflicht führe, was jahrzehntelang praktisch geübt und von den Abgabenbehörden nicht beanstandet worden sei.

In dem von den Parteien jeweils für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Erkenntnis vom 28. Juni 1973, Zl. 0184/73, heißt es zu einer mit der vorliegenden vergleichbaren Rechtslage zur Frage der Verbreitung eines Druckwerkes unter Zitierung von § 3 Pressegesetz:

"Unter Verbreitung versteht dieses Gesetz den Vertrieb, den Verschleiß, die Verteilung des Druckwerkes, dessen Anschlagen, Aushängen oder Auflegen sowie jede andere Tätigkeit, wodurch es einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird."

Zur Frage der "erstmaligen" Verbreitung (§ 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG) heißt es weiter:

"Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass jene Verbreitung als erstmalig (richtig: erstmals) erfolgt, die Abgabepflicht nach den einzelnen Anzeigenabgabegesetzen auslöst, bei welcher - nach dem natürlichen Sprachgebrauch ausgedrückt - 'auf einmal' eine Anzahl von Exemplaren eines bestimmten Druckwerkes, welches bis dahin nicht einem größeren Personenkreis zugänglich war, einem größeren Personenkreis (im Sinne des § 3 des Pressegesetzes) zugänglich gemacht wird, wobei die nach der Art und dem Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen außer Betracht zu bleiben haben….

Allerdings liegt selbst vom Boden der vorstehenden Auslegung des Begriffes der erstmaligen Verbreitung aus bezüglich der an Fernsprechteilnehmer in diversen niederösterreichischen und steiermärkischen Gemeinden verbreiteten 'Örtlichen Telefonbücher' keine Rechtsverletzung vor, weil nach der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde diese Druckwerke von der Druckerei an den Beschwerdeführer und von diesem an die Fernsprechteilnehmer versendet - somit erst durch die Versendung einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht - also von Wien aus erstmalig verbreitet wurden, und die bezüglichen Anzeigenabgabegesetze die Abgabepflicht an den Ort knüpfen, von dem aus die Verbreitung erstmalig erfolgt."

Auch in dem von den Parteien zitierten Erkenntnis vom 27. Oktober 1982, Zl. 81/17/0204, wird auf den Verbreitungsbegriff nach dem Wr AnzAbgG wie folgt Bezug genommen:

"Was die örtlichen Telefonbücher anlangt, ergibt sich aus den Aktenunterlagen, insbesondere aus der von der Magistratsabteilung 4 mit dem Beschwerdeführer in dessen Unternehmen aufgenommenen Niederschrift vom 29. März 1973 über die Feststellung der Verbreitungswege von Druckwerken aus dem Unternehmen des Beschwerdeführers (OZ. 89), und zwar aus der Angabe des Angestellten W, dass diese Druckwerke von den jeweiligen Druckereien direkt an den Betrieb des Beschwerdeführers in Wien geliefert und von diesem per Post an die Fernsprechteilnehmer zur Versendung gebracht wurden; Versandlisten lägen im Betrieb des Beschwerdeführers auf. Die Verbreitung erfolgte damit im Sinne des § 1 Abs. 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes erstmalig von Wien aus."

Zum Erscheinungsort heißt es weiter unter Bezug auf das Erkenntnis vom 8. Juni 1973, Zl. 0184/73:

"…als Erscheinungsort wird der Ort der Versendung oder sonstigen Verbreitung der bereits eingelegten Beilage mit dem betreffenden Heimatblatt zu verstehen sein…"

Aus den zitierten Passagen ergibt sich bereits, dass der Begriff der Verbreitung von Medienwerken im gegebenen Zusammenhang keinesfalls auf jenen des Versandes durch die Post eingeschränkt ist. Jede Handlung, wodurch Druckwerke einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden, fällt demnach darunter, etwa die "Versendung oder sonstige Verbreitung".

Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. Juni 2001, Zl. 98/17/0025, in dem die Verbreitung durch eine "Vertriebsfirma" durchgeführt worden ist, wie folgt bekräftigt:

"2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der Umschreibung des Erscheinungsortes als Ort, von dem aus die Verbreitung eines Druckwerkes erstmalig erfolgt, schon in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1973, Zl. 184/73, und seither in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist darunter jener Ort zu verstehen, in dem das Druckwerk der Post zum Versand übergeben wird, um damit einem größeren Personenkreis (im Sinne des § 3 des damals geltenden Pressegesetzes) erstmalig zugänglich gemacht zu werden. Erstmals erfolgt dabei, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls in dem bereits genannten Erkenntnis vom 28. Juni 1973 ausgesprochen hat, jene Verbreitung, bei welcher 'auf einmal' eine Anzahl von Exemplaren eines bestimmten Druckwerkes, welches bis dahin nicht einem größeren Personenkreis zugänglich war, einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, wobei die nach der Art und dem Umfang der Verbreitung üblichen Zeitdifferenzen außer Betracht zu bleiben haben; diese erstmalige Verbreitung löst die Abgabepflicht nach den einzelnen Anzeigenabgabegesetzen, darunter dem hier anzuwendenden Gesetz, aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1982, Zl. 81/17/0218, oder zuletzt vom 26. Februar 2001, Zl. 96/17/0240, mwN).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist es unstrittig, dass die Übergabe an das jeweils den Versand des Medienwerkes an den Einzelverkäufer (Kiosk) durchführende Unternehmen als Verbreitungshandlung im dargelegten Sinne anzusehen ist und diese in Wien erfolgte. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auf der Basis des festgestellten Sachverhaltes diese Auffassung, zumal es rechtlich keinen Unterschied macht, ob die Übergabe eines Druckwerkes (Medienwerkes) an die Post oder an ein anderes den Versand besorgendes Unternehmen erfolgt. Demnach wäre Wien als Erscheinungsort anzusehen und bestünde die Abgabepflicht nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983, wenn diese Verbreitungshandlung diejenige wäre, die 'erstmals' vorgenommen würde.

2.3. Die beschwerdeführende Partei geht nun davon aus, dass vor der dargestellten, in Wien erfolgten Verbreitungshandlung andere - oben erwähnte - Verbreitungshandlungen stattgefunden hätten; so seien 'Belegexemplare', Exemplare für verschiedene näher bezeichnete Luftfahrtgesellschaften und Exemplare für ein Schloss in Niederösterreich ausgeliefert worden. Auch sei die Postaufgabe 'der Abonnements' nach den Feststellungen der belangten Behörde bis April 1994 vom Postamt 1150 Wien, später vom Postamt Klosterneuburg aus erfolgt. Damit sei eine erstmalige Verbreitung (oder seien mehrere Verbreitungshandlungen) vorgenommen worden, so dass die in Wien erfolgende Übergabe an das jeweils den Versand besorgende Unternehmen nicht als erstmalige Verbreitungshandlung angesehen werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht der beschwerdeführenden Partei nicht. Wesentliches Merkmal der Verbreitung ist - wie sich schon aus der oben erwähnten Rechtsprechung ergibt - die Zugänglichmachung einer Anzahl von Exemplaren eines bestimmten Medienwerkes an einen größeren Personenkreis, wobei das Medienwerk bis dahin nicht einem größeren Personenkreis zugänglich war. Ist aber in diesem Zusammenhang auf einen 'größeren Personenkreis' abzustellen, so haben daneben zahlenmäßig nicht besonders ins Gewicht fallende Verbreitungshandlungen für die Frage der Gleichzeitigkeit unberücksichtigt zu bleiben (vgl. zu 'Belegexemplaren' das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1992, Zl. 89/17/0036).

2.4. Aus diesen Erwägungen ist daher im Beschwerdefall von einer erstmaligen Verbreitung des gegenständlichen Medienwerkes jedenfalls auch von Wien aus auszugehen."

Selbst die Beschwerdeführerin räumt ein, dass mit dieser - zeitlich nach dem hier für das Verschulden wesentlichen Zeitraum liegenden - Entscheidung kein Abgehen von der von der bisherigen Rechtsprechung dem Begriff der Verbreitung beigemessenen Bedeutung erfolgt ist, sondern lediglich eine "Klarstellung". War in der Rechtsprechung bis dahin vom Versand durch die Post die Rede, waren die Gründe dafür sachverhaltsbezogen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. März 2012, Zl. 2011/17/0100), eine Beschränkung des in Rede stehenden Begriffes auf den Versand durch die Post erfolgte dadurch nicht.

Die Beschwerdeführerin kann sich vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht darauf berufen, dass es eine jahrzehntelang geübte Praxis der Übergabe an Großvertriebsunternehmen gegeben habe, die von den Abgabenbehörden unbeanstandet gelassen worden sei. Nach der dargestellten Rechtsprechung hat der dort umschriebene Vertriebsbegriff die Verbreitung durch ein Vertriebsunternehmen keinesfalls ausgeschlossen.

Soweit die Beschwerdeführerin auf die von ihr im Jahre 1997 eingeholten Rechtsauskünfte und juristischen Stellungnahmen Bezug nimmt und damit ihr Verschulden verneint wissen will, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, weil weder festgestellt wurde, welcher konkrete Sachverhalt welcher Auskunftsperson mitgeteilt worden ist noch, welchen konkreten Inhalt die Auskünfte im Jahre 1997 hatten. Auch finden sich im Verfahrensakt keine entsprechenden Hinweise bzw. Urkunden. Eine darauf abzielende Verfahrensrüge unterblieb. Im Übrigen wird durch den bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum noch nicht dargetan (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl. 2004/13/0142).

Ebenfalls nicht durch die Feststellungen im angefochtenen Bescheid gedeckt ist die in der Beschwerde erhobene Behauptung, zwischen der Verbreitung in Niederösterreich und der Verbreitung in Wien habe eine zeitliche Differenz von einem ganzen Tag bestanden. Nach den oben wieder gegebenen Feststellungen lagen etwa zwölf Stunden zwischen diesen Vorgängen. Auf die darauf aufbauenden Argumente war daher nicht einzugehen.

Die Kausalität ihres Verhaltens für den Abgabenausfall verneint die Beschwerdeführerin zusammengefasst mit der Begründung, die Behörde sei im relevanten Zeitraum der Jahre 1998 bis 2000 nicht aktiv geworden, erst im Jahre 2003 sei ein Bescheid über die Abgabepflicht vorgelegen. Zu dieser Zeit sei die Gesellschaft nicht mehr in der Lage gewesen, die Anzeigenabgabe vollständig zu bezahlen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 2011, Zl. 2011/16/0082).

Nicht die Behörde hatte im Beschwerdefall aktiv zu werden, vielmehr wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen gemäß § 7 Wr AnzAbgG für jeden Monat bis längstens 15. des darauf folgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich darnach ergebenden Abgabenbetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen. Dass die Abgabenschuld zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen in den Jahren 1998 bis 2000 nicht hätte beglichen werden können, wurde nicht behauptet. Danach liegende Zeiträume sind für den Beschwerdefall unbeachtlich.

In der am Ende der Beschwerde vorgetragenen Verfahrensrüge führt die Beschwerdeführerin weder aus, welche konkrete Feststellungen sie angreift, noch welche Feststellungen im Einzelnen zu treffen gewesen wären. Zu den in der Beschwerde erwähnten jedoch nicht näher erläuterten Fragen der Kausalität und des Verschuldens ist in rechtlicher Hinsicht auf die oben gemachten Ausführungen zu verweisen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ungeachtet des Parteiantrages war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von einer Verhandlung abzusehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt; zudem steht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem nicht entgegen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz ergibt sich aus den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2013

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