VwGH 2011/10/0092

VwGH2011/10/009226.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. der MF und

2. des Ing. JF, beide in H, beide vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. Mai 2011, Zl. LF1-FO-120/030-2010, betreffend Forstrecht, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §18;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §18;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Mai 2011 hat der Landeshauptmann von Niederösterreich den Antrag der Beschwerdeführer vom 30. November 2009 auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für eine Waldfläche auf dem Grundstück Nr. 1682/2, KG H. gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, die Behörde erster Instanz habe bereits mit Bescheid vom 13. April 1995 einen Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Rodungsbewilligung auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 1682/2 abgewiesen. Der damalige Antrag sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Rodung im Interesse des Siedlungswesens gelegen sei, weil es sich um eine relativ kleine Waldfläche handle, welche ringsum von Bauland mit darauf errichteten Einfamilienhäusern umgeben sei. Im damaligen Verfahren sei festgestellt worden, dass die gesamte Parzelle Nr. 1682/2 im Flächenwidmungsplan als Grünland/Forst ausgewiesen sei. Nach dem Waldentwicklungsplan komme der gegenständlichen Fläche sowohl im Bereich der Schutzfunktion als auch im Bereich der Wohlfahrtsfunktion die höchste Wertigkeit zu. Die Waldausstattung der Katastralgemeinde H. betrage 5,2 %, die der politischen Gemeinde 5,7 %. Nach dem Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung seien die umgebenden Grundstücke als Bauland/Wohngebiet gewidmet; am südlichen Rand des Grundstückes befinde sich eine Verkehrsfläche. Aus dem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan sei ein öffentliches Interesse an der Rodung nicht ableitbar. Von den Beschwerdeführern seien keine Gründe vorgebracht worden, die ein öffentliches Interesse auf Grund des Siedlungswesens bzw. der Raumordnung begründen könnten.

Ein neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung sei mit Bescheid vom 8. Juni 1999 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen worden.

Den gegenständlichen Antrag hätten die Beschwerdeführer damit begründet, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen, von Bauland/Wohngebiet umgebenen Fläche als Wald nicht gegeben sei, weil die angebotene Ersatzaufforstungsfläche aus ökologischer und forstwirtschaftlicher Sicht wesentlich günstiger sei, zumal sie zu einer Vergrößerung des geschlossenen Forstgebietes führe.

Die Sachlage habe sich seit der Abweisung des Rodungsbewilligungsantrages im Jahre 1995 nicht geändert. Sowohl die Widmung als auch die höchste Wertigkeit im Bereich der Schutz- und Wohlfahrtsfunktion seien gleichgeblieben. Den Beschwerdeführern sei jedoch zuzustimmen, dass sich die Rechtslage insoweit geändert habe, als durch die Novelle BGBl. I Nr. 59/2002 § 17 Abs. 2 in das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), eingefügt worden sei. Ein Anwendungsfall dieser Bestimmung sei jedoch nicht gegeben, weil ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald mit einer hohen Schutz- und Wohlfahrtsfunktion bestehe. Die Rodungsbewilligung könnte daher nur gemäß § 17 Abs. 3 ForstG erteilt werden. Diese Bestimmung entspreche § 17 Abs. 2 FostG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 59/2002. Da somit die Entscheidung über den Rodungsantrag im Jahr 1995 auch bei Anwendung der nunmehr geltenden Rechtslage nicht anders lauten hätte können, liege keine Änderung der maßgeblichen Rechtslage vor, weshalb einer neuerlichen Entscheidung über einen Antrag auf Rodung der gegenständlichen Waldfläche das Hindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegenstehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die Zurückweisung eines Antrages nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass sich gegenüber dem früheren Bescheid, dessen Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, weder am entscheidungsrelevanten Sachverhalt noch an der maßgeblichen Rechtslage etwas geändert hat (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, Rz 39 zu § 68 und die dort zitierte hg. Judikatur). Identität der maßgeblichen Rechtslage liegt vor, wenn seit der Erlassung des formell rechtskräftigen Bescheides, dessen Abänderung begehrt wird, in den die Entscheidung tragenden Normen keine wesentliche Modifikation eingetreten ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz. 32 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sich der gegenständliche Rodungsantrag auf dieselbe Grundfläche bezieht wie der im Jahre 1995 abgewiesene Antrag.

Zunächst ist den Beschwerdeführern, soweit sie den langen Zeitraum seit der Abweisung des Rodungsantrages im Jahre 1995 ins Treffen führen, zu antworten, dass der bloße Zeitablauf in einem Fall wie dem vorliegenden keine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts darstellt. Da sich unstrittig bereits im Jahr 1995 rund um das gegenständliche Waldgrundstück Grundstücke mit der Widmung Bauland/Wohngebiet befunden haben, stellt auch dieser - von der Beschwerde betonte - Umstand keine wesentliche Sachverhaltsänderung dar.

Die Absätze 1 bis 3 des die Rodung regelnden § 17 ForstG in der geltenden Fassung haben folgenden Wortlaut:

"§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt."

Vor der Novelle BGBl. I Nr. 59/2002 hatten die Abs. 1 und 2 des § 17 ForstG folgenden Wortlaut:

"§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt."

Die Beschwerdeführer erblicken eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage in der Einfügung von § 17 Abs. 2 ForstG mit der Novelle BGBl. I Nr. 59/2002. Dazu bringen sie vor, dass die Rodungsbewilligung nach dieser Bestimmung erteilt werden könne, weil die von den Beschwerdeführern angebotene Ersatzaufforstung einer wesentlich größeren Fläche dazu führe, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald nicht bestehe.

Dem ist zu entgegnen, dass die Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG und die Vorschreibung einer Ersatzleistung unvereinbar sind. Wird nämlich der Verlust der Wirkungen des zu rodenden Waldes so hoch eingestuft, dass Ausgleichsmaßnahmen erforderlich erscheinen, so muss von einem besonderen öffentlichen Interesse an der Walderhaltung ausgegangen werden, das eine Rodungsbewilligung nach dieser Bestimmung ausschließt (vgl. Brawenz/Kind/Reindl, ForstG3, Anm. 4 zu § 17). Dass an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche mit hoher Schutz- und Wohlfahrtsfunktion als Wald ein besonderes öffentliches Interesse besteht, wird in der Beschwerde - abgesehen vom dargestellten Vorbringen betreffend eine Ersatzaufforstung - nicht konkret bestritten.

Die für den gegenständlichen Rodungsantrag maßgebliche Norm ist somit § 17 Abs. 3 ForstG. Da diese Norm inhaltlich § 17 Abs. 2 leg. cit. in der bei Abweisung des Rodungsantrages im Jahre 1995 geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 59/2002 entspricht, ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass sich die maßgebliche Rechtslage nicht geändert hat.

Aus all diesen Gründen hat die belangte Behörde den neuerlichen Rodungsantrag der Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen.

Da sich somit bereits aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. September 2011

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