Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 28. Juli 2011 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung der "Tiefgarage Alpengasthof" auf Parzelle Nr. 1064, KG T.
Der Erstmitbeteiligte ist Eigentümer des im Nordosten an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 464/14, KG S. Er erhob im Rahmen der mündlichen Verhandlung Einwendungen gegen die Errichtung des Bauvorhabens und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Zufahrt zur Tiefgarage nur über eine Privatstraße möglich sei. Der Mangel einer Verbindung zur öffentlichen Straße sei als "objektiv-öffentliches" Recht von der Behörde wahrzunehmen; der Antrag sei daher abzuweisen.
Der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde erteilte dennoch mit Bescheid vom 14. November 2011 die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung verschiedener Auflagen.
Der Gemeindevorstand der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde gab der Berufung des Erstmitbeteiligten vom 24. November 2011 mit Bescheid vom 21. Februar 2012 (Beschluss vom 15. Februar 2012) insofern statt, als die Grundstücksnummer korrigiert wurde;
darüber hinaus gab er der Berufung keine Folge.
Der Erstmitbeteiligte brachte eine Vorstellung vom
6. März 2012 ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 25. Juni 2012) hob die
belangte Behörde den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Februar 2012 auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen zurück. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass gemäß § 1 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996) die Vollziehung dieses Gesetzes in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle. Gemäß § 1 Abs. 2 lit. d K-BO 1996 seien von der Regelung des Abs. 1 jedoch Akte der Vollziehung betreffend Vorhaben, die sich auf das Gebiet zweier oder mehrerer Gemeinden erstreckten oder bei welchen bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens benachbarte Grundflächen einzubeziehen seien, die in einer oder mehreren anderen Gemeinden gelegen seien, ausgenommen.
Im gegenständlichen Fall sei in das vorliegende Baubewilligungsverfahren das Anrainergrundstück Nr. 464/14 der KG S (des Erstmitbeteiligten) einzubeziehen gewesen, das jedoch im Gebiet der Gemeinde A liege, sodass diese Verwaltungsangelegenheit nicht zum eigenen Wirkungsbereich der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde gehöre. In Angelegenheiten, die nicht zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörten, sei gemäß § 3 Abs. 2 K-BO 1996 die Bezirksverwaltungsbehörde Behörde erster Instanz.
Die Behörde habe gemäß § 6 Abs. 1 AVG ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Auf Grund des Umstandes, dass die Baubehörden erster und zweiter Instanz zur Entscheidung in der gegenständlichen Bauangelegenheit unzuständig gewesen seien, sei der Erstmitbeteiligte in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden. Dadurch, dass die Berufungsbehörde den Bescheid erster Instanz nicht wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben habe, sei der Berufungsbescheid rechtswidrig, auch wenn dieser Umstand in der Berufung nicht geltend gemacht worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1984, Zl. 84/06/0067). Zuständig zur Entscheidung über das Bauansuchen sei somit die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land als Baubehörde erster Instanz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie - ebenso wie der Erstmitbeteiligte - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die zweitmitbeteiligte Marktgemeinde trat in ihrer Gegenschrift der Rechtsansicht des Beschwerdeführers bei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht und dergestalt seine Parteistellung im Sinne des § 42 AVG behalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2006, Zl. 2002/06/0117, m.w.N.).
Die Parteistellung des Nachbarn im Bauverfahren ist in § 23 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996), LGBl. Nr. 62/1996, geregelt. Dieser lautet in der hier anzuwendenden Fassung der Kundmachung LGBl. Nr. 16/2009 auszugsweise:
"§ 23
Parteien, Einwendungen
(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:
- a) ...
- e) die Anrainer (Abs. 2).
(2) Anrainer sind:
a) die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie
b) entfällt
(3) Anrainer im Sinn des Abs. 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über
- a) die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
- b) die Bebauungsweise;
- c) die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
- d) die Lage des Vorhabens;
- e) die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
- f) die Bebauungshöhe;
- g) die Brandsicherheit;
- h) den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
- i) den Immissionsschutz der Anrainer.
(4) …"
Gemäß § 42 Abs. 1 AVG verliert eine Person ihre Stellung als Partei, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung - sofern die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde - während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.
Der Erstmitbeteiligte erhob Einwendungen gegen die Errichtung des Bauvorhabens im Rahmen der mündlichen Verhandlung und begründete diese damit, dass die Zufahrt zur Tiefgarage nur über eine Privatstraße möglich sei; der Mangel einer Verbindung zur öffentlichen Straße sei als "objektiv-öffentliches" Recht von der Behörde wahrzunehmen; der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung sei daher abzuweisen.
Vorschriften über die erforderliche Verbindung zu einer öffentlich-rechtlichen Fahrstraße begründen jedoch - wie der Erstmitbeteiligte selbst erkannte - kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (vgl. dazu die bei Hauer/Pallitsch, Rz 117 zu § 23 K-BO 1996 angeführte hg. Judikatur). Eine Sachentscheidung hätte die belangte Behörde nur dann treffen dürfen, wenn die Präklusionswirkungen des § 42 Abs. 1 AVG mangels Vorliegens der übrigen Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle nicht eintreten hätten können (zur Anwendbarkeit des § 42 AVG und Derogation des § 23 Abs. 5 K-BO 1996 in der hier anzuwendenden Fassung siehe das hg. Erkenntnis vom 10. September 2008, Zl. 2006/05/0124, mwN). Die vorliegenden Verwaltungsakten bieten hiefür jedoch keinen Anhaltspunkt. Da der Erstmitbeteiligte somit keine Einwendungen im Sinn des § 23 K-BO 1996 erhob, verlor er seine Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG. Die belangte Behörde hätte daher die Vorstellung des Nachbarn mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen müssen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid - ohne zu beachten, dass sie über eine Vorstellung eines Anrainers, der infolge Präklusion seine Parteistellung verloren hatte - von zulässigen Einwendungen des Erstmitbeteiligten aus und entschied deshalb in der Sache. Dadurch belastete sie ihren Bescheid insofern, als sie die Baubewilligung für die Errichtung der "Tiefgarage Alpengasthof" aufhob, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sodass der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die in dieser Verordnung normierte Pauschalierung die Umsatzsteuer bereits umfasst.
Wien, am 20. Juni 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)