Normen
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
NAG 2005 §62;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
NAG 2005 §62;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 15. März 2010 eingebrachten Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers, eines im Jahr 1993 geborenen türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 26 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Vater des Beschwerdeführers sei am 30. März 2005 in Österreich zur Ausübung einer Tätigkeit als Seelsorger (Imam) eingereist und habe dazu erstmals eine von 11. Februar 2005 bis 11. Februar 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck "vom AuslBG ausgenommener unselbständiger Erwerb, §§ 1 Abs. 2, 1 Abs. 4 AuslBG" ausgestellt erhalten; diese sei danach immer wieder verlängert worden. Derzeit sei sein Vater im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG mit dem Zweck "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit", gültig von 15. Jänner 2010 bis 15. Jänner 2011.
Der Beschwerdeführer sei am 6. Juli 2007 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern im Rahmen der Familienzusammenführung mit seinem Vater in Österreich eingereist. Dazu sei ihm erstmals am 6. August 2007 eine bis 12. Jänner 2008 gültige Aufenthaltsbewilligung, abgeleitet von seinem in Österreich rechtmäßig aufhältigen Vater, mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" ausgestellt worden, die mehrmals verlängert worden sei, zuletzt mit Gültigkeit von 15. Jänner 2010 bis 15. Jänner 2011. Aus sämtlichen Stellungnahmen seines Vertreters gehe hervor, dass der Vater des Beschwerdeführers beabsichtige, weiterhin seine Tätigkeit als Imam in Österreich auszuüben. Am 15. März 2010 habe der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "beschränkt" eingebracht, um sich nach Abschluss der Schule in Österreich, insbesondere am Arbeitsmarkt, integrieren zu können. Dieser Antrag sei von der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 5, § 8 Abs. 2 Z 4, § 8 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Z 12 iVm § 26 NAG abgewiesen worden, weil eine Zweckänderung von einer Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit " auf eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" rechtlich nicht möglich wäre.
In seiner dagegen gerichteten Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewendet, dass die Regelung, wonach einem Seelsorger für seine Tätigkeit in Österreich zwar eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werde (wie auch seinen nachziehenden Familienangehörigen), diese aber keine Integration im Sinne des NAG bzw. FPG oder AuslBG nach sich ziehe, verfassungswidrig sei; für eine derartige Schlechterstellung gegenüber anderen Ausländern und deren Familienangehörigen bestünde keine sachliche Rechtfertigung. Dem Beschwerdeführer würde dadurch jede Arbeitsmöglichkeit verwehrt.
Aus § 46 Abs. 4 NAG ergebe sich, so die belangte Behörde nach dessen Wiedergabe weiter, dass im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Im konkreten Fall des Beschwerdeführers lägen diese aber nicht vor, weil sein Vater, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableite, im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" sei; deshalb sei auch eine Zweckänderung gemäß § 26 NAG nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst unter Behauptung der Verfassungswidrigkeit des § 46 Abs. 4 NAG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der dessen Bedenken verwarf, die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. September 2011, Zl. B 1247-1252/10-7, ablehnte und diese auf Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. November 2011, Zl. B 1247-1252/10-9, zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (26. Juli 2010) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden ist und nachstehende Zitierungen des NAG sich auf diese Rechtslage beziehen.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NAG lauten:
"Bestimmungen über die Familienzusammenführung
§ 46. (...)
(4) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn
- 1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;
- 2. ein Quotenplatz vorhanden ist und
- 3. der Zusammenführende
- a) einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' innehat;
- b) eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' innehat;
- c) eine Niederlassungsbewilligung außer eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' nach § 42 innehat und die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat oder
d) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt."
"Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit
§ 62. Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgestellt werden, wenn
- 1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
- 2. eine Tätigkeit, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen ist (§ 1 Abs. 2 bis 4 AuslBG), ausüben."
"Familiengemeinschaft
§ 69. (1) Familienangehörigen von Zusammenführenden (§ 2 Abs. 1 Z 10), die eine Aufenthaltsbewilligung besitzen, kann eine abgeleitete Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Die Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung richtet sich nach der Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung des Drittstaatsangehörigen.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen, denen eine Aufenthaltsbewilligung für Betriebsentsandte (§ 59), für Selbständige (§ 60), für Schüler (§ 63) oder Sozialdienstleistende (§ 66) erteilt wurde."
Der Beschwerdeführer, der seinen Aufenthaltstitel von der Aufenthaltsbewilligung seines Vaters nach § 62 NAG ableitet, erfüllt nach der unbestrittenen Aktenlage die im maßgeblichen § 46 Abs. 4 NAG festgelegten besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die begehrte "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nicht. Die Abweisung des Zweckänderungsantrags durch die belangte Behörde begegnet demnach keinen Bedenken.
Die Beschwerde wendet dagegen zunächst ein, dass dem Zweckänderungsantrag deswegen stattzugeben wäre, weil dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines Befreiungsscheines zustehe. Zur mangelnden Berechtigung dieser Behauptung genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2011/09/0186, zu verweisen, mit dem seine Beschwerde gegen die Versagung eines Befreiungsscheines als unbegründet abgewiesen wurde, weil er die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nicht erfülle.
Soweit die Beschwerde im Weiteren darauf hinweist, dass im vorliegenden Fall auch Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des nach dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei gebildeten Assoziationsrates (im Folgenden: ARB Nr. 1/80) zu beachten gewesen wäre, führt auch dieser Einwand nicht zum Erfolg.
Art. 7 ARB Nr. 1/80 lautet:
"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war."
Um als Familienangehöriger Rechte aus Art. 7 ARB Nr. 1/80 ableiten zu können, ist zunächst die Zugehörigkeit des Vaters des Beschwerdeführers zum regulären Arbeitsmarkt Voraussetzung. Diese liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaates nachkommt und somit das Recht hat, eine Berufstätigkeit in dessen Hoheitsgebiet auszuüben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2013, Zl. 2012/22/0220, mwH). Der Vater des Beschwerdeführers ist als - der Aktenlage zufolge - unselbständig beschäftigter Seelsorger vom regulären Arbeitsmarkt nicht grundsätzlich ausgenommen (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, mwH). Im Hinblick darauf, dass der Vater des Beschwerdeführers während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung im Besitz eines dafür erforderlichen Aufenthaltstitels war, ist weiters auch davon auszugehen, dass seine Beschäftigung (und sein Aufenthalt) ordnungsgemäß im Sinn des Art. 6 ARB Nr. 1/80 sind (vgl. zu einer ähnlichen Sachlage das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2012, Zl. 2010/09/0185, mwH).
Die belangte Behörde hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Vater dem regulären Arbeitsmarkt angehört. Doch selbst unter dieser Annahme kann sich der Beschwerdeführer nicht auf Art. 7 ARB Nr. 1/80 berufen, weil er weder die weitere Voraussetzung des ersten Satzes erster Spiegelstrich (dreijähriger ordnungsgemäßer Wohnsitz), noch jene des zweiten Satzes (im Aufnahmeland abgeschlossene Berufsausbildung) erfüllt.
Nach Art. 7 erster Satz erster Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 muss der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach Erteilung der Genehmigung zu ihm zu ziehen im Aufnahmemitgliedstaat seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz über drei Jahre haben (vgl. auch Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG - Türkei, 101f).
Diese Voraussetzung liegt nicht vor: Der Beschwerdeführer erhielt nämlich erst mit der Erteilung seines ersten vom Vater abgeleiteten Aufenthaltstitels, gültig für ein Jahr ab dem 6. August 2007, eine Genehmigung im Sinn des Art. 7 ARB Nr. 1/80. Das ihm zuvor zur Einreise erteilte Visum zählt demgegenüber nicht als derartige Genehmigung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, Zl. 2008/22/0265). Damit aber hatte der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (26. Juli 2010) die Bedingung des dreijährigen ordnungsgemäßen Wohnsitzes ab Erteilung der Genehmigung mit 6. August 2007 noch nicht erfüllt.
Auch die Voraussetzung des Art. 7 zweiter Satz ARB Nr. 1/80 - Abschluss einer Berufsausbildung im Aufnahmeland - ist nicht gegeben, weil sich aus der Aktenlage kein Hinweis darauf ergibt, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Berufsausbildung absolviert hat. Weder sein Besuch der Hauptschule noch anschließend jener eines Polytechnikums sind als Berufsausbildung iS Art. 7 ARB Nr. 1/80 zu qualifizieren (vgl. dazu Akyürek,
Das Assoziationsabkommen EWG - Türkei, 103 f, sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, Zl. 2008/22/0468, mwH).
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 10. Dezember 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)