VwGH 2011/22/0289

VwGH2011/22/028910.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2 (Hauptpostgebäude), gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. Juli 2010, Zl. 156.178/6-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
NAG 2005 §62;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
NAG 2005 §62;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 15. März 2010 eingebrachten Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers, eines im Jahr 1993 geborenen türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 26 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Vater des Beschwerdeführers sei am 30. März 2005 in Österreich zur Ausübung einer Tätigkeit als Seelsorger (Imam) eingereist und habe dazu erstmals eine von 11. Februar 2005 bis 11. Februar 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck "vom AuslBG ausgenommener unselbständiger Erwerb, §§ 1 Abs. 2, 1 Abs. 4 AuslBG" ausgestellt erhalten; diese sei danach immer wieder verlängert worden. Derzeit sei sein Vater im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG mit dem Zweck "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit", gültig von 15. Jänner 2010 bis 15. Jänner 2011.

Der Beschwerdeführer sei am 6. Juli 2007 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern im Rahmen der Familienzusammenführung mit seinem Vater in Österreich eingereist. Dazu sei ihm erstmals am 6. August 2007 eine bis 12. Jänner 2008 gültige Aufenthaltsbewilligung, abgeleitet von seinem in Österreich rechtmäßig aufhältigen Vater, mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" ausgestellt worden, die mehrmals verlängert worden sei, zuletzt mit Gültigkeit von 15. Jänner 2010 bis 15. Jänner 2011. Aus sämtlichen Stellungnahmen seines Vertreters gehe hervor, dass der Vater des Beschwerdeführers beabsichtige, weiterhin seine Tätigkeit als Imam in Österreich auszuüben. Am 15. März 2010 habe der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "beschränkt" eingebracht, um sich nach Abschluss der Schule in Österreich, insbesondere am Arbeitsmarkt, integrieren zu können. Dieser Antrag sei von der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 5, § 8 Abs. 2 Z 4, § 8 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Z 12 iVm § 26 NAG abgewiesen worden, weil eine Zweckänderung von einer Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit " auf eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" rechtlich nicht möglich wäre.

In seiner dagegen gerichteten Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewendet, dass die Regelung, wonach einem Seelsorger für seine Tätigkeit in Österreich zwar eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werde (wie auch seinen nachziehenden Familienangehörigen), diese aber keine Integration im Sinne des NAG bzw. FPG oder AuslBG nach sich ziehe, verfassungswidrig sei; für eine derartige Schlechterstellung gegenüber anderen Ausländern und deren Familienangehörigen bestünde keine sachliche Rechtfertigung. Dem Beschwerdeführer würde dadurch jede Arbeitsmöglichkeit verwehrt.

Aus § 46 Abs. 4 NAG ergebe sich, so die belangte Behörde nach dessen Wiedergabe weiter, dass im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Im konkreten Fall des Beschwerdeführers lägen diese aber nicht vor, weil sein Vater, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableite, im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" sei; deshalb sei auch eine Zweckänderung gemäß § 26 NAG nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst unter Behauptung der Verfassungswidrigkeit des § 46 Abs. 4 NAG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der dessen Bedenken verwarf, die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. September 2011, Zl. B 1247-1252/10-7, ablehnte und diese auf Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. November 2011, Zl. B 1247-1252/10-9, zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (26. Juli 2010) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden ist und nachstehende Zitierungen des NAG sich auf diese Rechtslage beziehen.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NAG lauten:

"Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (...)

(4) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn

  1. 1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;
  2. 2. ein Quotenplatz vorhanden ist und
  3. 3. der Zusammenführende
    1. a) einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' innehat;
    2. b) eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' innehat;
    3. c) eine Niederlassungsbewilligung außer eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' nach § 42 innehat und die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat oder

      d) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt."

      "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit

§ 62. Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgestellt werden, wenn

  1. 1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
  2. 2. eine Tätigkeit, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen ist (§ 1 Abs. 2 bis 4 AuslBG), ausüben."

    "Familiengemeinschaft

§ 69. (1) Familienangehörigen von Zusammenführenden (§ 2 Abs. 1 Z 10), die eine Aufenthaltsbewilligung besitzen, kann eine abgeleitete Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Die Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung richtet sich nach der Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung des Drittstaatsangehörigen.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen, denen eine Aufenthaltsbewilligung für Betriebsentsandte (§ 59), für Selbständige (§ 60), für Schüler (§ 63) oder Sozialdienstleistende (§ 66) erteilt wurde."

Der Beschwerdeführer, der seinen Aufenthaltstitel von der Aufenthaltsbewilligung seines Vaters nach § 62 NAG ableitet, erfüllt nach der unbestrittenen Aktenlage die im maßgeblichen § 46 Abs. 4 NAG festgelegten besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die begehrte "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nicht. Die Abweisung des Zweckänderungsantrags durch die belangte Behörde begegnet demnach keinen Bedenken.

Die Beschwerde wendet dagegen zunächst ein, dass dem Zweckänderungsantrag deswegen stattzugeben wäre, weil dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines Befreiungsscheines zustehe. Zur mangelnden Berechtigung dieser Behauptung genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2011/09/0186, zu verweisen, mit dem seine Beschwerde gegen die Versagung eines Befreiungsscheines als unbegründet abgewiesen wurde, weil er die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nicht erfülle.

Soweit die Beschwerde im Weiteren darauf hinweist, dass im vorliegenden Fall auch Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des nach dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei gebildeten Assoziationsrates (im Folgenden: ARB Nr. 1/80) zu beachten gewesen wäre, führt auch dieser Einwand nicht zum Erfolg.

Art. 7 ARB Nr. 1/80 lautet:

"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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