VwGH 2012/22/0220

VwGH2012/22/022029.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. November 2010, Zl. E1/136.518/2010, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

62007CJ0337 Altun VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
62007CJ0337 Altun VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. März 2009 nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 20 Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt worden sei. Bereits am 19. Mai 2008 habe der Beschwerdeführer eine Frau mit Gewalt zur Vornahme bzw. Duldung des Beischlafs genötigt. Deshalb sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. September 2009 nach § 201 StGB zu einer Zusatzstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Die genannten Urteile hätten zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Sachverhalt erfüllt, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegeben seien. Der Beschwerdeführer sei nicht nach dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (Beschluss des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation - ARB) begünstigt, weil weder er die Voraussetzungen des Art. 6 erfüllt habe noch sein Vater, zu dem er nachgezogen sei.

In der Folge nahm die belangte Behörde eine Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG vor und erachtete das Aufenthaltsverbot als zulässig im Sinn des Art. 8 EMRK.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im November 2010 die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

In der Beschwerde wird eine Unzuständigkeit der belangten Behörde mit der Begründung releviert, dass der Beschwerdeführer "Assoziationstürke" sei und somit der unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Wien hätte entscheiden müssen.

Damit spricht der Beschwerdeführer die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Juni 2006, 2006/18/0138), derzufolge es in Anbetracht des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes geboten ist, für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB Nr. 1/80 zukommt, den Instanzenzug zu einem Tribunal einzurichten.

Zu dieser Frage meint die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, dass weder der Beschwerdeführer noch sein Vater, zu dem er nachgezogen sei, die Voraussetzungen des Art. 6 ARB erfülle.

Dass der Beschwerdeführer eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB erlangt hätte, wurde weder im Verwaltungsverfahren behauptet noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte.

Wohl aber wurden die Voraussetzungen des Art. 7 ARB insofern in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid angesprochen, als dort ausgeführt wurde, der Vater des nachgezogenen Beschwerdeführers habe als Baggerfahrer und Alleinverdiener stets einen tadellosen Lebenswandel vorgelebt und sei immer einer ordentlichen Beschäftigung nachgegangen. Der in der Baubranche häufige Arbeitgeberwechsel und die Winterarbeitslosigkeit dürften ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Art. 7 ARB lautet:

"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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