VwGH 2011/10/0164

VwGH2011/10/016422.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der F GmbH in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Heinrich Gruber-Straße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Mai 2011, Zl. ForstR- 100863/8-2011-Sic, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Linz Service GmbH für Infrastruktur und Kommunale Dienste in Linz, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Dr. Rudolf Mitterlehner, Dr. Klaus Oberndorfer und Dr. Paul Oberndorfer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 9), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (als Behörde erster Instanz) vom 23. Dezember 2010 wurde der mitbeteiligten Partei (unter anderem) für das Grundstück Nr. 2754, KG A., welches im Eigentum der beschwerdeführenden Partei steht, die Bewilligung zur dauernden Rodung einer Fläche von etwa 40 m2 zum Zwecke der Erneuerung einer bestimmten Transportwasserleitung gemäß §§ 17 Abs. 2 bis 5, 18, 19 und 170 Forstgesetz (ForstG) erteilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, nach § 17 Abs. 1 ForstG sei die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als zu solchen der Waldkultur (Rodung) verboten. Entsprechend § 17 Abs. 2 ForstG könne eine Rodungsbewilligung allerdings dann erteilt werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegenstehe. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung sei dann als gegeben zu erachten, wenn es sich um Waldflächen handle, denen unter anderem mittlere oder hohe Wohlfahrtsfunktion bzw. hohe Erholungswirkung gemäß Waldentwicklungsplan zukomme.

Die in Frage stehenden Waldflächen wiesen laut Waldentwicklungsplan eine hohe Wohlfahrtsfunktion (Klimaausgleich) und eine mittlere Erholungsfunktion (Naherholungsgebiet) auf. Die hohe Wohlfahrtsfunktion und die mittlere Erholungswirkung des Waldes seien auch auf der Rodungsfläche uneingeschränkt gegeben. Nach der Funktionskennziffer der gegenständlichen Rodungsfläche im Waldentwicklungsplan bzw. der Aussage des forsttechnischen Amtssachverständigen liege daher ein besonderes und damit einer Bewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG entgegenstehendes (öffentliches) Interesse vor.

Eine Bewilligung könne - trotz Vorliegen eines besonderen Interesses an der Walderhaltung - nach § 17 Abs. 3 ForstG dann erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer besonderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche (Rodungszweck) das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald übersteige. Die Forstbehörde habe daher eine Interessenabwägung durchzuführen und das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Waldes auf der einen Seite dem öffentlichen Interesse an der Rodung (zum Zweck der Errichtung einer Transportwasserleitung zur Sicherstellung der Versorgung von rund 25.000 Menschen) gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen.

Die Errichtung der gegenständlichen Transportwasserleitung zur Sicherstellung der Wasserversorgung von rund 25.000 Menschen stelle zweifellos ein öffentliches Interesse des Wasserbaus bzw. des Siedlungswesens dar. Demgegenüber stehe das Interesse an der Erhaltung von Wald im Ausmaß von 40 m2. Die öffentlichen Interessen am gegenständlichen Leitungsbau seien daher jedenfalls höher zu werten als die öffentlichen Interessen an der örtlichen Walderhaltung.

Im Zuge der gemäß § 17 ForstG vorgeschriebenen Interessenabwägung sei darüber hinaus auch zu prüfen, ob die Inanspruchnahme von Waldflächen für das im öffentlichen Interesse liegende Vorhaben überhaupt erforderlich sei.

Die beschwerdeführende Partei habe dazu vorgebracht, dass der Leitungsbau "derzeit" ohne Waldinanspruchnahme möglich sei.

Im wasserrechtlichen Verfahren betreffend das gegenständliche Projekt (Bescheid vom 20. Jänner 2011) sei - gestützt auf ein Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik - festgestellt worden, dass das von der beschwerdeführenden Partei angesprochene öffentliche Gut nicht für den Leitungsbau zur Verfügung stehe, weil die Transportwasserleitung dort nur einen Meter entfernt von einer projektierten Flügelmauer eines Brückenbauwerks der Autobahn A7 zu liegen käme. Die Leitungsführung auf dem nicht bewaldeten öffentlichen Grundstück sei technisch unmöglich und würde eine große Gefahr für die künftige Brücke, die Autobahn und somit für Leib und Leben von Menschen bedeuten. (Mit diesem Bescheid sei eine entsprechende Leistungsdienstbarkeit zu Lasten der beschwerdeführenden Partei eingeräumt worden.)

Vor Umsetzung des projektierten Brückenbauwerkes - so die belangte Behörde weiter - sei eine Errichtung der Wasserleitung technisch auch auf dem von der beschwerdeführenden Partei angeführten Nichtwaldgrundstück "noch möglich", weshalb der forsttechnische Amtssachverständige dem wiedergegebenen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht entgegengetreten sei. Derzeit wäre eine Verschwenkung der geplanten Leitungsstraße auf das Grundstück Nr. 3269/3, KG A., mit einem nur geringen und somit jedenfalls zu vertretenden Mehraufwand möglich; aufgrund des projektierten Brückenbauwerks im Zuge des Ausbaus der Autobahn A7 würde in diesem Fall jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eine neuerliche Umlegung der Transportwasserleitung deutlich vor dem Ende ihrer technischen Lebensdauer erforderlich sein.

Die von der beschwerdeführenden Partei angeführte Alternative wäre daher mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, weshalb die im gegenständlichen Projekt vorgesehene Rodung im Sinn der Interessenabwägung nach § 17 ForstG erforderlich sei.

Gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 20. September 2011, B 850/11-3, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 2 ForstG eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

Ein besonderes, einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG entgegenstehendes öffentliches Interesse an der Walderhaltung ist nach den Gesetzesmaterialien (RV zur Novelle BGBl. I Nr. 59/2002, 970 Blg. NR 21. GP, 32) dann gegeben, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen mittlere oder hohe Schutzwirkung, mittlere oder hohe Wohlfahrtswirkung oder hohe Erholungswirkung gemäß Waldentwicklungsplan zukommt. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, ist von der Forstbehörde anhand des Gutachtens eines forstlichen Sachverständigen zu beurteilen, wobei dem Waldentwicklungsplan eine wesentliche Indizwirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2013, Zl. 2012/10/0133, mwN).

2. Nach den auf den Waldentwicklungsplan bzw. die Aussage des forsttechnischen Amtssachverständigen gestützten Feststellungen der belangten Behörde kommt der gegenständlichen Fläche eine hohe Wohlfahrtfunktion und eine mittlere Erholungswirkung zu.

Da somit ein in der Wohlfahrtsfunktion begründetes besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung vorliegt, kommt die Erteilung einer Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG nur in Betracht, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Als dabei zu berücksichtigende öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung der Fläche kommen - fallbezogen - die in der beispielhaften Aufzählung des § 17 Abs. 4 ForstG genannten Interessen "Wasserbau" und "Siedlungswesen" in Betracht. Die belangte Behörde führt für ihre Auffassung diese öffentlichen Interessen ins Treffen.

3. Dass die vorliegend geplante Erneuerung einer Transportwasserleitung der Verwirklichung dieser öffentlichen Interessen dient, wird auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

Die beschwerdeführende Partei bringt allerdings - wie schon in ihrer Berufung - im Wesentlichen vor, dass - solange die Trassenführung einer künftigen Autobahnverbreiterung noch nicht einmal feststehe - der projektierte Leitungsbau auch ohne Inanspruchnahme der Waldparzelle Nr. 2754, nämlich über das Nichtwaldgrundstück Nr. 3269/3, KG A., möglich sei. Es sei rechtswidrig, das Waldgrundstück der beschwerdeführenden Partei bereits jetzt mit einer dauerhaften Rodung zu belasten, nur weil einer Leitungsführung auf öffentlichem Grund eine "noch nicht näher definierte, erst projektierte Flügelmauer eines künftigen Bauvorhabens" entgegenstehe. Das aus der Verfassung abgeleitete Erfordernis des konkreten Bedarfes im öffentlichen Interesse an der Waldparzelle der beschwerdeführenden Partei sei dahin zu verstehen, dass diesbezüglich eine "Eigentumsbeschränkung auf Vorrat" unzulässig sei.

4. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde allerdings nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Zwar ist im Zuge der Feststellung der Interessen im Sinne des § 17 ForstG nach der hg. Rechtsprechung auch zu prüfen, ob für das Vorhaben, um das es geht, die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Mai 2008, Zl. 2005/10/0045, mwN).

Die Beschwerde tritt den wiedergegebenen behördlichen Feststellungen nicht entgegen, denen zufolge nach den - auf sachverständiger Grundlage gewonnenen - Ergebnissen des wasserrechtlichen Verfahrens das von der beschwerdeführenden Partei angesprochene öffentliche Gut nicht für den Leitungsbau zur Verfügung stehe, weil die Transportwasserleitung dort nur einen Meter entfernt von einer projektierten Flügelmauer eines Brückenbauwerks der Autobahn A7 zu liegen käme, und die Leitungsführung auf dem nicht bewaldeten öffentlichen Grundstück technisch unmöglich sei und eine große Gefahr für die künftige Brücke, die Autobahn und somit für Leib und Leben von Menschen bedeuten würde.

Bereits durch den angesprochenen Bescheid vom 20. Jänner 2011 erscheint das öffentliche Interesse an der Erneuerung der gegenständlichen Transportwasserleitung unter Verwendung der beantragten Rodungsfläche von 40 m2 dokumentiert; die Beschwerde zeigt dem gegenüber keine konkreten Umstände auf, aus denen sich ein gewichtiger Eingriff in das Interesse an der Walderhaltung durch die Ausführung des geplanten Vorhabens ergäbe.

Das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 17 Abs. 3 ForstG vorgenommenen Interessenabwägung ist daher nicht zu beanstanden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Rodungsbewilligungsverfahren ein flächengebundenes Genehmigungsverfahren ist, bei dem - vom Antragsgegner gedachte - Trassenvarianten außer Betracht zu bleiben haben. Eine (nicht nur unwesentliche Trassenänderung hätte daher einer Änderung des Rodungsantrages bedurft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2012, Zl. 2009/10/0114, mwN).

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Oktober 2013

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