VwGH 2011/05/0131

VwGH2011/05/013123.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der B Handelsges.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12/12, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Juli 2011, Zl. BOB-399/10, betreffend einen Bauauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;

 

Spruch:

I. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 7.), 9.), 13.) und 15.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung (im Folgenden: MA) 37, vom 21. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführerin als Miteigentümerin eines Gebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien, nach Durchführung einer Ortsaugenscheinverhandlung am 31. Mai 2010, gemäß § 129 Abs. 2, 4, 5 und 10 der Bauordnung für Wien (kurz: BO) folgender, auszugsweise wiedergegebener Bauauftrag erteilt:

"(…)

Binnen sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides,

(…)

7.) sind die durch die starken Durchnässungen schadhaften Gipskartonplatten im Bad der Wohnung Top Nr. 25 auf der Stiege 4, entfernen und in der Folge diese durch neue Gipskartonplatten für Feuchträume ersetzen bzw. neu herstellen, ist das Mauerwerk der Umfassungswände der Bestandseinheiten Top Nrn. 1-2, 21-22 u. 24 in wirksamer Weise trockenlegen zu lassen,

8.) ist der schadhafte bzw. lockere Verputz an der Abschlussdecke im Stiegenhaus vor der Wohnungseingangstüre Top Nr. 25 auf der Stiege 4, abschlagen und in der Folge den Verputz wieder herstellen zu lassen,

9.) sind die offenen Steigleitungsstränge auf sämtlichen Stiegen in wirksamer Weise zu verschließen,

10.) ist das durchfeuchtete Mauerwerk der Umfassungswände der Bestandeinheiten Top Nrn. 1-2, 21-22 u. 24 in wirksamer Weise trockenlegen zu lassen,

(…)

13.) ist der schadhafte Verputz an der Hofschaufläche im Sockelbereich im 2. Hof, instandsetzen,

(…)

15.) ist das Mauerwerk der Außenmauer im WC und im Duschraum der Bestandseinheit Top Nr. 21/22, in wirksamer Weise kraftschlüssig zu verschließen,

16.) ist das schadhafte Putztürchen in der Bestandseinheit Top Nr. 21/22, erneuern,

17.) ist die schadhafte Kupferleitung zum WC-Spülkasten in der Bestandseinheit Top Nr. 21/22, erneuern …zu lassen."

Unterfertigt wurde dieser Bescheid "Für den Abteilungsleiter" von Dipl.-Ing. H-W.

Auf Grund der gegen die Spruchpunkte 7.), 8.), 9.), 10.), 13.), 15.), 16.) und 17.) dieses Bescheides erhobenen Berufung, ersuchte die belangte Behörde die Erstbehörde zunächst mit Schreiben vom 20. August 2010 um Stellungnahme zur Frage, "ob durch die in Punkt 8.) des bekämpften Bescheides beschriebenen Schlitze für Steigleitungen die Tragfähigkeit des Mauerwerks auf Dauer vermindert wird und dadurch die Ableitung der einwirkenden statischen Kräfte nach unten nicht mehr gewährleistet sein könnte". (gemeint wohl: Punkt 9.) Weiters wurde ersucht dazulegen, "ob es sich beim Außenmauerwerk - Punkt 13.) - um gewöhnliches Rohziegelmauerwerk handelt und ob dieses gegebenenfalls als Witterungsschutz eines Verputzes bedarf." Schlussendlich wurde ersucht auszuführen, "ob durch den bestehenden Schaden am Außenmauerwerk im WC und im Duschraum von Top 21-22 - Punkt 15.) - die Funktion des Witterungsschutzes und Abschluss des Gebäudes nach Außen sowie die tragende Funktion des Mauerwerks beeinträchtigt sein könnte und damit auf Grund eines mangelnden Kraftschlusses die Ableitung der einwirkenden statischen Kräfte nach unten nicht mehr gewährleistet sein könnte." Die hiezu übermittelte schriftliche Stellungnahme der Baubehörde erster Instanz vom 8. September 2010, wurde - wie der erstinstanzliche Bauauftragsbescheid - "Für den Abteilungsleiter" ebenfalls von Dipl.-Ing. H-W. unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 10. März 2011 wurde die erstinstanzliche Behörde abermals ersucht, eine Stellungnahme betreffend die Äußerung der Beschwerdeführerin "zu den Darstellungen der technischen Amtssachverständigen betreffend die Punkte 9.) und

15.) des bekämpften Bescheides (Schlitze, die die Tragfähigkeit des Mauerwerks auf Dauer vermindern und wodurch die Ableitung der einwirkenden statischen Kräfte nach unten nicht mehr gewährleistet ist", zu übermitteln und dazulegen, "ob die in Punkt 7.) des bekämpften Bescheides angeführten Gipskartonplatten Teil der bewilligten Konstruktion und damit des Konsenses sind und gegebenenfalls entsprechende Unterlagen, aus denen dies hervorgeht" vorzulegen. Die daraufhin übermittelte schriftliche Stellungnahme der Baubehörde erster Instanz vom 16. März 2011, wurde abermals "Für den Abteilungsleiter" von Dipl.-Ing. H-W. unterschrieben.

In der Folge holte die belangte Behörde zur Frage, ob die Größe der geschaffenen Schlitze hinsichtlich ihres Querschnittes das zur Leitungsführung erforderliche Ausmaß überschreite, eine ergänzende Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen ein, woraufhin mit Schreiben vom 5. Mai 2011, wiederum gezeichnet von Dipl.-Ing. H-W. "Für den Abteilungsleiter", eine Stellungnahme der erstinstanzlichen Baubehörde erging.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gegen die Spruchpunkte 7.), 8.), 13.), 15.) und 16.) als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Bescheidteile bestätigt. Weiters hat die belangte Behörde die Berufung gegen den Spruchpunkt 9.) als unbegründet abgewiesen und diesen Punkt mit der Maßgabe bestätigt, dass er wie folgt laute:

"9. Sind die offenen Schlitze nach der bereits erfolgten Verlegung der Steigleitungsstränge auf sämtlichen Stiegen in wirksamer Weise kraftschlüssig zu verschließen.".

In den Spruchpunkten 10.) und 17.) wurde der erstinstanzliche Bescheid behoben.

Soweit für das gegenständliche Verfahren wesentlich, führte die belangte Behörde in ihrer Begründung zu Spruchpunkt 8.) aus, dass das Vorhandensein eines älteren Wasserschadens im Bereich der Gangdecke vor der Wohnung Top Nr. 25 von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden sei. Für das Vorliegen eines Baumangels sei es als ausreichend anzusehen, dass lose Teile herabfallen könnten, auch wenn dies bisher noch nicht passiert sei. Der durch den Wasserschaden in seiner Haltbarkeit verminderte Deckenputz befinde sich im Stiegenhaus an der Gangdecke vor einem Wohnungseingang, somit in einem allgemeinen Teil des Gebäudes, weshalb die Gefährdung der Benutzer dieser Wohnung evident sei. Betreffend Spruchpunkt 16.) hielt die belangte Behörde fest, dass dieser in der Berufung nur allgemein bestritten worden sei. Das Putztürchen in der Bestandseinheit Top Nr. 21-22 stelle einen Bestandteil des Kamins dar, der wiederum ein allgemeiner Teil des Gebäudes sei. Wegen seiner vom bautechnischen Amtssachverständigen (gemeint wohl: im Rahmen der Ortsaugenscheinverhandlung vom 31. Mai 2010) festgestellten und von der Beschwerdeführerin unbestrittenen Schadhaftigkeit liege eine den Bauvorschriften entsprechender Rauchfang nicht vor, weil durch diesen Mangel die ursprüngliche Dichtheit des Kamins über seine gesamte Länge und in allen seinen Bauteilen und damit dessen Funktionsfähigkeit nicht mehr gegeben sei. Zu den Spruchpunkten 7.), 9.), 13.) und 15.) legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Stellungnahmen der Baubehörde erster Instanz vom 8. September 2010 sowie vom 16. März und 5. Mai 2011 zu Grunde.

Gegen die Spruchpunkte 7.), 8.), 9.), 13.), 15.) und 16.) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Dipl.-Ing. H-W., deren bautechnische Gutachten (schriftliche Stellungnahmen vom 8. September 2010, 16. März und 5. Mai 2011) die belangte Behörde ihrer Beurteilung im angefochtenen Bescheid zu den Spruchpunkten 7.) (Gipskartonplatten), 9.) (Steigleitungsstränge), 13.) (schadhafter Verputz an der Hofschaufläche) und 15.) (Mauerwerk Bestandseinheit Top Nr. 21/22) zu Grunde gelegt hat, hat den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 21. Juni 2010 approbiert. Die angesprochene Organwalterin hat damit iSd § 7 Abs. 1 Z 4 AVG "an der Erlassung des (vor der belangten Berufungsbehörde) angefochtenen Bescheides mitgewirkt" und hätte sich daher der Ausübung ihres Amtes als Amtssachverständige während des Berufungsverfahrens zu enthalten gehabt. Dadurch, dass die belangte Behörde dennoch ihre Entscheidung auf das Gutachten eines solcherart unzweifelhaft befangenen Organs gestützt hat, hat sie die Rechtslage verkannt (vgl. hiezu etwa die Erkenntnisse vom 28. September 2010, Zl. 2009/05/0218, vom 12. Oktober 2010, Zl. 2009/05/0233, vom 16. November 2010, Zl. 2007/05/0277, und zuletzt vom 11. Dezember 2012, Zl. 2010/05/0074).

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seiner Spruchpunkte 7.), 9.), 13.) und 15.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde einzugehen.

Zu II.:

Die den gegenständlichen Bauaufträgen zugrunde liegenden Bestimmungen des § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. für Wien Nr. 46/2010 (kurz: BO), lauten (auszugsweise) wie folgt:

"(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der

Erteilung des Bauauftrages. ... "

Ein Baugebrechen iSd § 129 BO liegt vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, dass hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Als Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, die ein Einschreiten der Behörde rechtfertigen, ist unter anderem die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit anzusehen. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist immer schon dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (s. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2011, Zl. 2010/05/0114, mwN).

Die Beschwerdeführerin bringt - soweit im Hinblick auf die verbliebenen bekämpften Spruchpunkte relevant - im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe keine Feststellungen getroffen, inwiefern der momentane Zustand des Gebäudes einen Verstoß gegen die Baubewilligung oder die Vorschriften der Bauordnung darstelle, und den von ihr festgestellten Sachverhalt nicht begründet.

Diesem Vorbringen sind die Ausführungen der belangten Behörde zu Spruchpunkt 8.) und 16.) entgegenzuhalten, die die Verletzungen der Instandhaltungspflichten iSd § 129 Abs. 2 BO schlüssig und nachvollziehbar darlegen. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang moniert, die belangte Behörde sei auf die Äußerungen der Beschwerdeführerin zu den Ausführungen des Amtssachverständigen nicht eingegangen, ist dem zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin den schlüssigen und durch im Verfahrensakt einliegendes Fotomaterial dokumentierten gutachtlichen Feststellungen des Amtssachverständigen vom 31. Mai 2010 zu den Spruchpunkten 8.) und 16.) zu keinem Zeitpunkt substantiiert bzw. auf gleicher fachlichen Ebene entgegen getreten ist und sie nicht zu entkräften vermag.

In Bezug auf den in Beschwerde gezogenen Spruchpunkt 8.) macht die Beschwerdeführerin weiters geltend, dass sich die Behörde bei ihren Feststellungen hinsichtlich des schadhaften Verputzes am gegenständlichen Objekt lediglich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen berufe, allerdings mit keinem Wort das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. F. vom 4. Dezember 2011 erwähne, in welchem dieser ausführe, dass der Putz am gegenständlichen Haus offensichtlich vorhanden und bereits vor kurzem ausgebessert worden sei.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin jedoch, dass sich die von ihr offenbar angesprochenen im Rahmen eines Mietrechtsverfahrens getroffenen gutachtlichen Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. F. (vgl. S. 12 des Gutachtens, AS. 22 des Verwaltungsaktes) lediglich auf den Außenputz des verfahrensgegenständlichen Gebäudes beziehen, während Ausführungen zu dem unter Spruchpunkt 8.) behandelten Verputz an der Abschlussdecke im Stiegenhaus vor der Wohnungseingangstüre Top Nr. 25 in diesem Gutachten nicht zu finden sind.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455.

Wien, am 23. Juli 2013

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