VwGH 2010/05/0074

VwGH2010/05/007411.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des C R und 2. der S R, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Jänner 2010, Zl. BOB-277/09, betreffend eine Bauangelegenheit (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

I. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Spruchpunkte 2.), 3.) und 5.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

II. Im Übrigen (hinsichtlich Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheids) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung (im Folgenden: MA) 37, vom 31. März 2009 wurde den Beschwerdeführern als Eigentümern einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien und des darauf errichteten Kleingartenhauses, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 12. Jänner 2009 und am 27. März 2009, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (kurz: BO) folgender, auszugsweise wiedergegebener Bauauftrag erteilt:

"1.) Der ohne Bewilligung errichtete Zubau (Erker) im 1. Stock an der Südfront im Bereich des ursprünglichen Balkons ist zu entfernen und es ist der Zustand laut bewilligt geltendem Einreichplan Zl: (…) konsensgemäß herzustellen.

2.) Die Vorschriftswidrigkeiten beim Kleingartenwohnhaus, die darin bestehen, dass durch Geländeabgrabungen nunmehr die zulässige bebaute Fläche, die zulässige Höhenlage des obersten Abschlusses des Gebäudes über dem verglichenen Gelände und die zulässige Kubatur überschritten werden, ist zu beseitigen.

3.) Die zweiläufige eingeschoßhohe Freitreppe vom Kellerniveau auf das Terrassenniveau im Bereich zwischen dem Zugangsweg und der ostseitigen unterkellerten Terrassenfläche ist zu entfernen.

(…)

5.) Die vorschriftwidrige fassadenartige Balken-, Wand- und Stützkonstruktion an der Südfront im 1. Stock zwischen und unterhalb der auskragenden Terrassenüberdachung, vorkragend vor den Zubau laut Punkt 1.) dieses Bescheides ist zu entfernen."

Unterfertigt wurde dieser Bescheid "Für den Abteilungsleiter" von Dipl.-Ing. G.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung ersuchte die belangte Behörde die Erstbehörde mit Schreiben vom 18. Juni 2009 um Stellungnahme u.a. zur Frage, "ob die im angefochtenen Bescheid unter Punkt 5.) beschriebene Konstruktion (Balkenkonstruktion) als Terrassenüberdachung anzusehen ist und ob sich diese nach den Bestimmungen des Wiener Kleingartengesetzes 1996 als zulässig darstellt". Die hiezu übermittelte schriftliche Stellungnahme der Baubehörde erster Instanz vom 3. Juli 2009 ist - wie der erstinstanzliche Bauauftragsbescheid - "Für den Abteilungsleiter" ebenfalls von Dipl.-Ing. G. unterfertigt.

Mit Schreiben vom 22. September 2009 wurde die erstinstanzliche Baubehörde abermals ersucht, eine Stellungnahme zu Fragen über die Geländeveränderungen und den in Spruchpunkt 5.) beschriebenen Bauteil abzugeben. Auch diesmal wurde die hiezu von der Erstbehörde übermittelte Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 "Für den Abteilungsleiter" von Dipl.-Ing. G. unterschrieben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid insofern abgeändert, als die unter den Punkten 2.), 4.) und 5.) erteilten Aufträge zu lauten haben:

"2.) Die Vorschriftwidrigkeit beim Kleingartenwohnhaus, die darin besteht. Dass durch Geländeabgrabungen im Bereich zwischen dem behindertengerechten Kellerzugang und der ostseitigen unterkellerten Terrassenfläche durch Entfernung des im bewilligt geltenden Einreichplan Zl. (…) ausgewiesenen Erdkernes die zulässige bebaute Fläche, die zulässige Höhenlage des obersten Abschlusses des Gebäudes über dem verglichenen Gelände und die zulässige Kubatur überschritten werden, ist zu beseitigen.

(…)

5.) Die vorschriftwidrige fassadenartige und kubisch wirkende, horizontal und vertikal angeordnete Balken-, Wand- und Stützkonstruktion an der Südfront des Kleingartenhauses im

1. Stock unterhalb der obersten auskragenden und zum Teil im Einreichplan Zl. (…) ausgewiesene Terrassenüberdachung, vorkragend vor den Zubau laut Punkt 1.) dieses Bescheides ist zu entfernen."

Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde, soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren wesentlich, zu Spruchpunkt 1.) aus, dass der im Obergeschoß an der Südfront gelegene Balkon durch Herstellen von Außenwänden in Metall-Glaskonstruktion allseitig umschlossen worden sei, womit eine Vergrößerung des Gebäudes und damit ein bewilligungspflichtiger Zubau (Erker) gemäß § 8 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 (WKlG) in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a BO geschaffen worden sei. Da eine diesbezügliche Bewilligung nicht erwirkt worden sei, handle es sich um eine gemäß § 129 Abs. 10 BO relevante Bauführung. Zu den Spruchpunkten 2.) und 5.) legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Stellungnahmen der Baubehörde erster Instanz vom 3. Juli und 5. Oktober 2009 zu Grunde. Bezüglich Spruchpunkt 3.) stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf Spruchpunkt 2.). Da die in Rede stehende Treppe im Bereich (Freiraum) errichtet worden sei, der lediglich durch konsenswidrige und vorschriftwidrige Geländeabgrabungen geschaffen worden sei, und die Freitreppe sohin bei Herstellung des konsensgemäßen Zustandes nicht weiter bestehen könne, folge die Notwendigkeit ihrer Beseitigung schon aus Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheids.

Gegen die Spruchpunkte 1.) , 2.), 3.) und 5.) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

Zu Recht weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass Dipl.- Ing. G., deren bautechnische Gutachten (schriftliche Stellungnahme der Baubehörde erster Instanz vom 3. Juli und 5. Oktober 2009) die belangte Behörde ihrer Beurteilung im angefochtenen Bescheid zu den Spruchpunkten 2.) (Geländeveränderungen) und 5.) (Balken-, Wand- und Stützkonstruktion an der Südfront) zu Grunde gelegt hat, den Baubewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom 31. März 2009 approbiert hat. Die angesprochene Organwalterin hat damit iSd § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG "an der Erlassung des (vor der belangten Berufungsbehörde) angefochtenen Bescheides mitgewirkt" und hätte sich daher der Ausübung ihres Amtes als Amtssachverständiger während des Berufungsverfahrens zu enthalten gehabt. Dadurch, dass die belangte Behörde dennoch ihre Entscheidung auf das Gutachten eines solcherart unzweifelhaft befangenen Organwalter gestützt hat, hat sie die Rechtslage verkannt (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. September 2010, Zl. 2009/05/0218, vom 12. Oktober 2010, Zl. 2009/05/0233, und vom 16. November 2010, Zl. 2007/05/0277). Die diesbezügliche Darstellung in der Gegenschrift ist nicht nachvollziehbar. Sowohl der erstinstanzliche Bescheid wie auch beide Gutachten nennen einerseits den Sachbearbeiter Wkm S., andererseits erfolgte die Fertigung "Für den Abteilungsleiter" jeweils durch Dipl. Ing. G.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seiner Spruchpunkte 2.) und 5.) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde einzugehen.

Die belangte Behörde hat ihre die Berufung der Beschwerdeführer abweisende Entscheidung betreffend Spruchpunkt

3.) (Freitreppe) damit begründet, dass die gegenständliche Freitreppe nur durch die vorgenommenen Geländeabgrabungen errichtet habe werden können. Daher sei auch die Treppe von der Konsens- und Vorschriftswidrigkeit der unter Spruchpunkt 2.) behandelten Geländeveränderungen mitumfasst.

Dem Argument der belangten Behörde, die Errichtung der in Rede stehenden Treppe sei nur auf Grund der ebenfalls verfahrensgegenständlichen Geländeveränderungen möglich gewesen, kann angesichts der im Verfahrensakt einliegenden Plandarstellungen (siehe Blatt 13 und 14) nicht entgegengetreten werden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist aber ein untrennbarer Konnex zwischen diesen Entscheidungen evident, weshalb der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich seines Spruchpunktes 3.) dem Schicksal des Spruchpunktes 2.) folgen muss und somit ebenfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Zu II.:

Hinsichtlich des Spruchpunktes 1.) des angefochtenen Bescheids wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Qualifikation des vom Bauauftrag umfassten Bauteils als bewilligungspflichtiger Zubau iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO und bringen vor, dass es durch die bloße Verglasung des konsensgemäß errichteten Balkons zu keiner Vergrößerung in waagrechter oder lotrechter Richtung komme.

Das Grundstück der Beschwerdeführer, auf dem sich das vom gegenständlichen Bauauftrag erfasste Bauwerk befindet, ist als "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" gewidmet, sodass auf diese Fläche das Wiener Kleingartengesetz 1996 anzuwenden ist.

Nach § 1 Abs. 2 des Wiener Kleingartengesetzes in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 24/2008 (im Folgenden: WKlG) gilt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Bauordnung für Wien. Insbesondere findet auch die Bestimmung über die Behandlung vorschriftswidriger Bauten (§ 129 Abs. 10 BO) für die gegenständliche Fläche Anwendung (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 31. Juli 2006, Zl. 2005/05/0307, und vom 15. November 2011, Zl. 2011/05/0104, je mwN.).

Gemäß § 129 Abs. 10 erster und zweiter Satz der Bauordnung für Wien in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 41/2008 (im Folgenden: BO), ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6 BO) erstattet wurde, ist zu beseitigen.

Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt (siehe beispielsweise das genannte hg. Erkenntnis vom 15. November 2011 und das hg. Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. 2009/05/0157).

Die belangte Behörde hat sich in Bezug auf die als bewilligungspflichtig beurteilte Baumaßnahme auf § 8 Abs. 1 WKlG iVm § 60 Abs. 1 lit. a BO gestützt.

Gemäß § 8 Abs. 1 WKlG ist für Neu-, Zu- und Umbauten von auf entsprechend gewidmeten Grundstücken errichteten Kleingartenhäusern und Kleingartenwohnhäusern eine Baubewilligung erforderlich.

Zubauten sind nach § 60 Abs. 1 lit. a BO alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Ein Zubau ist gegeben, wenn die Kubatur des Gebäudes vergrößert wird (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2008/05/0172).

Dass durch die Umschließung einer Terrasse mittels einer Holz-Glas- oder auch Glas-Metall-Konstruktion, etwa in der Form eines Wintergartens, die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Zubau erfüllt sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2005, Zl. 2004/05/0118, und vom 11. Oktober 2011, Zl. 2009/05/0161, je mwN., oder auch das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 15. November 2011).

Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde unter Zugrundelegung der in § 60 Abs. 1 lit. a BO enthaltenen

Begriffsbestimmungen für ein Gebäude ("... eine raumbildende

bauliche Anlage ...") und für einen Raum ("... wenn eine Fläche

zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist") zutreffend angenommen, dass auch die allseitige Umschließung eines Balkons mittels einer Metall-Glaskonstruktion als Zubau zu beurteilen ist (vgl. die vorzitierten hg. Erkenntnisse vom 31. März 2005 und vom 15. November 2011).

Da für Zubauten von Kleingartenhäusern aber eine Baubewilligung gemäß § 8 WKlG 1996 erforderlich ist, liegt die behauptete Rechtswidrigkeit des Bauauftrages nicht vor.

Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand

bereits die Umsatzsteuer enthält (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 25. September 2012, Zl. 2011/05/0067, und vom 12. November 2012, Zl. 2011/06/0202).

Wien, am 11. Dezember 2012

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