Normen
BBG 1990 §40;
BBG 1990 §42 Abs1;
KfzStG 1992 §2 Abs1 Z12 litb;
BBG 1990 §40;
BBG 1990 §42 Abs1;
KfzStG 1992 §2 Abs1 Z12 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer gehört dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 von Hundert an. Dem dies zuletzt feststellenden Bescheid des Bundessozialamtes vom 31. März 2009 liegt ein ärztliches Gutachten von Dr. W. vom 19. Jänner 2009 zu Grunde, wonach der Beschwerdeführer an vier Gesundheitsschädigungen leide, darunter auch die "GS 3 Magen- und Darmentzündung".
Weiters wird in diesem Gutachten ausgeführt:
"Gegenüber dem VGA aus dem Jahr 2007 hat sich das Stuhlverhalten verschlechtert. Es wurde jetzt der Morbus Crohn diagnostiziert. Es besteht eine deutliche Flatulenz mit dem Absetzen von bis zu 6 mal eines Stuhles, wobei es immer wieder schwierig ist, den Stuhl zurück zu halten.
(…)
Das Benützen von Verkehrsmitteln ist dem Antragssteller
zumutbar.
Eine Besserung ist nicht zu erwarten - keine NU!"
Im nunmehr beschwerdegegenständlichen Verfahren beantragte der Beschwerdeführer die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in seinen Behindertenpass. Dies wurde vom Beschwerdeführer damit begründet, dass er durch Morbus Crohn an einer dauernden Gesundheitsschädigung und dadurch unter unbeherrschbaren Flatulenzen und schubweisem Unvermögen, die Stuhlausscheidung zu kontrollieren, leide.
Im Zuge des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens wurde folgende gutachterliche Stellungnahme von Dr. W. (Facharzt für Innere Medizin) vom 24. März 2009 eingeholt:
"Bei (Beschwerdeführer) wurde ein Morbus Crohn festgestellt. Er leidet dabei unter starken Flatulenzen und bekommt diese oft nicht in den Griff, sodass es immer wieder vorkommt, dass kleinere Stuhlmengen sich in der Unterhose wieder finden. Einen Therapieversuch mit Entocord hat er nicht vertragen. Er musste dieses Medikament wegen Kopfschmerzen absetzen. Er muss vormittags dreimal den Stuhl absetzen und nachmittags zweimal, wobei der Stuhl jedoch oft sehr knödelig ist. Es kommt aber auch zum Auftreten eines Durchfalls, wobei Blut- oder Schleimbeimengungen nicht vorliegen. Vorlagen werden nicht getragen.
(…)
Diagnosen:
(…)
Magen- und Darmentzündung (Morbus Crohn)
(…)
Insgesamte Beurteilung:
Dem Antragsteller ist sicherlich weiterhin die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar, obwohl bei dem Antragsteller ein Morbus Crohn festgestellt wurde und es besteht eine Flatulenz mit Absetzen eines Stuhls bis zu 6 mal täglich, da einerseits eine ausreichende medikamentöse Therapie im Bezug auf Morbus Crohn noch nicht besteht, sodass nach einer entsprechenden Adaptierung eine Besserung des Stuhlverhaltens zu erwarten ist. Außerdem wurden bei der Untersuchung Vorlagen nicht getragen und auch im Schreiben vom 20.12.2008 (…) wird angegeben, dass er an einer Flatulenz leide und schubweise (über einzelne Tage) unter starkem Durchfall und zeitweiser Inkontinenz leide.
Da dieser Durchfall nicht andauernd besteht, sondern nur über einzelne Tage besteht und somit die 6 Monate nicht überschreitet, kann die Zusatzeintragung 'öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar' nicht gewährt werden."
Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 31. März 2009 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend stütze sich die erstinstanzliche Behörde maßgeblich auf das wiedergegebe Gutachten Dris. W. vom 24. März 2009.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, es sei nicht nachvollziehbar dargestellt worden, wie sich die Krankheit ihrer Art und Schwere nach auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirke. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, wieso lediglich bei dauerndem Durchfall eine positive Erledigung des Antrages möglich gewesen wäre. Gerade die unerwarteten und schubweisen Flatulenzen und Durchfälle würden die bestehende Problematik ergeben. Gleichzeitig legte der Beschwerdeführer einen Befundbericht von Univ. Prof. Dr. P. vom 29. April 2009 vor, welcher im Rahmen einer Therapieevaluierung zum Ergebnis kam, dass beim derzeitigen Zustand keine Änderung der Behandlungsweise vorzunehmen sei.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde ein weiteres ärztliches Gutachten von Dr. We., einem Arzt für Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizin und Sportmedizin, eingeholt, welches folgendes Ergebnis enthält:
"(Der Beschwerdeführer) ist in der Lage kürzere bis mittlere Gehstrecken aus eigener Kraft zurückzulegen, vermag Stufen aus oder in ein öffentliches Verkehrsmittel zurückzulegen und kann auch unter Regelbedingungen ohne relevante zusätzliche Gefährdung öffentliche Verkehrsmittel benutzen, so dass insgesamt die Benutzung von ÖV als zumutbar anzusehen ist.
Nicht abgesprochen werden sollen immer wieder Phasen von dünnflüssigem Stühlen mit teilweise auch imperativen Stuhldrang, jedoch ist entsprechend des Gesamtbefalles des Magen-Darmtraktes und der uneingeschränkten Suffizienz der Schließmuskulatur am Enddarm keine dauerhafte Behinderung vergleichbar einer tatsächlichen Inkontinenz vorhanden, so dass diese Problematik die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründen kann."
In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten verwies der Beschwerdeführer erneut darauf, dass nicht nachvollziehbar sei, inwiefern im medizinischen Sinne Inkontinenz nur dann "tatsächlich" vorhanden sei, wenn diese "dauerhaft" auftrete, nicht jedoch, sofern eine solche "nur" mehrmals im Monat fallweise auftrete. Des Weiteren regte er an, einen Facharzt für Gastroenterologie mit der Durchsicht des Gutachtens bzw. der Befunde zu beauftragen.
Daraufhin wurde seitens der belangten Behörde eine Stellungnahme von Dr. L., praktischer Arzt, eingeholt, welche auszugsweise lautet:
"(…) Auch das Darmleiden wurde korrekt beurteilt - eine weitere Beurteilung durch einen Gastroenterologen ist entbehrlich. Eine Stuhlinkontinenz, die die Benutzung ÖVM unmöglich macht liegt nicht vor."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich. Begründend führte sie aus, dass dem medizinischen Gutachten Dris. We. zu entnehmen sei, dass eine uneingeschränkte Suffizienz der Schließmuskulatur am Enddarm vorliege. Es könne weder diesem Gutachten, noch den vorliegenden medizinischen Unterlagen entnommen werden, dass derart anhaltende oder häufig rezidivierende Beschwerden vorlägen, welche im Durchschnitt mindestens die Hälfte des Jahres andauerten. Auch sei im Gutachten festgehalten worden, dass ein guter Allgemein- und Ernährungszustand vorliege und keine nachgewiesenen Mangelzustände "objektiviert" werden könnten. Eine Stuhlinkontinenz, welche die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde, könne nicht "objektiviert" werden. Da "objektiviert" werden habe können, dass "die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichten, welches die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingt", sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
- 1. Die Beschwerde ist begründet.
- 2. Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig.
Im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer begehrten Eintragung ist zu beachten, dass diese etwa einen der Nachweise der für die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer maßgeblichen Körperbehinderung gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 lit. b Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 darstellt. Nach der genannten Bestimmung sind von der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge befreit, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, wenn z.B. der Nachweis der Körperbehinderung durch die Eintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" im Behindertenpass erfolgt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, Zl. 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128, je mwN).
2.1. Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. erneut die Erkenntnisse Zlen. 2007/11/0142 und 2008/11/0128).
2.2. Nach Angaben des Beschwerdeführers leidet dieser mehrmals im Monat an den Auswirkungen der in Rede stehenden Erkrankung. Die ärztlichen Gutachten beschreiben diese als "immer wieder" auftretende Phasen von mehreren Tagen, gleichzeitig wird der Erkrankung jedoch die Dauerhaftigkeit abgesprochen. Abweichend davon nimmt die belangte Behörde - wie oben wiedergegeben - abschließend explizit eine "dauernde Gesundheitsschädigung" beim Beschwerdeführer an. Aufgrund der ärztlichen Beschreibungen der gegenständlichen Erkrankung des Beschwerdeführers und aufgrund der Tatsache, dass beim Beschwerdeführer laut einem im Verwaltungsakt befindlichen Gutachten Dris. W. bereits im Jahr 2007 der Verdacht auf Morbus Crohn geäußert wurde, dass laut dessen Gutachten vom 19. Jänner 2009 eine Besserung nicht zu erwarten sei und dass laut Befundbericht von Univ. Prof. Dr. P. vom 29. April 2009 beim derzeitigen Zustand keine Änderung der Behandlung vorzunehmen sei, ist mit der belangten Behörde von einer Dauerhaftigkeit der diesbezüglichen Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers auszugehen.
2.3. Allerdings findet die Ansicht der belangten Behörde, dass der gegenständlichen Erkrankung des Beschwerdeführers ein Ausmaß, welches die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde, abzusprechen sei, keine Deckung in den vorliegenden ärztlichen Gutachten.
Zu Recht wendete der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung vom 11. Mai 2009 ein, gerade die Tatsache, dass seine mehrmals im Monat auftretenden Phasen der Stuhlinkontinenz und Flatulenzen unvorhersehbar und schubartig kämen, sei Argument für die Annahme der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Die konkrete Auswirkung dieses Aspekts der Erkrankung des Beschwerdeführers auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (insbesondere betreffend eine gewisse Häufigkeit, Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit der behaupteten Zustände) blieb in den im Verwaltungsakt befindlichen ärztlichen Gutachten jedoch unbeachtet. Damit fehlt es aber an einer nachvollziehbaren Begründung für die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
3. Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als mit einem relevanten Verfahrensmangel behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 17. Juni 2013
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