VwGH 2009/02/0234

VwGH2009/02/023419.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 2. Juni 2009, Zl. UVS- 30.13-66/2007-38, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, (mitbeteiligte Partei:

DI P, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 13), zu Recht erkannt:

Normen

ArbIG 1993 §13;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ArbIG 1993 §13;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 2. Juli 2007 wurde die mitbeteiligte Partei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. Bau GmbH mit Sitz in G. unter anderem zweier Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen schuldig erkannt; über ihn wurden Geldstrafen von je EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je zwei Tage) verhängt.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, es sei eine rechtswirksame Bestellung von Bauleiter H. zum verantwortlichen Beauftragten erfolgt. Die mitbeteiligte Partei habe als Geschäftsführer einer an einer ARGE beteiligten GmbH gemeinsam mit dem vertretungsbefugten Organ der anderen an der ARGE beteiligten Gesellschaft einen verantwortlichen Beauftragten für die Durchführung eines bestimmten Bauvorhabens, sohin für einen bestimmten räumlich und sachlich abgegrenzten Bereich ihres Unternehmens, bestellt.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.

Nach der wesentlichen Begründung dieses Bescheides sei dem Arbeitsinspektorat die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten in der Person des J.H. zugekommen. Die Bestellung sei auf ARGE-Briefpapier verfasst, gefertigt sei das Schreiben von K. als kaufmännischem Geschäftsführer der ARGE und vom Mitbeteiligten als technischem Geschäftsführer der ARGE. Gehe man davon aus, dass die Urkunde aus formalen Gründen nicht zu einer wirksamen Bestellung des H hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für beide ARGE-Partnerfirmen geführt habe, so bleibe grundsätzlich die mitbeteiligte Partei für die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes für die Arbeitnehmer der P. Bau GmbH und jeder der vier handelsrechtlichen Geschäftsführer des anderen ARGE Partners für dessen Arbeitnehmer verantwortlich. Es sei jedoch zu prüfen, ob mit der Bestellungsurkunde durch die mitbeteiligte Partei eine rechtswirksame Bestellung des J.H. als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen betreffend die Arbeitnehmer der P. Bau GmbH erfolgt sei. Die mitbeteiligte Partei habe die Urkunde als technischer Geschäftsführer der ARGE gefertigt. Aus der Urkunde sei ersichtlich, dass der Sitz der technischen Geschäftsführung mit dem Firmensitz der P. Bau GmbH ident sei. Der Mitbeteiligte als technischer Geschäftsführer der ARGE sei gleichzeitig alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. Bau GmbH. Als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verantwortliches Organ der P. Bau GmbH sei es ihm zugestanden, für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für die Arbeitnehmer der P. Bau GmbH auf der Baustelle der ARGE eine Person zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG zu bestellen. Die Fertigung als technischer Geschäftsführer der ARGE schade der Gültigkeit der Bestellung in diesem Fall genauso wenig, wie der Umstand, dass auch der andere Geschäftsführer die Urkunde unterschrieben habe. Die belangte Behörde ging abschließend davon aus, dass H. vom Mitbeteiligten mit der dem Arbeitsinspektorat zur Kenntnis gebrachten Bestellungsurkunde rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für die Arbeitnehmer der P. Bau GmbH auf der Baustelle der ARGE bestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 13 ArbIG erhobene Amtsbeschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Bundesminister vertritt unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0080, und vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/05/0068, die Ansicht, im Beschwerdefall sei die Bestellung des H unwirksam, weil die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch die vorgelegte Bestellungsurkunde lediglich von der ARGE, nicht aber von der P. Bau GmbH auf diesen übertragen worden sei und der verantwortliche Beauftragte auch nur insoweit seine Zustimmung erklärt habe. Daher habe der Mitbeteiligte als Vertretungsbefugter der P. Bau GmbH durch die Bestellung des H. zum verantwortlichen Beauftragten der ARGE nicht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit entbunden werden können. Das Verfahren gegen ihn sei daher zu Unrecht eingestellt worden.

Aus den von der belangten Behörde und vom beschwerdeführenden Bundesminister zitierten hg. Erkenntnissen vom 18. Dezember 2001 und vom 18. Jänner 2005 - soweit überblickbar die einzigen zu der hier wesentlichen Rechtsfrage - ergibt sich, dass für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften im Falle der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts darstellt (wie hier zur Durchführung eines bestimmten Bauauftrages) primär die Gesellschafter, das heißt deren satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organe, strafrechtlich verantwortlich sind. Diese strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG kann von den vertretungsbefugten Organen der an der ARGE beteiligten Gesellschaften durch eine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG übertragen werden.

Sowohl die belangte Behörde als auch der beschwerdeführende Bundesminister gehen erkennbar von der dargestellten rechtlichen Grundlage aus und stimmen im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung darin überein, dass im Beschwerdefall die "Geschäftsführer" der ARGE keine für die ARGE wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG vornehmen konnten.

Offenbar in Auslegung der Bestellungsurkunde sieht die belangte Behörde darin jedoch - ungeachtet der unstrittigen Unwirksamkeit der Bestellung für die ARGE - eine wirksame Bestellung von H. zum verantwortlichen Beauftragten für die P. Bau GmbH. Dies begründet die belangte Behörde mit dem Umstand, dass der Sitz der technischen Geschäftsführung der ARGE mit dem Firmensitz der P. Bau GmbH ident und der technische Geschäftsführer der ARGE gleichzeitig alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. Bau GmbH sei.

Mit diesem Verständnis des Bestellungsvorganges verkennt die belangte Behörde jedoch den Umstand, dass der Urkunde entgegen ihrer Annahme nicht der geringste Hinweis für die von ihr vertretene Auslegung zu entnehmen ist. Die Urkunde ist nämlich - wie die belangte Behörde auch detailliert festgestellt hat - auf Geschäftspapier der ARGE geschrieben, bezeichnet als Unternehmen ausdrücklich die ARGE und führt die von der ARGE betreute Baustelle nebst den beiden ARGE Partnern an. Ferner leisteten die beiden für die ARGE Unterzeichnenden (darunter der Mitbeteiligte) ihre Unterschrift in der ausdrücklich angeführten Eigenschaft als kaufmännischer und als technischer Geschäftsführer.

Für das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausgedrückte Verständnis des Inhaltes der Bestellungsurkunde, H. sei vom Mitbeteiligten mit der dem Arbeitsinspektorat zur Kenntnis gebrachten Bestellungsurkunde rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für die Arbeitnehmer der P. Bau GmbH auf der Baustelle der ARGE bestellt worden, enthält die Urkunde keinen Hinweis. Allein die rechtliche "Möglichkeit" der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die P. Bau GmbH durch den Mitbeteiligten ist jedenfalls kein hinreichendes Indiz in Anbetracht der im Beschwerdefall vorliegenden, klar gestalteten Bestellungsurkunde, bei deren Auslegung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2008, Zl. 2007/02/0143).

Nach dem Gesagten war die Bestellung von H. zum verantwortlich Beauftragten für die ARGE unwirksam, eine "Alternativbestellung" für die P. Bau GmbH lässt der Inhalt der Urkunde nicht zu.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. März 2013

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