Normen
ABGB §1175;
AVG §9;
GmbHG §15;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;
VwRallg;
ABGB §1175;
AVG §9;
GmbHG §15;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der H Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH, welche im Zuge des Neubaues einer Brotfabrik vom Bauherrn neben der Baugesellschaft H mbH & Co KG sowie der Ing. W GmbH mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurde. Die drei genannten Unternehmen schlossen sich mit Arbeitsgemeinschaftsvertrag vom 15. Oktober 2001 zum Zwecke der gemeinsamen Durchführung der ihnen übertragenen Bauarbeiten und zwar "Neubau Produktionshalle und Bürogebäude F Brot GmbH" zu einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Namen "ARGE F Brot W-H-H" (Kurzbezeichnung: ARGE F Brot) zusammen. In diesem Arbeitsgemeinschaftsvertrag wurde die "technische Geschäftsführung" der Ing. W GmbH übertragen und Ing. I zum technischen Geschäftsführer bestellt. Die ARGE-Partner gingen bei Abschluss des Arbeitsgemeinschaftsvertrages davon aus, dass die Arbeitsgemeinschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes ist. In einer mit 17. Oktober 2001 datierten an Ing. I gerichteten Urkunde, welche vom Beschwerdeführer der belangten Behörde vorgelegt wurde, ist festgehalten:
"Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften
Sehr geehrter Herr Ing. I!
Wir bestellen Sie als technischer Geschäftsführer der oben angeführten Arbeitsgemeinschaft in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung für Arbeitsgemeinschaftsverträge (GO 1998) gemäß § 9 Abs. 2 VStG i.V.m. § 23 Abs. 1 ArbIG und § 28a Abs. 3 AuslBG zum 'Verantwortlichen für die Einhaltung der geltenden Verwaltungsvorschriften'.
Es obliegt Ihnen, dafür zu sorgen, dass alle Verwaltungsvorschriften, welche im Rahmen der Tätigkeit der Arge zu beachten sind, eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen insbesondere auch die zum Schutze der Dienstnehmer erlassenen Regelungen (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz, Arbeitsinspektionsgesetz, etc.), die Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern (AuslBG) sowie wasser-; naturschutz- und baurechtliche Regelungen.
Wir ersuchen Sie, zum Zeichen Ihrer Zustimmung zur gegenständlichen Beauftragung die beiliegenden Zweitschriften dieses Schreibens zu unterfertigen und der kaufmännischen Geschäftsführung zu übermitteln."
Im Kopf dieser Urkunde ist der volle Wortlaut der ARGE mit dem Beisatz "kaufmännische Geschäftsführung" und Adresse angeführt. Unterfertigt ist die Urkunde mit den Firmenstampiglien der an der ARGE beteiligten Unternehmen sowie unleserlichen Unterschriften. Neben dem Wort "einverstanden" hat offenbar auch Ing. I diese Urkunde unterfertigt.
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17. Februar 2003 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 2 Oö Bauordnung 1994 eine Geldstrafe von EUR 2000,-
(Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) verhängt, weil er es als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der H Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH zu vertreten habe, dass diese Gesellschaft, welche Partnerfirma der ARGE F Brot sei, als Bauführer in der Zeit vom 14. Jänner 2002 bis 26. März 2002 auf näher bezeichneten Grundstücken von dem mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 28. Dezember 2001 bewilligten Bauvorhaben "Neubau einer Brotfabrik" in gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Oö Bauordnung 1994 bewilligungspflichtiger Weise abgewichen sei, indem bei diesem Objekt ein näher umschriebener Zubau ausgeführt worden sei, ohne dass die hiefür erforderliche rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen wäre.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer - soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich - aus, die Bauführertätigkeit habe ausschließlich die ARGE ausgeübt, deren technischer Geschäftsführer zur Vertretung der ARGE nach außen hin berufen und auch als verantwortlicher Beauftragter der Behörde namhaft gemacht worden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung dem Grunde nach als unbegründet abgewiesen, der Beginn des Tatzeitraumes jedoch mit 1. März 2002 festgesetzt und die Höhe der Strafe auf EUR 1.450,- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) herabgesetzt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer stütze sein Vorbringen, nicht strafrechtlich verantwortlich zu sein, auf die Bestellung des Ing. I zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG der ARGE mit Bestellungsurkunde vom 17. Oktober 2001. Diese Urkunde sei namens der ARGE ausgestellt und trage die Firmenstempel der beteiligten Unternehmen samt je einer (unleserlichen) Unterschrift. Sie enthalte auch eine unterschriebene Einverständniserklärung des Ing. I. Ausgehend von diesen Feststellungen führte die belangte Behörde aus, für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnten verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG nicht bestellt werden. Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung bleibe bei den bauführenden Unternehmen. Dass diese einen verantwortlichen Beauftragten bestellt hätten, sei nicht vorgebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil ihm die festgestellte Tat verwaltungsstrafrechtlich nicht zurechenbar sei. Er habe als Geschäftsführer der H Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH im Wege der Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft vom 15. Oktober 2001 unter Beachtung der Bestimmung des § 9 VStG in der Fassung vor dem 1. Jänner 2002 per 15. Oktober 2001 Ing. I zum verantwortlichen Beauftragten für das Bauvorhaben Brotfabrik F Brot bestellt. Vor Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens sei der Strafbehörde die Bestellung und die Zustimmung des Ing. I zum verantwortlichen Beauftragten vorgelegen. Er habe für einen bestimmten sachlich abgegrenzten Bereich des von ihm vertretenen Unternehmens, nämlich den sachlich abgegrenzten Bereich der gegenständlichen ARGE, eine andere fähige Person zum verantwortlichen Beauftragten bestellt und habe diese Bestellung der Strafbehörde rechtzeitig mitgeteilt.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in den Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0097, u.v.a.), der als zur Vertretung dieser Gesellschaft nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind.
Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil er infolge der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG für die ihm zur Last gelegte Tat strafrechtlich nicht verantwortlich sei.
Die für die Lösung des Beschwerdefalles maßgeblichen Bestimmungen des VStG haben folgenden Wortlaut:
"Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
...
(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
...
(6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.
(7) Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand."
Die belangte Behörde stützte - wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist - die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers allein auf § 9 Abs. 1 VStG und nicht auf § 9 Abs. 6 VStG. Sie bejahte die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers, weil § 9 Abs. 1 VStG Gesellschaften bürgerlichen Rechts, wozu eine ARGE zähle, nicht erfasse. Dass die an der ARGE beteiligten Gesellschaften einen verantwortlichen Beauftragten bestellt hätten, sei nicht vorgebracht worden.
Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, dass sich der Zusammenschluss zweier juristischer Personen (hier: Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und einer Personengesellschaft des Handelsrechts (hier: GesmbH & Co KG) zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit dem Zweck, gemeinsam einen bestimmten Bauauftrag durchzuführen, als eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne des § 1175 ABGB darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 93/04/0108, sowie die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte, z. B. OGH vom 25. März 2003, 1 Ob 110/02m), der Rechtspersönlichkeit fehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 93/18/0230, m. w. N. aus der zivilrechtlichen Lehre). Der belangten Behörde ist auch darin zu folgen, dass unter einer Gesellschaft im Sinne des § 9 VStG nur eine solche mit Rechtspersönlichkeit zu verstehen ist, demnach nicht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wie z.B. eine Arbeitsgemeinschaft in der Bauwirtschaft.
Zur Vertretung wie zur Geschäftsführung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind grundsätzlich alle Teilhaber berufen. Sowohl die Geschäftsführung als auch die Vertretung kann jedoch im Gesellschaftsvertrag abweichend geregelt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0138). Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften bei Erfüllung des im Arbeitsgemeinschaftsvertrag genannten Bauauftrages sind daher primär die Gesellschafter, im Beschwerdefall deren satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe, strafrechtlich verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1982, Zl. 81/11/0076, VwSlg 10.716/A). Diese strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG kann jedoch von den vertretungsbefugten Organen der an der ARGE beteiligten Gesellschaften durch eine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG übertragen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0080). Nach diesem Erkenntnis kann aber durch die rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten der Organe der ARGE der Vertretungsbefugte einer Mitgliedsgesellschaft dieser ARGE nicht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit entbunden werden. Ein solcher Fall liegt allerdings nicht vor.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Strafbescheid hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er als Geschäftsführer einer an der ARGE beteiligten Gesellschaft m.b.H. gemeinsam mit den vertretungsbefugten Organen der anderen an der ARGE beteiligten Gesellschaften einen verantwortlichen Beauftragten für die Durchführung eines bestimmten Bauvorhabens, sohin für einen bestimmten räumlich und sachlich abgegrenzten Bereich seines Unternehmens, bestellt hat; zum Beweise seines Vorbringens hat er neben dem Arbeitsgemeinschaftsvertrag eine Urkunde mit dem Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten vorgelegt, zu der die belangte Behörde festgestellt hat, dass sie die Stempel der beteiligten Unternehmen (der drei ARGE-Gesellschaften) samt je einer Unterschrift trage und die Formulierung der darin enthaltenen Bestellung in "wir"-Form erfolgt sei. Die Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte nicht vorgebracht, dass die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten für die an der ARGE beteiligten Unternehmen erfolgt wäre, trifft nicht zu, weil die Urkunde über die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten vom 17. Oktober 2001 zur Annahme berechtigt - nichts anderes wurde festgestellt -, dass dessen Bestellung durch die zeichnungsberechtigten Organe der an der ARGE beteiligten Gesellschaften für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften im Rahmen der Erfüllung des Bauauftrages, der als Zweck des Arbeitsgemeinschaftsvertrages genannt ist, erfolgen sollte. Gerade weil der ARGE als GesBR Rechtspersönlichkeit fehlt, muss eine von allen Gesellschaftern abgegebene Erklärung, die mit dem Pronomen: "Wir" eingeleitet wird, im Bereich der hier zu beurteilenden verwaltungsstrafrechtlichen Folgen dieser Erklärung als Erklärung der einzelnen Gesellschafter angesehen werden. Die einzelnen Gesellschafter waren aber zur Bestellung einer Person, die nicht aus ihrem Kreis stammt, sondern einer Partnergesellschaft angehörte, grundsätzlich befugt.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Jänner 2005
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)