VwGH 2012/22/0202

VwGH2012/22/020219.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 24. Juli 2012, Zl. 322.071/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2011/I/038;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs2 idF 2011/I/038;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 iVm § 44b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 24. Juli 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und zwei Tage später einen Asylantrag gestellt habe. Darüber habe letztlich der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. September 2011 "negativ entschieden" und den Beschwerdeführer ausgewiesen. Dieses Erkenntnis sei am 23. September 2011 in Rechtskraft erwachsen.

Am 25. Jänner 2012 habe der Beschwerdeführer den hier gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG gestellt. Nach Einholung einer Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, aus der sich die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf Dauer ergebe, habe die Behörde erster Instanz den Antrag mit Bescheid vom 10. April 2012 gemäß § 41a Abs. 9 NAG abgewiesen. Begründet habe sie dies damit, dass seit der am 23. September 2011 eingetretenen Rechtskraft der vom Asylgerichtshof ausgesprochenen Ausweisung ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erkennbar gewesen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen eingewendet, dass er sämtliche Urkunden zum Nachweis seiner sozialen Integration in Österreich vorgelegt und insbesondere auf ein Prüfungszeugnis (Niveau A2) sowie eine vom Arbeitsmarktservice ausgestellte Beschäftigungsbewilligung hingewiesen hätte. Er befände sich seit Juli 2005 im Bundesgebiet und wäre abgesehen von geringen Unterbrechungen einer geregelten Beschäftigung nachgegangen. Seit Erlassung der asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung hätte sich die persönliche Situation des Beschwerdeführers weiterhin verbessert. Dies ergäbe sich aus dem absolvierten Sprachkurs, zahlreichen Empfehlungsschreiben, seiner Beschäftigung, einer ortsüblichen Wohnmöglichkeit und dem Aufenthalt seines Bruders in Österreich, mit dem er einen engen familiären Kontakt pflege.

Die Berufungsbehörde ging zunächst von einer durch den Asylgerichtshof bei der Ausweisungsentscheidung vorgenommenen Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK aus. Sie hielt die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren, wonach seine drei Kinder, seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern im Kosovo lebten, fest. Der Beschwerdeführer sei - so die belangte Behörde in ihrer Begründung - erst im Alter von 37 Jahren nach Österreich gereist und habe den überwiegenden Teil seines Lebens im Ausland verbracht. Laut Versicherungsdatenauszug sei er halbjährlich regelmäßigen Beschäftigungen als Forstarbeiter nachgegangen und sei vom 1. März bis 16. April 2011 bei einer namentlich genannten Frau beschäftigt gewesen, was eine Integration am österreichischen Arbeitsmarkt begründe. Die vorgelegten Einstellungszusagen und der Nachweis der Deutschprüfung des Moduls A2 könnten eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes nicht bewirken. Der Beschwerdeführer sei zwar strafrechtlich unbescholten, doch sei ihm der unrechtmäßige Aufenthalt in Österreich seit der Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung am 23. September 2011 entgegenzuhalten. Die auf den Beschwerdeführer zutreffenden integrationsbegründenden Umstände seien dadurch gemindert, dass sie während des fast siebenjährigen Aufenthaltes erworben worden seien, der sich auf einen letztlich nicht berechtigten Asylantrag gegründet habe. Der vom Beschwerdeführer angegebene Sachverhalt würde kein derartiges Gewicht erreichen, dass der Verstoß gegen die Fremdenrechtsordnung im Hinblick auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers akzeptiert werden müsste. Die vorgelegten Empfehlungsschreiben und Unterschriftenlisten zeigten einen nicht ausreichend hohen Integrationsgrad auf, um von einem maßgeblich geänderten Sachverhalt ausgehen zu können. Darüber hinaus habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark ebenfalls festgestellt, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers auf Dauer zulässig erscheine. Es sei der Berufungsbehörde im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK nicht erkennbar, dass in der Zeit seit der Ausweisung bis zur Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde macht in der Mängelrüge eine unzureichende Beweisaufnahme, antizipierende Beweiswürdigung und mangelhafte Begründung der aus den Urkunden gezogenen Schlüsse betreffend des Vorliegens eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes geltend. Darüber hinaus bringt sie vor, dass die belangte Behörde die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark mit der ergänzenden Stellungnahme des Beschwerdeführers und den damit vorgelegten Urkunden hätte konfrontieren und zur Ergänzung ihrer Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG hätte auffordern müssen, dann wäre eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK zweifelsohne geboten gewesen. In der Rechtsrüge geht der Beschwerdeführer auf die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ein und führt dazu aus, es sei nicht ersichtlich, worin diese im angefochtenen Bescheid bestanden haben soll.

Der Antrag des Beschwerdeführers wäre nach § 44b Abs. 1 Z. 1 NAG in der Fassung des FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit rechtkräftiger Erlassung der Ausweisung nicht hervorkommt.

Die angeführte Begründung des erstinstanzlichen Bescheides weist teilweise in die Richtung einer Unzulässigkeit des Antrages, wenn die Behörde erster Instanz ausführt, dass sich der maßgebliche Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung nicht geändert habe. Demgegenüber wird als Rechtsgrundlage für den erstinstanzlichen Bescheid nur § 41a Abs. 9 NAG genannt und erging die Entscheidung in Form einer Abweisung. Die Begründung des angefochtenen Bescheides hingegen lässt über weite Bereiche eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten Zeitraum des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erkennen, führt aber als Rechtsgrundlage auch § 44b NAG im Spruch an und argumentiert an mehreren Stellen damit, dass in einer Gesamtbetrachtung vom Vorliegen eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes nicht ausgegangen werden könne.

Selbst wenn die Behörde erster Instanz eine inhaltliche Prüfung des Antrages vorgenommen und ihn nicht als unzulässig zurückgewiesen hätte, wäre die belangte Behörde berechtigt gewesen, § 44b Abs. 1 Z. 1 NAG in ihre Beurteilung einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2012/22/0069). Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, dass der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19. September 2011, welches am 23. September 2011 in Rechtskraft erwuchs, ausgewiesen wurde, blieb unbestritten. Vor dem Hintergrund der seit der Ausweisung bloß geringen vergangenen Zeit und anhand der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, nämlich Verbesserung der Deutschkenntnisse und eine Arbeitsplatzzusage sowie Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben für den Beschwerdeführer, kann nicht gesehen werden, dass Sachverhaltsänderungen vorliegen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der von der Behörde anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich. Welche konkreten Schlussfolgerungen aus den vorgelegten Urkunden zu ziehen, welche weiteren Erhebungen durchzuführen und welche konkreten Feststellungen daher zu treffen gewesen wären, lässt die Beschwerde offen, weshalb es den behaupteten Verfahrensmängeln an der Wesentlichkeit fehlt. Eine allfällige Ergänzung der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark wäre gemäß § 44b Abs. 2 NAG nur dann in Betracht gekommen, wenn kein Fall des § 44b Abs. 1 Z. 1 oder 2 vorgelegen wäre.

Es ist aber auch - was letztlich infolge der vorgenommenen Antragsabweisung im Mittelpunkt der Betrachtung steht (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom 23. Mai 2012) - die Ansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass auch unter Berücksichtigung der bisherigen Gesamtaufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich die von ihm im Sinn des Art. 8 EMRK geltend gemachten gesamten Umstände nicht von solchem Gewicht seien, dass der Verstoß gegen die Fremdenrechtsordnung im Hinblick auf seine privaten und familiären Interessen hätte akzeptiert werden müssen. Der Beschwerdeführer durfte vielmehr mit Blick auf das unberechtigte Asylbegehren von Beginn an nicht darauf vertrauen, in Österreich bleiben zu können. Sein Aufenthaltsstatus stellte sich somit stets als unsicher dar. Die von ihm ins Treffen geführten Umstände sind demgegenüber in ihrer Gesamtheit nicht so außergewöhnlich, dass sie die - als hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Wahrung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen könnten.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2012

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