Normen
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs3 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2011/I/038;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2012220069.X00
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind ihre Kinder. Alle sind armenische Staatsangehörige.
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 43 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Diese Bescheide wurden - im Wesentlichen gleichlautend - von der belangten Behörde damit begründet, dass der Viertbeschwerdeführer am 18. August 2008, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin am 29. September 2009 und der Erstbeschwerdeführer am 1. November 2010 unrechtmäßig in Österreich eingereist seien. Den von ihnen nach ihrer Einreise gestellten Anträgen auf internationalem Schutz sei keine Folge gegeben worden. Die beschwerdeführenden Parteien seien auch - im Instanzenzug - vom Asylgerichtshof ausgewiesen worden. Die Ausweisungen seien seit März 2011 rechtskräftig.
Am 5. September 2011 hätten die beschwerdeführenden Parteien die hier gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen nach § 43 Abs. 3 NAG eingebracht. Über Vorhalt, dass beabsichtigt sei, die Anträge wegen der rechtskräftigen Ausweisungen zurückzuweisen, weil kein geänderter Sachverhalt hervorgekommen sei, sei von den beschwerdeführenden Parteien vorgebracht worden, der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin lebe seit 18 Jahren in Österreich und sei österreichischer Staatsbürger. Er könnte die beschwerdeführenden Parteien aus den Einnahmen seines Lebensmittelgeschäftes versorgen. Die Drittbeschwerdeführerin wolle in Österreich studieren, der Viertbeschwerdeführer könnte im Betrieb seines Onkels (des Bruders der Zweitbeschwerdeführerin) arbeiten. Weiters sei vorgebracht worden, dass sich die soziale Integration der beschwerdeführenden Parteien nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes weiter zu ihren Gunsten gebessert hätte. Im Asylverfahren wäre nicht zur Sprache gekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien bereits im Jahr 1998 ihre Heimat verlassen und in Deutschland um Asyl angesucht hätten. Im Anschluss hätten sie in H gelebt. Sohin hätten die beschwerdeführenden Parteien bereits vor 13 Jahren ihre Heimat verlassen. Weiters hätte der Erstbeschwerdeführer mittlerweile die Deutschprüfung auf "Basis Modul A2 Integrationsvereinbarung" absolviert. Es läge für ihn auch eine Einstellungszusage vor.
Dieses Vorbringen habe die Behörde erster Instanz zum Anlass genommen, den Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen, sondern "auf Grundlage des Art. 8 EMRK in Verbindung mit § 11 Abs. 3 NAG" eine inhaltliche Prüfung der Anträge vorzunehmen.
Die Berufungsbehörde vertrat in ihrer rechtlichen Beurteilung zunächst die Auffassung, dass eigentlich keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts im Sinne des § 44b Abs. 1 NAG vorliege. Seit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Ausweisungen sei nicht einmal ein Jahr vergangen. Weder den von den beschwerdeführenden Parteien bestandenen Sprachprüfungen noch dem vorgelegten Dienstvorvertrag sowie dem Schulbesuch der Drittbeschwerdeführerin könne eine solche Bedeutung beigemessen werden, dass bei einer Gesamtbetrachtung eine andere Beurteilung (nach Art. 8 EMRK) geboten wäre. Vor diesem Hintergrund gehe die belangte Behörde davon aus, dass nicht einmal ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG vorliege. Es wäre sohin auch gerechtfertigt gewesen, die Anträge der beschwerdeführenden Parteien zurückzuweisen. Andererseits sei es aber auch nicht ungerechtfertigt, ihre Anträge einer inhaltlichen Prüfung, wie es die Behörde erster Instanz getan habe, zu unterwerfen. Im Weiteren ging die belangte Behörde davon aus, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien schon deshalb, weil auch die Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 NAG hätte vorgenommen werden dürfen, keinesfalls geeignet sein könne, einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltstiteln im Weg des Art. 8 EMRK zu begründen.
Ergänzend führte die belangte Behörde noch aus, dass die Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien, das Heimatland bereits vor 13 Jahren verlassen zu und versucht zu haben, in Deutschland durch Asylanträge Fuß zu fassen, nicht geeignet sei darzulegen, dass in Österreich eine derartige Integration bestehe, wonach Aufenthaltstitel zu erteilen wären. Sohin könne - so die belangte Behörde abschließend - auch eine Neubeurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht zu Gunsten der beschwerdeführenden Parteien ausfallen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, erwogen:
In den vorliegenden Beschwerdefällen war das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 (FrÄG 2011) anzuwenden.
§ 43 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 Z 1 NAG lauten:
"§ 43. …
(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn
1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und
2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
…
§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung
rechtskräftig erlassen wurde, oder
..."
Die Beschwerden wenden sich - wie bereits im Verwaltungsverfahren - gegen die Auffassung der belangten Behörde, es sei nach Art. 8 EMRK nicht geboten, den beschwerdeführenden Parteien Aufenthaltstitel erteilen zu müssen, mit dem Hinweis auf den in Österreich lebenden Bruder der Zweitbeschwerdeführerin sowie auf einen Bruder und die Schwiegermutter des Erstbeschwerdeführers, denen mittlerweile Aufenthaltstitel erteilt worden seien. Weiters werden die Absolvierung der Deutschprüfung und der "abgeschlossene(..) Vorvertrag" ins Treffen geführt.
Die beschwerdeführenden Parteien lassen aber unbestritten, dass sie mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 7. März 2011, welches am 10. März 2011 in Rechtskraft erwachsen ist, ausgewiesen wurden. Es kann schon die Ansicht der belangten Behörde, dass bereits § 44b Abs. 1 Z 1 NAG in den vorliegenden Fällen der Erteilung von Aufenthaltstiteln an die beschwerdeführenden Parteien entgegengestanden wäre, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. zu den Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ausführlich das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zl. 2011/22/0035 bis 0039, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Vor dem Hintergrund der seit den Ausweisungen bloß geringen vergangenen Zeit und anhand der von den beschwerdeführenden Parteien geltend gemachten Umstände, nämlich Verbesserung der Deutschkenntnisse und Bereitschaft des Bruders der Zweitbeschwerdeführerin, die beschwerdeführenden Parteien, die in seinem Betrieb mitarbeiten sollen, zu versorgen, kann nicht gesehen werden, dass Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der von der Behörde anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich. Daran vermag auch das weitergehende Vorbringen, es seien Verwandten bereits Aufenthaltstitel erteilt worden, nichts zu ändern.
Es ist aber auch - was letztlich infolge der vorgenommenen Antragsabweisungen im Mittelpunkt der Betrachtungen steht - die Ansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass unter Berücksichtigung der bisherigen jeweiligen Gesamtaufenthaltsdauer der beschwerdeführenden Parteien in Österreich die von ihnen im Sinn des Art. 8 EMRK geltend gemachten gesamten Umstände nicht von solchem Gewicht seien, dass ihnen auf Grund dessen nach Art. 8 EMRK ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zuzugestehen wäre, und hätte akzeptiert werden müssen, dass sie mit ihrem Verhalten letztlich versuchen, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Die beschwerdeführenden Parteien durften vielmehr im Hinblick auf das unberechtigte Asylbegehren - schon mit Blick auf das in Deutschland geführte Asylverfahren, wo bereits zuvor asylrelevante Gründe verneint wurden - von Beginn an nicht darauf vertrauen, in Österreich bleiben zu können. Ihr Aufenthaltsstatus stellte sich somit stets als unsicher dar. Die von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführten Umstände sind demgegenüber in ihrer Gesamtheit nicht so außergewöhnlich, dass sie die als - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Wahrung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen könnten.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die jeweils behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
Wien, am 23. Mai 2012
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