VwGH 2012/09/0049

VwGH2012/09/004931.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerden der SK in W, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer, DDr. Manfred Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Pollheimerstraße 12, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 20. Juni 2011, zu 1.) Zl. VwSen-252462/10/Lg/Ba und zu 2.) Zl. VwSen-252463/10/Lg/Ba, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien:

Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerden, den vom Verfassungsgerichtshof nach Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten und den angefochtenen Bescheiden steht folgender Sachverhalt fest:

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als die gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung Berufene der S GmbH mit Sitz in

L zu vertreten, dass diese Gesellschaft

1.) am 18. Juli 2008 vier näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige

2.) am 17. März 2009 eine näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige

als Prostituierte beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch ad 1.) vier Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begangen. Es wurden vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 34 Stunden) verhängt. Ad 2.) habe sie eine Übertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden) verhängt.

Die belangte Behörde begründete ihre Bescheide inhaltlich übereinstimmend folgendermaßen (die wörtliche Begründung stammt aus dem erstangefochtenen Bescheid, Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte die (Beschwerdeführerin) dar, beim gegenständlichen Nachtclub handle es sich um einen Bordellbetrieb. Die Damen würden sich über Inserat melden und erhielten eine Wohngelegenheit für 40 Euro pro Monat (bzw. entsprechend weniger bei kürzerer Bleibedauer). Die Wohngelegenheit bestehe aus mit Kolleginnen zu teilenden möblierten Schlafzimmern mit Gemeinschaftsküche in einem Nachbarhaus. Dort würden sich die Damen auch für ihre Tätigkeit im Bordell umkleiden. Damals hätten alle Damen bei der (Beschwerdeführerin) gewohnt.

Im Lokal gäbe es 'allgemeine Tarife'. Dabei handle es sich um einen unverbindlichen Vorschlag. Die Damen könnten verlangen was sie wollten. Das Geld für die Prostitutionsleistungen werde von den Damen selbst kassiert. Am Morgen werde vom Kellner mit den Damen abgerechnet, bis die Arbeitszimmermiete vollständig geleistet sei.

Für das Arbeitszimmer bezahlen die Damen 560 Euro pro Monat. Vom Liebeslohn würden jeweils 100 Euro abgezogen bis die 560 Euro erreicht seien. Analog verhalte es sich mit den 60 bzw. 40 Euro. Von diesem Betrag bezahle die (Beschwerdeführerin) das Pauschale an das Finanzamt und die Versicherung. Die Zimmer stünden den Damen nicht exklusiv zur Verfügung, sondern jede Dame benutze im Bedarfsfall jeweils ein gerade freies Zimmer. Das Lokal verfüge über 7 Arbeitszimmer, im Lokal würden in der Regel 6 bis 8 Damen arbeiten. Wenn eine Dame auf das Zimmer gehe, sage sie dem Kellner, ob sie das Zimmer 20 Minuten oder länger brauche, was der Kellner notiere.

Die Damen hielten sich im eigenen Interesse weitgehend an die Öffnungszeiten, eine Anwesenheitspflicht bestehe jedoch nicht. BU habe tagsüber gelegentlich auch in einem anderen Lokal gearbeitet. Wenn die Damen 'frei' haben wollen, sagen sie es vorher, dann würde weder das Geld für das Arbeitszimmer noch für die Wohngelegenheit kassiert.

Die im Akt auftauchenden Getränkekosten (zB 0,75 Sekt EUR 70/EUR 15) seien geplant gewesen, jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Getränkeumsatzbeteiligung nicht durchgeführt worden. Die von den Damen konsumierten Getränke bezahle der Gast.

In den Arbeitszimmern befänden sich Badewannen. Für die Damen gebe es im Lokal eine eigene Toilette. Die Beistellung der Hygieneartikel, der Bettwäsche und der Handtücher in den Arbeitszimmern erfolge durch das Lokal. Eine Pflicht zur Kondombenützung bestehe nicht. Bekleidungsvorschriften bestünden ebenfalls nicht. Im Jahre 2009 habe es eine Homepage-Werbung gegeben, in der Damen präsentiert worden seien und für die die (Beschwerdeführerin) die Kosten getragen habe. Diese Werbung sei mittlerweile wieder aufgegeben worden. Die Damen seien verpflichtet, die Gesundheitsbücher für den Fall der Kontrolle zu hinterlegen.

Das Kontrollorgan SE sagte zeugenschaftlich aus, die Ausländerinnen hätten die Angaben zu den Getränken auf die Frage nach dem Preis und dem Anteil der den Damen bliebe, gemacht. Die Deutschkenntnisse der Damen seien für diese Befragung ausreichend gewesen. Der Zeuge könne die diesbezüglichen Auskünfte der Damen aus eigener Anschauung bestätigen.

...

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus der Darstellung der (Beschwerdeführerin) in der öffentlichen mündlichen Verhandlung mit Ausnahme der Frage der Getränkeumsatzbeteiligung, hinsichtlich der Darstellung des Zeugen SE zu folgen ist. Dieser ist aufgrund seiner Stellung als Zeuge und staatliches Organ zur Objektivität verpflichtet, verfügt über einschlägige berufliche Erfahrung und trat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung überzeugend auf, wobei seine Aussage durch den Akteninhalt gestützt wird, den die (Beschwerdeführerin) mit dem Hinweis auf ein bloß geplantes System nicht befriedigend erklären vermochte.

Demnach sind für die Selbstständigkeit der Ausländerinnen sprechende Momente auszumachen: Die freie Preisvereinbarung mit dem Kunden und die Weisungsunabhängigkeit hinsichtlich der Art der Tätigkeit. Als, weil auch im eigenen Interesse gelegen, neutral ist die regelmäßige Anwesenheit während der Öffnungszeit einzustufen. Dasselbe gilt für die Nutzung der (nicht kostenlosen) Wohngelegenheit. Die Miete des Arbeitszimmers zu einem Fixbetrag erscheint wirtschaftlich als Beteiligung der (Beschwerdeführerin) am Liebeslohn, weil dem nicht die exklusive Miete eines bestimmten Zimmers für einen bestimmten Zeitraum gegenüber stand, wenngleich die (Beschwerdeführerin) aus diesen Beträgen die Sozialversicherungsbeiträge und das Pauschale für das Finanzamt bezahlte. Darüber hinaus genossen die Damen die Infrastrukturleistungen des Lokals von der Zimmernutzung über die eigene Toilette bis zur Beistellung der Hygieneartikel, der Bettwäsche und der Handtücher, des der Anbahnung dienenden Barbetriebs sowie die Unterstützung in Behördenangelegenheiten (laut (Beschwerdeführerin) gegenüber dem Finanzamt, dem Sozialversicherungsträger und der Gesundheitsbehörde). Umgekehrt profitierte die (Beschwerdeführerin) von der umsatzsteigernden Präsenz der Damen zum Barbetrieb. Ferner lag eine Getränkeumsatzbeteiligung vor. Die Pflicht zur Hinterlegung der Gesundheitsbücher ist als Weisung anzusehen. Aus diesen Gründen ist von einem Überwiegen der für die Arbeitnehmerähnlichkeit sprechenden Momente auszugehen (zum rechtlichen Hintergrund vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2009, Zl. 2009/09/0218 bis 224). Zur Irrelevanz der sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Anmeldung vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 2010, Zl. 2008/09/0217."

Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser wies die Beschwerden mit Erkenntnis vom 8. März 2012, B 1003/11-7, B 19004/11-7, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerden machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

1.) Die Beschwerdeführerin nimmt - wie schon in den Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof - das strafrechtliche Günstigkeitsprinzip für sich in Anspruch. Diesbezüglich genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2012, B 1003/11-7, B 1004/11-7, zu verweisen. Die von der Beschwerdeführerin gerügte Unschlüssigkeit der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes liegt nicht vor.

2.) Des Weiteren bringt die Beschwerdeführerin vor, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes läge eine selbständige Beschäftigung der Prostituierten vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird eine Tätigkeit wie die hier zu beurteilende Prostitution unter Beteiligung am Umsatz in einem Barbetrieb oder Nachtclub unter Beteiligung am Umsatz (wie hier in einem Bordell) in der Regel in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis erbracht. In solchen Fällen ist die Behörde berechtigt, zumindest von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2009, Zl. 2008/09/0087).

Angesichts der planmäßigen Eingliederung der betreffenden Ausländerinnen in die von der Beschwerdeführerin zu verantwortende Betriebsorganisation (wie etwa die sich aus der eigenen Aussage der Beschwerdeführerin ergebenden Sachverhalte, von denen die belangte Behörde zu Recht ausgehen durfte: den Prostituierten standen für die Ausübung der Prostitution keine "exklusiven" Arbeitsräume zur Verfügung, sondern ein jeweils freies Zimmer; es wurden den Prostituierten eine kostengünstige Wohngelegenheit mit Gemeinschaftsküche in unmittelbarer Nähe zur Verfügung gestellt; der von der Beschwerdeführerin als unverbindlicher Vorschlag bezeichnete "allgemeine Tarif" für die Preise der Prostitutionsausübung durfte von der belangten Behörde zu Recht als Preisfestsetzung gewertet werden, weshalb die angeblichen "Mietzahlungen" die Ablieferung des die anteilige Provision der Ausländerinnen am erzielten Umsatz übersteigenden Teiles der Kundenzahlungen darstellten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 2008, Zl. 2008/09/0002); vom Betrieb wurden die Räumlichkeiten zur Anbahnung ("Barbetrieb" mit Einrichtung) und Ausübung der Prostitution samt Infrastruktur (Zimmer mit Hygieneartikeln, Bettwäsche, Handtüchern, Bad) und Sondereinrichtungen wie "Whirlpool" und "Sauna" beigestellt; für die Prostituierten war eine eigene Toilette eingerichtet; die Beschwerdeführerin sorgte für die tatsächliche Durchführung der laufenden Gesundheitsuntersuchungen und holte die Bestätigungen der Bezirkshauptmannschaft im Gesundheitsbuch der Prostituierten ein; das Gesundheitsbuch hatte im Betrieb aufzuliegen; es wurde auf Betriebskosten jedenfalls in den Jahren 2008, 2009 eine "homepage" betrieben, in der die Mädchen "präsentiert" wurden), ist ihre Tätigkeit diesem Unternehmen zuzurechnen. Die festgestellten Tätigkeiten der Ausländerinnen in ihrer Gesamtheit stellten auch im vorliegenden Fall angesichts der wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung aller ihrer Aspekte mit dem von der Beschwerdeführerin repräsentierten Betrieb eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG dar.

3.) Angesichts dieser wesentlichen, für Unselbständigkeit sprechenden Aspekte bedarf es keiner näheren Untersuchung mehr, ob zusätzlich noch Getränkeprovisionen für Animation geleistet wurden, sodass sich auch erübrigt, ob die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde in einem mängelfreien Verfahren erging, weil selbst einem allfälligen Verfahrensmangel die Relevanz mangelte.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. Mai 2012

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