VwGH 2011/23/0471

VwGH2011/23/047117.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Q in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Juni 2010, Zl. E1/178683/2010, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 8. Dezember 2001 illegal in das Bundesgebiet ein. Sein am selben Tag gestellter Asylantrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24. April 2009 rechtskräftig abgewiesen; unter einem wurde die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Pakistan festgestellt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren in seinem Heimatstaat noch seine Eltern lebten, die dort "offensichtlich" eine Landwirtschaft betreiben würden. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer - ohne dies zu konkretisieren - auf seine soziale und wirtschaftliche Integration hingewiesen. Sein Antrag vom 4. Mai 2009 auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen sei inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden.

Die belangte Behörde sah ausgehend davon, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, den Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG als erfüllt an und führte weiter aus, dass im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG der schon achteinhalb Jahre andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu berücksichtigen sei. Dieser sei jedoch nur bis 29. April 2009 durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz "abgesichert" gewesen und seither illegal. Es bestehe kein Familienleben in Österreich; ein "gewisser Grad der Integration" sei unsubstantiiert geltend gemacht worden. Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien "durchaus anzunehmen". Bindungen zum Heimatstaat würden im Hinblick auf die dort lebenden Eltern des Beschwerdeführers bestehen. Berufliche Bindungen in Österreich seien nicht feststellbar, sei der Beschwerdeführer nach der Sozialversicherungsauskunft vom 28. Mai 2010 doch noch nie bei einem Arbeitgeber als beschäftigt gemeldet gewesen.

Bei einer Gegenüberstellung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe sah die belangte Behörde ein klares Überwiegen der Ersteren. Es komme der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) nämlich ein sehr hoher Stellenwert zu. Demzufolge stelle der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich eine starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Familiäre Bindungen bzw. nennenswerte berufliche Bindungen des Beschwerdeführers im Inland lägen nicht vor. Die für einen Verbleib in Österreich sprechenden privaten bzw. persönlichen Interessen seien "höchstens gering" ausgeprägt. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung der genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers zugelassen hätten, seien nicht zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Juni 2010) geltende Fassung. Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Abschluss des Asylverfahrens nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhält. Die behördliche Annahme, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2012, Zl. 2011/23/0326, mwN). Unter diesen Gesichtspunkten verweist der Beschwerdeführer auf die Dauer seines Aufenthalts in Österreich und die sich daraus ergebende soziale und wirtschaftliche Integration. Er verfüge über äußerst gute Sprachkenntnisse und habe zahlreiche freundschaftliche Bindungen auch zu österreichischen Staatsbürgern. Bereits mit seiner Berufung habe er seinen Wohnungsmietvertrag, einen Kontoauszug der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und eine Honoraraufstellung der Mediaprint vorgelegt. Dennoch habe die belangte Behörde vermeint, dass eine berufliche Bindung nicht feststellbar wäre.

Die belangte Behörde hat zu Recht darauf verwiesen, dass der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die - wie der Beschwerdeführer - nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens in Österreich unrechtmäßig verbleiben, was eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt.

Es gelingt der Beschwerde auch nicht, eine relevante Mangelhaftigkeit aufzuzeigen. Zwar ergab sich aus dem von der belangten Behörde beigeschafften Versicherungsdatenauszug, dass der Beschwerdeführer ab Jänner 2009 eine sozialversicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit ausübte. Dazu legte er im Verwaltungsverfahren auch Honorarnoten für die Monate März und April 2009 betreffend seine Beschäftigung als Zeitungszusteller vor. Dass der Beschwerdeführer auch nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens - somit ab Mai 2009 - noch einem legalen Erwerb nachgegangen wäre, wurde hingegen weder konkret vorgebracht noch nachgewiesen. Soziale Bindungen wurden im Verwaltungsverfahren lediglich unkonkret behauptet.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aber auch aus den von ihm ins Treffen geführten Umständen nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig. Die geltend gemachten Umstände stellen sich - auch unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids) von etwa achteinhalb Jahren, seiner Deutschkenntnisse und seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit - nämlich insgesamt nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht hat, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG nämlich vor allem auch berücksichtigen, dass er auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können. So musste der Beschwerdeführer spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrags (mit 24. Jänner 2002) im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung seines Antrags von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus ausgehen.

Dementsprechend wurde das Gewicht der erlangten Integration von der belangten Behörde zutreffend als gemindert angesehen. Die Beschwerde tritt auch der - auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren beruhenden - Feststellung, dass in seinem Heimatstaat noch familiäre Beziehungen zu den Eltern bestehen, nicht konkret entgegen. Wenn sie weiters fehlende Erhebungen und Feststellungen zu den Vorlieben und Hobbys des Beschwerdeführers rügt, zeigt sie mangels Ausführung konkreter Umstände, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätten führen können, die Relevanz einer allfällig darin gelegenen Mangelhaftigkeit nicht auf.

Es ist im vorliegenden Fall somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht schwerer gewichtete als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit Mai 2009 unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers (siehe auch das einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0176).

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. September 2012

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