Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62008CJ0127 Metock VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62008CJ0127 Metock VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein 1968 geborener serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit dem Jahr 1977 ständig im Bundesgebiet auf. Er verfügte zunächst über Sichtvermerke; zuletzt wurde ihm ab 22. März 2004 ein Niederlassungsnachweis erteilt.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. März 2009 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, der mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer bereits am 19. Juni 1984 straffällig geworden sei, als er gemeinsam mit einem Mittäter in ein abgestelltes Kraftfahrzeug eingedrungen sei und eine Sporttasche mit Fußballschuhen und Bekleidungsgegenständen gestohlen und das Autoradio zu stehlen versucht habe. Er sei deshalb am 23. April 1985 vom Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Am 3. Juni 1985 sei er daraufhin schriftlich ermahnt worden, dass er im Fall eines weiteren Fehlverhaltens mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu rechnen habe. Dennoch sei über ihn vom Strafbezirksgericht Wien am 5. April 1990 (mit Strafverfügung) wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig eine Geldstrafe verhängt worden, weil er am 3. September 1989 einem anderen einen Schlag gegen die Nase versetzt und ihm dadurch eine leichte Gehirnerschütterung und eine Hautabschürfung zugefügt habe.
Am 18. April 1994 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien schuldig erkannt worden, von Anfang September bis 24. September 1993 mit einem Mittäter insgesamt sieben Einbruchsdiebstähle in der Absicht begangen zu haben, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Er sei dafür nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 letzter Fall StGB sowie wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden, wovon acht Monate bedingt nachgesehen worden seien. Weiters sei er am 4. April 2000 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen schwerer Körperverletzung (gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 2. Jänner 2000 mit einer Reihe von Mitbeteiligten einem anderen zahlreiche Schläge und Tritte versetzt und ihm dadurch ein mit einer Bewegungseinschränkung verbundenes Hämatom am linken Auge zugefügt habe. Nur eineinhalb Jahre später, am 11. Oktober 2001, sei er vom Bezirksgericht Favoriten neuerlich wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am 24. August 1999 zwei Männer durch das Versetzen von Schlägen verletzt habe.
Zuletzt sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 6. Dezember 2005 wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er sich im Herbst 2004 EUR 100.000,-- unrechtmäßig zugeeignet habe. Dieser Betrag sei ihm vom Geschädigten übergeben worden, um ihn in Italien gewinnbringend anzulegen. Der Beschwerdeführer habe sich nach den Feststellungen des Gerichts zu keinem Zeitpunkt geständig oder reumütig gezeigt, sondern immer wieder versucht, das Gericht und die ermittelnden Beamten durch offensichtliche Unwahrheiten und laufende Änderungen seiner Aussagen an der Wahrheitsfindung zu hindern. Auffallend sei auch seine Gleichgültigkeit gewesen, mit der er dem Umstand begegnet sei, einem anderen einen derart hohen finanziellen Schaden zugefügt zu haben. Mangels Unrechtsbewusstsein sei bereits aus spezialpräventiven Erwägungen eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden. Der Beschwerdeführer sei jedoch am 30. September 2006 aus der Gerichtshaft geflüchtet und erst am 17. Oktober 2007 wieder festgenommen worden. Er befinde sich nach der Aktenlage nach wie vor in Strafhaft.
Rechtlich kam die belangte Behörde - nach Wiedergabe maßgeblicher Bestimmungen des FPG - zum Ergebnis, dass gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer Österreicherin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe, das Aufenthaltsverbot auf §§ 87, 86 FPG zu stützen sei. Durch die wiederholten Verurteilungen wegen Delikten gegen fremdes Vermögen einerseits sowie wegen (zum Teil) schwerer Vergehen gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen andererseits sei daher nicht nur der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG mehrfach verwirklicht, sondern es habe der Beschwerdeführer darüber hinaus auf Grund seines persönlichen Verhaltens auch dokumentiert, dass sein Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährde. Die besondere "Gemeingefährlichkeit" des Beschwerdeführers werde noch dadurch verstärkt, dass sich sein strafrechtliches Fehlverhalten gleichsam wie ein Faden durch die Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet ziehe. Daraus sei zu schließen, dass er ein massiv gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung seines Gastlandes habe und sich offensichtlich dessen Rechtsvorschriften nicht unterordnen könne und wolle. So habe auch das Landesgericht für Strafsachen Wien anlässlich der Verurteilung im Jahr 2005 festgehalten, dass der Beschwerdeführer keinerlei Reue gezeigt und damit nachhaltig dokumentiert habe, dass er keinerlei Bedenken habe, in fremdes Vermögen einzugreifen. Einen Gesinnungswandel durch die lange Strafhaft konnte die belangte Behörde auch wegen der monatelangen Flucht des Beschwerdeführers nicht erkennen.
Der Beschwerdeführer könne - so führte die belangte Behörde weiter aus - zweifellos auf enge familiäre Bindungen und einen langjährigen inländischen Aufenthalt verweisen. Allerdings komme einer aus dem inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die zahlreichen Straftaten erheblich gemindert werde. Die Bindung des Beschwerdeführers zu seinen Söhnen erfahre durch deren Volljährigkeit eine nicht unerhebliche Relativierung. Bei einer Gesamtbetrachtung hätten daher die privaten und familiären Interessen gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Dass der Beschwerdeführer durch das Aufenthaltsverbot von seinen Angehörigen getrennt werde, sei im Hinblick auf sein massives Fehlverhalten aus dem Blickwinkel der dadurch berührten öffentlichen Interessen in Kauf zu nehmen.
Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund nach § 61 Z 4 FPG liege nicht vor, weil der Beschwerdeführer erst seit seinem neunten Lebensjahr ständig in Österreich aufhältig sei.
Die belangte Behörde verneinte ferner die Möglichkeit, im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand nehmen zu können und begründete die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbots damit, dass derzeit nicht vorhergesehen werden könne, wann der für dessen Erlassung maßgebliche Grund weggefallen sein werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (März 2009) geltende Fassung.
In Anbetracht der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin prüfte die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbots zutreffend gemäß § 87 FPG am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG. Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer weist unstrittig die dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen auf. Er wendet gegen die Gefährdungsprognose der belangten Behörde jedoch ein, dass die Strafhaft ihre Wirkung, ihn zu bessern, erzielt habe und deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass er keine "einschlägigen Straftaten" mehr begehen werde. Aus diesem Grund sei bereits (nach der Aktenlage am 17. März 2009) mit bedingter Entlassung vorgegangen worden. Dies setze voraus, dass auch die Strafvollzugsbehörde zur Auffassung gelangt sei, dass der Beschwerdeführer keine weiteren Straftaten verüben werde.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen zu beurteilen hat (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 2012, 2011/23/0651, mwN). Unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ist ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters jedoch in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraums er sich in Freiheit nach einer Entlassung aus der Strafhaft wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2012, 2011/23/0299, mwN). Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer erst unmittelbar vor Erlassung des angefochtenen Bescheides aus der Strafhaft - der er sich zuvor durch Flucht über ein Jahr lang entzogen hatte - entlassen wurde, erweist sich dieser Zeitraum für die genannte Beurteilung aber jedenfalls als zu kurz.
Entgegen dem dahingehenden weiteren Beschwerdevorbringen lässt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. Juli 2008, C-127/08 , Rs Metock ua, ein unbedingtes Aufenthaltsrecht von straffällig gewordenen Fremden, die Angehörige von Österreichern sind, die zudem ihr unionsrechtlich eingeräumtes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, nicht ableiten. Selbst im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie wäre es zulässig, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 86 Abs. 1 FPG) ein Aufenthaltsverbot zu erlassen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. Mai 2012, Zl. 2011/18/0147, mwN).
Gemäß dem auch bei einem Aufenthaltsverbot nach § 86 Abs. 1 FPG anzuwendenden § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn dessen Auswirkungen auf die Situation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, dass er in Österreich die Schule besucht habe. Seine Ehefrau und seine Kinder seien österreichische Staatsbürger. Auch seine Verwandten befänden sich ausschließlich im Bundesgebiet, während verwandtschaftliche Beziehungen nach Serbien nicht mehr bestehen würden. Nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft sei er berufstätig und sorge für den Unterhalt seiner Familie.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass es sich beim Vorbringen einer wiederaufgenommenen Berufstätigkeit nach der bedingten Entlassung aus der Strafhaft um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt. Außerdem käme dem kein entscheidendes Gewicht zu. Im Übrigen vermag die Beschwerde in diesem Zusammenhang keine Umstände aufzuzeigen, welche die belangte Behörde noch nicht ausreichend berücksichtigt hätte. So ging auch die belangte Behörde von einem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland und von engen familiären Beziehungen (insbesondere) zu seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen, die alle österreichische Staatsbürger seien, aus. Zutreffend hielt die belangte Behörde jedoch auch fest, dass die Bindung des Beschwerdeführers zu den Söhnen bereits durch deren Volljährigkeit zu relativieren sei.
Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde aber zu Recht das aus seinen strafbaren Handlungen resultierende große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art gegenüber. Wenn die belangte Behörde daher angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer während nahezu seines gesamten Aufenthalts in Österreich immer wieder straffällig wurde und ungeachtet seiner familiären Beziehungen im Inland einerseits regelmäßig Gewaltdelikte setzte, andererseits mit steigender Intensität Straftaten gegen das Vermögen anderer beging, zum Ergebnis gelangte, dass das Aufenthaltsverbot zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums und der Gesundheit anderer - somit zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele - dringend geboten und daher auch iSd § 66 FPG zulässig sei, erweist sich dies nicht als rechtswidrig. Die mit dem Aufenthaltsverbot - im Hinblick auf die behaupteten fehlenden verwandtschaftlichen Bindungen zum Heimatstaat - gegebenenfalls verbundenen Schwierigkeiten und eine allfällige Trennung von seiner Ehefrau und den übrigen Verwandten sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.
Die Beschwerde, die die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht bekämpft, bringt schließlich auch keine Gründe vor, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. November 2012
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