VwGH 2011/23/0401

VwGH2011/23/040129.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Jänner 2009, Zl. E1/468.147/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger, befindet sich seit Dezember 2003 in Österreich, wo er seit 15. Dezember 2003 an einer Adresse in W gemeldet ist.

Am 4. Dezember 2003 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Sein in der Folge am 19. Februar 2004 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wurde im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 2007 rechtskräftig gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz abgewiesen, weil der Antrag unzulässig vom Inland aus gestellt worden sei. Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2008/22/0494, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Jänner 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel verfüge, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich des § 66 FPG - gegeben seien. Der Beschwerdeführer sei zwar seit 4. Dezember 2003 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet; ein gemeinsamer Wohnsitz bestehe aber bereits seit 1. September 2004 nicht mehr. Ein solcher habe nach den Meldedaten nur zwischen 15. Dezember 2003 und 31. August 2004 bestanden. Mit der Ausweisung sei daher - so führte die belangte Behörde weiter aus - angesichts dieser Umstände ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der mehrjährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers jedoch gravierend. Auch seine (nach der Aktenlage: einzigen) familiären Bindungen zu seiner österreichischen Ehefrau seien nicht geeignet, seine Interessen entscheidend zu verstärken. Ungeachtet dessen, dass seine Ehefrau die Ehe mit ihm vor der Erstbehörde wiederholt als eine über ihre Tante vermittelte Aufenthaltsehe bezeichnet habe, bestehe nun jedenfalls schon seit über vier Jahren kein gemeinsamer Wohnsitz mehr. Weiters habe die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits im Jänner 2005 ein Kind zur Welt gebracht, dessen Vater nicht der Beschwerdeführer sei. Dass der Beschwerdeführer seit 1. August 2007 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe, spreche mangels aktenkundiger Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht besonders zu seinen Gunsten.

Die belangte Behörde kam zum Ergebnis, dass angesichts dieser keinesfalls schwer wiegenden oder besonders ausgeprägten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers die Ausweisung dringend geboten und damit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei. Mangels sonstiger, besonders zu seinen Gunsten sprechender Umstände sah die belangte Behörde schließlich keine Veranlassung, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Ausweisung Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Jänner 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre. Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass auf ihn als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin die Ausweisung nicht auf § 53 Abs. 1 FPG sondern auf die §§ 87, 86 FPG zu stützen gewesen wäre. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsgrundlage für die Ausweisung unrechtmäßig aufhältiger Familienangehöriger von Österreichern, die ihr unionsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, nicht § 86 Abs. 2 FPG, sondern § 53 Abs. 1 FPG ist. Die Ausweisung des Beschwerdeführers setzt daher nach der - zur hier maßgeblichen Rechtslage ergangenen - Rechtsprechung nicht das Vorliegen der in der Beschwerde angesprochenen qualifizierten Gefährdung voraus (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom 21. Februar 2012, Zl. 2011/23/0127, mwN).

Hinsichtlich der in der Beschwerde relevierten gleichheitsrechtlichen Bedenken genügt der Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, VfSlg. 18.968.

Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang zunächst kritisiert, der angefochtene Bescheid gehe von einer Aufenthaltsehe aus, wobei es sich um eine "reine Mutmaßung" handle, ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde gerade keine Aufenthaltsehe annahm. Davon ausgehend kam sie auch zu einem durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde berücksichtigte in diesem Zusammenhang auch die Dauer des - zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung etwa fünfjährigen, durchgehend unrechtmäßigen - Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine Beschäftigung. Zu Recht ging die belangte Behörde jedoch auch davon aus, dass der Beschwerdeführer durch seinen mehrjährigen, zu keinem Zeitpunkt rechtmäßigen Aufenthalt gravierend gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verstoßen habe. Welche konkreten weiteren legalen Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers die belangte Behörde noch zu berücksichtigen gehabt hätte, stellt auch die Beschwerde nicht dar.

Angesichts des Umstands, dass seit Jahren kein gemeinsamer Wohnsitz zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau mehr besteht, ist aber auch der von der belangten Behörde gezogene Schluss, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen nicht überwiegen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang bloß in den Raum stellt, dass getrennte Meldeadressen nicht unbedingt gegen einen gemeinsamen Wohnsitz sprächen, tritt sie den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend konkret entgegen. Überdies gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 31. Oktober 2006 selbst an, dass er seit etwa sechs Monaten nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammenlebe und nicht wisse, wo sich diese derzeit aufhalte. Die Annahme der belangten Behörde, dass jedenfalls kein besonders ausgeprägtes Familienleben vorliege, erweist sich daher als nicht rechtswidrig. Weitere persönliche Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich werden in der Beschwerde nicht dargelegt.

Soweit die Beschwerde unkonkret eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch die belangte Behörde rügt, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Zudem bleibt die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang schuldig darzustellen, welches weitere Vorbringen zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können.

Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid, wie die Beschwerde meint, nicht ausreichend begründet sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. März 2012

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