VwGH AW 2011/07/0065

VwGHAW 2011/07/00656.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der X, vertreten durch Dr. S und Mag. J, Rechtsanwälte, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 9. September 2011, Zl. US 1B/2010/13-145, betreffend Genehmigung nach dem UVP-G 2000 für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur thermischen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen in P - S (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Parteien: 1. W GmbH, 2. W. H GmbH, beide vertreten durch O, H Rechtsanwälte GmbH), erhobenen und zur hg. Zl. 2011/07/0251 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

UVPG 2000;
VwGG §30 Abs2;
UVPG 2000;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. April 2010 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) den mitbeteiligten Parteien die Genehmigung für das Vorhaben "Errichtung und Betrieb einer Anlage zur thermischen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen samt Neben- und Begleitmaßnahmen" in den Standorten P und S unter Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen (Spruchteil III.).

Gegen diesen Bescheid wurden zahlreiche Berufungen erhoben.

Die belangte Behörde änderte mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. September 2011 den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich des Spruchteiles III. dahingehend ab, dass näher angeführte Auflagen entfielen, zusätzlich vorgeschrieben oder abgeändert wurden. Im Übrigen wurde den eingebrachten Berufungen einschließlich der Eventualanträge keine Folge gegeben. Ferner wurden das Wasserbenutzungsrecht zur Versickerung der Niederschlagswässer des bestehenden Vordaches des Rollagers mit einem näher genannten Grundstück verbunden und die zusammenfassende Vorhabensbeschreibung des erstinstanzlichen Bescheides ergänzt.

Zur Begründung des Antrages, ihrer gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, führte die beschwerdeführende Partei, eine Bürgerinitiative, aus, dass der Zuerkennung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden. Ferner hielt die beschwerdeführende Partei unter Bezugnahme auf ihr in der Beschwerde erstattetes Vorbringen fest:

"Mit der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wäre für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Sämtliche nachteiligen Auswirkungen auf die oben in Punkt I. angeführten Schutzgüter wie insbesondere Gesundheit, wären voll wirksam. Wie unter Punkt I. dieser Bescheidbeschwerde hinlänglich ausgeführt, ist ein zureichendes Ermittlungsverfahren zur Bewertung der zu erwartenden negativen Auswirkungen des Vorhabens in weiten Bereichen unterblieben. Das in mehreren Bereichen durch Sachverständigenausführungen auf fachlich gleichwertiger Ebene unterstützte Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde im angefochtenen Bescheid durchwegs nicht oder nicht ausreichend beachtet. Es besteht daher zwingender Grund zur Annahme, dass erhebliche berechtigte Interessen der Beschwerdeführerin bzw. der von ihr vertretenen Personengruppe durch einen sofortigen Vollzug des Bescheids bzw. die Ausübung des damit verbundenen Rechts schwer beeinträchtigt werden."

Abschließend führte die beschwerdeführende Partei aus, dass nach einem mehr als vierjährigen UVP-Verfahren, das insbesondere auf Grund wiederholter Verfahrensverzögerungen durch "die Projektwerberin" diese lange Zeitdauer in Anspruch genommen habe, die sofortige Umsetzung des Vorhabens nicht als geboten erscheine.

Die mitbeteiligten Parteien beantragten, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen. Die belangte Behörde gab zum Aufschiebungsantrag keine Stellungnahme ab.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. dazu den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. 10.381/A; ferner etwa den hg. Beschluss vom 6. April 2009, Zl. AW 2009/07/0009).

Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa den bereits zitierten Beschluss, Zl. AW 2009/07/0009, mwN).

In der oben zitierten Begründung des Aufschiebungsantrages betreffend das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils wird als Schutzgut, das von nachteiligen Auswirkungen im Falle des sofortigen Vollzuges des Bescheides betroffen sei, konkret die "Gesundheit" genannt.

Mit dem Vorbringen eines unzulässig eingeschränkten Prüfungsumfanges der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung und den in diesem Zusammenhang erstatteten Ausführungen, die Frage der Gesundheitsgefährdung durch Kumulation der Emissionen aus Alt- und Neubestand könne aus dem bisherigen Ermittlungsverfahren nicht geklärt werden, zeigt die beschwerdeführende Partei im Sinne der zitierten Judikatur einen mit der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid erteilten Genehmigung verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil auf Grund einer nachteiligen Beeinträchtigung der Gesundheit der Menschen nicht konkret auf.

Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen betreffend eine fehlende Vorschreibung der gesamten Abfallverbrennungs- oder Mitverbrennungskapazität gemäß § 5 Abs. 1 Z 4 Abfallverbrennungsverordnung, das Fehlen einer Prüfung der Nullvariante, die behauptete Verletzung der Sperrwirkung des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000, die Nichtvorlage der Ergebnisse einer Probeverbrennung in Essen, eine unzureichende Ermittlung der Auswirkungen des Vorhabens auf den Verkehr, die behördliche Beurteilung im Bereich Raumordnung, die Protokollierung der in erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung und die behauptete Rechtswidrigkeit von Auflagen.

Im Zusammenhang mit der Forderung der beschwerdeführenden Partei, dass eine durchgängige Kontrolle sowohl des internen Brennstoffes als auch des extern zugeführten Ersatzbrennstoffes auf Radioaktivität sichergestellt werde, hat die belangte Behörde, die in den angefochtenen Bescheid zusätzlich eine Auflage unter anderem betreffend die Verhinderung des Einbringens radioaktiver Stoffe in die Arbeitsstätte aufgenommen hat, ihre Beurteilung auf der Grundlage der Ausführungen des Amtssachverständigen für Abfallchemie getroffen. Nach dessen fachkundiger Beurteilung stellten die vorgesehenen Maßnahmen zur Eingangskontrolle den Stand der Technik dar und es könne - aus näher dargestellten Gründen - das Vorhandensein von radioaktiven Bestandteilen oder Anteilen in den vorgesehenen Abfallbrennstoffen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Auch hinsichtlich der in der Beschwerde ebenso bemängelten Eingangskontrolle für PVC-Abfälle verwies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die Ausführungen des Amtssachverständigen für Abfallchemie, wonach unter anderem bei der vorgesehenen thermischen Behandlung und der zusätzlichen Rauchgasreinigung die bei der Verbrennung von PVC gebildeten Schadstoffe nach dem Stand der Technik begrenzt werden könnten.

Ferner wurde im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf eingeholte gutachtliche Äußerungen die Festlegung des Grenzwertes für den Parameter "staubförmige Emissionen" näher begründet. Die belangte Behörde hat darüber hinaus unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen für den Fachbereich Immissionen dargelegt, dass eine Überschreitung des Grenzwertes an weniger als den gesetzlich festgesetzten 35 Tagen errechnet worden und das Irrelevanzkriterium für die PM10-Belastung im gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden sei.

Weiters hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründet, weshalb sie die Ausführungen der Sachverständigen für Meteorologie und für Immissionen unter anderem zur Eignung des der Immissionsbeurteilung zu Grunde gelegten Ausbreitungsmodells als schlüssig beurteilt hat und nicht den Bezug habenden Ausführungen in den in der Beschwerde genannten Gutachten gefolgt ist.

Die erwähnten, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Annahmen der belangten Behörde sind im Sinne der eingangs zitierten Judikatur nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. Ausgehend von diesen Annahmen der belangten Behörde ist nicht hervorgekommen, dass der (mögliche) sofortige Vollzug des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführende Partei mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden wäre.

Wie bereits ausgeführt, haben bei der Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens außer Betracht zu bleiben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 6. Juni 2012

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