Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 1. April 2008 wurde der Beschwerdeführer, laut seinem Vorbringen ein Angehöriger des Kosovo, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 10. September 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Jänner 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG abgewiesen worden sei, wobei gleichzeitig gemäß § 8 leg. cit. festgestellt worden sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, zulässig sei. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Mai 2006 abgewiesen worden. Einer vom Beschwerdeführer dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit hg. Beschluss vom 14. Juli 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Mit hg. Beschluss vom 6. September 2007 sei die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt worden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens sei er gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen.
Am 30. September 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung zum Nachteil des L. zur Anzeige gebracht worden. Demnach wäre es zwischen ihm und L. am 30. Juli 2005 in Traiskirchen im Zuge eines Streites zu einer gegenseitigen Körperverletzung gekommen. Anschließend hätte er L. im Krankenhauswagen gefährlich bedroht. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt sei mit Beschluss vom 16. Jänner 2006 von der Verfolgung des Beschwerdeführers nach außergerichtlichem Tatausgleich gemäß § 90g Abs. 1 StPO zurückgetreten.
Nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers sei dessen faktischer Abschiebeschutz gemäß § 19 Abs. 1 AsylG beendet gewesen. Er verfüge über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 leg. cit. und auch über keine fremden- oder asylrechtliche Aufenthaltsbewilligung. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei gemäß § 31 Abs. 1 FPG seit 7. September 2007 nicht rechtmäßig. Seine Ausweisung sei gemäß § 53 Abs. 1 FPG zulässig.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 10. September 2001 in Österreich auf und sei vom 1. Jänner 2005 bis 30. Juni 2005 als Arbeiter bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt gewesen. Seit 30. Jänner 2006 sei er als Arbeiter bei einem anderen Unternehmen beschäftigt. In Österreich lebten seine zwei Brüder, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, mit deren Familien. Laut den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren lebten seine Eltern und weitere Geschwister im Kosovo. Es sei davon auszugehen, dass durch die Ausweisung in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er sich seit 6 1/2 Jahren in Österreich aufhalte, seit etwas mehr als zwei Jahren einer Beschäftigung nachgehe und hier zwei Brüder von ihm lebten. Diesen Kontakt zu seinen Brüdern könne er - bis zu einer legalen Wiedereinreise - auch vom Ausland aus zumindest in einem eingeschränkten Umfang aufrechterhalten. Er lebe zwar im gemeinsamen Haus mit seinen Brüdern, habe jedoch nicht vorgebracht, dass eine Beziehung zu seinen Brüdern über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe. Seine Beschäftigung in Österreich könne er auf Grund einer befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis ausüben. Sein Vorbringen, er würde im Kosovo keine Unterkunft und keine Perspektiven am Arbeitsmarkt haben, führe zu keiner ausschlaggebenden Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, und es sei der Umstand der behaupteten schlechten wirtschaftlichen Situation in seinem Heimatland vom Schutzbereich des § 66 FPG nicht umfasst.
Die Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erheblich beeinträchtigt. Die aus seinem Aufenthalt während des Asylverfahrens ableitbare Integration in Österreich werde in ihrem Stellenwert maßgeblich dadurch relativiert, dass er auf einen Asylantrag zurückzuführen gewesen sei, der sich als unbegründet erwiesen habe. Unter Berücksichtigung des persönlichen Interesses an einem weiteren Aufenthalt in Österreich und der Wertung der geltend gemachten integrationsbegründenden Umstände sei die vorliegende Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und daher zulässig.
Die das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers betreffenden Umstände reichten in Verbindung mit einer Aufenthaltsdauer von 6 1/2 Jahren nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei und er über keine fremden- oder asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfüge, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bzw. des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer seit fast sieben Jahren in Österreich lebe, früher, als er noch keiner Beschäftigung nachgegangen sei, von seinen beiden Brüdern hier unterstützt worden sei und es ohne deren Unterstützung nicht geschafft hätte, die österreichische Sprache zu erlernen und sich hier sozial und am österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Er lebe mit den beiden Brüdern im gemeinsamen Haushalt, und es sei deren persönliche Beziehung als sehr eng zu bezeichnen. Wenn er vorgebracht habe, dass er im Kosovo in eine aussichtslose Lage gedrängt würde, weil er keine Unterkunft, keinen Arbeitsplatz und auch keine Chance hätte, die elementaren Lebensbedürfnisse (legal) zu befriedigen, so seien diese Tatsachen denklogisch Resultate des Verlustes seiner Bindung an den Kosovo während der letzten 6 1/2 Jahre. Seit er geflohen sei, habe er all seine Energie auf die Integration in Österreich gerichtet, und er könnte sich im Kosovo nicht mehr zurechtfinden. Die zu seinen Brüdern bestehenden Bindungen umfassten die Führung eines gemeinsamen Haushaltes und laufende gegenseitige Unterstützung. Auch habe er Einberufungsbefehlen im Kosovo in den Jahren 2001 und 2004 keine Folge geleistet, weil er in der albanischen Volksarmee als angeblicher Volksverräter um sein Leben zu fürchten gehabt hätte, und es drohe ihm deshalb dort die höchstmögliche Bestrafung nach dem Militärgesetz, die unmenschlicher Behandlung gleichkomme. Ferner habe die Behörde ignoriert, dass er für seinen derzeitigen Arbeitgeber nicht "irgendein Mitarbeiter" sei, sondern dieser seine Verlässlichkeit und Arbeitsleistung in überdurchschnittlichem Maße schätze, sodass dieser alles in seiner Macht Stehende unternehme, um ihm den Verbleib in Österreich zu ermöglichen. Die belangte Behörde hätte daher seinen Anträgen, ihn, seine Brüder und auch seinen Chef zu vernehmen, entsprechen müssen. Es widerspreche auch jeglicher Lebenserfahrung, würde man annehmen, dass Brüder im Alter von nahezu 30 Jahren in Österreich üblicherweise eine häusliche Familiengemeinschaft bildeten. Der Beschwerdeführer und seine Brüder befänden sich auf Grund ihrer Biografien in einer besonderen Situation, die sie auch auf besondere Weise zusammengeschweißt habe.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde auf die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 10. September 2001, seine Bindungen zu seinen beiden hier lebenden Brüdern, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt haben und mit denen er in einem Haus lebt, und deren Familien sowie den Umstand, dass er vom 1. Jänner 2005 bis 30. Juni 2005 und seit 1. Jänner 2006 jeweils als Arbeiter hier einer unselbstständigen Beschäftigung auf Grund einer befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis nachgegangen ist, Bedacht genommen und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 (Abs. 1) FPG angenommen. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration ist in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur auf Grund eines sich als unberechtigt erweisenden Asylantrages vorläufig berechtigt war. Dieser Asylantrag war mit erstinstanzlichem Bescheid vom 2. Jänner 2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden. Auch wenn dieser Bescheid auf Grund der von ihm erhobenen Berufung vorerst nicht in Rechtskraft erwachsen war, durfte er jedenfalls nicht mit Gewissheit annehmen, dass ihm ein dauerndes Aufenthaltsrecht zukommen würde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner Entscheidung vom 11. April 2006, Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), in einem Fall, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgeführt, dass ein bloß auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Falle der Stellung eines Asylantrages rechtmäßiger Aufenthalt nicht mit einem auf Grund einer ausdrücklichen Bewilligung zur Niederlassung rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden gleichzusetzen sei. So vermittelt eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung einen unsicheren Rechtsstatus, dem bei der Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ein geringer Stellenwert zukomme als eine Bewilligung zur Niederlassung. In dem genannten Beschwerdefall erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt.
Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung eines (humanitären) Aufenthaltstitels zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch nach den oben dargestellten Kriterien in der Judikatur des EGMR keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Österreich auszureisen.
Im Übrigen ist, wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer von seinen hier lebenden Brüdern unterstützt würde, darauf hinzuweisen, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Brüder mit finanziellen Mitteln im Ausland nicht möglich wäre. Seinem weiteren Beschwerdevorbringen, dass ihm im Kosovo die höchstmögliche Bestrafung nach dem Militärgesetz drohe, die einer unmenschlichen Behandlung gleichkomme, ist zu erwidern, dass mit der Erlassung einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, und dass die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat sich etwa im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 51 FPG, nicht jedoch im Verfahren betreffend die Erlassung einer Ausweisung stellt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0254, und vom 27. März 2007, Zlen. 2007/18/0056, 0057).
Die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig, begegnet daher keinen Bedenken.
3. Auch fallen - entgegen der Beschwerdeansicht - fremdenpolizeiliche Maßnahmen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2008/18/0129, mwN).
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. September 2009
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