VwGH 2010/05/0111

VwGH2010/05/011113.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten sowie Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des HS und 2. der He S, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. April 2010, Zl. BOB-797/09, betreffend eine Bauangelegenheit (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §67 Abs1;
BauO Wr §68 Abs1;
BauO Wr §69;
BauRallg;
AVG §38;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §67 Abs1;
BauO Wr §68 Abs1;
BauO Wr §69;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundehauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige der Eigentümerin der benachbarten Liegenschaft, D.-straße ONr. 127 (im Folgenden: Nachbarin) und nach Durchführung einer mündlichen Ortsaugenscheinverhandlung am 23. Oktober 2009 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/17 (im Folgenden: MA 37/17), mit Bescheid vom 10. November 2009 den Beschwerdeführern als Miteigentümern der Liegenschaft in Wien, D.-straße ONr. 125, gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) folgenden Auftrag:

"1.) Die Dachrinne der Einhausung des Dachausstieges der Wohnung Top Nr. 3, welche über die rechte Grundgrenze ragt, ist hinter die Grundgrenze zurückversetzen zu lassen.

2.) Das Geländer der Dachterrasse der Wohnung Top Nr. 3, welches über die rechte Grundgrenze ragt, ist hinter die Grundgrenze zurückversetzen zu lassen.

3.) Das Geländer der Dachterrasse der Wohnung Top Nr. 8, welches über die rechte Grundgrenze ragt, ist hinter die Grundgrenze zurückversetzen zu lassen.

4.) Der zur Wohnung Top Nr. 8 gehörige gartenseitige Erker sind durch Abtragen und Entfernen von 40 cm entsprechend der Baubewilligung vom 7. Juli 2006 (…), mit einem seitlichen Abstand von 3,00 m zur rechten Grundgrenze herstellen zu lassen.

Die Maßnahmen nach Punkt 1-4 sind binnen 7 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."

Begründend stützte sich die erstinstanzliche Behörde zunächst auf das von der Nachbarin mit ihrer Anzeige vorgelegte Privatgutachten des staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, Dipl. Ing. E, vom 20. April 2009, in welchem dieser auszugsweise Folgendes angab:

"3. BEFUND

Hr. DI H… hat in den unter 2.3. zitierten Teilungspläne den Grenzverlauf der Liegenschaft dokumentiert, den ich anlässlich meiner eigenen Vermessung überprüft und innerhalb der Fehlergrenzen des Vermessungsgesetzes für richtig befunden habe. Die in meinem Lageplan Beilage 5 im Text angegebenen Abstandsmaße beziehen sich alle auf diesen Grenzverlauf, welche Grenzpunkte auch in das technische Operat des Grenzkatasters (Beilage 1) übernommen wurden.

3.1. Abstand des gartenseitigen Erkers des Hauses D…straße 125 zur Grundstücksgrenze:

Durch kontrollierte doppelte unabhängig Vermessung wurde der Erker und der Gebäudeverlauf des Neubaus auf der Liegenschaft D…straße 125 an der gartenseitigen Baufluchtlinie vermessen und im Lageplan 1:100 (Beilage 5) dargestellt. Daraus ist ersichtlich, dass der geringste Abstand des Erkers lediglich 2,60 m zur Grundgrenze beträgt. Der in der Bauordnung normierte Grenzabstand von Erkern ist durch eine Abstandslinie von 3 m parallel zur Grenze im Lageplan 1:100 ebenfalls dargestellt.

4. GUTACHTEN

Der nächstgelegene gartenseitige Erker zur Liegenschaftsgrenze D…straße 127 unterschreitet um 40 cm den vorgeschriebenen Abstand gemäß § 84 (2) a), welche in der zitierten Bestimmung der Wr. Bauordnung mit mindestens 3 m vorgeschrieben ist.

Ich weise abschließend noch einmal darauf hin, dass alle Maßangaben auf jenen Grenzverlauf bezogen wurden, der in den Teilungsplänen zur Bauplatzbeschaffung von DI H… festgelegt und anlässlich der örtlichen Befundaufnahme von mit überprüft worden ist."

Des Weiteren wurde in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides auf ein Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, MA 41, Stadtvermessung, vom 23. September 2009, verwiesen, in welchem ausgeführt wurde:

"Auf Grund einer örtlich durchgeführten genauen Nachmessung und nach Auswertung der Meßergebnisse kann die MA 41 das Gutachten des Herrn Dipl. Ing. E… vollinhaltlich bestätigen.

Zu den Ausführungen von Herrn Dipl. Ing. H… vom 03.01.2007 wäre anzumerken, dass der Abstand des Erkers zur verlängerten Grundgrenze zwischen den Punkten 13588-13587 3m +/- 2 cm beträgt, dass diese Verlängerung im Bereich des Erkers jedoch nicht die Grundgrenze darstellt. Die Grundgrenze im Bereich des Erkers ist durch die Punkte 13586-13585 gegeben, wodurch sich der Abstand des Erkers von der Grundgrenze auf 2,60 m verringert."

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheid der MA 37/17 vom 7. Juli 2006 eine Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben (2. Planwechsel) sowie die Errichtung eines Zubaus bewilligt worden seien. Mit Bescheid vom 27. Februar 2007 sei die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung abgewiesen worden. Gegenstand dieser baubehördlichen Bewilligung sei unter anderem die Lageveränderung des zur Wohnung Top Nr. 8 gehörigen Erkers gewesen. Aus dem Einreichplan "Grundrisse, Ebene 3-5" sei ersichtlich, dass der Erker nunmehr breiter und weniger tief als in der Stammbewilligung projektiert worden sei. Eine Maßkote für den Abstand zwischen Grundgrenze und diesem Erker sei im Einreichplan nicht enthalten. Festzuhalten sei jedoch, dass eine Kopie eines Ausschnitts des Einreichplanes "Grundrisse, Ebene 3-5" vorliege, in welcher dieser Abstand handschriftlich vom Zivilingenieur für Bauwesen Herrn Dipl. Ing. Dr. B ergänzt und mit 3,00 m ausgewiesen worden sei. Daneben befinde sich der ebenfalls handschriftliche Vermerk "Gemäß Vermessung Dipl. Ing. H… vom 20.12.2006" sowie das Rundsiegel und die Unterschrift des genannten Zivilingenieurs für Bauwesen. Es bestehe daher kein Zweifel, dass mit dem Bescheid der MA 37/17 vom 7. Juli 2006, bestätigt mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 2007, ein Erker bewilligt worden sei, welcher einen Abstand von 3,00 m von der Grundgrenze einhalte. Dies werde in der Berufungsschrift sogar ausdrücklich behauptet. Aus dem Gutachten des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Herrn Dipl. Ing. E vom 20. September 2009 gehe jedoch unzweifelhaft hervor, dass der geringste Abstand des Erkers von der Grundgrenze lediglich 2,60 m betrage. Dieses Gutachten sei durch die mit Schreiben vom 23. September 2009 an die MA 37/17 übermittelten Feststellungen des Amtssachverständigen der MA 41 vollinhaltlich bestätigt worden. Auf Grund der in der Natur festgestellten Maße könne sohin keine Rede davon sein, dass plangemäß gebaut worden sei.

Soweit die Beschwerdeführer in der Berufung vorbrächten, es fehle eine Begründung dafür, warum die Grundgrenze im Bereich des Erkers anders verlaufen sollte als im Plan dargestellt und die Behörde unter Zuhilfenahme des Grundabteilungsplanes die genauen Maße des Bauplatzes hätte ermitteln müssen, so sei auf § 65 Abs. 2 BO hinzuweisen, wonach für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Baupläne und Beschreibungen der Planverfasser verantwortlich sei. § 67 Abs. 1 letzter Satz BO stelle klar, dass die Überprüfung durch die Behörde nicht die Vermutung schaffe, dass die vorgelegten Unterlagen richtig und vollständig seien.

Zu den von den Beschwerdeführern monierten Verfahrensmängeln führte die belangte Behörde aus, dass die Stellungnahme der MA 41 bereits in der Ortsaugenscheinsverhandlung vorgelegen und gemäß Verhandlungsschrift den Parteien zur Kenntnis gebracht worden sei. Zur Abwesenheit der anzeigenden Nachbarin sei zu bemerken, dass diese gemäß § 134 Abs. 7 BO im Bauauftragsverfahren keine Parteistellung habe. Ein Auftrag sei von Amts wegen zu erteilen, weshalb eine "Einigung" mit der Nachbarin somit nicht in Betracht komme.

Soweit die Beschwerdeführer weiters monierten, die Mängel stellten nur eine geringfügige Beeinträchtigung von Nachbarrechten dar, sodass der Rückbau des Erkers einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, sei festzuhalten, dass eine wirtschaftliche Abwägung bei Erlassung des Auftrages nicht vorgesehen und die wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht zu prüfen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 129 Abs. 10 BO in der anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 41/2008 (im Folgenden: BO) lautet:

"(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten."

Gemäß § 84 Abs. 2 BO haben Erker einen Abstand von 3 m von den Nachbargrenzen einzuhalten.

Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von den Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden. Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen (siehe das hg. Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. 2009/05/0157, mwN).

Die Beschwerdeführer bringen zusammengefasst vor, dass der Bau entsprechend der erwähnten Planwechselbewilligung und dem dieser zugrunde liegenden Vermessungsgutachten (mit Vermessungspunkten) des staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessung Dipl. Ing. H errichtet worden sei. Aus diesem Gutachten gehe hervor, dass die Grundgrenze, die im Bereich des Erkers durch die verlängerte Grundgrenze zwischen den Grenzpunkten 13588 - 13587 gebildet werde, nicht überschritten und der seitliche Abstand von 3 m eingehalten worden sei. Im vorgelegten Plan des Dipl. Ing. H befinde sich im Gegensatz zu dem von der belangten Behörde als Beweis verwendeten Plan des Dipl. Ing. E kein Auflösungszeichen über dieser durchgehenden Grenzlinie. Eine Begründung, warum die Grundgrenze im Bereich der Erker anders verlaufen solle, als in der Planwechselbewilligung mit Zustimmung der Nachbarin dargestellt sei, fehle. Vielmehr hätte die belangte Behörde durch einen Blick in den Grundabteilungsplan zur Beschaffung des Bauplatzes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft die genauen Maße des Bauplatzes ermitteln und hierfür insbesondere den ihr vorliegenden Grundteilungsplan heranziehen müssen, woraus der behauptete Abstand zur Grundgrenze im Ausmaß von 3 m hervorgehe. Da überdies Einwendungen zur Richtigkeit der im Gutachten angegebenen Grundgrenzen zu keiner Zeit erhoben worden seien und die entsprechende Baubewilligung in Rechtskraft erwachsen sei, liege zur Frage der Richtigkeit der Grundgrenze und des Abstandes des Erkers von der Grundgrenze entschiedene Sache vor, weshalb diese nicht neuerlich Gegenstand eines Bauverfahrens über denselben Gegenstand sein könnten. Die widerlegliche Vermutung des § 67 Abs. 1 BO sei in eine unwiderlegliche übergegangen.

Gemäß § 67 Abs. 1 BO (idF vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009), ist das Bauvorhaben auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen von der Behörde dahin zu überprüfen, ob es den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entspricht. Im Zuge dieser Überprüfung ist die Behörde berechtigt, die vorgelegten Unterlagen in jeder Hinsicht zu überprüfen. Die Überprüfung schafft nicht die Vermutung, dass die vorgelegten Unterlagen richtig und vollständig sind.

Unter diesen gesetzlichen Gesichtspunkten ist der Beschwerdeargumentation, zur Frage der Richtigkeit der Grundgrenze und des Abstandes zum Erker liege auf Grund des rechtskräftig abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens "Rechtskraft" sowie "entschiedene Sache" vor, zunächst entgegenzuhalten (wie schon die belangte Behörde betont hat), dass gemäß § 67 Abs. 1 BO selbst die Überprüfung der Gutachten und Berechnungen durch die Behörde im Baubewilligungsverfahren nicht die Vermutung schafft, dass die vom Bauwerber vorgelegten Unterlagen richtig und vollständig sind (vgl. Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 5. Auflage, 2005, S. 471, sowie Geuder, Sammlung des Wiener Baurechts, Teil III, zu § 67 BO). Abgesehen davon ist der Verlauf von Grundgrenzen nicht Gegenstand einer Baubewilligung, sodass durch die Baubewilligung somit die Richtigkeit des Verlaufes der Grundgrenzen nicht verbindlich festgestellt wird.

Unabhängig davon sind die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass zufolge der mit der Anzeige der Nachbarin vorgelegten Stellungnahme vom 20. April 2009 der staatlich befugte und beeidete Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen Dipl. Ing. E ohnedies die Richtigkeit des von Dipl. Ing. H in den Teilungsplänen dokumentierten Grenzverlaufes samt Grenzpunkten festgestellt und - nach seinen Angaben - diese seinen eigenen Maßangaben zugrunde gelegt hat. Folglich ist er zum Schluss gekommen, dass der "geringste Abstand des Erkers lediglich 2,60 m zur Grundgrenze" betrage. Mit dem Amtsgutachten der MA 41 vom 2. September 2009 wurde dieses Privatgutachten vollinhaltlich bestätigt. Dabei wies der Amtssachverständige ausdrücklich darauf hin, dass die "verlängerte Grundgrenze zwischen den Punkten 13588 - 13587 (…) im Bereich des Erkers nicht die Grundgrenze" darstelle.

Diesen Gutachten, die vor dem Hintergrund der im Verwaltungsakt einliegenden Darstellungen der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft (siehe Beilage 1 und 5 des Gutachten von Dipl. Ing E, AS 7 und 13, und siehe Grenzpunkte im Planausschnitt von Dipl. Ing. H, Bl. 22 verso) nicht als unschlüssig erkannt werden können, und damit insbesondere dem darin festgestellten Grenzverlauf, sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 10. April 2012, Zl. 2012/06/0024); dass nämlich der Erker zu der Grenze im Abschnitt zwischen den Punkten 13587 und 13588 einen Abstand von 3 m einhält (Schreiben des Dipl. Ing. H., Bl. 22), ist hier nicht maßgeblich, weil es auf die Entfernung zur Grenze im Abschnitt zwischen den Punkten 13586 und 13584 ankommt. Daher kann keine Rechtswidrigkeit darin gesehen werden, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens diese Gutachten ihrer Beurteilung zugrunde gelegt und festgestellt haben, dass der Abstand des Erkers von der Grundgrenze, die im Bereich des Erkers eben nicht durch die Verlängerung der Grenzlinie zwischen den Grenzpunkten 13588 und 13587 gebildet wird, lediglich 2,60 m beträgt und dieser Gebäudeteil sohin der Baubewilligung widerspricht.

Auch mit dem Einwand, im Hinblick auf die mit dem Bauauftrag verbundenen "hohen Kosten" und die "Unbewohnbarkeit" der betroffenen Wohnung hätte die Behörde "im Rahmen ihres Ermessenspielraums" nach § 129 Abs. 10 BO "unter Abwägung der wirtschaftlichen und städtebaulichen Interessen" zu prüfen gehabt, ob der Bauauftrag erforderlich sei, zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit auf. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten, und dieses - vorläufige - Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, Zl. 2011/05/0154, mwN). § 129 Abs. 10 BO sieht für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages eine wirtschaftliche Abwägung nicht vor, die wirtschaftliche Zumutbarkeit bei Erlassung eines Bauauftrages ist nach dieser Gesetzesstelle nicht zu prüfen (siehe die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2011, Zl. 2008/05/0257, und vom 31. Jänner 2012, Zl. 2009/05/0096).

Soweit die Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaupten, im Zuge des Lokalaugenscheins sei weder der Erker noch die hier Bezug habende Grundgrenze besichtigt, noch sei in der Natur der Verlauf der Grundgrenze gezeigt worden, fehlt es dem erstatteten Beschwerdevorbringen an der erforderlichen Relevanzdarstellung. Davon abgesehen haben sowohl Dipl. Ing. E als auch der Amtsgutachter der MA 41 ihre Gutachten auf vor Ort durchgeführte Vermessungen gestützt (siehe das Gutachten von Dipl. Ing. E vom 20. April 2009: "Durch kontrollierte doppelte unabhängige Vermessung wurde der Erker und der Gebäudeverlauf des Neubaus auf der Liegenschaft D…straße 125 an der gartenseitigen Baufluchtlinie vermessen (…)"; Amtsgutachten der MA 41 vom 23. Oktober 2009: "Auf Grund der örtlich durchgeführten genauen Nachmessung (…)"). Dass eine Überprüfung des Grenzverlaufs und des Erkers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr stattgefunden hat (ein solches Verlangen ist im Übrigen der Niederschrift nicht zu entnehmen), bewirkt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids.

Des Weiteren machen die Beschwerdeführer geltend, dass weder die Nachbarin selbst noch der "Privatgutachter" der Nachbarin noch ein Vertreter der MA 41 in der Verhandlung am 23. Oktober 2009 anwesend gewesen seien. Somit hätten keinerlei Fragen gestellt werden können. Der Privatgutachter und der Amtsgutachter der MA 41 wären gefragt worden, ob er die Maße des Bauplatzes durch Einsicht in den Grundabteilungsplan zur Beschaffung des Bauplatzes auf der gegenständlichen Liegenschaft erhoben habe und wo in der Natur die Grundgrenze nun tatsächlich verlaufe. Dabei wäre hervorgekommen, dass die Grundgrenze so gelegen sei, dass keine Überschreitung der Grundgrenze und keine Unterschreitung des Mindestabstandes vorliege und diese Grenze auch von der Nachbarin stets als die richtige angesehen worden sei.

Dem ist zu erwidern, dass die hier aufgeworfenen Fragen an den Privat- sowie den Amtsgutachter bereits durch die Ausführungen in den jeweiligen Gutachten beantwortet sind, weshalb die Beschwerdeführer auch hier die Relevanz nicht darzulegen vermögen. So hat Dipl. Ing. E in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die von ihm festgestellten Abstandsmaße auf den in den Teilungsplänen von Dipl. Ing. H dargestellten Grenzverlauf samt Grenzpunkten beziehen. Der Verlauf der Grundgrenze wurde in Beilage 1 und 5 des Privatgutachtens dargestellt. Dieses Gutachten wurde durch das Amtsgutachten der MA 41 vollinhaltlich bestätigt, die sich den darin enthaltenen Ausführungen über den Grenzverlauf somit vollinhaltlich angeschlossen hat. Darüber hinaus wurde, wie bereits dargelegt, beiden Gutachten von den Beschwerdeführern nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegnet.

Sofern die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringen, dass sie im Falle einer Anwesenheit der Nachbarin auf eine Einigung dahingehend gedrungen hätten, dass mit Zustimmung der Nachbarin ein Planwechsel eingebracht oder eine Baugenehmigung auf Widerruf erlangt werde, übersehen die Beschwerdeführer, dass die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen ist. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges, noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden (siehe das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 15. März 2011). Gleiches muss demnach auch für die Beschwerdeargumentation gelten, es bestehe die Möglichkeit, gemäß § 68 Abs. 1 und § 69 BO eine Ausnahmebewilligung für die Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes zu erwirken, wobei in diesem Zusammenhang eine Abwägung stattfinden müsse.

Vor diesem Hintergrund vermag auch das Beschwerdevorbringen, im Falle der Anwesenheit der anzeigenden Nachbarin hätte zudem eine Abschreibung des betreffenden rund 40 cm breiten Grundstücksstreifens und dessen Zuschreibung zur verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erreicht werden können, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. November 2012

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