VwGH 2011/05/0154

VwGH2011/05/015413.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des HG in Wien, vertreten durch Mag. Werner Tomanek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neutorgasse 13/4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 2011, Zl. BOB-637/10, betreffend Erteilung eines Bauauftrags (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;
AVG §39 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Mit Bescheid vom 15. November 2010 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) den Auftrag, das ohne Baubewilligung errichtete, zur Gänze unterkellerte, ca. 74 m2 große Kleingartenhaus binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides entfernen zu lassen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, das bestehende und vor dem 1. Mai 1997 errichtete Gebäude sei mit den Zielen der örtlichen Raumplanung vereinbar und der dazugehörige Garten diene zu Wohn- und Erholungszwecken. Es liege weder ein öffentliches noch ein Interesse der Nachbarn an einer Entfernung des Gebäudes vor, womit um eine Sonderbaubewilligung angesucht werde. Durch das seinerzeitige Ansuchen vom 14. März 2000 um Erteilung einer Sonderbaubewilligung gemäß § 71b BO liege ein Interesse "zur Erhaltung der Baulichkeit des bereits geschaffenen Wohnraumes" vor. In den letzten zehn Jahren seien sehr wohl Maßnahmen gesetzt worden, um einen bewilligungsfähigen Zustand der Baulichkeit zu erreichen. Der Beschwerdeführer ersuche um zeitliche Aussetzung des Abtragungsbescheides so lange, bis eine endgültige Entscheidung in der Umwidmungsfrage erfolgt sei; so könne er an seinem Haus bauliche Änderungen ausführen, die der neuen Widmung entsprächen, wodurch ein Erhalt seines Hauses gewährleistet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, das nach den unbestrittenen Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen auf der gegenständlichen Liegenschaft errichtete Kleingartenhaus stelle einen bewilligungspflichtigen Neubau dar, für den eine baubehördliche Bewilligung bisher nicht erwirkt worden sei. Das gegenständliche Kleingartenhaus sei mit Sonderbaubewilligung gemäß § 71b BO vom 14. Juni 2000 für die Dauer von zehn Jahren befristet bewilligt worden. Das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Erteilung einer (weiteren) Sonderbaubewilligung vom 21. Jänner 2010 sei hingegen mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 2010 rechtskräftig abgewiesen worden, sodass eine aufrechte Baubewilligung für das gegenständliche Kleingartenhaus unbestritten nicht vorliege. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend sein Ersuchen um zeitliche Aussetzung des Abtragungsbescheides führte die belangte Behörde unter Verweis auf die hg. Judikatur im Wesentlichen aus, dass der Behörde bei Erlassung eines Beseitigungsauftrages kein Ermessen zukomme und ein "Antrag" auf Widmungsänderung des Grundstückes keinen sachlich gerechtfertigten Grund für ein vorläufiges Unterbleiben des Beseitigungsauftrages darstelle. Zudem sei im baupolizeilichen Abtragungsverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu prüfen, ob die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Bewilligung bestehe. Ein Abtragungsauftrag könne jedoch während der Anhängigkeit eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens nicht vollstreckt werden und im Fall der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung sei der Abtragungsauftrag gegenstandslos.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 20. September 2011, B 425/11-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

In seiner ergänzten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinen subjektiven Rechten auf Achtung seines Eigentums sowie auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Verfahrens" verletzt und bringt dazu vor, dass § 129 Abs. 10 BO eine Ermessensentscheidung enthalte, weshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen sei. Hätte die belangte Behörde die gebotene Interessenabwägung berücksichtigt, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abbruch des Kleingartenhauses "im wirtschaftlichen Hinblick" unverhältnismäßig sei. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie ganzjährig in dem Kleingartenhaus lebe. Zwingende öffentliche Interessen, "die dagegenstehen", seien von der belangten Behörde nicht vorgetragen worden. Die bloße Wiedergabe des § 129 Abs. 10 BO sei jedenfalls ungeeignet das öffentliche Interesse an der Beseitigung zu konkretisieren. Die belangte Behörde habe sich mit der Rechtssache nur oberflächlich auseinandergesetzt und nicht festgestellt, ob der Beschwerdeführer eine nachträgliche Bewilligung erwirkt habe.

Für die Kleingartenanlage, auf dem sich das vom gegenständlichen Bauauftrag erfasste Bauwerk befindet, ist nach den von der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Widmung "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet" festgesetzt, weshalb auf diese Fläche das Wiener Kleingartengesetz 1996 (WKlG) anzuwenden ist (vgl. § 1 leg. cit).

Gemäß § 8 Abs. 1 WKlG ist für Neu-, Zu- und Umbauten von auf entsprechend gewidmeten Grundstücken errichteten Kleingartenhäusern und Kleingartenwohnhäusern eine Baubewilligung erforderlich.

Dass es sich bei dem vom Bauauftrag erfassten Bauwerk um ein Kleingartenhaus handelt und der Neubau eines solchen Gebäudes gemäß § 8 Abs. 1 WKlG bewilligungspflichtig ist, hat der Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen.

Nach der gemäß § 1 Abs. 2 WKlG anzuwendenden Bestimmung des § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einer baubehördlichen Baubewilligung bedurft hätte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0176). Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob für das gegenständliche Kleingartenhaus eine Baubewilligung vorliegt. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Sonderbaubewilligung im Jahr 2000 befristet auf die Dauer von zehn Jahren erteilt worden war. Durch den zwischenzeitig erfolgten Ablauf der befristet erteilten Sonderbaubewilligung trat (wiederum) ein konsensloser Zustand ein, der auf Grund der rechtskräftigen Abweisung des Ansuchens auf Erteilung einer (weiteren) Sonderbaubewilligung mit Bescheid der belangten Baubehörde vom 15. September 2010 auch zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Abtragungsauftrages noch gegebenen war, sodass dieser zu Recht ergangen ist.

Hingegen ist, wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Selbst ein eingebrachtes noch nicht erledigtes Baubewilligungsgesuch würde die Erlassung eines Auftrages nicht hindern. Wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2005/05/0075).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Behörde hätte bei Anwendung des § 129 Abs. 10 BO das ihr eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt, ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzuhalten. Demnach bedeutet die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige - Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. die bei Moritz, BauO für Wien4 (2009), S. 323 f., genannten Beispiele für das Zuwarten mit der Erteilung des Bauauftrages). Die persönliche Situation des Beschwerdeführers und seine Motive sind kein im Gesetz vorgesehener Grund, vom Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen, auch dann nicht, wenn keine Gefahr im Verzug besteht. Sachliche Gründe für ein Zuwarten mit der Erlassung des Bauauftrages hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Ein allfälliger Antrag auf Vornahme einer Widmungsänderung des betroffenen Grundstückes ist jedenfalls kein Grund für die Behörde, von der Erlassung eines Bauauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO Abstand zu nehmen (vgl. auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 14. Oktober 2005). Auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist bei Erlassung eines Bauauftrags nicht zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2009/05/0323, mwN).

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2011

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